Gericht | VG Cottbus 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 01.04.2021 | |
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Aktenzeichen | 5 K 1582/17.A | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0401.5K1582.17.A.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wird aufgehoben, soweit unter Ziffer 4 ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Der Kläger, ausweislich des vorgelegten Personalausweises am 01. Januar 1998 geborener syrischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die auf Gewährung internationalen Schutzes in Rumänien gestützte Ablehnung seines Asylantrages.
Nachdem der Kläger am 13. Mai 2016 in Griechenland und am 20. September 2016 in Rumänien einen weiteren Asylantrag gestellt und am 1. November 2016 in Rumänien internationalen Schutz erhalten hatte, stellte er am 2. Januar 2017 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt – einen dritten Asylantrag. Im Rahmen der Anhörung zur Zulässigkeit seines Asylantrages am 3. Januar 2017 gab der Kläger an, dass man in Rumänien nur ein Jahr lang Hilfe erhalte. Die Lebensumstände seien dort sehr schwierig. Für das rumänische Volk sei die Lage auch unerträglich. Im Übrigen habe er sein Studium fortsetzen wollen, was in Rumänien nicht möglich gewesen sei. Zu Beginn habe man einen Sprachkurs und dann die Schule besuchen sollen. Bis er die Sprache hätte erlernen können, wäre das Jahr vorbei gewesen. Es habe keine Möglichkeit gegeben, gleichzeitig zu arbeiten und zu studieren. Der Verdienst hätte auch nicht für die Miete und den Lebensunterhalt gereicht. Außerdem habe er seiner Familie in Syrien helfen wollen. Auch dieses wäre nicht möglich gewesen. Unter dem 26. April 2017 teilten die rumänischen Behörden mit, dass dem Kläger am 1. November 2016 der Flüchtlingsstatus zuerkannt, eine Aufenthaltserlaubnis und ein Reisepass für Flüchtlinge ausgestellt worden waren.
Mit Bescheid vom 14. Juni 2017 lehnte das Bundesamt als unzulässig ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes, drohte dem Kläger eine Abschiebung nach Rumänien innerhalb von 30 Tagen nach Unanfechtbarkeit des Bescheides an, stellte ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Syriens fest und verhängte ein Einreise- und Aufenthaltsverbot befristet auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Wegen der Begründung wird auf Seite 2 – 8 des Bescheides Bezug genommen.
Mit seiner beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) erhobenen und an das Verwaltungsgericht Cottbus verwiesenen Klage ficht der Kläger diesen Bescheid an.
Zur Begründung macht er gravierende Menschenrechtsverletzungen durch Rumänien geltend, weil anerkannten Schutzberechtigten keine ausreichende Hilfe gewährt werde. Das Land sei nicht einmal in der Lage, die eigene Bevölkerung angemessen zu versorgen. In Deutschland beherrsche der Kläger die Sprache mittlerweile auf dem Niveau B 1. Mit seiner in der Heimat erworbenen Vorbildung, Studium der Klimatechnik, könnte er im kommenden Sommer eine Ausbildung zum Klimatechniker beginnen. Allein die Corona-Einschränkungen verhinderten derzeit die anstehende B 2-Prüfung. Die Corona-Pandemie verschlechtere zusätzlich die Lebensbedingungen in Rumänien. In diesem Zusammenhang verweist der Kläger auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen. Des Weiteren vertritt er die Auffassung, dass eine Abschiebung nach Rumänien deshalb ausscheide, weil nach Artikel 4 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 2 Abs. 3 des Straßburger Abkommens vom 16. Oktober 1980 die Verantwortung für den in Rumänien als Flüchtling anerkannten Kläger auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen sei, weil die Wiederaufnahme nur innerhalb von 6 Monaten nach Ablauf des Reiseausweises möglich gewesen wäre. Der rumänische Reiseausweis sei nur bis zum 12. Dezember 2018 gültig gewesen.
Schriftsätzlich beantragt der Kläger,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Juni 2017 im Ausnahme der Feststellung unter Ziffer 3 Satz 4 aufzuheben,
hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG hinsichtlich Rumäniens festzustellen,
weiter hilfsweise Ziffer 3 und 4 des vorgenannten Bescheides mit Ausnahme der Feststellung unter Ziffer 3 Satz 4 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist hinsichtlich des unter Ziffer 4. des angefochtenen Bescheides verhängten Einreise- und Aufenthaltsverbotes begründet, weil diese Entscheidung bei der Fristbemessung die nachträglich entstandene Verwurzelung durch den Arbeitsvertrag nicht berücksichtigt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06. Juli 2020 – OVG 3 B 2/20 – Juris).
