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Entscheidung 11 KLs 37/19


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 1. Große Strafkammer Entscheidungsdatum 03.03.2020
Aktenzeichen 11 KLs 37/19 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2020:0303.11KLS37.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Angeklagte wird wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schusswaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von

drei Jahren und sechs Monaten

verurteilt.

Im Übrigen wird er freigesprochen.

Seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.

Ihm wird die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen. Die Verwaltungsbehörde darf ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilen.

Der bei ihm sichergestellte Geldbetrag in Höhe von 3.340,00 € wird eingezogen.

Er hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Angewandte Vorschriften:

§§ 30a Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BtMG, 52 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG, 52, 53, 20 [315c Abs. 1 Nr. 2 b) und d)], 63, 69, 69a, 73a Abs. 1 StGB.

Gründe

I. Feststellungen zur Person des Angeklagten

Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 30 Jahre alte Angeklagte ist in ... geboren worden und gemeinsam mit einer vier Jahre älteren Schwester im elterlichen Haushalt in ... bei ... aufgewachsen. Die Geburt des Angeklagten vollzog sich als Notkaiserschnitt und führte zu einem anschließenden sehr langen Krankenhausaufenthalt, was dann auch mit einer verzögerten frühkindlichen Entwicklung einherging.

Der Angeklagte fühlte sich schon in frühester Kindheit gegenüber seiner Schwester zurückgesetzt und entwickelte dementsprechend ein angespanntes und konfliktgeladenes Verhältnis sowohl zu seinen Eltern als auch zu seiner Schwester – was sich noch steigerte, nachdem seine Mutter im Jahr 2013 an den Folgen einer Hirnblutung verstorben war.

Der Angeklagte wurde altersgerecht eingeschult, musste aber wegen einer Lese-/Rechtschreibschwäche bereits die erste Klasse wiederholen. Er durchlief die Schule mit einigen Schwierigkeiten und als Einzelgänger, auch weil sein Interesse schon sehr früh mehr einer Tätigkeit in der Landwirtschaft als der Beschäftigung mit Altersgenossen oder mit dem Schulstoff galt. Er verließ zunächst nach zehn Schuljahren die Schule mit dem Abgangszeugnis der neunten Klasse, durchlief dann aber ein Berufsvorbereitungsjahr und holte dabei den Hauptschulabschluss nach. Danach begann er eine Lehre zum Forstwirt, die er aber im Jahr 2011 abbrach. Stattdessen durchlief er eine ...bildung zum staatlich geprüften Maschinenführer für Waldmaschinen und war in diesem Beruf dann auch bis zum Jahr 2015 tätig. Danach wurde er wegen gesundheitlicher Probleme frühverrentet.

Der Angeklagte, der regelmäßig Cannabis konsumiert und dem insoweit ein schädlicher Gebrauch (ICD-10 F12.1) zu attestieren ist, leidet an massiven psychischen Problemen. Insbesondere liegt bei ihm eine rezidivierende depressive Störung (ICD-10 F33), möglicherweise auch mit psychotischen Merkmalen (ICD-10 F33.3), vor. Überdies besteht eine kombinierte Persönlichkeitsakzentuierung (ICD-10 F61) mit paranoiden, selbstunsicheren, zwanghaften, emotional instabilen und dissozialen Anteilen. Es besteht außerdem der Verdacht auf eine bipolare Störung (ICD-10 F31.2).

Um diese Probleme zu bewältigen, nahm der Angeklagte seit einem Suizidversuch im Sommer 2015 wiederholt ärztliche Hilfe in Anspruch und durchlief zahlreiche stationäre Klinikaufenthalte, namentlich vom 22.07.2015 bis zum 05.08.2015 und dann erneut vom 06.11.2015 bis zum 24.03.2016 im ... Kinikum ..., vom 09.06.2016 bis zum 20.07.2016 in der ... Parkklinik ..., daran direkt anschließend vom 20.07.2016 bis zum 16.10.2016 erneut im ... Klinikum ..., vom 20.12.2016 bis zum 25.01.2017 wiederum im ... Klinikum ... und daran direkt anschließend vom 25.01.2017 bis zum 24.02.2017 im ... Klinikum ... und schließlich vom 21.06.2019 bis zum 24.06.2019 nochmals im ... Klinikum .... Außerdem wurde er von Juni 2017 bis Juni 2019 in der Institutsambulanz des ... Klinikums ... betreut. Zu einer dauerhaften Verbesserung und Stabilisierung seines Zustandes kam es dadurch nicht.

Seit 2017 steht der Angeklagte unter gesetzlicher Betreuung mit den Aufgabenkreisen

o Sorge für die Gesundheit,

o Vermögenssorge,

o Wohnungsangelegenheiten,

o Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Amts- und Geschäftspost sowie

o Rechts-/Antrags- und Behörden Angelegenheiten.

Der Angeklagte ist strafrechtlich vorbelastet wie folgt:

Am 31.07.2018, rechtskräftig seit dem 12.06.2019, verurteilte ihn das Amtsgericht ... – Az.: 11 Ds 9444 Js 56423/18 (84/19) – wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung, begangen am 12.05.2018, zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30,00 €.

Dem lagen folgende tatsächliche Feststellungen zu Grunde:

Nachdem der Angeklagte gegen 19:00 Uhr am 11.05.2018 mit dem Konsum von Alkohol begonnen hatte und im Laufe des Abends mehrere Bier und verschiedene Spirituosen in verschiedenen Lokalität in ... getrunken hatte, schlief er im Laufe der Nacht vom 11. auf den 12.05.2018 auf einer Toilette in der Gaststätte „...“ ein. Dem dortigen Personal gelang es nicht, den Angeklagten zu wecken, sodass es die Polizei verständigte.

Der eingesetzte Polizeibeamte, der Zeuge PK ..., begab sich kurz vor 6:00 Uhr morgens in den schmalen Toilettenbereich. Seine Kollegin folgte hinter ihm. Zu diesem Zeitpunkt schlief der Angeklagten noch. Der Zeuge versuchte, den Angeklagten zu wecken, und forderte ihn mehrfach auf, die Gaststätte zu verlassen. Der Angeklagte gab zunächst an, der Aufforderung nachkommen zu wollen, übergab sich dann aber, wobei ein Teil des Erbrochenen auf dem Oberteil des Angeklagten landete. Der Zeuge ... reinigte die verschmutzte Kleidung und wies den Angeklagten daraufhin, dass er nun mit einer Ingewahrsamnahme rechnen muss. Daraufhin äußerte der Angeklagte in Richtung des Zeugen PK ...: „Verpiss dich, Du Scheiß-Bulle, oder ich mach dich fertig!“

Anschließend erhob sich der Angeklagte und führte einen wuchtigen Faustschlag in Richtung des Zeugen aus. Der Schlag traf den Zeugen jedoch nicht, weil dieser seinen Kopf seitlich abkippte. Unmittelbar danach stieß der Zeuge den Angeklagten von sich weg. Daraufhin erhob der Angeklagte erneut die Fäuste und ging auf den Zeugen PK ... zu. Dieser führte nun seinerseits zwei Faustschläge gegen den Angeklagten aus. Anschließend ging der Angeklagte zum dritten Mal mit erhobenen Fäusten auf den Zeugen zu. Der Zeuge wird diesen Angriff dadurch ab, dass er dem Angeklagten Pfefferspray ins Gesicht sprühte. Hierdurch ging der Angeklagte zu Boden, konnte anschließend zunächst beruhigt werden und wurde dann in eine Gewahrsamszelle verbracht.

Der Angeklagte war zur Tatzeit alkoholisiert, jedoch nicht so stark, dass der Angeklagte in seiner Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich eingeschränkt war. Gegen 11:00 Uhr am 12.05.2018 ergab eine Kontrolle einen Atemalkoholgehalt von etwa 0,7 Promille

Ein früheres Strafverfahren gegen den Angeklagten hatte das Amtsgericht Holzminden – Az.: 13 Ds 12 Js 23510/15 – mit Beschluss vom 08.05.2017 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Nach einer familiären Streitigkeit setzte sich der psychisch stark angespannte Angeklagte am 18.07.2015 gegen 22:00 Uhr an seinem Wohnhaus in ... in seinen Pkw Suzuki Grand Vitara mit dem amtlichen Kennzeichen ... und fuhr mit diesem Pkw, nachdem er gegenüber der Polizei seinen Selbstmord angedeutet hatte, ziellos umher. Die Polizeiinspektion ...-... hatte zwischenzeitlich aus Gefahrenabwehrgründen die Handyortung des Mobiltelefons des Angeklagten veranlasst und hatte mehrere Funkstreifenwagen in den Bereich entsandt, in dem der Angeklagte mit seinem Handy zuletzt geortet worden war. In dem Folgegeschehen kam es zur polizeilichen Verfolgung des Pkw des Angeklagten, um ihn anzuhalten und einen Suizid zu verhindern. Der Angeklagte entzog sich jedoch der polizeilichen Verfolgung, indem er mit rasender Geschwindigkeit und unter Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln den Polizeibeamten immer wieder davonfuhr bzw. diese dazu zwang, die weitere Verfolgungsfahrt aus Gründen der Gefahrenabwehr abzubrechen.

Während des Tatgeschehens kam es zu den folgenden gravierenden Verkehrsverstößen des Angeklagten:

1. Um 01:25 Uhr nahm in ... auf der ...er Straße der Funkstreifenwagen ... 10-23 mit PK Blumenstiel und POKin ... die Verfolgung des Pkw des Angeklagten auf. Im Bereich der Straßenkreuzung der ...er Straße mit der rechts abbiegenden Straße Münsterbrücke vor der Angeklagte mit leicht überhöhter Geschwindigkeit nach rechts und missachtete das Stoppschild – Verkehrszeichen 206.

2. Wenig später hinter der Münsterbrücke gaben die Polizeibeamten des Funkstreifenwagen ... 10-23 dem Angeklagten über das Fahrzeug-TOP das Anhaltesignal „Stop Polizei“, welches der Angeklagte jedoch missachtete und mit hoher Geschwindigkeit die Flucht ergriff.

3. Im Bereich der ... Straße und der ... Straße in ..., in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch das Zeichen 274 auf 70 km/h beschränkt ist, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw mehr als 170 km/h, um sich der polizeilichen Kontrolle zu entziehen.

4. Um 04:03 Uhr im Bereich ... nahm der Funkstreifenwagen ... 10-27 mit den Polizeibeamten ... und ... wieder Kontakt zu dem Pkw des Angeklagten auf. Im Rahmen der Verfolgungsfahrt missachtete der Angeklagte in der ...er Straße in Fahrtrichtung B 83 das Rotlicht einer Wechsellichtzeichenanlage.

