Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 19.04.2021 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 S 10/21 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0419.OVG6S10.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 56 Abs 2 VwGO, § 174 Abs 4 ZPO, § 14 RABerufsO, § 189 ZPO, § 146 Abs 4 VwGO, § 147 Abs 1 VwGO |
Wenn der anwaltliche Prozessbevollmächtigte eines Rechtsmittelführers trotz mehrmaliger Aufforderung weder das Empfangsbekenntnis zu der erstinstanzlichen Entscheidung vollzieht noch sonst eine Erklärung zum Zugangszeitpunkt abgibt, geht die Nichterweislichkeit der Fristwahrung zu Lasten des Rechtsmittelführers.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. März 2021 wird verworfen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Sie ist bereits unzulässig, weil sich die Einhaltung der Beschwerdefrist und der Beschwerdebegründungsfrist mangels Rücksendung des Empfangsbekenntnisses zu dem erstinstanzlichen Beschluss durch die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers nicht feststellen lässt. Der Beschluss ist am 3. März 2021 zur Post gegeben worden. Die Beschwerde ist am 23. März 2021 und die Begründung am 12. April 2021 bei Gericht eingegangen. Dadurch wäre die zweiwöchige Beschwerdefrist nur gewahrt, wenn der Beschluss der Prozessbevollmächtigten erst am 9. März 2021 oder später zugestellt worden sein sollte. Die einmonatige Frist zur Begründung der Beschwerde wäre nur gewahrt, wenn der Beschluss erst am 12. März 2021 oder später zugestellt worden sein sollte. Ein Nachweis für einen so ungewöhnlich späten Zugang ist nicht erbracht. Die Prozessbevollmächtigte ist durch das Verwaltungsgericht unter dem 24. März 2021 und noch einmal vom Senat mit der Eingangsverfügung zum Beschwerdeverfahren auf das fehlende Empfangsbekenntnis hingewiesen worden. Auf diese Hinweise hat sie nicht reagiert und auch sonst nicht erklärt, wann ihr der Beschluss zugestellt worden ist. § 189 ZPO führt insoweit nicht weiter. Lässt sich danach die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Das war hier jedenfalls am 23. März 2021 der Fall, dem Tag der Beschwerdeerhebung. Damit steht aber nur fest, dass der Beschluss überhaupt jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt gegenüber dem Antragsteller wirksam geworden ist, nicht aber der für die Frage der Fristwahrung relevante Zeitpunkt des Zugangs. Der Beweis kann mit allen Beweismitteln geführt werden; die Darlegungs- und Beweislast trifft denjenigen, der sich auf die Wirksamkeit der Zustellung zu einem bestimmten Zeitpunkt beruft (vgl. Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 189 Rn. 14). Der vorgesehene Nachweis bei dieser Form der Zustellung ist die Rücksendung des vollzogenen Empfangsbekenntnisses durch den Rechtsanwalt. Die Prozessbevollmächtigte hätte ihrer Berufspflicht aus § 14 der Berufsordnung für Rechtsanwälte genügen können bzw. auf die mehrfachen gerichtlichen Hinweise zu dem noch ausstehenden Empfangsbekenntnis reagieren können. Dieses Verhalten muss sich der Beschwerdeführer zurechnen lassen.
2. Die Beschwerde ist im Übrigen unbegründet. Auf der allein maßgeblichen Grundlage der dargelegten Beschwerdegründe ergeben sich keine Gründe für eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
a) Soweit der Antragsteller eine unzutreffende Auslegung seines Auskunftsanspruchs zu seinen unter Nr. 1 des Antrags formulierten Fragen rügt, greift diese Rüge nicht durch. Die Fragen lauteten:
Welche Personen gehören zum RKI-Krisenstab und an welchen Tagen erfolgten die Treffen des Gremiums (Zeitraum 01.01.2020 bis 14.10.2020)? Hat sich die Zusammensetzung des Krisenstabs seit Einrichtung (die wann erfolgte) geändert? Welche Personen sind ausgeschieden, welche hinzugetreten? Existieren Sitzungsprotokolle des Krisenstabs?