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist weitgehend rechtmäßig, jedenfalls verletzt er den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Der hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag ist unbegründet.
Die Unzulässigkeitsentscheidung über den Asylantrag findet in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ihre Grundlage. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dies ist vorliegend der Fall. Ausweislich des Eintrags in der EURODAC-Datei wurde dem Kläger in Rumänien am 5 Juli 2017 internationaler Schutz gewährt. Am Fortbestand dieser Schutzgewährung bestehen auch keine Zweifel. Das Unionsrecht sieht keinen Verlusttatbestand vor, der an den Fortzug in einen anderen Mitgliedsstaat anknüpft. Einer etwaigen Aberkennung des internationalen Schutzes muss ein gesondertes Verfahren vorausgehen, welches eine Unterrichtung des als schutzberechtigt Anerkannten und seine Anhörung einschließt (vgl. Art. 45 der Richtlinie 2013/32/EU). Dem Kläger ist weder eine Aberkennung seines Schutzstatus noch ein darauf abzielendes Verfahren bekannt geworden. Dass es in Bulgarien oder in Ungarn vorkommen soll, dass derartige Verfahren eingeleitet werden, besagt für den vorliegenden konkreten Fall nichts.
Dem Unzulässigkeitsverdikt steht auch kein höherrangiges Recht entgegen.
Art. 4 EU-GR-Charta schließt ein auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestütztes Unzulässigkeitsverdikt im vorliegenden Falle nicht aus. Ausgeschlossen wäre eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nur, wenn dem Antragsteller im Staat der Schutzgewährung die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen die Gewährleistungen des Art. 4 EU-GR-Charta droht (EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 – C-540/17 u.a. – und Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 u.a. -).
Vorliegend droht keine Verletzung von Art. 4 der EU-GR-Charta.
Gegen eine Verletzung von Art. 4 der EU-GR-Charta streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie), in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. – Juris Rn. 85) und dessen Umsetzung ins nationale Recht § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dient.
Die Anwendung dieser Vermutung ist nicht disponibel, sondern zwingend (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 u.a. – Rn. 41).
Die zur Widerlegung dieser Vermutung besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 90). Daher ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 88).
Vorliegend ist die unionsrechtliche Vermutung nicht widerlegt, da dem Gericht keine objektiven, zuverlässigen, genauen und gebührend aktualisierten Erkenntnisse zur Verfügung stehen, dass infolge Gleichgültigkeit rumänischer Behörden eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen.
Der rumänische Staat verhält sich gegenüber dort lebenden und von ihm als international schutzberechtigt anerkannten Personen nicht gleichgültig. Wegen der von ihm bereitgestellten Unterstützung haben Angehörige dieses Personenkreises nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine mit der Menschenwürde unvereinbare Situation extremer materieller Not oder Verelendung zu geraten (VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13. November 2019 - AN 17 S 19.50869 - Juris; VG Hannover, Beschluss vom 3. Juli 2018 - 12 B 3173/18 – Juris). Anerkannte international Schutzberechtigte sind rumänischen Staatsbürgern hinsichtlich des Zugangs zur Bildung, zur Gesundheitsversorgung, zum Arbeitsmarkt und zur Sozialversicherung gleichgestellt. (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hamburg vom 15. September 2017, Gz. 508-516.80/49419, S. 1; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Rumänien, Stand 19. Dezember 2018, S. 13; zit. nach VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris Rn. 68f). Bezüglich des rechtlich unbeschränkten Zugangs international Schutzberechtigter zum rumänischen Arbeitsmarkt mag in der Praxis die fehlende Beherrschung der rumänischen Sprache bei der Arbeitsplatzsuche hinderlich sein. Nach Auskunftslage sind jedoch Arbeitsplätze verfügbar, auch wenn das Lohnniveau regelmäßig recht gering ist. Insbesondere im Westen des Landes übersteigt das Angebot an Arbeitsplätzen die Anzahl der zur Verfügung stehenden Arbeitnehmer. Dort werden Arbeitskräfte selbst für unqualifizierte Arbeit gesucht. Hinderungsgründe, Arbeit in Rumänien finden zu können, bestehen insofern jedenfalls dann nicht, wenn von den Integrationsangeboten zur Sprachförderung und gegebenenfalls zur Qualifizierung Gebrauch gemacht und eine vergleichsweise niedrige Entlohnung in Kauf genommen wird. Lediglich für bestimmte qualifizierte Tätigkeiten (wie etwa als Arzt) bedarf es eines besonderen Nachweises, tatsächlich über die geforderte Qualifikation zu verfügen (aida (asylum information database), Country Report: Romania, 2019 update, Stand 31. Dezember 2019, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2019update.pdf, S. 148 f.; European Commission, Labour market integration of asylum seekers and refugees, April 2016, S. 5; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hamburg vom 15. September 2017, Gz. 508-516.80/49419, S. 5 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5. Dezember 2017, Gz. 508-516.80/49833, S. 7 f. ; zit. nach VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris Rn. 75f).