5. Wenig später in ...-... missachtete der Angeklagte auf der Bundesstraße 1 in Höhe der ...straße erneut das Rotlicht einer Wechsellichtzeichenanlage.

6. Kurze Zeit später in ...-... missachtete der Angeklagte auf der Bundesstraße 1 in Höhe der Kreuzung ... ... wiederum das Rotlicht einer Wechsellichtzeichenanlage und bog anschließend nach rechts auf die B 83 in Fahrtrichtung Ohr ab.

7. Im Bereich ...-Ohr postierten sich in einem Schotterweg quer zur B 83 der Funkstreifenwagen ... 10-23, um den Angeklagten zum Anhalten zu bewegen. Trotz unübersichtlicher Verkehrslage und eines nahen Baustellenbereiches und des seitlich linksseitig in die Fahrbahn hineinragenden Streifenwagens setzte der Angeklagte in diesem Bereich, um seine Polizeiflucht fortzusetzen, zum Überholen eines unbeteiligten Pkw mit stark überhöhter Geschwindigkeit an, wobei er den in die Fahrbahn ragenden Streifenwagen mit sehr dichtem Seitenabstand passierte und es wegen der hohen Geschwindigkeit mehr oder weniger dem Zufall überlassen blieb, ob es zu einer folgenschweren Kollision mit den beteiligten Fahrzeugen kommt; dabei nahm der Angeklagte die erhebliche Gefährdung von anderen Personen und Sachen zumindest billigend in Kauf.

8. Um 04:16 Uhr auf der Bundesstraße 83 im Bereich der Ortschaft ... in Höhe des dortigen Kalkwerkes fuhr der Angeklagte in einem Bereich, in dem die Geschwindigkeit durch Zeichen 274 auf 70 km/h begrenzt worden war, mit einer gemessenen Geschwindigkeit von 139 km/h und wurde dabei von einer Geschwindigkeit Messanlagen erfasst.

9. Gegen 04:30 Uhr auf der Bundesstraße 83 in der Gemarkung OT ... fuhr der Angeklagte in Selbstmordabsicht in Höhe Kilometer 0,8 in einer leichten Rechtskurve geradeaus und kollidierte mit seinem Pkw im Bereich der linken Fahrbahnseite mit einer Gruppe von Bäumen, wobei der Pkw in massiver Weise beschädigt und der Angeklagte aus seinem Fahrzeug geschleudert wurde und schwer verletzt neben seinem Pkw liegen blieb. Infolge des Unfallgeschehens wurden ein Leitpfahl und drei Bäume mit einem geschätzten Sachschaden von 800 € beschädigt und es entstanden Wegen des Austritts und der notwendig gewordenen Ausgrabung des Erdreichs weitere Kosten in Höhe von 1000 €.

Zur Einstellung dieses Strafverfahrens durch das Amtsgericht Holzminden war es gekommen, nachdem der Angeklagte – dessen Führerschein seit dem Geschehen vom 19.07.2015 beschlagnahmt gewesen war – im April 2017 erklärt hatte, unwiderruflich auf seine Fahrerlaubnis zu verzichten.

Bald danach hatte der Angeklagte dann allerdings den Wiedererwerb einer Fahrerlaubnis betrieben, woraufhin ihm letztlich am 20.12.2018 erneut die Fahrerlaubnis für Pkw erteilt worden war.

In vorliegender Sache ist der Angeklagte zunächst am 22.07.2019 vorläufig festgenommen und am Folgetag dem Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Neuruppin – Az.: 89 Gs 903/19 – vorgeführt worden, der Haftbefehl gegen ihn erlassen hat. Auf Grundlage dieses Haftbefehls hat der Angeklagte sich vom 23.07.2019 bis zum 25.07.2019 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Nord-..., Teilanstalt Neuruppin-Wulkow, befunden.

Am 25.07.2019 hat das Amtsgericht den Haftbefehl in einen Unterbringungsbefehl gemäß § 126a StPO umgewandelt. Auf dessen Grundlage ist der Angeklagte am 25.07.2019 in das ... Fachklinikum ... verbracht worden, wo er sich seither ununterbrochen befunden hat.

II. Feststellungen zum Tatgeschehen

1. Die Vorgeschichte der Tat

Im Jahr 2018 bezog der Angeklagte durch Vermittlung seiner Betreuerin eine Kellerwohnung im Haus Feuergraben 10a in .... Sein Nachbar war der polizeibekannte ..., der zumindest zum damaligen Zeitpunkt in unbekannten Umfang mit Drogen handelte. Beide freundeten sich an, wobei der ... dem Angeklagten des Öfteren Cannabis zum Eigenkonsum unentgeltlich überließ. Im Gegenzug gestattete er dem ..., einen in seiner Wohnung befindlichen Schrank zur Aufbewahrung von Drogen und anderen Gegenständen zu nutzen. Nachdem der Angeklagte im Dezember 2018 seine Fahrerlaubnis zurückerlangt hatte, begleitete er den ... in dessen Fahrzeug, einem VW Caddy mit dem amtlichen Kennzeichen ..., bei diversen Auslieferungsfahrten von Drogen, da der ... selbst keine Fahrerlaubnis besaß. Gelegentlich führte der Angeklagte auch allein Kurierfahrten im Auftrag des ... aus. Für seine Dienste bekam er von dem ... jeweils weitere Drogen sowie Geldbeträge in unbekannter Höhe. Über Art und Umfang dieser Drogengeschäfte konnten mangels entsprechender Angaben des Angeklagten keine genauen Feststellungen getroffen werden.

Der Angeklagte fühlte sich jedoch von dem ... zunehmend ausgenutzt und sah sich gegen seinen Willen immer tiefer in das Drogenmilieu verstrickt. Am 13.06.2019 wandte er sich hilfesuchend an die psychiatrische Institutsambulanz des ... Klinikums .... Dort berichtete er von einer angeblichen Verstrickung in Drogen- und Waffengeschäfte riesigen Ausmaßes. Mit dieser maßlosen Übertreibung wollte er offenbar erreichen, dass ihm eine andere Wohnung verschafft und er so dem Einfluss des ... entzogen werde. Es ist offengeblieben, inwieweit die psychiatrischen Fachärzte, die den Angeklagten mit seiner Krankheitsgeschichte gut kannten, diese Hinweise ernst nahmen. Jedenfalls wurde der Angeklagte vom 21.06.2019 bis zum 24.06.2019 mit der Diagnose „rezidivierende depressive Störung“ stationär im Klinikum aufgenommen. Er brach die Behandlung jedoch nach kurzer Zeit ab und verließ das Klinikum gegen den ärztlichen Rat, weil er nach seinem Eindruck mit der dortigen Behandlung nicht zufrieden war.

Daraufhin beschloss der Angeklagte, sich seiner als unerträglich empfundenen Situation durch Flucht zu entziehen. Unter Mitnahme seines Barvermögens in nicht festgestellter Höhe fuhr er mit seinem eigenen Fahrzeug, einem betagten VW Golf, nach Schweden. Dort wollte er ein Aussteigerleben im Wald führen. Nachdem er mehr als zwei Wochen ziellos im Land umhergefahren war, wurde ihm sein Fahrzeug mit sämtlichen darin befindlichen persönlichen Gegenständen sowie dem darin versteckten Bargeld entwendet. Nachdem ihm von seiner Betreuerin Reisegeld angewiesen worden war, kehrte er schließlich am 20.07.2019 mit Bus und Bahn in seine Wohnung zurück.

2. Das Tatgeschehen

Die erneute Nähe zu seinem Nachbarn, zu dem er auch noch am gleichen Tag persönlichen Kontakt hatte, ließ den Angeklagten jedoch nicht zur Ruhe kommen. Nach durchwachter Nacht und dem Konsum eines Joints beschloss er, seinen Fluchtplan weiter zu verfolgen. Diesmal plante er, ein Aussteigerleben in den Wäldern ...s zu führen. Da er über keinerlei Barmittel mehr verfügte, beabsichtigte er sich der in seiner Wohnung gelagerten Drogen zu bemächtigen, um diese zur Finanzierung seines Vorhabens zuvor gewinnbringend zu veräußern. In Umsetzung dieses Tatplans entnahm er am Morgen des 21.07.2019 dem von dem ... benutzten unverschlossenen Schrank einen Teil der darin befindlichen Drogen, nämlich mindestens sechs Platten Haschisch zu je ca. 100g. Ferner entnahm er dem Schrank die dort illegal gelagerte, wohl dem ... gehörende halbautomatische Pistole Walther PPK, Kaliber 7,65 einschließlich eines mit mindestens vier dazu passenden scharfen Patronen gefüllten Magazins, obwohl er wusste, dass er weder zum Besitz noch zum Führen einer solchen Waffe befugt war. Die Waffe meinte er zum Schutz gegen Übergriffe bei dem beabsichtigten Drogenhandel zu benötigen. Nachdem er die Waffe durch Einführen des Magazins und anschließendes Betätigen des Verschlusses in einen jederzeit schussbereiten Zustand versetzt hatte, verstaute er sie ebenso wie die Drogen in seiner Reisetasche, die er zuvor schon mit diversen Bekleidungsgegenständen gepackt hatte. Schließlich brachte er noch auf nicht näher feststellbare Weise einen Bargeldbetrag in Höhe von mindestens 3.340 € an sich. Hierbei handelte es sich jedenfalls um Geld, dass aus den Drogengeschäften des ... stammte und entweder von diesem ebenfalls in dem Schrank aufbewahrt wurde oder aber dem Angeklagten zur Aufbewahrung bzw. als Entlohnung für seine Kurierdienste übergeben worden war.

So ausgerüstet bestieg der Angeklagte den VW Caddy des ..., zu dem er einen Schlüssel besaß, und befuhr die BAB 2 Richtung .... Dort erhoffte er sich zahlungskräftige Abnehmer für die mitgeführten Drogen zu finden. Nach mehreren Fahrtunterbrechungen an diversen Raststätten traf er wahrscheinlich erst in den frühen Morgenstunden des 22.07.2019 in ... ein. An einer der Raststätten hatte er zuvor noch zwei Messer, nämlich ein Jagdmesser mit einer Gesamtlänge von ca. 26 cm und einer Klingenlänge von 14 Zentimetern und ein sogenanntes Einhandmesser mit einer Gesamtlänge von ca. 20,5 cm und einer Klingenlänge von ca. 8,5 cm, sowie eine Taschenlampe erworben. Diese Gegenstände, die er ebenfalls in seiner auf dem Beifahrersitz deponierten Reisetasche verstaute, meinte er für sein zukünftiges Leben im Wald zu benötigen.

