Gericht | VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 18.02.2021 | |
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Aktenzeichen | 2 K 950/18.A | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2021:0218.2K950.18.A.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 3 Abs 1 AsylVfG 1992 |
Zur Verfolgungswahrscheinlichkeit der Ahmadis in Pakistan (hier: nur gegeben bei identitätsprägender öffentlichkeitswirksamer Religionsbetätigung)
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der nach eigenen Angaben im Jahr 1963 geborene Kläger stellte am 14. Juni 2015 in Österreich und sodann am 15. Juli 2015 bei der Außenstelle Eisenhüttenstadt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen unbeschränkten Asylantrag. Im Rahmen eines Dublin-Verfahrens lehnte das Bundesamt den Asylantrag wegen der Zuständigkeit Österreichs zunächst mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 als unzulässig ab; nach Ablauf der einschlägigen Überstellungsfrist hob das Bundesamt diese Entscheidung mit weiterem Bescheid vom 20. Mai 2016 auf. Inzwischen hatte die österreichische Behörde dem Bundesamt mitgeteilt, dass der Kläger von dort unbekannt verzogen und deshalb keine Asylentscheidung ergangen sei. Dem Bundesamt hatte der Kläger am 9. Dezember 2015 eine Mitgliedsbescheinigung der „Ahmadiyya Muslim Jamaat“ (AMJ), Frankfurt am Main, übersandt.
Anlässlich seiner Anhörung gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt am 1. März 2017 an, dass er Punjabi aus dem Dorf 106 P/Rahim Yar Khan sei, wo er mit seiner Ehefrau, vier Kindern und einem Bruder in einem eigenen Haus gelebt habe; der Bruder sei inzwischen ausgezogen. Weiter habe er drei Brüder und zwei Schwestern sowie die Großfamilie in Pakistan. Er sei am 25. April 2015 von Pakistan aus auf dem Landweg u.a. über die Türkei und Österreich am 25. Juni 2015 nach Deutschland gelangt, wo sich bereits mehrere Cousins väterlicherseits und ihre Familien aufhielten. In Pakistan habe er als Klempner gearbeitet und etwa 10.000 bis 15.000 Rupien/Monat erzielt. Für die Ausreise habe er ein Grundstück für 150.000 Rupien verkauft. Ausreisegrund sei der Umstand, dass ihm als Ahmadi von Seiten der Mullahs Probleme bereitet worden seien. Er habe nicht zur Moschee gehen können und andere hätten ihn nicht grüßen oder mit ihm sprechen dürfen. Die Leute hätten ihn beschimpft und für seine Arbeit nicht bezahlt, sobald sie erfahren hätten, dass er Ahmadi sei. Auch seine Kinder würden in der Schule benachteiligt und seine Frau sei auf der Straße attackiert worden. Die Probleme hätten vor zehn Jahren begonnen.
Auf Nachfrage nach den konkreten Ausreisegründen gab er an, dass man irgendwann nicht mehr könne. Er habe auch nicht so viel Geld gehabt, um sich mit seiner Familie woanders niederzulassen. In seinem Dorf sei er Präsident der aus 18 Mitgliedern bestehenden Ahmadi-Gemeinde gewesen; die Funktion habe er während der letzten vier Jahre bekleidet und als Präsident „den Papierkram“ erledigt, Kundgebungen und Sitzungen organisiert sowie die Leute zum Spenden angehalten. Vor vier Jahren sei er einmal absichtlich angefahren worden; es habe auch immer wieder Streitereien gegeben und er sei von den Leuten der Mullahs geschlagen worden, je nachdem, wann sie ihn alleine gesehen hätten, mal alle Monate oder alle drei oder vier Monate. Er habe gleichwohl versteckt zum Beten die Ahmadi-Moschee im Dorf aufgesucht. Manchmal seien die Leute während des Gebetes in die Moschee gekommen, hätten Lärm gemacht und sie beschimpft. Als Präsident der Ahmadis sei er im Dorf bekannt. Immer wieder hätten seine Kunden ihn nicht bezahlt und er habe nicht gewusst, wie er seine Familie ernähren sollte. Die Polizei habe ihm nicht geholfen, zuletzt eine Woche vor der Ausreise, sondern man habe ihn als Ahmadi beschimpft. Er habe in der Vergangenheit nicht einfach weggehen können, zumal die Gräber seiner Familie dort seien. Auch in Rabwah sei die Lage nicht gut und das Leben dort sei teuer, wofür er kein Geld gehabt habe. Nunmehr sei seine Familie im Dorf isoliert. Er habe sich nicht politisch betätigt. Es habe mehrere Vorfälle gegeben, einmal vor 15 Jahren und drei weitere Male, als ihn Leute zur Polizei gebracht hätten, die ihn für seine Arbeit nicht hätten bezahlen wollen und ihn als Ahmadi beschimpft hätten. Einmal habe ein wohlhabender Dorfbewohner, der kein Ahmadi sei, eine Kaution für ihn gezahlt.