Sollte kein Einkommen aus einer Berufstätigkeit zu erzielen sein oder das Einkommen zur Sicherung der Existenzgrundlage nicht ausreichen, können international Schutzberechtigte erforderlichenfalls staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, um ihre Grundbedürfnisse abzudecken. Daneben leisten auch caritative Einrichtungen und verschiedene Nichtregierungsorganisationen im Rahmen unterschiedlicher, meist EU-geförderter Projekte, konkrete Hilfestellung. Die staatlichen und zivilgesellschaftlichen Unterstützungsleistungen für international Schutzberechtigte gehen dabei teilweise sogar über das hinaus, was rumänischen Staatsangehörigen im Fall ihrer Hilfsbedürftigkeit angeboten wird (aida (asylum information database), Country Report: Romania, 2019 update, Stand 31. Dezember 2019, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2019update.pdf, S. 156 ff.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hamburg vom 15. September 2017, Gz. 508-516.80/49419, S. 2; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5. Dezember 2017, Gz. 508-516.80/49833, S. 4 f. ; zit. nach VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris Rn. 77f). International Schutzberechtigte, deren Nettomonatseinkommen unter der garantierten Mindesteinkommensgrenze - etwa für eine Familie mit fünf Personen 527 RON (114 Euro) monatlich - liegt, können Sozialhilfe (ajutor social) beantragen. Dies gilt auch für bei dem zuständigen Sozialamt ihres Bezirks angemeldete wohnungslose Personen, wenn sie eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass sie die Leistung bei keiner anderen Gemeindeverwaltung beantragt haben. Innerhalb von 15 Tagen ab Antragseingang wird eine soziale Überprüfung veranlasst und binnen weiterer zehn Tage erfolgt eine Entscheidung über die Bewilligung der Sozialhilfe. Die Zahlung beginnt im auf die Bewilligung folgenden Monat. Familien mit minderjährigen Kindern beziehen Kindergeld, das für Kinder zwischen drei und 18 Jahren jeweils monatlich 84 RON beträgt. Zusätzlich besteht auf Antrag für Eltern mit Kindern unter bestimmten Voraussetzungen, zu denen insbesondere der unterbrechungslose Besuch einer Schule durch die Kinder zählt, die Möglichkeit, die Zahlung einer Familienbeihilfe zu erhalten. Während des Winters wird eine Heizkostenzulage gewährt (zum Ganzen Europäische Kommission, Ihre Rechte der sozialen Sicherheit in Rumänien, 2019, S. 13 ff., 33 ff., abrufbar unter: https://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=13772&langId=de; Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Dokumentation Sozialleistungen für Asylsuchende und Flüchtlinge in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten, WD 6 - 3000 - 056/16, 2016, S. 12 f., abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/437542/c0cefa93f919ae35ace1f89197bc41a7/wd-6-056-16-pdf-data.pdf. ; zit. nach VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris Rn. 79f). International Schutzberechtigte sind in Rumänien auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von Obdachlosigkeit bedroht. Nach den dem Gericht vorliegenden Informationen können international Schutzberechtigte ihr Recht auf eine Wohnung, das ihnen ebenso wie rumänischen Staatsbürgern zukommt, auch tatsächlich durchsetzen (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hamburg vom 15. September 2017, Gz. 508-516.80/49419, S. 4; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5. Dezember 2017, Gz. 508-516.80/49833, S. 6. ; zit. nach VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris Rn. 81f). Zwar ist ihnen die Anmietung einer Unterkunft auf dem freien Wohnungsmarkt im Vergleich zu rumänischen Staatsbürgern jedenfalls dann erschwert, wenn sie der rumänischen Sprache nicht mächtig sind (vgl. hierzu aida (asylum information database), Country Report: Romania, 2019 update, Stand 31. Dezember 2019, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2019update.pdf, S. 147 f. ; zit. nach VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris Rn. 83f). Insbesondere Nichtregierungsorganisationen - etwa "Consiliul National pentru Refugiati" - sind international Schutzberechtigten aber bei der Suche und Finanzierung einer Unterkunft außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen behilflich (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hamburg vom 15. September 2017, Gz. 508-516.80/49419, S. 2 ff. ; zit. nach VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris Rn. 85f). Dabei besteht die Möglichkeit, dass das rumänische Immigrationsbüro (IGI), vorbehaltlich verfügbarer Ressourcen, die anfallende Miete für anderweitig angemieteten Wohnraum für ein Jahr lang in Höhe von bis zu 50 % bezuschusst. Mietzuschüsse werden darüber hinaus auch im Rahmen EU-geförderter Projekte gewährt (vgl. hierzu hierzu aida (asylum information database), Country Report: Romania, 2019 update, Stand 31. Dezember 2019, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2019update.pdf, S. 147 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hamburg vom 15. September 2017, Gz. 508-516.80/49419, S. 6. ; zit. nach VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris Rn. 87f). Ist schon danach nicht beachtlich wahrscheinlich, dass international Schutzberechtigte in Rumänien von Obdachlosigkeit bedroht sind, kommt dem Umstand keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu, dass nach der Auskunftslage Sozialwohnungen, zu denen international Schutzberechtigte auch außerhalb des Integrationsprogramms oder nach Arbeitsaufnahme gleichermaßen wie rumänische Staatsbürger Zugang haben, faktisch (wohl) nicht zur Verfügung stehen und international Schutzberechtigte zur Vermeidung einer Obdachlosigkeit auf den freien Wohnungsmarkt zurückgreifen müssen (VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris Rn. 89f). Für besonders schutzbedürftige Personen - unbegleitete Minderjährige, Personen mit Behinderung, schwangere Frauen, Opfern von Menschenhandel oder Alleinerziehende mit noch nicht erwachsenen Kindern - besteht zusätzlich die Möglichkeit, unabhängig von einer Teilnahme am Integrationsprogramm bis zur Feststellung der Beendigung dieser besonderen Schutzgründe kostenlos in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht zu werden (vgl. aida (asylum information database), Country Report: Romania, 2019 update, Stand 31. Dezember 2019, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2019update.pdf, S. 156 ff.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Hamburg vom 15. September 2017, Gz. 508-516.80/49419, S. 5; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5. Dezember 2017, Gz. 508-516.80/49833, S. 5; zit. nach VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris Rn. 91f). Angesichts Art. 30 der Richtlinie 2011/95/EU besteht auch im Falle anerkannter Schutzberechtigter eine starke unionsrechtliche Vermutung dafür, dass die ihnen in Rumänien gebotene medizinische Versorgung angemessen sein wird (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 – C-578/16 PPU – Rn. 70 zu Art. 17 bis 19 der Richtlinie 2013/22/EU). Diese Vermutung wird durch die vorliegenden Erkenntnisse nicht etwa widerlegt, sondern bestätigt. Anerkannte Schutzberechtigte haben in Rumänien denselben Zugang zur Gesundheitsversorgung wie rumänische Staatsbürger. Soweit Personen, die keiner Arbeit nachgehen, Krankenversicherungsbeiträge - und zwar in Höhe von monatlich etwa 190 RON - entrichten müssen, können sie diese unter Umständen (jedenfalls zum Teil) von Nichtregierungsorganisationen erstattet bekommen. Nichtversicherte Personen haben Zugang zu medizinischer Notfallversorgung (vgl. hierzu aida (asylum information database), Country Report: Romania, 2019 update, Stand 31. Dezember 2019, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2019update.pdf, S. 159 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5. Dezember 2017, Gz. 508-516.80/49833, S. 4; zit. nach VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris Rn. 93f).