Da er sich in ... nicht auskannte, suchte er zunächst die Gegend um den Flughafen ... auf, die er zu seiner Enttäuschung jedoch menschenleer und damit ohne potentielle Abnehmer seiner Drogen vorfand. Hierauf beschloss er, nach ... weiterzufahren. Dort kannte er sich zwar ebenso wenig aus, hatte aber gehört, dass auf der Reeperbahn mit Drogen gehandelt werde. In Ausführung dieses Plans befuhr er zunächst den Auobahnzubringer A111 Richtung Norden, um sodann über den Autobahnring A10 auf die A24 Richtung ... zu gelangen.

Schon bald nach Antritt der Fahrt fiel er um 03:11 Uhr in Höhe der Ausfahrt ... Ortskern einer Streifenwagenbesatzung der ...er Polizei, bestehend aus den Zeugen PHK ... und POM ... auf, weil er die dort bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h nicht beachtete. Die hinter dem Angeklagten herfahrenden Zeugen betätigten daraufhin ihr Blaulicht, wobei sie lediglich die Absicht hatten, hierdurch den Angeklagten auf seine Geschwindigkeitsüberschreitung aufmerksam zu machen. Als der Angeklagte dies bemerkte, geriet er jedoch unvermittelt in Panik. Er befürchtete, von den Zeugen angehalten und kontrolliert zu werden mit der Folge, dass seine illegal mitgeführten Drogen aufgefunden wurden und er selbst deswegen inhaftiert werde. Diese Panik, die sich im Folgenden noch erheblich steigerte, führte in Zusammenhang mit seiner bestehenden psychischen Erkrankung dazu, dass er in einen Zustand geriet, in dem seine Steuerungsfähigkeit zunächst erheblich vermindert und später nicht ausschließbar völlig aufgehoben war. In diesem Zustand erhöhte er die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges von zunächst ca. 80 km/h auf ca. 130 km/h, um den Zeugen zu entkommen, was diese wiederum veranlasste, unverzüglich seine Verfolgung aufzunehmen. Der Zeuge PHK ... startete zugleich das im Einsatzfahrzeug verbaute Videoaufzeichnungsgerät, wodurch die sich nun anschließende Verfolgungsfahrt einschließlich der gefahrenen Geschwindigkeiten lückenlos dokumentiert wurde. Die Sonderzeichen der Polizisten sowie diverse Anhaltesignale ignorierte der Angeklagte in der Folge durchgängig.

Der Angeklagte erkannte alsbald, dass er aufgrund der unterlegenen Motorisierung seines Fahrzeugs seinen Verfolgern nicht entkommen konnte, und beschloss daraufhin, sich der mitgeführten Drogen zu entledigen. Etwa in Höhe der Raststätte ... entnahm er diese der Reisetasche und warf die Pakete einzeln aus dem geöffneten Fenster der Fahrertür auf die Fahrbahn, wobei er seine hohe Geschwindigkeit unverändert beibehielt und sogar zeitweise noch auf über 150 km/h erhöhte. Dieser Vorgang wurde von den verfolgenden Beamten bemerkt und die Leitstelle hierüber unterrichtet. Den Beamten eines zufällig in der Nähe befindlichen weiteren Einsatzfahrzeuges der ...er Polizei, den Zeugen POK ... und PK ..., gelang es wenig später, an der besagten Stelle sechs Pakete in der Größe 10x5x1 cm mit jeweils rauschmittelverdächtigem Inhalt sicherzustellen. Deren spätere chemische Untersuchung ergab eine Gesamtmenge von 651,66 g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 157,80 g THC.

Gleichwohl setzte der Angeklagte seine Flucht fort, um sich weiterhin seiner erwarteten Festnahme zu entziehen. Er hatte inzwischen seiner Reisetasche ebenfalls die nach wie vor schussbereite Pistole entnommen. Sich halb umdrehend richtete er die Waffe auf die verfolgenden Fahrzeuge, zumindest in der Absicht, die Verfolger auf seine Bewaffnung aufmerksam zu machen und so von der weiteren Verfolgung abzubringen. Ob er tatsächlich vorhatte, durch die geschlossene Heckscheibe seines eigenen Fahrzeugs einen Schuss abzugeben, konnte nicht sicher festgestellt werden. Sein Plan scheiterte aber bereits deshalb, weil die verfolgenden Beamten diesen Vorgang gar nicht bemerkten, sondern hiervon erst bei späterer Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung Kenntnis erlangten.

In der Hoffnung, seinen Verfolgern auf Landstraßen leichter entkommen zu können, verließ er an der Ausfahrt ... die Autobahn und fuhr mit nach wie vor stark überhöhter Geschwindigkeit Richtung .... Dort im Stadtzentrum angekommen überfuhr er bei unverminderter Geschwindigkeit und ohne Beachtung möglicher anderer Verkehrsteilnehmer an einer großen Kreuzung bei Rotlicht die Verkehrsampel. Wenig später fuhr er trotz Rotlicht an einem dort wartenden anderen Fahrzeug vorbei in einen einspurigen Baustellenbereich ein, obwohl er die Baustellenausfahrt nicht einsehen konnte und daher auch in verkehrsarmer Zeit jederzeit mit Gegenverkehr rechnen musste, wobei ein Ausweichen wegen der Enge der Fahrbahn nicht möglich gewesen wäre.

Auf der Straße Richtung ... versuchten die Beamten erstmalig, den Angeklagten zu überholen und in der Folge zum Anhalten zu bringen. Das scheiterte daran, dass der Angeklagte in der Absicht, dies zu verhindern, sein Fahrzeug ruckartig nach links auf die Gegenfahrbahn bewegte, und zwar in dem Moment, als sich beide Fahrzeuge schon annähernd auf gleicher Höhe befanden. Die zwangsläufige Kollision der Fahrzeuge konnte der Zeuge POM ... als Fahrer des Einsatzfahrzeuges nur dadurch verhindern, dass er eine Vollbremsung durchführte und sich wieder hinter das Fluchtfahrzeug zurückfallen ließ. Dieser Vorgang sollte sich im Folgenden noch mehrfach wiederholen.

Wenig später kamen zufällig zwei Streifenwagen der ...ischen Polizei entgegen, die sofort ihren eigentlichen Einsatz abbrachen und sich ebenfalls unter Einsatz ihrer Sonderzeichen an der Verfolgung beteiligten. Auch hiervon unbeeindruckt setzte der Angeklagte seine Flucht fort.

In der Ortslage ... an einem Kreisverkehr versuchte eines der ...ischen Einsatzfahrzeuge, besetzt mit den Zeugen PK ... und POM ..., dem Angeklagten den vermuteten Weg Richtung Autobahn abzuschneiden, indem die Beamten nach links in den Kreisverkehr einfuhren, um die entsprechende Ausfahrt zu blockieren. Obwohl der Angeklagte das herankommende Fahrzeug bemerkte, hielt er mit unverminderter Geschwindigkeit auf die Ausfahrt zu, so dass die Beamten nur durch eine Gefahrenbremsung die Kollision beider Fahrzeuge verhindern konnten.

Zwischen den Ortschaften ... und ... versuchten die Zeugen ... und ... erneut, den Angeklagten zu überholen. Dieser verhinderte das durch einen weiteren abrupten Wechsel der Fahrspur, wodurch er die Beamten wiederum zu einer Gefahrenbremsung zwang, um eine Kollision zu verhindern.

Schließlich gelangte der Angeklagte an der Ausfahrt ... auf die zu BAB 10, die er nun entsprechend seinem ursprünglichen Plan weiter Richtung ... befuhr. Hier herrschte bereits lebhafter Verkehr. Der Angeklagte überholte, verfolgt von den drei Polizeifahrzeugen, im dortigen Baustellenbereich mehrere Pkw und Lkw, die langsam auf der rechten Spur fuhren. Nunmehr übernahm das Fahrzeug der Beamten PK ... und POM ... die Position unmittelbar hinter dem Fluchtfahrzeug. Auch diese Zeugen versuchten in der Folge mehrfach, den Angeklagten zu überholen, worauf dieser jedes Mal in der vorgeschilderten Weise reagierte und die Beamten zu Gefahrenbremsungen zwang.

Da kurz vor Erreichen des Autobahndreiecks ... die Autobahn dreispurig wird, versuchten die Zeugen PHK ... und POM ... dies dadurch auszunutzen, dass sie die Fahrspuren ihrer beiden Streifenwagen nebeneinander „auffächerten“ und so, der Zeuge PHK ... äußerst rechts und der Zeuge POM ... äußerst links auf der Fahrbahn wiederum versuchten, an dem Fahrzeug des Angeklagten vorbeizufahren. Dabei gingen beide übereinstimmend – ohne sich allerdings abgesprochen zu haben, weil sie, da aus verschiedenen Bundesländern stammend, keine direkte Funkverbindung aufnehmen konnten – davon aus, dass der Verfolgte in dieser Konstellation nur noch einen von ihnen würde am Überholen hindern können. Der Angeklagte erkannte diese Absicht. Weil er nun wegen der größeren Abstände zwischen den Fahrzeugen tatsächlich keine Möglichkeit mehr sah, ein Überholen durch bloßen Spurwechsel zu verhindern, nahm er erneut seine Schusswaffe zur Hand. Er steuerte sein Fahrzeug nach rechts und hinderte dadurch den Zeugen ... daran, dort vorbeizufahren. Gleichzeitig zielte er mit der Pistole auf das linksseitig herankommende Einsatzfahrzeug, wobei er seinen Arm mit der in der Hand gehaltenen Waffe für die Streifenwagenbesatzung deutlich sichtbar aus dem geöffneten Fenster der Fahrertür herausstreckte. Angesichts dieser extrem bedrohlichen Situation sah der Zeuge ..., wie vom Angeklagten auch beabsichtigt, keine andere Möglichkeit, als sich durch eine erneute Gefahrenbremsung aus dem Schussbereich des Angeklagten in Sicherheit zu bringen.

Die Verfolgungsfahrt endete schließlich dadurch, dass der Angeklagte mit nach wie vor hoher Geschwindigkeit von ca. 150 km/h in Höhe der Anschlussstelle ... im dortigen Baustellenbereich ungebremst auf ein mit langsamer Geschwindigkeit vor ihm fahrendes Einsatzfahrzeug der Autobahnpolizei auffuhr. Dieses war kurz zuvor auf die Autobahn gefahren und hatte den Auftrag, andere Verkehrsteilnehmer vor dem sich annähernden Fahrzeug des Angeklagten zu warnen. Die nachfolgenden Polizeifahrzeuge konnten mit einigen Mühen eine weitere Kollision durch Notfallbremsungen vermeiden.

