Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung
Aufgrund von Wartungsarbeiten konnten seit Januar 2024 keine neuen Entscheidungen veröffentlicht werden. Alle Entscheidungen mit Stand vom 31. Dezember 2023 sind jedoch abrufbar. Zurzeit werden die noch ausstehenden Entscheidungen nachgepflegt.

Entscheidung 4 S 167/19


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 4. Zivilkammer Entscheidungsdatum 13.05.2020
Aktenzeichen 4 S 167/19 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2020:0513.4S167.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Zehdenick vom 19.09.2019, Az. 62 C 158/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Zehdenick ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen. Im Übrigen wird von der Abfassung des Tatbestandes gemäß § 313 a ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat die Beklagten zu Recht zur Zahlung von 3.900 € an die Klägerin verurteilt.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus einem am 30.01.2018 geschlossenen Vergleich in Verbindung mit § 779 Abs. 1 BGB zu.

1. Der Anwendbarkeit von § 779 Abs. 1 BGB steht nicht entgegen, dass Gegenstand des Vergleichs Streitigkeiten über einen Wildschaden bilden. Zwar sieht das Jagdgesetz für das Land Brandenburg (BbgJagdG) in seinen §§ 47 ff. ein Vorverfahren für die Feststellung von Wildschäden vor. Vor dessen Durchführung kann gemäß § 47 Abs. 1 LJagdG der ordentliche Rechtsweg nicht beschritten werden. Der Bundesgerichtshof hat wiederum entschieden, dass Inhalt und Reichweite der jagdrechtlichen Schadensersatzpflicht in den §§ 29 ff. BJagdG im Wesentlichen vollständig und abschließend geregelt sind (BGH, Urteil vom 04. März 2010 – III ZR 233/09 –, BGHZ 184, 334-344, Rn. 23).

Allerdings betrifft diese Rechtsprechung die Frage, ob und in welchem Umfang den Ländern ein Regelungsspielraum bei der Umsetzung entsprechender Regelungen auf Landesebene offensteht. Daraus lässt sich wiederum nichts zu der vorliegend maßgeblichen Frage ableiten, ob die Beteiligten eines Wildschadens dessen Regulierung neben der Feststellung nach §§ 47 ff. BbgJagdG auch im Wege eines Vergleichs nach § 779 Abs. 1 BGB vornehmen können. Hierzu teilt die Kammer die bejahende Auffassung des Amtsgerichts.

Danach können die Beteiligten zwar auf die Durchführung des Vorverfahrens nach dem BbgJAgdG nicht verzichten, wenn sie den Rechtsweg beschreiten wollen. Da das Vorverfahren aber lediglich zur Entlastung der Gerichte dient, sind die Beteiligten nicht gehindert, außerhalb eines Vorverfahrens und unter Verzicht auf eine gerichtliche Austragung Wildschadensachen im Wege freiwilliger Übereinkunft zu regeln. Das Recht der Beteiligten, Wildschadenssachen ohne Vorverfahren durch Vereinbarung zu regeln, bleibt daher von den Regelungen über das Vorverfahren im BbgJagdG unberührt (vgl. LG Koblenz, Urteil vom 21. November 1997 – 14 S 360/96 –, juris; AG Bingen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 22 C 359/11 –, Rn. 38, juris; Staudinger/Bernau (2018) BGB § 835, Rn. 43; Schuck, Bundesjagdgesetz, § 35 BJagdG, Rn. 23).

Auf die Richtigkeit dieses Ergebnisses deutet dabei schon der Wortlaut des BbgJagdG hin, der keine Einschränkungen der Privatautonomie der Beteiligten erkennen lässt. Das zeigt im Übrigen auch § 25 Abs. 4 AV zum BayJagdG, der deklaratorisch bestimmt: „Das Recht der Beteiligten, Wild- und Jagdschadenssachen ohne Vorverfahren durch Vereinbarung zu regeln, bleibt unberührt.