Das Bundesamt lehnte den Asylantrag des Klägers mit am 9. April 2018 zugestelltem Bescheid vom 20. März 2018 umfassend ab; es forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Pakistan zur Ausreise auf und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate. Der Kläger habe keine schwerwiegenden Eingriffe in seine Glaubensfreiheit glaubhaft gemacht und kein fluchtauslösendes Ereignis benannt. Die allgemein schwierige Lage der Ahmadis reiche zur Annahme einer entsprechenden Verfolgungsgefahr nicht aus.
Mit seiner am 13. April 2018 anwaltlich vertreten erhobenen Klage macht der Kläger eine allgemeine Verfolgung der Ahmadis im gesamten Land geltend, die auch für Rabwah gelte. Als Mitglied der AMJ unterliege er gesetzlichen Verboten bzgl. der Ausübung seiner Religion und es komme in Pakistan immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen bzw. zu Tötungen von Ahmadis. Die Blasphemiegesetzgebung einschließlich der neueren gesetzlichen Regelungen im Zusammenhang mit der Beantragung von Personaldokumenten in Pakistan beträfen ihn in seiner Glaubensbetätigung.
Der in der mündlichen Verhandlung ausführlich informatorisch angehörte Kläger beantragt,
die Beklagte insoweit unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. März 2018 zu verpflichten, ihm internationalen Schutz zuzuerkennen,
hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des genannten Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich Pakistans vorliegen.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angegriffenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 23. November 2020 hat die Kammer dem Kläger angesichts der bisher fehlenden Kammerrechtsprechung zur Verfolgungssituation von Ahmadis in Pakistan Prozesskostenhilfe bewilligt. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte - namentlich des Sitzungsprotokolls - sowie des Bundesamtsvorgangs - namentlich des Anhörungsprotokolls wie des Bescheides - Bezug genommen.
Die sowohl statthafte als auch fristgerecht erhobene, insgesamt zulässige Klage ist unbegründet.
Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist - soweit er angefochten ist - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in
eigenen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus´ nach
§ 3 Abs. 1 AsylG, des subsidiären Schutzstatus´ nach § 4 Abs. 1 AsylG oder auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Dabei ist Deutschland für die inhaltliche Prüfung des unbeschränkten Asylantrags des Klägers international zuständig, weil seine Überstellung in den vorrangig zuständigen Mitgliedstaat Österreich des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nicht innerhalb der Frist des Art. 29 Dublin-III-VO erfolgte, und kommt auch sonst nicht die vorrangige Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (vgl. § 29 AsylG) in Betracht, weil der Kläger nach allen erkennbaren Umständen über keinen anderweitigen internationalen Schutz verfügt und mangels vorangegangenen erfolglosen Abschlusses des Asylverfahrens in Österreich kein Zweitantrag vorliegt.
1. Der Kläger ist kein Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Er befindet sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes.
Zwar macht der Kläger an seine Religion - damit an einen einschlägigen Verfolgungsgrund nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG - anknüpfende Verfolgungsgefahren geltend, indem er als Ahmadi Übergriffen aus der Bevölkerung, staatlichen Reglementierungen und fortwährenden Benachteiligungen ausgesetzt (gewesen) sei, also von staatlichen sowie von nichtstaatlichen Akteuren ausgehende Gefahren in Anknüpfung an sein religiöses Bekenntnis. Freilich hat der Kläger auch unter Berücksichtigung aller sonstigen ins Verfahren eingeführten Erkenntnisse bei Wahrunterstellung der von ihm angegebenen Vorkommnisse in Pakistan unter Berücksichtigung aller zu Tage liegenden Umstände nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht, dass er als Ahmadi in seinem Herkunftsland Pakistan über die seit alters her bestehenden allgemeinen Benachteiligungen der Ahmadis hinausgehende relevante Verfolgungshandlungen i.S.v. § 3a AsylG zu gewärtigen hat. Zwar nimmt ihm das Gericht ab, dass er qua Geburt Mitglied seiner Glaubensgemeinschaft und nach seinem eigenen Verständnis gläubiger Ahmadi ist; das Gericht hat indes nicht die Überzeugungsgewissheit (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erlangt, dass für den Kläger die Befolgung einer i.S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG, Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2011/95/EU als verfolgungsträchtig bestimmten Glaubenspraxis ein zentrales Element für seine religiöse Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist.
Gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG ist nach Maßgabe der §§ 3a bis 3e AsylG im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben durch die Richtlinie 2011/95/EU einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland Bedrohungen seines Lebens, seiner Freiheit oder anderer geschützter Rechtsgüter wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt ist. Insoweit beruft sich der Kläger darauf, dass die von ihm geschilderten Übergriffe und Einschränkungen an sein religiöses Bekenntnis bzw. an die Zugehörigkeit zu den Ahmadis anknüpfen und dass er deswegen wiederum Bedrohungen in Pakistan ausgesetzt sein werde.