Personen mit Anspruch auf Sozialhilfe sowie die Mitglieder ihrer Familie, die Sozialhilfe beziehen, sind über das Krankenversicherungssystem versichert, jedoch von der Einzahlung von Krankenversicherungsbeiträgen befreit (VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Mai 2020 – 22 K 17460/17.A – Juris 95).
Unabhängig vom Vorstehenden finden sich keine Berichte darüber, dass Personen mit internationalem Schutzstatus in Rumänien extreme materielle Not leiden. Zunächst finden sich keine dahinlautenden Stellungnahmen des UNHCR. Anders als im Falle Bulgariens oder Griechenlands hat der Hohe Flüchtlingskommissar zu keinem Zeitpunkt einen Abschiebestopp hinsichtlich Rumäniens gefordert. Auch sonst ist den zugänglichen Quellen nicht zu entnehmen, dass gesunden und arbeitsfähigen Männern mit Schutzstatus extreme materielle Not droht. Zwar finden sich Berichte, wonach der tatsächliche Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen von Personen mit Flüchtlingsstatus oder subsidiärem Schutz, wie Sicherstellung von Ausbildung, Unterkunft, lebenslanges Lernen und Anstellung, öffentliche Gesundheitsversorgung und Sozialhilfe im Land unterschiedlich sei, abhängig vom Grad des Bewusstseins verschiedener öffentlicher und privater Akteure, die für die Sicherstellung dieses Zugangs verantwortlich seien (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Rumänien: Lage von Flüchtlingen und Asylsuchenden, Polizeigewalt, Unterbringungssituation, Zustände in Quartieren, Zugang zu Rechtsberatung vom 16. März 2020). Auch wird unter Berufung auf USDOS kritisiert, dass Personen mit internationalem Schutz Probleme in den Bereichen der Integration vor Ort, einschließlich beim Zugang zu für sie passenden Weiterbildungsmaßnahmen, Beratungsprogrammen und Einbürgerung hätten (ACCORD a.a.O). Es fehlen indes jedwede Hinweise darauf, dass international Schutzberechtigte der Obdachlosigkeit anheimfallen, also gezwungen sind, ohne Zugang zu sanitären Einrichtungen oder Nahrungsmitteln auf der Straße zu leben, ohne ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Das vollständige Fehlen von Hinweisen auf extreme materielle Not bei gleichzeitiger vielseitiger Berichterstattung über Beschwernisse oberhalb extremer Armut lässt nur den Schluss zu, dass extreme Not nicht oder allenfalls äußerst ausnahmsweise auftritt. Dieser Befund erscheint auch plausibel. Die oben zitierte Quelle berichtet nämlich davon, dass der tatsächliche Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen nicht landesweit einheitlich schlecht oder verschlossen, sondern im Land unterschiedlich sei. Bezugspunkt der Prüfung, ob Voraussetzungen des Art. 3 EMRK oder Art. 4 EU-Gr-Charta eingreifen, ist aber grundsätzlich der gesamte Abschiebungszielstaat (vgl. EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - 8319/07, 11449/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich - Rn. 65, 301, 309; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - Juris Rn. 26). Darüber hinaus leisten Nichtregierungsorganisationen konkrete Integrationsarbeit durch Beratungen, der Begleitung bei Behördengängen sowie durch die Bereitstellung von Bildungsangeboten. Vor allem der „Jesuit Refugee Service in Romania“ der katholischen Kirche stellt außerdem Unterkünfte für Männer, Frauen und Familien mit Kindern zur Verfügung, ebenso Nahrung, Bekleidung, Schulbedarf oder Haushaltsgegenstände sowie finanzielle Hilfen etwa für medizinische Behandlungen (siehe die Webseite dieser Organisation http://jrsromania.org/en/ sowie den Bericht der Flüchtlingsbeauftragten der Evangelischen Kirche Rumäniens unter http://www.evang.ro/fl%C3%BCchtlinge-in-rum%C3%A4nien/). Daneben