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Aussetzung der Vollziehung von Vollstreckungsgebühren, die im Widerspruchsbescheid erhoben wurden (Stattgabe)Vollstreckungsankündigung; Widerspruch; Gebühr; Grundgebühr im Vollstreckungsverfahren; Austausch der Rechtsgrundlage; erfolgte Erhebung


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 7. Kammer Entscheidungsdatum 30.04.2021
Aktenzeichen 7 L 645/19 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2021:0430.7L645.19.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 5 VwVGKostO BB 2013, § 1 Abs 3 GebG BB 2009, § 25 Abs 1 GebG BB 2009, § 68 Abs 1 S 2 Halbs 1 VwGO, § 37 Abs 1 VwVG BB 2013

Leitsatz

1. Wird gegen einen Widerspruchsbescheid Klage erhoben und ist zu diesem ein landesrechtlicher Kostenbescheid erlassen worden, ist die Durchführung eines Vorverfahrens hinsichtlich des Kostenbescheides nach § 68 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwGO i.V.m. § 25 Abs. 1 GebGBbg - hier in entsprechender Anwendung gemäß § 1 Abs. 3 GebGBbg - entbehrlich, weil sich der Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung auch auf die Festsetzung der Gebühren und Auslagen erstreckt. (vgl. VG Schwerin, Gerichtsbescheid vom 14. Oktober 1997 - 1 A 482/96 -, juris (Ls), KStZ 1998, 29)

2. Eine Vollstreckungsankündigung ist keine Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes, sondern eine bloße Mitteilung selbst dann, wenn ihr eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt wird. Verwaltungsaktcharakter erlangt die Ankündigung auch nicht dadurch, dass ein gegen sie erhobener Widerspruch durch einen Widerspruchsbescheid als unbegründet abgelehnt wird.

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. April 2015 – VG 7 K 469/15 – gegen den Kostenbescheid des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2015 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 13,38 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. April 2015 gegen den Kostenbescheid des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2015 anzuordnen,

hat Erfolg.

Die Kammer legt den Antrag der Antragstellerin, die Aussetzung der Vollziehbarkeit des Kostenbescheides des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2015 anzuordnen, dahingehend aus, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Kostenbescheid dem Begehren der Antragstellerin entspricht.

1. Der Antrag ist gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet. Die Bezeichnung des Rechtsträgers anstelle der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, stellt lediglich eine unbeachtliche Falschbezeichnung da, weshalb das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen war (vgl. VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 29. April 2021 - VG 7 L 644/19 – S. 2 f. EA).

2. Der Antrag ist statthaft, denn die Klage gegen den Kostenbescheid des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2015 hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) keine aufschiebende Wirkung.

Er ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere bedurfte es keines Widerspruchs gegen die Gebührenfestsetzung vor Klageerhebung, weil ein diesbezügliches Vorverfahren gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwGO i.V.m. § 25 Abs. 1 Gebührengesetz für das Land Brandenburg (GebGBbg) in entsprechender Anwendung (vgl. § 1 Abs. 3 GebGBbg) entbehrlich ist. Gemäß § 25 Abs. 1 2. Halbsatz GebGBbg erstreckt sich der Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung auch auf die Festsetzung der Gebühren und Auslagen. Durch diese Auslegungsregel bestimmt der Landesgesetzgeber konkludent, dass die Durchführung des Vorverfahrens entbehrlich ist, wenn die Sachentscheidung angefochten wird, weil der Begriff des Rechtsbehelfs neben dem Widerspruch auch die Klage erfasst (vgl. vgl. VG Schwerin, Gerichtsbescheid vom 14. Oktober 1997 - 1 A 482/96 -, juris (Ls), KStZ 1998, 29, mit Anm. Eschenbach/Koch, KStZ 1998, 21, 21 f., Rudisile, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand 39. EL. Juni 2020, Vorb §124 Rn. 2. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner ausschließlich über den Widerspruch als zulässigen Rechtsbehelf gegen die Gebührenfestsetzung belehrt hat, weil die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht durch die Rechtsbehelfsbelehrung beschränkt werden können.

Die Antragstellerin hat auch den nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erforderlichen Antrag bei dem Antragsgegner mit Schreiben vom 6. Mai 2015 gestellt. Zwar ist das Schreiben vom Antragsgegner nicht im zugehörigen Verwaltungsvorgang enthalten, sondern befindet sich in dem zu einem parallelen Verfahren (AZ.: VG 7 L 644/19) eingereichten Verwaltungsvorgang (dort Bl. 35). Jedoch kann das Schreiben sowie der Aussetzungsantrag eindeutig dem hiesigen Vorgang zugeordnet werden, da es im Betreff das Kassenzeichen der im Klageverfahren streitgegenständlichen Vollstreckungsankündigung trägt.