Gemäß § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Insofern beruft sich der Kläger darauf, dass er in staatlich geduldeter Weise bzw. auf der Grundlage von staatlichen Rechtsvorschriften, die gezielt auf sein spezifisches religiöses Bekenntnis bzw. auf seine Zugehörigkeit zu den Ahmadis abzielen, durch die ihn umgebende Mehrheitsbevölkerung, die seinem Bekenntnis bzw. den Ahmadis feindlich gegenüberstünden, Gefahren ausgesetzt sei, denen die staatlichen Stellen nicht schutzbietend entgegenträten.
Nach § 3a AsylG gelten als Verfolgung solche Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Nach
§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG kann eine Verfolgungshandlung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der zuvor beschriebenen Weise betroffen ist. Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss eine Verknüpfung zwischen den Verfolgungsgründen nach § 3b AsylG und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen. Vor Rechtsverletzungen, die nicht gezielt in Anknüpfung an persönliche, asylrelevante Merkmale zugefügt werden, sondern ihn als Folge der allgemeinen im Herkunftsstaat herrschenden Zustände treffen, schützt das Asylrecht nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 - juris; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris). Folglich führt nicht jedwede das in Rede stehende Schutzgut (hier: Bekenntnis bzw. Zugehörigkeit zu den Ahmadis) betreffende Handlung auf einen Flüchtlingsschutzbedarf; es muss sich bei den bereits stattgefundenen wie bei den nach Lage der Dinge hinreichend wahrscheinlich zu befürchtenden weiteren Handlungen um solche handeln, die in Bezug auf das Schutzgut zielgerichtet sowie „schwerwiegend“ sind.
Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen" eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 - juris). Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten
Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („realrisk“) drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris).
Nach den Regelungen in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU werden vorverfolgte Personen durch eine Beweiserleichterung in Form einer tatsächlichen Vermutung privilegiert, indem in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigemessen wird. Dadurch wird der Vorverfolgte oder Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden oder schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
a) Der Kläger ist freilich nicht vorverfolgt ausgereist; seine diesbezüglichen Angaben erachtet das Gericht im Ergebnis als unglaubhaft.
Aus den in Art. 4 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/95/EU sowie in § 25 AsylG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten folgt, dass es Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhält zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine flüchtlingsschutzbegründende Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen unter anderem Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden (vgl. zu Art. 16a GG: BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 - und vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, jeweils juris). Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten kann mitunter der eigene Tatsachenvortrag des schutzsuchenden Ausländers zur Anerkennung oder Feststellung des begehrten Anspruchs führen, sofern das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände von der Wahrheit des geschilderten Verfolgungsschicksals überzeugt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21 Juli 1989 - 9 B 239.89 -, juris).
Dem Vorbringen des Klägers lassen sich gegen ihn gerichtete schwerwiegende staatliche bzw. nichtstaatliche Verfolgungshandlungen i.S.v. § 3a AsylG, die an einen individuellen Verfolgungsgrund i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG anknüpfen, nicht entnehmen.
Eine im Ausreisezeitpunkt vorliegende sog. Gruppenverfolgung aller Ahmadis macht der Kläger bereits selbst nicht geltend; eine solche wird von der Rechtsprechung, der das Gericht folgt, indes auch nicht angenommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris; Beispiele aus der obergerichtlichen Rechtsprechung: OVG RP, Urteil vom 29. Juni 2020 - 13 A 10206/20 - juris Rn. 46 ff.; OVG NW, Beschlüsse vom 29. November 2018 - 4 A 3144/18.A - juris Rn. 15, 17, und vom 21. Januar 2016 - 4 A 858/15.A - juris Rn. 10, 11; VGH BW, Urteil vom 12. Juni 2013 - A 11 S 757/13 - juris). Eine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgungsgefahr drohte allenfalls „bekennenden Ahmadis", die „ihren Glauben im Heimatland auch öffentlich ausüben wollen".
Der Kläger zählte zur Überzeugung des Gerichts bis zu seiner Ausreise aus Pakistan nicht zu den „bekennenden Ahmadis“, was zudem die Annahme einer Einzelverfolgung im Sinne einer individuellen Vorverfolgung ausschließt. Das Gericht erachtet es aufgrund seiner Angaben nicht für Glaubhaft, dass er hinsichtlich der von ihm geschilderten Vorkommnisse wegen einer gegen pakistanisches Strafrecht verstoßenden Glaubensbetätigung, eines öffentlichen Glaubensbekenntnisses oder der Werbung für die Sache der Ahmadis gezielt im Fokus maßgeblicher Verfolgungsakteure stand, insbesondere ist es nicht ersichtlich, dass für ihn ein öffentliches Bekenntnis zum ahmadischen Glauben unverzichtbar war.