Darüber hinaus steht das vom Amtsgericht gefundene Ergebnis auch im Einklang mit dem Zweck des Vorverfahrens nach dem BbgJagdG und dessen Regelungszusammenhang. Wird das Verfahren im Wege einer gütlichen Einigung nach § 50 BbgJagdG beendet, so stellt die darüber erstellte Niederschrift einen Vollstreckungstitel nach den Vorschriften der ZPO dar (§ 50 Abs. 2 BbgJagdG). Dementsprechend sieht auch § 50 Abs. 1 BbgJAgdG neben einer Vielzahl von Verfahrens- und Inhaltsregeln vor, dass in der Niederschrift eine Belehrung über die Vollstreckbarkeit enthalten sein muss. Auf diesem Weg wird gewährleistet, dass die ohne Einschaltung eines Gerichts mögliche Erlangung eines Vollstreckungstitels nach § 50 BbgJagdG nicht übereilt erfolgt. Ein vergleichbares Bedürfnis besteht für einen Vergleich nach § 779 Abs. 1 BGB nicht, da der Vergleich noch kein Vollstreckungstitel ist.

Damit folgen weder aus Regelungszusammenhang, Wortlaut noch Zweck des Vorverfahrens nach dem BbgJagdG Anhaltspunkte, die dem Abschluss eines Vergleichs über einen Wildschaden nach § 779 BGB entgegenstehen könnten.

Die Kammer kann auch offenlassen, ob aus der von den Parteien getroffenen Vereinbarung deutlich hervorgehen muss, ein Anspruch auf Zahlung von Wildschadensersatz solle - unabhängig von einem Vorverfahren - allein auf Grund dieser Vereinbarung bestehen (in diesem Sinne: AG Soltau, Urteil vom 08. November 2016 – 4 C 94/16 –, Rn. 18, juris). Denn auch diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Schon aus dem bloßen Handschlag auf dem Feld am 30.01.2018 und der Unterzeichnung einer aus Stichpunkten bestehenden Niederschrift war für alle Beteiligten klar, dass es weder um eine Feststellung noch eine gütliche Einigung nach dem BbgJagdG gehen konnte. Daher handelte es sich um eine eindeutig „außerhalb“ des Vorverfahrens geschlossene Vereinbarung.

2. Die Voraussetzungen des damit anwendbaren § 779 Abs. 1 BGB sind erfüllt. Soweit dies die Beklagten mit der Feststellungsrüge bezweifeln, greift das nicht. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Solche Zweifel liegen vor, wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand mehr haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (Rechtsausschuss des Bundestages in BTDrs 14/6036 S. 157). Auf dieser Grundlage müssen die Berufungsbegründung oder anderes in das Verfahren eingeführtes Vorbringen Anhaltspunkte aufzeigen, die solche Zweifel an der Erhebung oder Würdigung der Beweise durch das Erstgericht wecken, dass ein Neueinstieg in eigene Feststellungen durch das Berufungsgericht angezeigt ist.

Hieran fehlt es. Die Berufung überspannt die an die Beweiswürdigung des Amtsgerichts zu stellenden Anforderungen.