Dass der Angeklagte diese Kollision bewusst herbeigeführt hat, konnte nicht festgestellt werden. Möglich und auch eher naheliegend ist, dass er das Polizeifahrzeug infolge der Unübersichtlichkeit der Baustelle und aufgrund des Umstandes, dass er im Rückspiegel ständig seine Verfolger beobachtete, schlechterdings übersehen hatte.

Durch die Kollision wurden beide Fahrzeuge zunächst gegen die Mittelleitplanke und sodann in ein rechts neben der Fahrbahn befindliches Gebüsch geschleudert. An beiden Fahrzeugen entstand Totalschaden. Die im Fahrzeug befindlichen Polizeibeamten trugen nur geringe Verletzungen davon, der Angeklagte blieb zunächst unverletzt. Er wurde von den hinzukommenden Zeugen mit dem Kopf auf dem Beifahrersitz liegend aufgefunden. Die dort vorher befindliche Reisetasche war durch den vorangegangenen Aufprall in den Fußraum geschleudert worden. Mit einer Hand tastete der allerdings benommene Angeklagte den Fußraum der Beifahrerseite auf der Suche nach seiner Waffe ab. Es ist möglich, dass er sich mit ihr gegen seine Festnahme wehren wollte, nicht fernliegend ist aber auch, dass er sich entsprechend seiner vorhandenen suizidalen Veranlagung das Leben nehmen wollte.

Bei seiner anschließenden Festnahme, die aus Sicherheitsgründen unter Einsatz von Pfefferspray erfolgte und in deren Verlauf er eine geringfügige Kopfwunde erlitt, leistete er Widerstand, in dem er um sich schlug und trat. Hierdurch wurde ein Beamter leicht verletzt. Die vom Angeklagten verwendete Waffe wurde später im Fußraum der Fahrerseite sichergestellt.

In der Folge wurde der Angeklagte nach Erstversorgung seiner Kopfwunde in die Notaufnahme der ... Kliniken in Neuruppin überstellt. Dort und auch schon während des Transports zeigte er starke psychotische Auffälligkeiten, die medikamentös behandelt wurden. Eine ihm dort entnommene Blutprobe ergab weder eine alkoholische Beeinflussung noch einen Hinweis auf akute Drogenintoxikation.

III. Einlassung des Angeklagten und Beweiswürdigung

1.

a)

Die Feststellungen zum Lebenslauf des Angeklagten beruhen in erster Linie auf seinen eigenen insoweit ...haften Angaben, die Ergänzung und Bestätigung gefunden haben in den Angaben des Sachverständigen Dr. ... über die Erkenntnisse, die er im Rahmen der Explorationsgespräche mit dem Angeklagten zur Vorbereitung des erstatteten forensisch-psychiatrischen Gutachtens gewonnen hatte.

b)

Die getroffenen Feststellungen zur psychischen Verfassung des Angeklagten beruhen auf den Ergebnissen der Begutachtung des Angeklagten durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. Alexander ..., die dieser in der Hauptverhandlung referiert hat.

Der Sachverständige hat insbesondere ausgeführt: Als Ergebnis der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und der selbst durchgeführten Untersuchungen zeige sich, dass der Angeklagte seit nunmehr wahrscheinlich etwa sechs Jahren an einer affektiven, vermutlich einer Bipolar-II-Erkrankung leide, in deren Rahmen es offenbar zu einem chronifizierten Verfolgungs-, Bemächtigungs- und Beeinflussungswahn gekommen sei. Inwieweit eine zusätzliche Belastung der Psyche des Angeklagten durch Drogenabusus eingetreten sei, sei nicht sicher einzuschätzen.

Die insoweit in der klinischen Exploration gefundenen Ergebnisse seien durch eine umfangreiche testpsychologische Untersuchung bestätigt und ergänzt worden. Deren Aussagekraft sei zwar insofern begrenzt, als die in den Tests enthaltenen Kontrollskalen deutlich auf eine unoffene und abwehrende Antworttendenz des Angeklagten hinwiesen – was auch dem im Explorationsgespräch gewonnenen Eindruck entsprochen habe. Das ändere aber, insbesondere da die Tendenz bei dem Angeklagten eindeutig dahin gehe, Auffälligkeiten zu dissimulieren, nichts an der Gültigkeit der gefundenen Normabweichungen. Insbesondere sei im Rahmen der Persönlichkeitsdiagnostik (MMPI-2) eine erhebliche und pathologische Erhöhung der Psychopathie-Skala aufgefallen, was sich in Autoritätsproblemen, Problemen der Empathie, Feindseligkeit, eher oberflächlichen Beziehungen und pathologischer Langeweile äußere. Ebenfalls deutlich erhöht seien die Depressions-Skala, die Hypomanie-Skala mit Erscheinungsformen wie Redseligkeit, Ungeduld, Unruhe mit überschießender Aktivität und Labilität sowie die Schizophrenie-Skala mit einem geringen Interesse an anderen Menschen bei erhöhter Empfindsamkeit. Im Rahmen einer weiteren Fragebogenerhebung zur Spezifizierung einzelner Persönlichkeitsstörungen (SKID-II) seien zwar für keine einzelne spezifische Persönlichkeitsstörung ausreichende Kriterien zu finden gewesen. Gleichwohl habe sich hier das deutliche Bild von emotional instabilen, antisozialen und selbstunsicheren Persönlichkeitsanteilen ergeben.

Die im Rahmen der früheren Behandlungen des Angeklagten, insbesondere der verschiedenen Klinikaufenthalte, gestellten Diagnosen seien zwar, was eine plausible Erklärung in den Dissimulationstendenzen des Angeklagten finde, nicht vollständig konsistent, fügten sich aber ebenfalls in dieses diagnostische Gesamtbild.

Als sicher sei jedenfalls anzunehmen, dass der Angeklagte durchgehend unter schweren depressiven Zuständen leide, die wahrscheinlich als bipolare Störung zu sehen seien. Diese Störung habe sich offensichtlich im Gefolge des Todes der Mutter des Angeklagten auf Grundlage einer schon in seiner Kindheit und Jugend bestehenden kombinierten Persönlichkeitspathologie, veranlasst insbesondere durch die damals vermehrt aufgetretenen innerfamiliären Konflikte, entwickelt und seither chronifiziert.

Auf jeden Fall liege bei dem Angeklagten eine schwere psychiatrische Erkrankung mit psychotischen und vermutlich auch die sozialen Anteilen vor, die zu massiven sozialen Einschränkungen und Überforderungen führe.

Der Angeklagte habe seit 2015 einen großen Teil seiner Zeit in Kliniken zugebracht, ohne dass sich eine durchgreifende Verbesserung der Situation ergeben habe. Dies habe bereits 2017 zur Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung geführt und erfülle aus psychiatrischer Sicht die Anforderungen für eine Subsumtion unter das juristische Merkmal der sogenannten „krankhaften seelischen Störung“.

Die Kammer hat diese Ausführungen des ihr seit vielen Jahren als ungewöhnlich gründlich, diagnostisch immens erfahren und zuverlässig bekannten Sachverständigen nach eigener Prüfung für vorbehaltlos plausibel und überzeugend befunden und sie demgemäß, zumal sie auch von keiner Seite angegriffen worden sind, ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt.

c)

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Vergangenheit des Angeklagten beruhen zunächst auf der in der Hauptverhandlung verlesenen Auskunft des Bundeszentralregisters vom 06.12.2019 und, was die der Verurteilung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen angeht, auf dem in der Verhandlung verlesenen Urteil des Amtsgerichts ... vom 31.07.2018.

Die Feststellungen zu dem weiteren gegen den Angeklagten geführten und später eingestellten Strafverfahren konnte die Kammer auf Grundlage der in der Hauptverhandlung verlesenen damaligen Anklageschrift, der Verzichtserklärung des Angeklagten wegen seiner Fahrerlaubnis und des seinerzeit ergangenen Einstellungsbeschluss treffen, nachdem der Angeklagte zuvor bereits die Richtigkeit des daraus ersichtlichen Sachverhalts bestätigt hatte.

2.

a)

Die Angaben des Angeklagten zur Vorgeschichte der Tat und dem geplanten Drogenverkauf, die er auch schon gegenüber dem Sachverständigen so getätigt hat, hat die Kammer als ...haft erachtet und sie vor dem Hintergrund der psychischen Erkrankung des Angeklagten auch für nachvollziehbar befunden.

b)

Zum eigentlichen Tatgeschehen hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung entsprechend den vorstehenden Feststellungen weitgehend geständig eingelassen. Er hat hierbei nachdrücklich darauf hingewiesen, dass er sich bei seinen Taten in einer Zwangslage gesehen habe. Der weitere Kontakt zu dem ... sei ihm unerträglich gewesen. Immer wieder habe er versucht, eine andere Wohnung zu bekommen, dies sei aber wegen der Situation am Wohnungsmarkt und seiner beschränkten finanziellen Mittel nicht gelungen. Auch im Klinikum ... habe man den Ernst seiner Lage nicht erkannt. Er habe daher keinen anderen Ausweg gesehen, als sich in die Einsamkeit zurückzuziehen. Zur Finanzierung seines Aussteigerlebens seien die ihm zur Verfügung stehenden Barmittel, bei denen es sich nach seinen Angaben um Ersparnisse aus durchgeführten Gelegenheitsarbeiten handelte, nicht ausreichend gewesen. Deshalb sei er auf den Verkauf der bei ihm gelagerten Drogen angewiesen gewesen. Auf ausdrückliches Befragen hat er auch eingeräumt, die Waffe zum Schutz vor möglichen Übergriffen von Drogendealern mitgenommen zu haben.

An seine Polizeiflucht habe er nur noch schemenhafte Erinnerungen. Als er hinter sich das Blaulicht des Polizeiautos wahrgenommen habe, sei er in Panik geraten. Er wisse noch, dass er sich alsbald der Drogen entledigt habe. Danach sei es ihm nur noch darum gegangen, sich irgendwie seiner befürchteten Festnahme zu entziehen. Seine Erinnerung habe erst wieder eingesetzt, als er unbeabsichtigt mit dem vorausfahrenden Polizeiauto kollidiert sei. Vor seiner Festnahme habe er noch im Fußraum nach seiner Waffe gesucht, um seinem Leben ein Ende zu setzen.

c)

Allerdings hat die Kammer dem Angeklagten nicht ...en können, dass das bei ihm sichergestellte Bargeld aus legalen Ersparnissen stammte. Hiergegen sprach bereits seine wirtschaftliche Situation bis zu seiner Inhaftierung. Als Erwerbsunfähigkeitsrentner verfügte er lediglich über ein geringes Einkommen, das zudem noch von seiner Betreuerin verwaltet wurde. Wegen erheblicher Schulden, die insbesondere aus den durch seine frühere Polizeiflucht entstandenen Schäden herrührten, befand er sich in Privatinsolvenz. Demgemäß war davon auszugehen dass seine Betreuerin bei ihm etwa vorhandene oder anfallende erhebliche Geldbeträge legaler Art zur Vermeidung nachteiliger Folgen für das Insolvenzverfahren der Insolvenzmasse zugeführt hätte.