Zwar will er in den letzten vier Jahren vor der Ausreise Präsident seiner 28-köpfigen Ahmadi-Gemeinde im Dorf gewesen sein und in dieser Funktion Schriftverkehr erledigt, Kundgebungen und Sitzungen organisiert sowie zum Spendensammeln aufgefordert haben. Allerdings konnte er seinen diesbezüglich widersprüchlichen Angaben zum Trotz die örtliche Ahmadi-Moschee aufsuchen - nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung sogar häufig die Moschee in Rahim Yar Khan -, also seinen für ihn verpflichtenden Riten regelmäßig nachgehen, und hat er keinen einzigen der von ihm über einen mindestens 15-jährigen Zeitraum angeführten Vorfälle in einen Zusammenhang mit einer konkreten Gemeindearbeit oder mit seiner konkreten Glaubensbetätigung gestellt. 15 Jahre zuvor will er aber einen Reisepass beantragt (und erhalten) haben, um (als Gastarbeiter) nach Dubai zu gehen, wozu es offenbar nicht gekommen ist. In Zusammenschau mit seinen Angaben dazu, dass es ihm schwergefallen sei, für die Familie zu sorgen, spricht vieles dafür, dass er sich bereits seit über 15 Jahren aus vorwiegend wirtschaftlichen Gründen mit dem Gedanken befasst hatte, Pakistan zu verlassen. Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass seit vielen Jahren zahlreiche Pakistaner insbesondere angesichts ihrer wirtschaftlich oft aus unterschiedlichsten Gründen prekären Lage für mehrere Jahre als Gastarbeiter in die VAE gehen und dies in Pakistan allgemein bekannt ist, was es nahelegt, dass sich auch der Kläger ein besseres Auskommen im Ausland versprochen hatte. Deshalb deutet aus der Sicht des Gerichts vieles darauf, dass es dem Kläger auch jetzt in erster Linie um eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation geht. Immerhin hat der Kläger bis in die mündliche Verhandlung hinein nicht ein einziges konkretes ausreisebegründendes Vorkommnis zu schildern gewusst. Entgegen seinen Angaben bei der Bundesamtsanhörung war es für seine Familienmitglieder doch möglich, nach Rabwah zu gehen, um sich dort niederzulassen. Er selbst hat in der mündlichen Verhandlung außerdem angegeben, häufiger nach Rabwah gereist zu sein, so dass es als verfahrenstaktisch motiviert erscheint, wenn er anlässlich der Anhörung beim Bundesamt die Möglichkeit der anderweitigen Niederlassung ausgeschlossen hatte. Im Übrigen will sich der Kläger vor seiner Ausreise verschiedentlich der Situation ausgesetzt gesehen haben, dass ihn Auftraggeber für seine Handwerkerleistungen nicht bezahlten, um sich Forderungen des Klägers dadurch zu entziehen, dass sie ihn als Ahmadi diffamierten; dabei bekam der Kläger allerdings durch Dritte Hilfe, indem nach seinen Angaben Nichtahmadis z.B. Kaution für ihn bezahlten. Alle Angaben des Klägers zur Vorverfolgung sind allgemein gehalten; der Kläger hat keinen einzigen stichhaltigen Hinweis auf konkret den Ausreiseentschluss bewirkende Vorkommnisse gegeben, obgleich es für ihn eine fundamentale Entscheidung gewesen sein muss, die gesamte Familie in der Heimat zurückzulassen und selbst nach Deutschland zu migrieren. Der Kläger hat keinen einzigen Vorfall vorgetragen, der ihm aufgrund seiner Funktion als Präsident der örtlichen Gemeinde widerfahren ist. Außerdem entfalteten sich die Aktivitäten des Klägers ausschließlich innerhalb der allenfalls dörflichen, nach seinen in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben überwiegend aus Mitgliedern seiner (Groß-) Familie bestehenden Gemeinschaft. Unter diesen Umständen ist es nicht nachvollziehbar, welche Religionsausübung des Klägers über die großfamiliäre Dorfgemeinschaft hinaus von Belang gewesen sein könnte; dass der Kläger auch nur den Wunsch gehabt hätte, sich öffentlichkeitswirksam außerhalb dieser Gemeinschaft darzustellen, hat er selbst nicht einmal angedeutet, erscheint dem Gericht angesichts des von der Persönlichkeit des Klägers in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks eines einfachen Menschen auch eher als fernliegend. Dagegen will er insbesondere von Kunden, die ihm für seine Handwerkerleistungen den Lohn schuldeten, angegriffen und betrogen worden sein, die sich also die allgemein von Diskriminierung geprägte Lage der Ahmadis in krimineller Weise zunutze machten, und beruft sich der Kläger auf die allgemein bekannte Hetze „der Mullahs“ und der von ihnen instrumentalisierten „Leute“ sowie auf die rechtliche Diskriminierung der Ahmadis, eben auf die allgemeine Lage, ohne die Beeinträchtigung für das Gericht hinreichend zu konkretisieren. In diesem