Das Verwaltungsgericht hat diese Fragen nach der personellen Zusammensetzung des Krisenstabs des RKI dahin verstanden, dass es dem Antragsteller nicht um die jeweilige Zusammensetzung bei einzelnen Treffen gehe, sondern darum zu erfahren, welche Personen in dem abgefragten Zeitraum dem Krisenstab unbeschadet der Teilnahme an konkreten Sitzungen angehörten und ob Wechsel in der kontinuierlichen Mitarbeit stattgefunden haben. Dieses Verständnis ist naheliegend und nicht zu beanstanden. Nach der konkreten Zusammensetzung an bestimmten Tagen hat der Antragsteller den Antragsgegner nicht gefragt. Soweit er im gerichtlichen Verfahren in Kenntnis der Antwort des Antragsgegners seine Fragen nach der personellen Zusammensetzung sinngemäß dahin geändert hat, dass ihm mitzuteilen sei, welche konkreten Personen am 17. März 2020 die Risikoeinschätzung geändert hätten, führt das im gerichtlichen Verfahren nicht weiter. Wenn sich in Ansehung der Auskunft einer öffentlichen Stelle eine weitere Frage oder Nachfrage ergibt, kann die öffentliche Stelle um ergänzende Auskunft gebeten werden.
b) Der Antragsteller rügt weiter, dass seine Fragen zu den Gründen für die Änderung der Risikobewertung von mäßig auf hoch am 17. März 2020 unzureichend beantwortet worden seien. Er hatte u.a gefragt, welche konkreten Kennziffern die Änderung bewirkt hätten. In diesem Zusammenhang rügt er in der Beschwerde auch eine unzureichende Antwort auf seine Frage nach den Kriterien für die Annahme einer sehr dynamischen Situation weltweit und in Deutschland.
Hierzu hat das Verwaltungsgericht festgesellt, dass das RKI dem Antragsteller mit E-Mail vom 17. Juli 2020 mitgeteilt habe, dass es bei seiner hinterfragten Bewertung auf die international steigenden Zahlen, die steigenden Zahlen und Ausbruchsgeschehen in Deutschland sowie auf die Tatsache abgestellt habe, dass keine Impfstoffe oder Therapeutika verfügbar seien. Damit habe das RKI dem Antragsteller die ihn veranlassenden Kriterien genannt. Es hat weiter ausgeführt, dass sich aus den Antworten eindeutig entnehmen lasse, dass keine messbare Größe betreffend die Kriterien Übertragbarkeit, Schwereprofil und Ressourcenbelastung die Änderung der Risikobewertung des RKI am 17. März 2020 bewirkt bzw. zum Zeitpunkt der Antragstellung eine hohe Gefährdung ergeben habe und deshalb auch keine als unmittelbare Ursache für eine etwaig zukünftige Absenkung der Risikobewertung genannt werden könne. Nach den Ausführungen der Antragsgegnerin werde deutlich, dass zwischen der vom Antragsteller hinterfragten Risikobewertung „gering“, „mäßig“, „hoch“ oder „sehr hoch“ und den messbaren Größen betreffend die Kriterien Übertragbarkeit, Schwereprofil und Ressourcenbelastung kein unmittelbarer mathematischer Zusammenhang bestehe, sondern die messbaren Größen neben Anderem als Kriterien in die (Gesamt-)Risikobewertung eingeflossen seien.
Damit setzt sich der Antragsteller nicht hinreichend auseinander, wenn er weiterhin verlangt, messbare Größen anzugeben und etwa darzulegen, welche international steigenden Zahlen (Zahl der Testpositiven, der Schwerkranken, der Toten oder der belegten Intensivbetten) oder welches Ausbruchgeschehen in Deutschland gemeint sei, welche näher bezeichneten messbaren Größen und welche Methodik der Prognosenbildung und welche Erfahrungen aufgrund welcher Pandemien aus welchen Ländern eingeflossen seien. Insoweit trennt der Antragsteller nicht hinreichend zwischen der Frage der Vollständigkeit der Auskunft und einer Kritik an der aus seiner Sicht unzureichend durch messbare Größen basierten oder überhaupt unzutreffenden Lagebewertung durch das RKI.
Ähnliches gilt für die im selben Zusammenhang stehende Rüge, der Hinweis auf fehlende Behandlungsmöglichkeiten sei zu lapidar, zumal der Antragsgegner selbst die Behandlung mit Hyperimunseren als aussichtsreiche Behandlungsmethode dargestellt habe. Er - der Antragsteller - wisse, dass diese Behandlungsmethode in Deutschland gerade bei schweren Verläufen sehr erfolgreich angewandt werde. Auch hier geht es dem Antragsteller nicht um die Vollständigkeit der Auskunft, sondern um eine Kritik an dem Inhalt der Auskunft und an der Vorgehensweise des RKI, die er mit seiner Wahrnehmung der Wirklichkeit nicht in Einklang bringen kann.
Die weiteren Ausführungen der Beschwerde setzen sich nicht konkret mit der erstinstanzlichen Entscheidung auseinander, sondern üben Kritik an der Vorgehensweise des RKI und formulieren weitere Fragen, die nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52f. GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.