Zwar verfügte der Angeklagte offensichtlich gleichwohl über einige Barmittel, die er nach eigenem Bekunden jedenfalls zum Teil durch Entlohnungen des ... für diverse Drogenkurierfahrten erlangt hatte und die ihm schließlich in Schweden entwendet wurden. Seine Angabe, von diesen Geld nur einen Teilbetrag dorthin mitgenommen zu haben, erschien aber schon deshalb un...würdig, weil es ihm nach eigenem Bekunden schon bei der Reise nach Schweden darum ging, sich auf Dauer seiner damaligen Situation zu entziehen und letztlich seine Rückkehr nur dem Umstand geschuldet war, dass er durch den Diebstahl seiner gesamten Wertgegenstände plötzlich mittellos geworden war. Bei dieser Sachlage erschien die Annahme, er habe einen größeren Bargeldbetrag ohne ersichtlichen Grund zurückgelassen, ausgesprochen fernliegend. Hinzu kam, dass der Angeklagte zu den behaupteten Gelegenheitsarbeiten keine näheren Angaben machen konnte oder wollte.

Dies alles ließ nur den Schluss zu, dass das bei ihm sichergestellte Geld aus dem illegalen Besitz des ... stammte, wobei es nicht darauf ankommen konnte, ob der Angeklagte dieses Geld mit oder gegen den Willen des ... erlangt hat.

d)

Die Feststellungen zum Ablauf der Polizeiflucht hat die Kammer im Wesentlichen aufgrund der Angaben der hierzu gehörten Zeugen PHK ... und POM ... getroffen, die als Besatzung des ...er Einsatzfahrzeuges durchgehend die größte Nähe zum Tatgeschehen hatten. Beide Zeugen haben ausdrücklich betont, dass der Angeklagte bei ihren diversen Überholversuchen nicht etwa nur ihnen den Weg abgeschnitten, sondern sich vielmehr auf einen Kollisionskurs zu ihrem Fahrzeug begeben hat mit der Folge, dass sie nur durch extreme Bremsmanöver einen Zusammenstoß der Fahrzeuge verhindern konnten und so um Leib und Leben fürchten mussten. Sie haben ferner angegeben, dass der auf sie gerichteten Gegenstand eindeutig die Form und das Aussehen einer Schusswaffe hatte, so dass die Kammer auch keinerlei Zweifel hat, dass es sich hierbei um die vom Angeklagten mitgeführte Pistole handelte. Dies hat der Angeklagte aus letztlich nicht in Abrede gestellt. Die Angaben beider Zeugen sind in jeder Hinsicht ...haft und nachvollziehbar. Sie standen auch Monate nach dem Tatgeschehen erkennbar unter dem Eindruck der damaligen Ereignisse. Ihre Angaben haben insbesondere auch vollständige Bestätigung gefunden durch die in der Hauptverhandlung erfolgte Inaugenscheinnahme der Aufzeichnungen der in den Einsatzfahrzeugen installierten Videogeräte.

Die gesamte Fluchtfahrt des Angeklagten, die sich über eine Entfernung von 34 km erstreckte und 19 Minuten dauerte, war durch insgesamt vier Videos sehr gut dokumentiert, die aus den in den drei verfolgenden Polizeifahrzeugen installierten Kameras gefilmt wurden. Die Aufzeichnung des ...er Einsatzfahrzeugs, welches als erstes auf den Angeklagten aufmerksam geworden war, deckte die gesamte Fahrtstrecke vom Beginn der Verfolgung um 3:11:30 Uhr bis zum Unfall um 3:30:01 Uhr ab. Die Aufzeichnungen der beiden ...er Polizeifahrzeuge setzten zum Beginn der jeweiligen Verfolgung ein und reichten ebenfalls bis weit nach dem Unfall und der Festnahme. Dabei war zwar festzustellen, dass die von den Kameras aufgezeichneten Uhrzeiten nicht völlig identisch waren. Die geringfügigen Abweichungen ließen sich aber anhand der ansonsten übereinstimmend zu beobachtenden Abläufe ohne weiteres nachvollziehen.

Auf den Videos, die die Kammer gemeinsam mit den anderen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen hat, war insbesondere gut zu erkennen, dass der Angeklagte allein im Fahrzeug saß und dabei in voller Fahrt riskante Fahrmanöver und Tätigkeiten ausführte. So gelang es ihm, das Fahrzeug wieder einzufangen, als er beim Herauswerfen der Drogenpäckchen auf der Autobahn kurz nach links von der Fahrbahn abkam und auf das Bankett geriet. Auch schaffte er es immer wieder, das in seiner Motorleistung den Polizeifahrzeugen deutlich unterlegene Fahrzeug vom Typ VW Caddy so im Grenzbereich zu bewegen, dass die Einsatzfahrzeuge der Polizei in den Ortschaften und auf den engen Landstraßen nur hinterherfahren konnten. Gleichzeitig war auf den Videos gut zu erkennen, dass es für die Polizeifahrzeuge dann sehr gefährlich wurde, wenn der Angeklagte ihre Überholmanöver in sehr hektischen Fahrmanövern durch Versperren der Fahrwege verhinderte. Eindeutig zu erkennen war, dass die Polizeibeamten mehrfach im letzten Moment stark abbremsen mussten, um eine Kollision zu vermeiden.

Auf dem von der ...er Polizei aufgezeichneten Video war auch deutlich zu erkennen, dass der Angeklagte für einen kurzen Moment seine Waffe auf das nachfolgende Polizeifahrzeug richtete. Bezüglich des weiteren Einsatzes der Waffe ist auf dem Video dokumentiert, dass das überholende Fahrzeug plötzlich und ohne verkehrsbedingten Grund den Überholvorgang durch starke Geschwindigkeitsverringerung abbricht und gleichzeitig einer der Beamten ausruft: „Der hat eine Knarre!“. Dass dieser Einsatz der Waffe auf dem Video nicht sichtbar ist, erklärt sich aus dem Umstand, dass sich zu diesem Zeitpunkt beide Fahrzeuge etwa auf gleicher Höhe befanden und sich der Angeklagte deshalb außerhalb des Aufzeichnungsbereichs der Kamera aufhielt.

f)

Ergänzend hat die Kammer die Zeugen PK ..., POK ..., POM ..., PKA`in ..., PKA ..., POM ..., POM ... und POM ... zum Tatgeschehen und zum Nachtatverhalten des Angeklagten gehört:

Der Zeuge ... gehörte zusammen mit dem Zeugen ... zur Besatzung des vorderen entgegenkommenden ...ischen Einsatzfahrzeuges. Als er bemerkte, dass das verfolgende Fahrzeug ein ...er Streifenwagen war, wendete er und schloss zu diesem auf. In dem Kreisverkehr ... habe er versucht, ein mögliches Ausfahren in Richtung ... zu verhindern und sei deshalb entgegen der Fahrtrichtung in den Kreisverkehr eingefahren. Obwohl der Angeklagte dieses Manöver wahrgenommen haben musste, sei er mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren, so dass sich der Zeuge zu einer Gefahrenbremsung gezwungen sah, um eine Kollision der Fahrzeuge zu verhindern. Im Baustellenbereich vor dem Dreieck ... habe er sich dann hinter das Fahrzeug des Angeklagten gesetzt und habe mehrfach versucht, dieses zu überholen. Dies sei jedoch nicht gelungen, weil der Angeklagte jedes Mal auf seine Spur ausgeschert sei und ihn zum Abbremsen gezwungen habe. Als die Fahrbahn im Autobahndreieck ... dreispurig wurde, habe er versucht, das Fahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen zu überholen. Auch dies habe der Angeklagte durch einen plötzlichen Spurwechsel verhindert. Der gleichzeitige Versuch der ...er Kollegen, auf der linken Spur zu überholen, sei ebenfalls gescheitert, weil – wie er erst später erfahren habe – der Angeklagte die Kollegen mit einer Waffe bedroht habe. Er habe sodann beobachtet, wie der Angeklagte ungebremst auf das Fahrzeug der Autobahnpolizei auffuhr. Er habe hierbei den Eindruck gehabt, dass der Angeklagte noch vergeblich versucht hatte, sich links an diesem Fahrzeug „vorbeizudrücken“. Nach der Kollision habe er sich unverzüglich zur Fahrerseite des Fahrzeugs des Angeklagten begeben. Er habe diesen mit dem Oberkörper auf dem Beifahrersitz liegend und mit der Hand im Fußraum tastend wahrgenommen. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass der Angeklagte eine Waffe hatte, habe er nach Öffnen der Tür Reizgas eingesetzt, um ihn greifen zu können. Als der Angeklagte gleichwohl versucht habe, auf die Beifahrerseite zu klettern, und er gleichzeitig den Warnruf „Schusswaffe!“ vernahm, habe er ihm mehrere Schläge mit seiner Taschenlampe versetzt, woraufhin es ihm gelungen sei, den Angeklagten aus dem Fahrzeug zu ziehen.

Der Zeuge ... hat diese Angaben im Wesentlichen bestätigt. Bei der Festnahme sei er beteiligt gewesen und habe ebenfalls Reizgasspray eingesetzt. Hiernach habe er noch versucht, den Zeugen ... von der Beifahrerseite her zu unterstützen. Dies sei aber nicht gelungen, weil sich diese nicht habe öffnen lassen.

Die Zeugen ... und ... waren die Besatzung des weiteren Einsatzfahrzeuges der ...ischen Polizei. Beide haben ebenfalls bestätigt, dass der Angeklagte während der gesamten Nacheile mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit und unter Missachtung der Verkehrsregeln gefahren ist. Sie haben auch wahrgenommen, dass der Angeklagte diverse Überholversuche der ...er Kollegen durch abrupte Fahrmanöver verhindert hat, konnten aber wegen des relativ großen Abstandes hierzu keine näheren Angaben machen.

Der Zeuge ... hat ferner angegeben, dass er sich nach der Kollision zunächst zur Beifahrerseite des Fahrzeugs des Angeklagten begeben habe. Als er die Beifahrertür habe öffnen wollen, sei der Angeklagte bereits durch Kollegen durch die Fahrertür mit einfacher körperlicher Gewalt aus dem Fahrzeug geholt und am Boden fixiert worden. Er sei dann auch zur Fahrerseite hinübergegangen und habe im Fußraum auf der Fahrerseite eine Schusswaffe der Marke Walther mit eingeführtem Magazin entdeckt. Dieses habe er entnommen und festgestellt, dass sich im Lauf der Waffe eine Patrone befand und diese somit schussbereit war. Die Patrone habe er entfernt und wieder in das Magazin gesteckt. Anschließend habe er Waffe und Magazin in einer Plastiktüte dem Dienstgruppenleiter übergeben.