Zusammenhang erwähnte er Störungen der Gebete seiner Gemeinde; er hat aber nicht z.B. angegeben, dass und inwieweit die von ihm erwähnten Kundgebungen und Sitzungen - die folglich durchgeführt werden konnten - zu verhindern gesucht oder gestört wurden oder dass bzw. inwieweit für ihn unabdingbare Glaubensbetätigungen sonst unterbunden worden seien. Vielmehr erhielt der Kläger ausweislich seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung Anweisungen durch die Gemeindeführung in Rabwah und wohl auch in Rahim Yar Khan. Dabei hatte er bei der Bundesamtsanhörung besonders betont, dass er - wiederum insbesondere im Zusammenhang damit, dass er um seinen Lohn geprellt worden sei - finanzielle Schwierigkeiten gehabt habe, um die Familie zu unterhalten; er hat auch diese finanziellen Schwierigkeiten als Grund dafür angeführt, weshalb er nicht in das ganz überwiegend von Ahmadis geprägte Rabwah (Chenab Nagar) gegangen sei, da er hierfür das Geld nicht gehabt habe. Überdies konnte der Kläger beim Bundesamt über die allgemeine Lage hinaus keinen konkreten Ausreiseanlass benennen, vor allem nicht angeben, weshalb er sich trotz der jahrelangen Schwierigkeiten gerade im April 2015 zur Ausreise entschlossen hatte. In der mündlichen Verhandlung hat er zudem angedeutet, regelmäßig („sehr oft … einmal jährlich“) nach Rabwah gereist zu sein, wo er Kontakt zur Leitung der Ahmadi-Gemeinschaft gehabt und an großen Versammlungen und Meetings teilgenommen habe.
Schließlich konnte der Kläger mit Blick auf die von ihm angeführten Umstände auf die interne Schutzmöglichkeit (§ 3e AsylG) verwiesen werden, sich mit seiner Familie in Rabwah niederzulassen, wo sich nicht nur ein Hauptquartier der Ahmadis befindet, sondern schätzungsweise mehr als 90% der Bevölkerung Ahmadis sind, die dort überwiegend friedfertig mit der übrigen Bevölkerung zusammenleben (AA, Lagebericht vom 29. September 2020, S. 13). Soweit der Kläger auf den entsprechenden Vorhalt des Bundesamts angab, er habe dafür nicht das erforderliche Geld gehabt, steht dem zumindest der Umstand entgegen, dass er seine teure Ausreise nach Deutschland durch den Verkauf eines Grundstücks zu finanzieren wusste und seine Ehefrau und Kinder sicherlich nicht der Verelendung preisgegeben hat. Dass es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, als Klempner oder mit einem anderen Handwerk auch in Rabwah Fuß zu fassen, leuchtet nicht ein. Schließlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass alle seine Familienangehörigen - alle Ahmadis aus dem Dorf - innerhalb etwa eines Jahres nach seiner Ausreise nach Rabwah gezogen seien, wo eine Tochter verheiratet und ein Sohn beschäftigt seien, während seine übrige Familie von einem seiner Brüder sowie durch seine Überweisungen unterstützt würden. Es war also entgegen den früheren Beteuerungen des Klägers sehr wohl möglich, dass sich die gesamte Familie in Rabwah niederließ - dass und weshalb dies ausgerechnet für ihn nicht möglich gewesen sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht.
Alles in allem ergibt sich aus den Angaben des Klägers zur Überzeugung des Gerichts, dass er wegen der allgemein schwierigen Lage der Ahmadis in Pakistan und nicht etwa wegen einer schwerwiegenden Bedrohung in Bezug auf seine Glaubensbetätigung das Heimatland verlassen hat.
b) Ausgehend von den in der Rechtsprechung (namentlich EuGH, Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 u.a. - juris; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris) entwickelten Maßstäben besteht für den Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland nach der Gesamtwürdigung seines Vortrags im Asyl- und Klageverfahren zur Überzeugung des erkennenden Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aber auch heute nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer flüchtlingsschutzrechtlich relevanten Verfolgung. Ihm drohen bei einer Rückkehr nach Pakistan keine entsprechend schwerwiegenden Verfolgungsmaßnahmen von staatlicher Seite bzw. seitens privater Akteure wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadis. Zwar unterliegen „bekennende Ahmadis“, zu deren identitätsprägenden Glaubensmerkmalen die Betätigung ihres Glaubens in der Öffentlichkeit gehören, in Pakistan einer relevanten Verfolgungsgefahr. Der Kläger muss aus diesem Grund jedoch keine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten, weil er das Gericht nicht davon hat überzeugen können, dass er seinen Glauben in identitätsprägender Weise nach außen lebt.