Über den von der Antragstellerin gestellten Antrag hat der Antragsgegner – soweit ersichtlich – nicht innerhalb einer angemessenen Frist entschieden (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Ziffer 1 VwGO). Dabei kann dahinstehen, wann es sich um eine angemessene Frist handelt, denn die vorliegend verstrichene Zeit von mehr als fünf Jahren überschreitet jedenfalls die angemessene Frist.

3. Der Antrag ist begründet. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 3 VwGO kann das Gericht der Hauptsache bei der Erhebung öffentlicher Kosten auf Antrag des Abgabenpflichtigen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentlichen Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides bestehen, wenn aufgrund einer summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Die hiernach erforderliche Prognose über die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren hat notwendigerweise nur vorläufigen und summarischen Charakter, da sie mit den begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu treffen ist. Daraus folgt, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes weder komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen noch schwierige Rechtsfragen vertieft oder gar abschließend geklärt werden können. Kann ein Erfolg des Hauptsacheverfahrens nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden und ist keine unbillige Härte i.S.d. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO geltend gemacht, bleibt es bei der in § 80 Abs. 2 Satz 1, Nr. 1 VwGO festgelegten gesetzlichen Interessenbewertung, wonach öffentliche Abgaben grundsätzlich vor einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit zu zahlen sind.

Ausgehend von diesen Maßstäben bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Gebührenbescheids, weil die in der Hauptsache erhobene Klage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird.

a. Die Erhebung der Gebühr kann nicht auf § 5 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (BbgKAG) i.V.m. § 4 der Verwaltungskostensatzung (VerwKostSatzung) des Antragsgegners gestützt werden. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 BbgKAG darf eine Gebühr für den Widerspruchsbescheid nur erhoben werden, wenn der Verwaltungsakt, gegen den Widerspruch erhoben wird, gebührenpflichtig ist und wenn und soweit der Widerspruch zurückgewiesen wird. Zwar erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. April 2013 Widerspruch gegen die Vollstreckungsankündigung, jedoch handelt es sich bei der Vollstreckungsankündigung nicht um einen Verwaltungsakt. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein behördliches Handeln ein Verwaltungsakt ist, ist der objektive Erklärungswert, d.h. wie der Bürger unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung, Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung und aller sonstigen ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung analog §§ 157, 133 BGB die Erklärung oder das Verhalten der Behörde verstehen durfte (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Dezember 2007 - OVG 5 N 15.05 -, juris Rn. 6).

Ausgehend von diesem Maßstab spricht bereits der Inhalt der Vollstreckungsankündigung gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes. Bei dieser handelt es sich um eine aus Zweckmäßigkeitsgründen erfolgende Mitteilung an die Schuldnerin über die Einleitung der Vollstreckung, die eine Gelegenheit zur Abwendung der Vollstreckung gibt. Schon aus der Überschrift „Ankündigung der Zwangsvollstreckung“ ist ersichtlich, dass dieses Schreiben nur der Information der Schuldnerin dient und keine Regelung des Einzelfalls mit Außenwirkung getroffen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 - B 14 AS 38/14 R -, juris Rn. 15; BG Düsseldorf, Urteil vom 4. Februar 2013 - 23 K 3189/11 - juris, Rn. 55; BFH, Beschluss vom 14. Juni 1988 - VII B 15/88 -, juris Rn. 8). Auch der Umstand, dass der Antragsgegner die Vollstreckungsankündigung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, führt zu keiner anderen Auslegung. Durch die Rechtsbehelfsbelehrung wird aus der bloßen Mitteilung auch aus Empfängersicht inhaltlich weder eine verbindliche Regelung noch entsteht auch nur der Anschein einer solchen (im Sinne eines sog. formellen Verwaltungsaktes). Dabei kann einer Rechtsbehelfsbelehrung im Rahmen der Auslegung im Zusammenhang mit weiteren Indizien (wie etwa der Bezeichnung als Bescheid) zwar grundsätzlich eine Relevanz zukommen. Für sich genommen ist sie aber insoweit ohne hinreichende Aussagekraft, auch weil sie selbst nicht Teil eines Verwaltungsakts ist, sondern einem solchen nur beigefügt wird. Letztlich stellt sie einen unsicheren und wenig aussagekräftigen Anhaltspunkt dafür dar, dass die Behörde das Schriftstück bei seiner Abfassung als Verwaltungsakt gesehen hat.