Der Zeuge ... gehörte zur Besatzung des Einsatzfahrzeuges der Autobahnpolizei, mit dem das Fahrzeug des Angeklagten schließlich kollidiert ist. Er sei mit einem Kollegen an der Anschlussstelle ... auf die A 24 Richtung ... aufgefahren, um den Verkehr vor dem herankommenden Angeklagten zu warnen. An dieser Stelle sei die Autobahn nur zweispurig ohne Standstreifen und wegen einer Baustelle sehr eng. Die Geschwindigkeit sei auf 60 km/h beschränkt gewesen. Trotz der frühen Morgenstunde sei der Lkw- und Pendlerverkehr schon gelaufen. Er sei mit ca. 60 km/h auf der rechten Spur gefahren. Auf der Autobahn habe er dann bei sonst völliger Dunkelheit im Rückspiegel die Blaulichter der nacheilenden Polizeiwagen gesehen. Er habe dann selbst das Blaulicht eingeschaltet und noch bemerkt, dass er von einem anderen Fahrzeug überholt wurde. Dann habe er hinter sich noch sich schnell nähernde Fahrzeugscheinwerfer bemerkt, und in diesem Augenblick habe es bereits geknallt. Er selbst sei bei dem Unfall unverletzt geblieben und habe sich, nachdem er zuvor noch mit seiner Wache telefoniert habe, zum Fahrzeug des Angeklagten begeben. Zu diesem Zeitpunkt habe der Angeklagte bereits fixiert am Boden gelegen. Im Fahrzeug des Angeklagten habe er auf der Mittelkonsole ein ca. 20 cm langes Jagdmesser liegen sehen. Sein Kollege sei später noch ärztlich behandelt worden und vorübergehend arbeitsunfähig gewesen.

Der Zeuge ... schließlich hat den Transport des Angeklagten zusammen mit anderen Kollegen in die ... Kliniken begleitet. Dort habe sich der Angeklagte zunehmend aggressiv verhalten und habe gegenüber den Beamten und dem Klinikpersonal u.a. geäußert: „Ich schlachte euch alle ab!“ und „Ich zerreiße euch, wenn ihr mich nicht losmacht!“. Er habe daraufhin auf einer Trage fixiert werden müssen. Insgesamt seien bei dem Angeklagten massive Stimmungsschwankungen feststellbar gewesen. Er habe auch mehrfach geäußert, dass in seinem Körper Würmer lebten, die versuchten, sich aus ihm heraus zu fressen. Er habe verlangt, umgehend in einen klimatisierten Raum geschafft zu werden. Erst nachdem ihn der behandelnde Arzt sediert habe, sei es gelungen, die Blutprobenentnahme durchzuführen.

Alle diese schon für sich betrachtet jeweils im Wesentlichen ...haften Aussagen fügten sich bruchlos in das Bild, das sich die Kammer aufgrund der Angaben der Zeugen ... und ... sowie der eingesehenen Videodokumentationen vom Ablauf des Geschehens gemacht hatte. Hiernach konnte an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen in keiner Hinsicht mehr Zweifel aufkommen.

g)

Soweit der Angeklagte in der Hauptverhandlung ebenso wie gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen weiter behauptet hat, dass er das vorausfahrende Fahrzeug der ...er Autobahnpolizei vor dem Unfall überhaupt nicht gesehen habe, erschien auch dieser Teil der Einlassung jedenfalls nicht zu widerlegen. Auf den Videos von der Verfolgungsfahrt ist gut zu sehen, dass das Fahrzeug der ...er Autobahnpolizei um exakt 3 Uhr 29 und 14 Sekunden (Uhrzeit aus dem Video des nachfolgenden ...er Polizeifahrzeugs) in einem Abstand von weniger als 50 m vor dem Fahrzeug des Angeklagten entgegen den Angaben des Zeugen ... von der rechten auf die linke Fahrspur wechselt und es dort 3 Sekunden später zu dem schweren Auffahrunfall kommt. Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme des Zeugen ..., der Angeklagte habe noch versucht, nach links an dem Polizeiauto vorbeizukommen, nicht hinreichend gesichert, um die Behauptung des Angeklagten für unwahr zu erachten, zumal es sich um ein äußerst komplexes Geschehen handelte.

h)

Dass es dem Angeklagten völlig gleichgültig war, ob bei seiner gefährlichen Flucht jemand anderes zu Schaden kommen könnte und er dies zumindest billigend in Kauf nahm, musste die Kammer bereits aus dem vorgeschilderten Tatverhalten schließen. Wer einen Pkw außerhalb von Rennstrecken im öffentlichen Straßenverkehr so bewegt, wie der Angeklagte dies getan hat, und insbesondere anderen Fahrzeugen in solcher Weise den Weg versperrt, kann, da der Eintritt eines Unfalls dann vom reinen Zufall abhängt, keinesfalls noch ernsthaft erwarten, dass dabei kein erheblicher Sach- oder Personenschaden entstehen werde.

i)

Die ganz erheblichen Beschädigungen der beiden am Unfall beteiligten Fahrzeuge sind anhand der in Augenschein genommenen Fotos gut dokumentiert und nachvollziehbar. Die Zerstörungen sind so immens, dass es wohl nur dem aktuellen Stand der modernen Fahrzeugtechnik zu verdanken ist, dass bei dem Unfall niemand ernsthaft verletzt wurde.

k)

Die Feststellungen zur Menge und zum Gewicht der Betäubungsmittel und zu ihrem Wirkstoffgehalt ergaben sich aus den verlesenen Wiegeberichten und aus dem verlesenen Bericht über eine chemische Untersuchung unbekannter Substanzen des Landeskriminalamts vom 19.11.2019, Bl. 435-437 der Akte. Danach hatten die Haschischplatten bei einem Gesamtgewicht von 553,57 g einen Gesamt-Wirkstoffanteil von 156,66 g THC – was einem THC-Anteil von 28,3 % und damit einem außerordentlich hohen Wirkstoffgehalt entsprach – und eine daneben noch beim Angeklagten sichergestellte ...ere Menge Marihuana bei einer Gesamtmasse von 8,09 g eine Wirkstoffmenge von weiteren 1,14 g THC.

l)

Dass es sich bei der Pistole, die der Angeklagte bei sich führte, um eine Schusswaffe, und zwar um eine halbautomatische Kurzwaffe handelte, dass sie schussfähig war und der Angeklagte sie ohne weiteres hätte einsetzen können, ergab sich aus den verlesenen Waffengutachten des kriminaltechnischen Institutes des Landes ... vom 24.01.2020. Der dortige Sachverständige hat festgestellt, dass die Pistole die Eigenschaften aufwies, wie sie in Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 zum Waffengesetz für Schusswaffen, Feuerwaffen, Halbautomaten und Kurzwaffen definiert sind. Er hat weiter festgestellt, dass die Waffe technisch einwandfrei funktionierte und hat mit ihr in der Untersuchung mehrere Patronen störungsfreifrei verschossen, darunter auch eine, die sich bei der Tat im Magazin der Waffe befunden hatte. Das von dem Sachverständigen festgestellte Kaliber der Waffe und der Munition war 7,65 mm Browning, was zwar im Detail von den Annahmen der Staatsanwaltschaft in der Anklage abwich, ohne dass dies aber für die Entscheidung weiter von Bedeutung war. Die Kammer ist insoweit den Feststellungen des behördlichen Sachverständigen gefolgt.

m)

Dass der Angeklagte bei der Tat weder durch Alkohol noch durch Betäubungsmittel beeinflusst war, ergibt sich aus der Auswertung seiner Blutprobe. Die chemische Analyse hat weder eine nennenswerte Konzentration von Alkohol, noch eine solche von Betäubungsmittelrückständen in seinem Blut festgestellt.

n)

Die zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Verlauf des Tatgeschehens getroffenen Feststellungen beruhen wiederum auf den vom Sachverständigen Dr. ... referierten Ergebnissen seiner Begutachtung des Angeklagten. Der Sachverständige hat hierzu insbesondere ausgeführt:

Bis zu der Konfrontation mit der Polizeistreife auf der Stadtautobahn in ... stelle sich das Geschehen als ein zwar ungewöhnliches und wohl, was beispielsweise die geplante Vermarktung der Betäubungsmittel und das beabsichtigte Einsiedlerleben angeht, auch wenig realistisches, dabei aber in seiner ganzen Komplexität insgesamt vom Angeklagten intendiertes und geplantes Handeln dar. Das Zusammentreffen mit der Polizeistreife und insbesondere der Blaulichteinsatz durch die Polizeibeamten habe dann aber bei dem Angeklagten zu einem starken Schrecken geführt und als dessen Folge, verstärkt durch ein schon in früheren Krankenunterlagen beschriebenes ohnehin paranoid belastetes Verhältnis des Angeklagten zur Polizei, zu einer akuten weitergehenden, massiven Verschlechterung seiner psychischen Störung. Damit sei das bis dahin geplante Handeln des Angeklagten abrupt abgebrochen.

Zu Beginn der sich dann anschließenden Verfolgungsfahrt sei das Handeln des Angeklagten dann zwar ungeplant/improvisiert, aber noch nicht vollends seiner Kontrolle entzogen gewesen. Es könne zwar auch für diese Phase nicht sicher ausgeschlossen werden, dass seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit bereits erheblich eingeschränkt gewesen sei, Reste davon seien aber jedenfalls noch erhalten gewesen. Mit der zunehmender Dauer der Verfolgungsfahrt habe die Panik-Reaktion des Angeklagten sich aber zunehmend verselbstständigt und letztlich zu einer schweren psychotischen Dekompensation geführt. Deshalb sei ab einem späteren, allerdings nicht näher bestimmbaren, Zeitpunkt nach Beginn der Verfolgungsfahrt vom Feststehen einer erheblichen Beeinträchtigung der Einsichts-und Steuerungsfähigkeit auszugehen und auch nicht mehr auszuschließen, dass sie völlig aufgehoben gewesen sein könnte, und zumindest für die letzte Phase des Geschehens nach der Kollision mit dem vorausfahrenden Streifenwagen sei nach den Zeugenbeschreibungen zum Verhalten des Angeklagten und nach den anschließend im Krankenhaus erhobenen Befunden mit Sicherheit von einer solchen Aufhebung auszugehen.