Auch wenn die Angehörigen der Amahdiyya-Glaubensgemeinschaft in Pakistan keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, kann im Einzelfall etwas anderes gelten für diejenigen Ahmadis, die ihren Glauben in einer verfolgungsrelevanten Weise praktizieren und ihr Bekenntnis aktiv in die Öffentlichkeit tragen. Für diese Personen besteht in Pakistan ein reales Verfolgungsrisiko, wenn sie ihren Glauben öffentlich leben und bekennen würden (VGH BW, Urteil vom 12. Juni 2013 - A 11 S 757/13 - juris Rn. 116). Sie haben mit einem erheblichen Risiko für Leib und Leben durch die Gefahr einer jahrelangen Inhaftierung mit Folter bzw. unmenschlichen Haftbedingungen und von Attentaten oder gravierenden Übergriffen privater Akteure zu rechnen, gegen welche effektiver staatlicher Schutz regelmäßig nicht zu erlangen ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 29. Juni 2020 - 13 A 10206/20 - juris insbes. Rn. 69, 83, 85, 87, 97). Eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung kann dabei nicht nur in der schwerwiegenden Verletzung der Freiheit, die Religion im privaten Rahmen zu praktizieren (forum internum) liegen, sondern auch in der Verletzung der Freiheit, den Glauben öffentlich zu leben (forum externum), so dass schon das Verbot bestimmter Formen der Religionsausübung eine beachtliche Verfolgungshandlung i.S.v. Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU darstellen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob sich der davon betroffene Glaubensangehörige tatsächlich religiös betätigen wird oder auf die Ausübung aus Furcht vor Verfolgung verzichtet (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris). Das Verbot weist jedoch nur dann die darüber hinaus erforderliche subjektive Schwere auf, wenn die Befolgung der verbotenen religiösen Praxis für den Einzelnen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 a.a.O.). Maßgeblich ist demnach, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwG eda. im Anschluss an EuGH, Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 und C-99/11 - NVwZ 2012, 1612). Bei der Feststellung der religiösen Identität als innerer Tatsache kann nur im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen geschlossen werden. Allein der Umstand, dass der Betroffene seinen Glauben in seinem Herkunftsland nicht in einer in die Öffentlichkeit wirkenden Weise praktiziert hat, ist nicht entscheidend, soweit es hierfür nachvollziehbare Gründe gibt. Ergibt die Prüfung jedoch, dass der Betroffene seinen Glauben auch in Deutschland nicht in einer Weise praktiziert, die ihn in seinem Herkunftsland der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde, spricht dies regelmäßig dagegen, dass eine solche Glaubensbetätigung für seine religiöse Identität prägend ist (BVerwG eda. Rn. 26). Erforderlich ist letztlich eine Gesamtwürdigung der religiösen Persönlichkeit des Betroffenen anhand aller vorliegenden Gesichtspunkte. Bloße Kenntnisse über die Glaubensinhalte der Ahmadiyya, eine Mitgliedsbescheinigung der Ahmadiyya Deutschland, regelmäßige Moschee-Besuche oder die Teilnahme an jährlichen Großveranstaltungen der Ahmadiyya oder an sonstigen Aktionen der Ahmadiyya (mit den üblichen Helferdiensten) lassen daher für sich genommen nicht bereits auf eine individuelle Glaubensüberzeugung und ein nach außen wirkendes Glaubensvermittlungsbedürfnis schließen. Erforderlich ist vielmehr ein Bedürfnis, aus dem ahmadischen Glauben heraus bekennend zu leben und auch andere Menschen an dieser Haltung teilhaben zu lassen. In diesem Sinne muss es sich beim Betroffenen um einen aus der Allgemeinheit der Ahmadis hervorstechenden Gläubigen handeln, dessen Glauben sich öffentlich manifestiert.
Das Gericht ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Praktizierung seines Glaubens in der Öffentlichkeit oder das Werben für seinen Glauben ein zentrales Element der religiösen Identität des Klägers und für ihn unverzichtbar ist.