erbringt auch die ökumenische Organisation AidRom in Abstimmung mit den rumänischen Behörden Integrationsleistungen wie Beratungen, materielle Unterstützung, Notfallhilfe und bietet Sprachkurse für Drittstaatsangehörige an (siehe http://aidrom.ro/english/index.php/about-aidrom). Es mag zwar trotz allem schwierig sein, eine geeignete Unterkunft, Arbeit und Bildungsangebote zu finden (so US Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2016: Romania, S. 22). Mögen die Kapazitäten der kirchlichen Hilfswerke und anderer Nichtregierungsorganisationen zahlenmäßig knapper bemessen sein, als im Falle staatlicher Träger. Quantitativ fehlt ihnen dennoch nicht die Eignung, elementare Not abzuwenden, weil auch die Zahl der Asylbewerber und international Schutzberechtigter in Rumänien vergleichsweise sehr niedrig ist. Rumänien liegt abseits der bevorzugten Flüchtlingsrouten. Dies schlägt sich in der Zahl sowohl der Asylantragsteller als auch - in der Folge - der anerkannten Schutzberechtigten nieder. Ausweislich der Daten von Eurostat haben im Jahre 2015 gerade einmal 1225 Asylbewerber erstmalig einen Asylantrag in Rumänien gestellt, in 2016 waren es 1855 Anträge (http://ec.europa.eu/eurostat /documents/2995521/7921614/3-16032017-BP-DE.pdf/28884e8a-bb55-48bf-85b6-b4157f131c55). Für 2015 wird von ungefähr 500 Fällen berichtet, in denen eine Form des internationalen Schutzes gewährt worden sein soll (siehe Bericht der Flüchtlingsbeauftragten der Evangelischen Kirche Rumäniens unter http://www.evang.ro/fl%C3%BCchtlinge-in-rum%C3%A4nien/). 2017, im Jahr unmittelbar nach der im November 2016 ausgesprochenen Zuerkennung internationalen Schutzes für den Kläger, sind lediglich ca. 200 Asylantragsteller als international schutzberechtigt anerkannt worden (vgl. Laenderdaten.info Asylanträge und Flüchtlinge in Rumänien, Entwicklung eingehender Asylanträge in Rumänien von 200 bis 2019). 2019 sind landesweit lediglich ca. 2600 Erst- und Folgeanträge gestellt worden (vgl. Laenderdaten.info a.a.O.). Mithin konzentriert sich die Arbeit der staatlichen Immigrationsbehörde und der genannten Organisationen auf eine vergleichsweise kleine Gruppe. Vor diesem Hintergrund ist erst Recht im Falle des Klägers, eines gesunden arbeitsfähigen jungen Mannes ohne Unterhaltslasten nicht zu erwarten, dass er in Rumänien extremer materieller Not anheimfallen wird.
An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts auf Grund der Covid-19-Pandemie. Zwar trifft es zu, dass die Wirtschaftsleistung in Rumänien zurückgegangen ist und 25.000 Unternehmen ihre Tätigkeit eingestellt oder eingeschränkt haben und 35.000 Hotel- und Gastronomiebetriebe ruhen (vgl. zum Stand Frühjahr 2020 VG Aachen, Urteil vom 3. Juli 2020 – 1 k 373/18.A). Dennoch finden sich keine Berichte darüber, dass diese Entwicklung zur Verelendung von anerkannten Schutzberechtigten führt. Ebenso wenig gibt es Hinweise darauf, dass staatliche oder caritative Hilfe eingestellt worden sind oder werden sollen. Im Übrigen teilt das erkennende Gericht nicht die im o.g. Urteil gestellte, aber nicht mit besonderer ökonomischer Sachkunde untersetzte Prognose, „dass eine wesentliche positive Änderung in nahe Zukunft (nicht) zu erwarten“ sei. Das Gegenteil trifft zu. Rumäniens Wirtschaft erholt sich schneller als erwartet. Im 4. Quartal 2020 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach vorläufigen Angaben von Eurostat um 5,3 Prozent und dämpfte die Rezession, was vermutlich auf die öffentlichen Investitionen und den staatlichen Konsum zurückzuführen ist (vgl. GTAI: „Rumäniens Wirtschaft erholt sich langsam“ vom 22. Februar 2021).