Auf Nachfrage zur Verfassung des Angeklagten bei seinem Aufbruch aus ... und seiner zu diesem Zeitpunkt und bei seiner Entschlussbildung hierzu bestehenden Einsichts- und Steuerungsfähigkeit hat der Sachverständige demgegenüber erklärt, dass es für diesen Zeitpunkt eindeutig keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten gebe. Die festgestellte psychiatrische Erkrankung führe zwar zu einer erhöhten Anfälligkeit des Angeklagten für von ihm nicht mehr willentlich steuerbarer Fehlhandlungen in Sondersituationen. Sie führe aber nicht zu einer ständigen Beeinträchtigung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit. Es gebe keine tatsächlichen Umstände, die die Annahme rechtfertigen könnten, bei seinem Entschluss, die Wohnung in ... zu verlassen und dazu das Auto des ... zu verwenden sowie das Haschisch, die Schusswaffe und das Bargeld mitzunehmen, sei der Angeklagte in seinen Möglichkeiten, sich nach freiem Willen zwischen Tun und Lassen entscheiden zu können, erheblich beeinträchtigt gewesen.

Die Kammer ist auch diesen sehr plausiblen und Darlegungen des Sachverständigen nach eigener Prüfung vollinhaltlich gefolgt und hat demgemäß für das Geschehen bis zum Beginn der Verfolgungsfahrt eine uneingeschränkte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten angenommen. Für die Verfolgungsfahrt als solche musste sie hiernach zugunsten des Angeklagten davon ausgehen, dass zu dem Zeitpunkt, als er seine erste als Straftat im Straßenverkehr relevante Handlung beging, nämlich den geschilderten Rotlichtverstoß in ..., schon ein Zustand der nicht ausschließbar aufgehobenen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit eingetreten war – weil nämlich zu diesem Zeitpunkt die Verfolgungsfahrt bereits einige Minuten andauerte.

IV. Rechtliche Würdigung

Nach diesen Feststellungen hat der Angeklagte zunächst, indem er die dem ... gehörenden Haschisch-Pakete, deren Inhalt bei einer Menge von zumindest 651,66 g Haschisch mit einem Gesamtwirkstoffgehalt von zumindest 157,80 g THC mehr als dem 21fachen des Grenzwerts für die nicht geringe Menge im Sinne von §§ 29a Abs. 1 Nr. 2 und 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG von 7,5 g THC entsprach, an sich nahm, um sie an noch zu findende Abnehmer weiterzuverkaufen, und indem er bei dem der Vermarktung dienenden Transport dieser Betäubungsmittel nach ... und von dort in Richtung ... die scharfe, geladene und schussbereite Pistole griffbereit bei sich führte, ein Verbrechen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung einer Schusswaffe gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG begangen. Dabei war es ohne Belang, dass es zu irgendwelchen konkreten Vereinbarungen über die Veräußerung von Betäubungsmitteln oder auch nur zu konkreten Verhandlungen über solche Vereinbarungen nicht gekommen ist. Denn jedenfalls hatte der Angeklagte die Betäubungsmittel in der erklärten Absicht in Besitz genommen, diese schnellstmöglich zu veräußern, um sodann von dem Erlös seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Schon die bloße Verwahrung, das Bereithalten und die Inbesitznahme von Betäubungsmitteln stellen aber, auch ohne Kundenkontakt, Verkaufsgespräche oder Ähnliches, bereits vollendetes Handeltreiben im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes dar, wenn diese Verhaltensweisen auf den Umsatz mit Betäubungsmitteln gerichtet sind (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1982, 2 StR 593/81, Rn. 6 [juris] m.w.N.; BGH, Urteil vom 26. August 1993,4 StR 326/93, Rn. 5 [juris]). Eben das war hier der Fall.

Das Mit-sich-Führen der geladenen Pistole im Pkw außerhalb eines besonders verschlossenen Behältnisses stellte außerdem das – tateinheitlich begangene – unerlaubte Führen und Besitzen einer Schusswaffe, und zwar einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschließen von Patronenmunition, gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG dar.

Außerdem – in Tatmehrheit gemäß § 53 StGB zu der gerade erörterten Tat, weil das Drogendelikt vor dem hier in Rede stehenden Tatbeginn beendet war, nämlich in dem Moment, als der Angeklagte das letzte Haschisch-Paket aus dem Autofenster geworfen und die Betäubungsmittel damit jeder Vermarktungsmöglichkeit entzogen und jedes auf ihre Vermarktung gerichtete Handeln aufgegeben hatte – hat der Angeklagte mit den festgestellten Regelverstößen im Straßenverkehr während der Verfolgungsfahrt den Tatbestand einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 b) und d) verwirklicht, indem er während dieser Fahrt ohne jede Rücksicht auf irgendwelche anderen Belange als auf seinen unbedingten Wunsch, der Festnahme zu entgehen, unter Missachtung aller Verkehrsregeln insbesondere in den unübersichtlichen Ortsdurchfahrten zu schnell fuhr und bei den durch die Einsatzfahrzeuge eingeleiteten Überholvorgängen jeweils absichtlich die Fahrspur in der Weise wechselte, dass der überholwillige Führer des Einsatzfahrzeugs den Überholvorgang jeweils unter Durchführung einer Notbremsung abbrechen musste, um eine sonst drohende Kollision zu vermeiden – womit sowohl die Einsatzfahrzeuge (und damit fremde Sachen von bedeutendem Wert) als auch Leib und Leben der darin sitzenden Polizeibeamten (und damit anderer Menschen) konkret gefährdet waren. Dabei standen alle diese Einzelhandlungen des Angeklagten in Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB, weil sie insgesamt von dem einmal gefassten Vorsatz getragen waren, sich während der gerade stattfindenden Verfolgungsfahrt in jeder möglichen Weise der Festnahme zu entziehen, und damit eine natürliche Handlungseinheit bildeten.

Wegen dieser Tat durfte der Angeklagte allerdings nicht bestraft werden, weil er sich insoweit, wie festgestellt, schon vom Beginn der Tatausführung an in einem Zustand nicht ausschließbar aufgehobener Schuldfähigkeit befand.

V. Strafzumessung

Bei der Strafzumessung wegen der festgestellten Tat hatte die Kammer zunächst vom Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG – als dem gegenüber dem Strafrahmen nach § 52 Abs. 1 WaffG schärferen Gesetz – auszugehen, der Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren (und bis zu 15 Jahren) vorsieht.

Die Kammer hat allerdings nach eingehender Prüfung einen minder schweren Fall im Sinne von § 30a Abs. 3 BtMG für gegeben befunden. Die Annahme eines minder schweren Falles setzt voraus, dass die strafmildernden Gesichtspunkte die strafschärfenden so deutlich überwiegen und das Tatbild so stark von dem „typischen“ Fall des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schusswaffe nach unten abweicht, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens deshalb als insgesamt nicht mehr tat- und schuldangemessen erscheint. Das musste bei dem Angeklagten in der Gesamtschau als gegeben angenommen werden.

Strafmildernd für den Angeklagten sprach dabei zunächst seine – was den Betäubungsmittelhandel angeht, vollständige und vorbehaltlose – Geständigkeit. Hinzu kam der Umstand, dass die Tat einem spontan gefassten Entschluss entsprungen war und ihr insbesondere keine erfolgversprechenden oder auch nur plausiblen Vorstellungen des Angeklagten von der tatsächlichen Vermarktung einer derartigen Menge an Haschisch zugrunde lagen. Das Verhalten des Angeklagten war in keiner Weise typisch für einen Drogen-Großdealer. Außerdem entsprang die Tat dem Versuch des Angeklagten, sich äußeren Lebensumständen zu entziehen, die zu einer tiefgreifenden seelischen Notlage geführt hatten – was zwar keine erheblichen Verminderung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit begründete, wohl aber es ihm gegenüber einer unbelasteten Situation ganz erheblich schwerer machte, sich für ein gesetzeskonformes Verhalten zu entscheiden. Weiter strafmildernd kam hinzu, dass die Vermarktungsabsicht des Angeklagten dann auch tatsächlich gescheitert ist und die von ihm weggeworfenen Betäubungsmittel alsbald sichergestellt werden konnten, sodass diese letztlich nicht auf den Markt und in die Hände von Endkonsumenten gelangt sind. Überdies handelte es sich bei den gehandelten Betäubungsmitteln um Haschisch und damit um eine sogenannte „weiche“ Droge, von der eine vergleichsweise geringe Gefährlichkeit ausging.

Gegen den Angeklagten sprach demgegenüber die recht große Menge der gehandelten Betäubungsmittel, die mehr als das 21fache des Grenzwertes einer nicht geringen Menge ausmachte, dessen Überschreitung bereits zur Verwirklichung der Tatbestände nach §§ 29a und 30a BtMG genügt hätte.

Erschwerend hinzu kam außerdem, dass es sich bei der vom Angeklagten mitgeführten Schusswaffe um eine halbautomatische Kurzwaffe handelte, der bereits nach Waffenrecht eine gegenüber anderen Schusswaffen erhöhte Gefährlichkeit beizumessen ist. Weiter kam hinzu, dass der Angeklagte diese Schusswaffe nicht etwa rein zufällig während seines Betäubungsmitteltransports bei sich führte, sondern dass er sie ganz bewusst zu genau dem Zweck mitgenommen hatte, dem entgegenzuwirken das gesetzgeberische Ziel der besonders verschärften Strafbarkeit nach § 30a Abs. 1 BtMG darstellt, nämlich um sich im Fall eines von ihm befürchteten Konflikts mit einem etwa gefundenen Drogen-Abnehmer unter Benutzung dieser Waffe wehren zu können.

Hinzu kam außerdem, dass der Angeklagte neben der Pistole auch noch zwei Messer griffbereit bei sich führte, die er sich erst im Verlauf seiner Fahrt beschafft hatte und die, jedes für sich, bereits ausgereicht hätten, den Straftatbestand nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zu verwirklichen.

Gegen den Angeklagten sprach überdies auch seine – allerdings geringfügige und nicht einschlägige – strafrechtliche Vorbelastung.

Trotz dieser erheblichen Strafschärfungsgründe überwogen nach Abwägung aller Umstände die Strafmilderungsgründe in dem für die Annahme eines minder schweren Falles zu fordernden Ausmaß. Insbesondere das Zusammenkommen der subjektiv aufrichtig empfundenen Notlage des Angeklagten bei Bildung seines Tatentschlusses mit seiner völlig dilettantischen Herangehensweise an die Betäubungsmittelvermarktung ließ die Tat in ihrem Gesamtbild als so deutlich unterhalb des beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Üblichen erscheinen, dass der vergleichsweise strenge gesetzliche Regelstrafrahmen hierfür nicht mehr angemessen erschien.

Die Kammer hat demgemäß den milderen Strafrahmen für den minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG zur Anwendung gebracht.