Zu den Inhalten seines Ahmadi-Glaubens befragt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung (lediglich) ganz allgemein gehaltene Angaben dazu machen können, dass sich seine Glaubensgemeinschaft „auf dem richtigen Weg“ befinde, „die anderen“ würden lügen und er glaube an „die Wahrheit“. Diese Angaben entsprechen eher der üblichen, zwischen den unterschiedlichen Konfessionen in Pakistan geübten Rhetorik als dass sie Aufschluss über konkrete Glaubensinhalte des Klägers vermitteln. Im Übrigen habe er seiner Gemeinde immer gedient, könne er seine Religion weiterverbreiten, Schriften verteilen und Aufgaben innerhalb der Moschee wahrnehmen. Hiermit hat er nichts angeführt, was er nicht schon vor der Ausreise aus Pakistan allein innerhalb seiner Gemeinschaft getan und vermocht hatte, sich aber zur Überzeugung des Gerichts nicht öffentlichkeitswirksam entfaltete. Soweit er nunmehr in Deutschland anweisungsgemäß Prospekte verteile und dadurch Leute dazu eingeladen würden, Kontakt zur Ahmadi-Gemeinde aufzunehmen, geht dies über einfache Hilfsdienste - zumal unter dem Eindruck des noch offenen Asylverfahrens - nicht hinaus und lassen die innerhalb der Gemeinde stattfindenden Aktivitäten des Klägers über den damit einhergehenden sozialen Kontakt zu Landsleuten und Glaubensgeschwistern hinaus kein öffentlichkeitswirksames identitätsstiftendes Engagement des Klägers erkennen. Aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung lässt sich insoweit keine intensivere als die bereits in Pakistan geübte religiöse Betätigung erkennen; dies gilt auch hinsichtlich der Moscheebesuche, die er „manchmal am Wochenende“ in Berlin unternehme, sowie seiner Berufung zum „Musi“, von welcher er selbst erst berichtete, nachdem ihm sein Prozessbevollmächtigter dies in der mündlichen Verhandlung in den Mund gelegt hatte, obgleich er bereits seit zehn Jahren „Musi“ sei. Konkrete Tätigkeiten, die er in dieser für Ahmadis besonderen Funktion ausgeübt habe, hat der Kläger jedenfalls nicht ansatzweise erwähnt. Wie seine frühere Funktion als Gemeindepräsident (in der im Wesentlichen rein großfamiliären Dorfgemeinschaft) hat auch die Funktion des „Musi“ für den Kläger nach dem Eindruck des Gerichts keine auf ein öffentliches Bekenntnis oder auf ein Werben für die Ahmadis gerichtete Bedeutung.
All dies stellt nicht die Glaubensüberzeugung des Klägers an sich in Frage; er zählt jedoch nicht zu denjenigen Ahmadis, die aufgrund der für sie identitätsstiftenden Religionsausübung berechtigte Furcht vor Verfolgung hegen müssen. Insoweit kann der von dem Kläger beschriebenen Aufgabenwahrnehmung im Wesentlichen nur ein auf den inneren Bereich der örtlichen Glaubensgemeinschaft gerichtetes Wirken entnommen werden. Eine Erklärung dafür, warum der Kläger seinen Glauben in Deutschland nicht in einer Weise praktiziert, aus der gefolgert werden könnte, dass für ihn eine öffentliche Religionsausübung identitätsprägend ist, lässt sich aus seinen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht herleiten.
Nach allem lässt sich nicht erkennen, weshalb es nicht auch dem Kläger angesonnen werden können sollte, wie seine engsten Familienangehörigen als gläubiger Ahmadi in Rabwah zu leben. Daher muss sich der Kläger im Sinne des angegriffenen Bundesamtsbescheides auf die internen Schutzmöglichkeiten innerhalb Pakistans (vgl. § 3e AsylG) verweisen lassen. Als nicht bekennender Ahmadi kann er in anderen Teilen Pakistans, insbesondere in den größeren Städten, eine interne Schutzmöglichkeit i.S.v. § 3e AsylG finden. In den Städten Pakistans - vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Peshawar oder Multan - leben potenziell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, könnten in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29. Juli 2019, S. 19). Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass in Pakistan kein funktionierendes Meldewesen existiert, so dass die Übersiedlung in einen anderen Landesteil die Möglichkeit bietet, unerkannt und unbehelligt zu bleiben. Angesichts der hohen Bevölkerungszahl in Pakistan und mehrerer Millionenstädte landesweit ist nicht ersichtlich, dass den Kläger bedrohende Personen die Möglichkeit hätten, diesen auch in einer anderen Provinz und/oder landesweit ausfindig zu machen und zu verfolgen. Diese inländische Fluchtalternative besteht nach der Auskunftslage auch für Ahmadis, solange sie - wie der Kläger - keine überregionale Bekanntheit erlangt haben und für sie eine in die Öffentlichkeit wirkende Glaubenspraxis nicht identitätsbestimmend ist. Für Ahmadis ohne überregionale Bekanntheit bietet insbesondere auch ein Umzug nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, eine Ausweichmöglichkeit, um Repressionen zu entgehen (vgl. Auswärtiges Amt a.a.O.). Gegenteilige Erkenntnisquellen benennt der Kläger nicht (zu diesem Erfordernis vgl. OVG NW, Beschluss vom 12. Februar 2021 - 10 A 2975/20.A - juris).