Die Vollstreckungsandrohung ist auch nicht dadurch zu einem Verwaltungsakt geworden, dass der Antragsgegner den an sich unzulässigen Widerspruch als unbegründet abgewiesen hat. Denn insoweit fehlt es ebenfalls an einer entsprechenden Regelung und es ist aus der maßgeblichen Sicht eines objektiv verständigen Empfängers nicht erkennbar, dass der Antragsgegner nunmehr erst durch den Widerspruchsbescheid eine Regelung zu treffen beabsichtigte. Die lediglich mittelbare Äußerung einer Rechtsauffassung über die Verwaltungsaktqualität des Widerspruchsgegenstandes hat für sich genommen keine rechtsgestaltende Wirkung und gestaltet das Scheiben nicht in einen Verwaltungsakt um (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 5 und §79 Rn. 11).

b. Auch auf Grundlage von § 37 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVGBbg) i.V.m. § 5 der Kostenordnung für das Land Brandenburg (BbgKostO) bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheids.

Zwar können diese Vorschriften grundsätzlich im Austausch als Rechtsgrundlage herangezogen werden, weil es sich um eine gebundene Entscheidung handelt und die Rechtsfolge dem Willen der Behörde weiterhin entspricht. Gemäß § 37 Abs. 1 VwVGBbg werden für die Maßnahmen der Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz Gebühren und Auslagen erhoben, wobei sich die Höhe der Gebühren nach der gemäß § 39 VwVGBbg erlassenen Kostenordnung richtet. Dem Austausch der Rechtsgrundlage auf § 37 VwVGBbg i.V.m. § 5 BbgKostO steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner die Kostenentscheidung mit der Erstellung des Widerspruchsbescheids begründet. Denn im Tenor des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2015 setzte der Antragsgegner „Gebühren und Auslagen für dieses Verwaltungsvollstreckungsverfahren“ fest.

Weiter sind die Voraussetzungen für die Erhebung einer Grundgebühr gemäß § 5 BbgKostO auch im Ansatz gegeben. Demnach wird eine einmalige Grundgebühr für die Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde zur Beitreibung von Geldforderungen erhoben, die mit der Beauftragung der Vollstreckungsbehörde entsteht. Mit Schreiben vom 26. Februar 2013 ersuchte der Antragsgegner die Vollstreckungsbehörde um die Vollstreckung der Forderung und unter dem 14. März 2013 wurde der Vollziehungsbeauftragten der Vollstreckungsauftrag erteilt.

Auch hinsichtlich der Höhe der Gebührenforderung bestehen keine ernstlichen Zweifel. Die festgesetzten 50 Euro übersteigen nicht die Höhe der Grundgebühr für die Vollstreckungsmaßnahmen einer Forderung in Höhe von 1.675,27 Euro. Gemäß § 5 Abs. 2 BbgKostO richtet sich die Grundgebühr nach der beizutreibenden Forderung. Bei einer Geldforderung von mehr als 500 und bis einschließlich 1.000 Euro beträgt sie 42 Euro und erhöht sich bei Geldforderungen über 1.000 Euro je angefangene 1.000 Euro um 10 Euro.

Jedoch bestehen ernstliche Zweifel daran, dass die Gebühr nicht bereits (teilweise) erhoben wurde, nämlich im Rahmen der Vollstreckung beigetrieben wurde (vgl. § 37 Abs. 4 Satz 1 VwVGBbg). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BbgKostO wird die Grundgebühr einmalig erhoben. Ausweislich der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 6. Februar 2015 wurden mit der Pfändung Vollstreckungskosten in Höhe von 69 Euro eingezogen. Um welche Kosten es sich konkret handelt, ist nicht ersichtlich. Eine Vermutung dafür, dass diese allein eine Pfändungsgebühr nach § 6 BbgKostO erfassten, besteht nicht. Denn bei einer Geldforderung von mehr als 500 Euro bis einschließlich 1.000 Euro beträgt diese 21 Euro und erhöht sich bei Forderungen über 1.000 Euro um 10 Euro je angefangene 1.000 Euro. Die Pfändungsgebühr in Höhe von 31 Euro, die der Antragsgegner zuvor im Schreiben vom 6. November 2014 im Übrigen noch mit 21 Euro bezifferte, entsprach somit nicht den beigetriebenen Vollstreckungskosten. Die bestehenden Unklarheiten, welche Vollstreckungskosten im Wege der Pfändung bereits beigetrieben wurden, gehen zulasten des Antragsgegners.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes, wobei die Kammer bei Anträgen auf Regelung der Vollziehung von Abgabenbescheiden ¼ der streitigen Geldleistung zugrunde legt (vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2013, Ziff. 1.5).