Unabhängig vom Vorstehenden sind die schlechteren Versorgungsbedingungen für anerkannte Schutzberechtigte in Rumänien als in wohlhabenderen EU-Mitgliedstaaten nicht etwa Ausdruck behördlicher Gleichgültigkeit, behördlichen Versagens oder gar mutwilliger Verweigerung von Unterstützungsleistungen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die typischerweise für die Mehrheit der Bevölkerung geltenden Standards in Rumänien deutlich niedriger sind als in Deutschland. Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich aber auf den dort für alle rumänischen Staatsangehörigen vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen. Denn aus Art. 3 EMRK lässt sich keine Bevorzugung gegenüber der einheimischen Bevölkerung herleiten (vgl. EGMR, Urteil vom 13. Dezember 2016 - 41738/10, Paposhvili/Belgien -, hudoc Rn. 189). Auch unterschiedliche Niveaus staatlicher Sozial- und Integrationsleistungen begründen keinen Verstoß gegen diese Norm (VG Hamburg, Urteil vom 9. Januar 2017 - 16 A 5546/14 -, juris Rn. 51). In Rumänien lagen jedenfalls Anfang 2016 indes die Sozialleistungsbezüge sogar über denen der rumänischen Sozialleistungsempfänger (vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung, Rumänien: Flüchtlinge im Land der Auswanderer?, Februar 2016, S. 2). Darüber hinaus lässt sich den Erkenntnissen entnehmen, dass anerkannte Schutzberechtigte diese ihnen formal zustehenden Rechte trotz teilweise bestehender Schwierigkeiten auch tatsächlich durchsetzen können (vgl. US Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2016: Romania, S. 20 f). Rumänien hat auch - anders als viele andere Länder - den speziellen Integrationsplan und mit dem nationalen Immigrationsbüro sowie mehreren Regionalzentren auch entsprechende behördliche Verwaltungseinheiten geschaffen. Das Funktionieren dieser staatlichen Strukturen wird dadurch belegt, dass Rumänien aktiv an dem europäischen Relocation-Programm gemäß dem Beschluss (EU) 2015/1601 des Rates zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland (ABl. L 248/80) teilnimmt. Im Jahre 2015 sind hierdurch mehr als 550 Asylantragsteller aufgenommen worden, denen zu nahezu 100% internationaler Schutz gewährt worden ist (vgl. US Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2016: Romania, S. 21). Staatliche Gleichgültigkeit zeigt sich auch nicht etwa daran, dass die Verweildauer in einer staatlichen Flüchtlingsunterkunft zeitlich begrenzt ist. Der Aufenthalt in einer Flüchtlingsunterkunft ist nach der Gewährung internationalen Schutzes auf sechs Monate begrenzt und bei Vorliegen besonderer Gründe um weitere sechs Monate verlängerbar, wobei von dem Entgelt von 1,4 Euro winters und 1,2 Euro sommers jeweils pro Tag Vulnerable und Bedürftige befreit sind (Aida: Housing aktualisiert am 30. November 2020). Eine solche Befristung verstößt nicht gegen Art. 4 EU-GR-Charta. Eine lebenslange Garantie für kostenlose Versorgung mit Wohnraum lässt sich Art. 3 EMRK nicht entnehmen. Art. 3 EMRK kann nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtete, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m.w.N., und Beschluss vom 2. April 2013 - 27725/10 - (Mohammed Hussein), ZAR 2013, 336 f. Rn. 70). Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich auf die für alle Inländer geltenden Voraussetzungen und Einschränkungen hinsichtlich des Empfangs von Sozialleistungen verweisen lassen (sogenannte Inländergleichbehandlung) (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juli 2019 – A 4 S 749/19 – Juris Rn. 93; OVG Lüneburg, Urteil vom 06. April 2018 – 10 LB 109/18 – Juris).
Die Abschiebungsandrohung, deren Fristsetzung zwar rechtswidrig ist, aber den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 – 1 C 51.18 – Buchholz 402.251 § 37 AsylG Nr 2 = Juris Rn. 21), findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 34, 35 AsylG. Danach erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 des AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Diese Voraussetzungen liegen vor. Es liegt weder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch ein solches nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vor.
Gem. § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Im Falle einer Abschiebung nach Rumänien droht keine konventionswidrige Behandlung. Dagegen streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie, in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. – Juris Rn. 85). Diese Vermutung wird nach dem Vorstehenden vorliegend nicht widerlegt.