Innerhalb des so gefundenen Strafrahmens, der von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe reichte, hat die Kammer nach nochmaliger Abwägung der vorstehend zur Frage des Vorliegens eines minder schweren Falles bereits erörterten Strafzumessungsgründe und der sonstigen Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten für zur Erreichung aller Strafzwecke notwendig wie auch angemessen befunden und demgemäß hierauf erkannt.

VI. Maßregeln der Besserung und Sicherung

1. Freiheitsentziehende Maßregeln

Soweit der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen wegen nicht ausschließbar aufgehobener Schuldfähigkeit – und bei Feststehen zumindest einer erheblichen Beeinträchtigung derselben – freizusprechen war, blieb aber die Anordnung von freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung gegen ihn zu prüfen.

Dabei war die Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB von vornherein nicht ernsthaft zu diskutieren, da es an den gesetzlichen Grundvoraussetzungen für eine solche Anordnung fehlte. Dem Angeklagten ist zwar vom Sachverständigen ein schädlicher Gebrauch von Cannabis attestiert worden. Es konnte indessen gleichwohl kein Hang des Angeklagten im Sinne von § 64 StGB festgestellt werden, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Und da der Angeklagte überdies während des Tatgeschehens nicht unter messbarem Alkohol- oder Drogeneinfluss stand, kam erst recht die Annahme nicht in Betracht, die Tat gehe auf einen solchen Hang zurück.

Eingehend zu prüfen blieb aber eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB.

Eine solche Unterbringung war im Fall des Angeklagten geboten, weil die Gesamtwürdigung seiner Person und seiner Tat zum Zeitpunkt des Abschlusses der gerichtlichen Beweisaufnahme ergeben hat, dass von ihm infolge seines Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und dass er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass der Angeklagte infolge seiner psychotischen Störung auch künftig weitere Straftaten von erheblichem Gewicht im Sinne des § 63 StGB begehen wird.

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert den davon Betroffenen außerordentlich. Sie darf deshalb nur angeordnet werden, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat(en) ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Es muss wahrscheinlich sein, dass der Rechtsfrieden durch neue Taten schwer gestört wird. Die Unterbringung darf - im Blick auf § 62 StGB - nicht angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde. Darüber hinaus kommt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur dann in Betracht, wenn weniger einschneidende Maßnahmen keinen ausreichenden zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit des Täters bieten. Dies ergibt sich aus dem – im gesamten Maßregelrecht geltenden und aus dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Übermaßverbots abgeleiteten – Subsidiaritätsprinzip (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2007, 5 StR 215/07, zitiert nach Juris). Auch gemessen an diesem strengen Prüfungsmaßstab blieb die Anordnung der Maßregel im Fall des Angeklagten aber im Ergebnis unausweichlich.

Der Sachverständige Dr. ... hat zu der dem Angeklagten zu stellenden Gefährlichkeitsprognose ausgeführt: Da bei dem Angeklagten ein stark chronifiziertes Krankheitsbild vorliege, unter dem es auch in der Vergangenheit schon zu massiven Fehlhandlungen mit Gefährdung anderer Menschen, insbesondere in Form der Verfolgungsfahrt aus dem Sommer 2015 in ..., gekommen sei, und da der Angeklagte seine psychische Problematik dissimuliere und bagatellisiere, während eine Bereitschaft, sich auf Behandlungsangebote einzulassen, bei ihm jedenfalls nicht durchgängig bestehe, seien auch in Zukunft vergleichbare suizidale und auch fremdaggressive Handlungen von ihm zu erwarten.

Eine Erwartung dahin, dass die Beschuldigte solche Ausfälle wie den, der zu der hier in Rede stehenden Verfolgungsfahrt geführt hat, künftig aus eigener Kraft zu vermeiden in der Lage sein könnte, gebe es nicht. Für eine therapeutische Bewältigung der Problematik sei vielmehr aus ärztlicher Sicht eine längerfristige stationäre Kombinationsbehandlung aus Psychopharmakotherapie und Psychotherapie mit intensiver sozialpädagogischer Begleitung erforderlich. Deren Anbahnung und konsequente Durchführung außerhalb der Bedingungen des Maßregelvollzuges erfordere aber bei der hochgradigen Labilität des Angeklagten unter allen Umständen einen stabilen und für den Angeklagten verlässlichen sozialen Empfangsraum - den es jedoch nicht gebe.

Auch diesen Ausführungen des Sachverständigen ist die Kammer nach eigener Prüfung gefolgt.

Die hiernach auch für die Zukunft zu erwartenden rechtswidrigen Taten des Angeklagten mussten auch als im Sinne von § 63 StGB erheblich bewertet werden, weil die Kammer in der Prognose annehmen musste, dass durch diese Taten die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird. Denn sowohl bei der hier in Rede stehenden Tat als auch bei der vorausgegangenen Verfolgungsfahrt im Jahr 2015 hat der Angeklagte jeweils ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr mit höchster Geschwindigkeit und ohne jede Rücksicht auf drohende Schäden an Sachen oder Personen bewegt und dabei jeweils letztlich einen Unfall mit Sach- und Personenschaden herbeigeführt. Dass die Unfallfolgen nicht noch gravierender waren, muss in beiden Fällen als glücklicher Zufall bezeichnet werden. Zudem hat er bei der hier in Rede stehenden Tat eine scharfe und schussbereite Waffe mit sich geführt und mit dieser auch auf die verfolgenden Beamten gezielt. Angesichts der psychischen Verfassung, in der sich der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt befand und die seine erheblich verminderte oder möglicherweise gänzlich aufgehobene Steuerungsfähigkeit zur Folge hatte, bestand die ganz konkrete Gefahr, dass der Angeklagte in seinem Erregungszustand tatsächlich auf die Beamten geschossen hätte. Dementsprechend war für den Fall der zukünftigen Wiederholung vergleichbarer Fehlhandlungen des Angeklagten auch mit noch schwereren schädlichen Auswirkungen auf die Rechtsgüter unbeteiligter Dritter zu rechnen.

Da außerdem die bisherigen und die künftig zu erwartenden Fehlhandlungen des Angeklagten insbesondere im öffentlichen Straßenverkehr angesiedelt werden mussten, konnte auch der Kreis der durch künftige Fehlhandlungen Gefährdeten in keiner Weise eingegrenzt werden, so dass die Kammer den Angeklagten letztlich als für die Allgemeinheit gefährlich im Sinne von § 63 StGB ansehen musste.

Unter den gegebenen Umständen konnten auch mildere Maßnahmen als der Vollzug der Maßregel keinen ausreichend zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit des Angeklagten bieten. Insbesondere kam die Aussetzung der Maßregel zur Bewährung nach § 67b StGB in gleich doppelter Hinsicht nicht in Betracht: Zum einen verbot eine solche Aussetzung sich wegen der gleichzeitig mit der Maßregel gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden konnte und deshalb eine Aussetzung der Maßregel nach § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB ausschloss. Zum anderen waren auch keine Umstände erkennbar, die die Erwartung hätten rechtfertigen können, dass der Zweck der Maßregel auch durch eine solche Maßnahme erreicht werden könnte. Denn das Fehlen eines hinreichend verlässlichen sozialen Empfangsraums, der dem Angeklagten den nötigen Halt bei der Bewältigung dieser psychotischen Störung unter den Bedingungen einer außerhalb des Maßregelvollzuges durchgeführten Therapie bieten könnte, ließ einen Therapieerfolg für diesen Fall als unrealistisch und damit als nicht hinreichend wahrscheinlich zur Begründung einer Erwartung im Sinne von § 67b Abs. 1 Satz 1 StGB erscheinen.

Nach alldem hat die Kammer die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.

2. Entziehung der Fahrerlaubnis

Soweit der Angeklagte von den ihm vorgeworfenen Verkehrsdelikten freizusprechen war, stellte sich aber dennoch die Frage einer Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB, weil eine Verurteilung wegen dieser Vorwürfe nur deshalb zu unterbleiben hatte, weil die Schuldunfähigkeit des Angeklagten für die Phase des Endes des Tatgeschehens erwiesen und im Übrigen nicht auszuschließen war.

Dabei war, da die festgestellte rechtswidrige Tat eine Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB darstellte, gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB vom Vorliegen eines Regelfalles für die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen. Irgendwelche Gründe, den Angeklagten gleichwohl für zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet zu halten, hat die Kammer nicht gefunden, insbesondere nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die hier in Rede stehende Verfolgungsfahrt unter exzessiver Verletzung sämtlicher Regeln des Straßenverkehrs, des Einsatzes einer Schusswaffe und unter massiver Fremdgefährdung bereits den zweiten bei dem Angeklagten festgestellten derartigen Vorfall darstellte und unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen Dr. ... gestellten Prognose, dass mit gleichartigen Taten auch für die Zukunft zu rechnen ist.

Die Kammer hat deshalb die Entziehung der Fahrerlaubnis des Angeklagten und die Einziehung seines Führerscheins angeordnet. Die danach gemäß § 69a StGB anzuordnende Sperrzeit hat die Kammer unter Berücksichtigung des vom Sachverständigen dargelegten erheblichen Therapiebedarfs des Angeklagten und der danach zu prognostizierenden erheblichen Zeitdauer bis zu einer nachhaltigen Verbesserung seines Zustandes nicht kürzer als auf drei Jahre ansetzen können.

VII. Einziehung

Nachdem die Kammer festgestellt hatte, dass der Angeklagte das bei ihm sichergestellte Bargeld nicht auf gesetzeskonforme Weise erworben haben konnte, war außerdem gemäß § 73a StGB die Einziehung dieses Bargeldes im Gesamtbetrag von 3.340,00 € anzuordnen.

Zwar konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte dieses Geld im Sinne von § 73 StGB durch die hier angeklagte rechtswidrige Tat erlangt hätte. Wohl aber stand nach den getroffenen Feststellungen fest, dass der Angeklagte dieses Geld nur durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt haben konnte. Denn entweder hatte der ... dem Angeklagten dieses Geld freiwillig überlassen. Dann konnte es sich dabei, schon nach der eigenen Einlassung des Angeklagten, nur um die Bezahlung irgendwelcher Dienste im Rahmen illegaler Drogengeschäfte handeln. Oder der Angeklagte hatte dieses Geld ohne Wissen oder gegen den Willen des ... an sich gebracht. Dann lag schon hierin eine rechtswidrige Tat im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB, die die Einziehung rechtfertigte.

VIII. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO. Das gilt insbesondere auch im Umfang des Teilfreispruchs, weil wegen der von diesem Teilfreispruch betroffenen Tat die Maßregel der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gegen den Angeklagten angeordnet worden ist, § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.