a) Der Berufung ist zwar zuzugeben, dass die Ausführungen des Amtsgerichts zur Beweiswürdigung eher kurz gehalten sind und sich im Wesentlichen auf die wörtliche Wiedergabe der Zeugenaussagen beschränken. Den Ausführungen des Amtsgerichts ist jedoch noch in ausreichendem Maße zu entnehmen, worauf sich die Überzeugung des Gerichtes stützt, dass die Darstellung des Zeugen XXX zutrifft und aus dem Handschlag des Beklagten zu 2) und des Geschäftsführers der Klägerin eine Einigung der Parteien ergibt. Dazu vermittelt die detaillierte Wiedergabe der Aussage des Zeugen XXX ein in sich stimmiges und widerspruchsfreise Bild. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts beschränkt sich auch nicht allein auf Floskeln. Der Richter macht aus dem Gesamtzusammenhang vielmehr hinreichend deutlich, dass er aus der detaillierten Darstellung des Zeugen XXX daraus schließt, dass er eigene Wahrnehmungen aus seiner Erinnerung wiedergibt. Der Richter ist in der Gesamtwürdigung dabei erkennbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die für eine Einigung nach § 779 Abs. 1 BGB maßgeblichen Tatsachen hinreichend sicher nachgewiesen sind. In der Begründungstiefe erreicht das Urteil dabei noch ein Maß, das den Anforderungen des § 313 Abs. 3 ZPO, wonach die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, enthalten muss, genügt. Unter diesen Umständen besteht für die Berufungskammer keine Veranlassung, in eigene Feststellungen einzutreten.

b) Die Kammer ist nach den vorstehenden Maßstäben auch an die Feststellung des Amtsgerichts gebunden, wonach der am 30.01.2018 vor Ort nicht anwesende Beklagte zu 1) dennoch Partei des geschlossenen Vergleichs mittels seiner von dem Beklagten zu 2) übermittelten Zustimmung geworden ist. Der Zeuge Kiel hat das Telefonat des Beklagten zu 2) mit dem Beklagten zu 1) detailliert geschildert. Dabei war auch nachvollziehbar, dass der Zeuge den Inhalt des Telefonats im Einzelnen nachvollziehen konnte, da er unmittelbar neben dem Beklagten zu 2) stand. Dabei hat der Zeuge bekundet, dass der Beklagte zu 2) das Ergebnis der Schadensschätzung geschildert und dann geäußert habe, „dann mach ich dies so“. In der Folge hat der Beklagte zu 2) dann dem Geschäftsführer der Klägerin die Hand gereicht und damit im Ergebnis die Vereinbarung geschlossen. Das dieser Abschluss der Vereinbarung dann auch im Namen des unmittelbar vorher angerufenen Beklagten zu 1) erfolgt ist, ergibt sich zwanglos aus den Umständen. Soweit der Beklagte zu 1) dazu vor der Berufungskammer geschildert hat, dass ihn der Beklagte zu 2) am Telefon lediglich gefragt habe, ob der Beklagte zu 2) dem Geschäftsführer der Klägerin zum Abschied die Hand schütteln dürfe, ist das nicht lebensnah nachvollziehbar und veranlasst erst recht keinen Eintritt in eigene Feststellungen.

3. Der Vergleich ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb unwirksam, weil sich nach ihren Behauptungen nachträglich herausgestellt habe, dass überhaupt kein Wildschaden eingetreten sei. Denn der dem Vergleich zu Grunde gelegte Sachverhalt hat dennoch der Wirklichkeit im Sinne von § 779 Abs. 1 BGB entsprochen. Für streitige oder ungewisse Umstände, deren Bedeutung und Folgen die Parteien zur Streitbeilegung im Vergleich regeln, die in Wahrheit aber von den angenommenen Größen abweichen, übernehmen die Parteien selbst das Risiko. Realisiert sich dieses Risiko, führt das nicht zur Unwirksamkeit des Vergleichs (OLG Hamm, Entscheidung vom 21. Februar 2005 – 13 U 25/04 –, Rn. 9, juris). Das ist auch vorliegend der Fall. Denn bei dem Ortstermin im Winter 2018 war offensichtlich, dass allenfalls bei der Ernte im Sommer 2018 eine genauere Ermittlung des Schadens erfolgen kann. Wenn die Parteien dieses Risiko beim Abschluss der Vereinbarung in Kauf nehmen, können sie sich bei dessen Realisierung nicht auf die Unwirksamkeit des Vergleichs berufen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

5. Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalls anhand bereits geklärter rechtlicher Maßstäbe.

6. Streitwert: 3.900 €