Nichts Anderes gilt gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen der durch die Covid-19-Pandemie ausgelösten Gesundheitsrisiken. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK annehmen zu können. Denn die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Anderes gilt nur in besonderen Ausnahmefällen, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR <GK>, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich - Rn. 278; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 23, 25; BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2019 – 1 B 2.19 – Juris Rn. 6). Einen solchen Ausnahmefall hat der EGMR im Falle eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Die Annahme „anderer sehr außergewöhnlicher Fälle“ hält der EGMR nur in Situationen schwer kranker Personen für möglich, in denen stichhaltige Gründe für die Annahme aufgezeigt wurden, dass sie, obwohl sie nicht in unmittelbarer Lebensgefahr sind, mit einem realen Risiko konfrontiert würden, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Empfangsstaat oder des fehlenden Zugangs zu solcher Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu werden (EGMR, Urteil vom 16. Dezember 2016 No. 41738/10 Rn. 181). Diese Voraussetzungen liegen im Falle des jungen und gesunden Klägers offensichtlich nicht vor, der allenfalls das gleiche Risiko wie die gesamte rumänische Bevölkerung zu gewärtigen hat.
Ebenso wenig greift ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ein. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das normative Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG umfasst auch solche Gefährdungen; einer Prüfung bedarf es deshalb vor einer Aufenthaltsbeendigung in sichere Drittstaaten, wozu auch Rumänien als Mitglied der EU gehört, auch insoweit nicht (vgl. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, BVerfGE 94, 49-114, Rn. 186). Nichts Anderes gilt mit Blick auf die Covid-19-Pandemie. Dies gilt zunächst für die pandemiebedingten gesundheitlichen Risiken. Diesen Risiken ist die gesamte rumänische Bevölkerung ausgesetzt. In solchen Fällen ist eine Abschiebung nur dann ausgeschlossen, wenn der Betroffene im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127, 33-42, Rn. 16). Eine solche Extremgefahr scheidet im Falle des gesunden und jungen Klägers ohne Vorerkrankungen aus.
Selbst wenn pandemiebedingt erneut Einreisebeschränkungen verhängt werden sollten, begründete dies kein Abschiebungsverbot, weil die Unmöglichkeit der Abschiebung kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis bildet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1998 – 9 B 604.98 – Juris; BVerwG, Beschluss vom 01. September 1998 – 1 B 41.98 – Buchholz 402.240 § 50 AuslG 1990 Nr 4; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1998 – 9 B 409.98 – InfAuslR 1999, 525-526). Dies gilt erst recht bei absehbar vorübergehenden Hindernissen. Aufnahmebereitschaft rumänischer Behörden betrifft die Umsetzbarkeit der Abschiebung, begründet aber keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote, sodass der Ablauf der Gültigkeitsdauer von Aufenthaltstiteln unerheblich ist.
Auch aus dem Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 16. Oktober 1980 über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 30. September 1994 ergibt sich kein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel. Gem. Art. 2 dieses Abkommens gilt nach Ablauf von 2 Jahren des tatsächlichen und dauernden Aufenthalts im Zweitstaat mit Zustimmung von dessen Behörden oder zu einem früheren Zeitpunkt die Verantwortung als übergegangen, wenn der Zweitstaat – woran es hier bereits fehlt - dem Flüchtling gestattet hat, entweder dauernd oder länger als für die Gültigkeitsdauer des Reiseausweises in seinem Hoheitsgebiet zu bleiben. Zudem beschränkt Art. 5 des Abkommens die übergehende Verantwortung auf die Ausstellung des Reiseausweises für den Flüchtling, ohne einen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel zu begründen (bereits VG Cottbus Kammerurteil vom 22. August 2019 – 5 K 2319/16.A -; so auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 03. Dezember 2019 – 10 ZB 19.34074 – Juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. September 2018 – 7 B 11097/18 – Juris; Nds.OVG, Beschluss vom 02. August 2018 – 8 ME 42/18 – NVwZ-RR 2019, 387-390).
Die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Feststellung von Abschiebungshindernissen hinsichtlich Rumäniens ist zulässig, aber wie aus den oben gemachten Ausführungen ersichtlich unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.