Nichts anderes ergibt sich letztlich auch im Hinblick darauf, dass den Kläger möglicherweise nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrages die Verpflichtung trifft, sich an der Passbeschaffung zu beteiligen, das Passformular des pakistanischen Staates einen Eintrag zur Religionszugehörigkeit vorsieht und im Falle der Eintragung der Religionszugehörigkeit als „Muslim“ eine besondere Erklärung für Muslime zu unterzeichnen ist. Die fortschreitende Islamisierung der pakistanischen Gesellschaft, die sich ständig ändernde politische Situation und die seit 2018 eingeführten Vorschriften zu den Personenstandsurkunden mit der hiermit einhergehenden Verdichtung der Verfolgung bekennender Ahmadis in Pakistan führen auf keine abweichende Bewertung der dargestellten Situation des Klägers.
Die Verpflichtung, bei der Beantragung eines Reisepasses in den Passformularen unter dem Betreff „Religion“ „Ahmadi“ statt „Muslim“ einzutragen, stellt für sich genommen keinen Eingriff in die Religionsfreiheit dar (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 11. Januar 2017 - A 3 K 2343/16 - juris Rn. 37 ff.). Daher kann sich daraus auch keine Verfolgung des Klägers wegen seines ahmadischen Glaubens ergeben. Auch wenn man - wie möglicherweise der EGMR (vgl. EGMR, Entscheidung vom 2. Februar 2010 - Isik/Türkei, Nr. 21924/05) - davon ausgeht, dass bereits die Eintragung der Religionszugehörigkeit als solche in Pass- und Ausweisdokumenten eine Verletzung der Religionsfreiheit darstellt, liegt darin nicht automatisch auch eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG. Nicht jede Verletzung der Menschenrechte stellt schon eine Verfolgungshandlung im Sinne des Asylgesetzes dar. Die bloße Eintragung der Religionszugehörigkeit in Pass- und Ausweisdokumenten ist in ihrer Schwere den in § 3a Abs. 2 AsylG aufgezählten Verfolgungshandlungen nicht vergleichbar. Die Erklärungspflichten erreichen offenkundig - wenn nicht bereits in objektiver, so jedenfalls unter der Prämisse, dass es sich beim Kläger nicht um einen Ahmadi handelt, für den eine öffentlichkeitswirksame Religionsausübung identitätsprägend ist - in subjektiver Hinsicht nicht die erforderliche Schwere, um als religiöse Verfolgungshandlung oder Menschenrechtsverletzung angesehen werden zu können (BayVGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2019 - 6 ZB 19.33691 - Rn. 9 und vom 17. Dezember 2019 - 6 ZB 19.34225 - Rn. 4). Insofern hat der Kläger weder gegenüber dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren Angaben dazu gemacht, dass und inwieweit er mit Blick auf seine Religionszugehörigkeit Probleme hätte, seinen Erklärungspflichten bei der Passbeschaffung nachzukommen (vgl. hierzu OVGNW, Beschluss vom 30. Januar 2020 - 4 A 2759/19.A - juris).
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten dabei nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Der Gewährung subsidiären Schutzes steht jedenfalls nach §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3e AsylG in gleicher Weise wie oben dargestellt zumindest die Möglichkeit des internen Schutzes in Rabwah entgegen.
In Pakistan liegt gegenwärtig auch kein das Land destabilisierender innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor, der einer Abschiebung im Sinne eines Risikos für den Kläger entgegenstehen könnte. Dieser Begriff ist völkerrechtlich zu verstehen und setzt eine gewisse Qualität voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 44/07 - juris Rn. 4). Ein solcher Konflikt liegt nicht vor, wenn es sich nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen. Der Konflikt muss ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Zwar sind Taliban- und andere islamistisch-extremistische Gruppen sowie belutschische Separatisten in Pakistan aktiv (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29. September 2020, S. 20), ohne dass aber von innerstaatlichen bewaffneten Konflikten die Rede sein kann. Die letzten Jahre führten zudem zu einer Verbesserung der Sicherheitslage und zu einem Rückgang des Terrorismus (eda.).
3. Ferner sind auch die Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG in dem Bescheid zutreffend verneint worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass eine Abschiebung des Klägers nach Maßgabe der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), die zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen könnte, unzulässig sein könnte. Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus individuellen Gründen ist schließlich ebenfalls nicht erkennbar. Der Kläger ist erwerbsfähig und nach Aktenlage gesund, so dass er in Pakistan in der Lage sein wird, den Lebensunterhalt zu erwirtschaften.
Auch hinsichtlich der weiteren Entscheidungen im angegriffenen Bescheid ist jedenfalls im Ergebnis in rechtlicher Hinsicht nichts zu erinnern; der Kläger führt insoweit schon nichts an.
4. Ergänzend wird zur Vermeidung von Wiederholungen entsprechend § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angegriffenen Bescheids Bezug genommen, der das Gericht folgt.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 i.V.m. § 83b AsylG.