Gericht | OLG Brandenburg 12. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 13.04.2021 | |
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Aktenzeichen | 12 U 202/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0413.12U202.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.08.2020 verkündete Zwischenurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 19 O 194/19, wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.106,22 € festgesetzt.
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten, einer englischen Limited, Auszahlung, hilfsweise Abrechnung eines Auseinandersetzungsguthabens aus einer Genussrechtsbeteiligung nach Kündigung. Die Parteien streiten insbesondere über die örtliche, internationale und funktionelle Zuständigkeit der angerufenen Zivilkammer sowie eine ordnungsgemäße Zustellung der Klage. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie die Sachverhaltsdarstellung im Hinweisbeschluss des Senats vom 11.02.2021 - auch hinsichtlich der im Berufungsverfahren angekündigten Anträge - Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung ist durch einstimmig gefassten Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO wegen offensichtlicher Unbegründetheit zurückzuweisen.
Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils und den Hinweisbeschluss des Senats vom 11.02.2021 Bezug genommen. Der Senat hält nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten in dem Schriftsatz vom 30.03.2021 daran fest, dass die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 1 c EuGVVO gegeben ist (dazu unter 1.) und eine fehlende ordnungsgemäße Zustellung der Zulässigkeit der Klage nicht entgegensteht (dazu unter 2.).
1.
Das Landgericht Frankfurt (Oder) ist nach Art. 17 Abs. 1 c i.V.m. Art. 18 Abs. 1 EuGVVO örtlich und international zuständig.
a)
Gegenstand des Rechtsstreites bilden Ansprüche des Klägers aus einem Vertrag, den er im November 2007 in seiner Eigenschaft als Verbraucher zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Soweit die Beklagte in dem Schriftsatz vom 30.03.2021 rügt, das Landgericht habe keine entsprechenden Tatsachen festgestellt, die eine Verbrauchereigenschaft begründen könnten, obwohl die dafür erforderlichen Tatsachen von Klägerseite darzulegen und zu beweisen seien, verkennt sie, dass es im Rahmen der Prüfung der internationalen Zuständigkeit ausreichend ist, die erforderlichen Tatsachen für das Vorliegen eines Verbrauchergerichtsstandes schlüssig zu behaupten (vgl. BGH NJW 2012, 455 Rn. 12 ff.). Im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit darf das angerufene Gericht die einschlägigen Behauptungen des Klägers zu den die internationale Zuständigkeit begründenden Merkmale als erwiesen ansehen, wobei es ihm freisteht, seine internationale Zuständigkeit im Licht aller ihm vorliegenden Informationen zu prüfen, wozu gegebenenfalls auch die Einwände des Beklagten gehören (vgl. EuGH NJW 2015, 1581 Rn. 58 ff.; BGH, Urteil v. 09.02.2017 - IX ZR 67/16 Rn. 54). Dieser Darlegungslast hat der Kläger im Streitfall genügt, indem er vorgetragen hat, dass er den zugrundeliegenden Anteilsvertrag als Privatperson abgeschlossen hat, ohne dass der Vertragsschluss einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Klägers zuzurechnen wäre. Konkrete Einwände dagegen sind weder von der Beklagten erhoben worden, noch ergeben sich solche aus den vorliegenden, im Rahmen der Prüfung der internationalen Zuständigkeit zu berücksichtigenden Unterlagen.
Der Kläger hat seine Verbrauchereigenschaft auch nicht dadurch verloren, dass nach der Behauptung der Beklagten durch die Verschmelzung der … Investments GmbH auf die Beklagte die Genussrechtsbeteiligung des Klägers durch die Ausgabe einer Aktienbeteiligung ersetzt worden ist, weshalb eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung vorliege. Selbst wenn eine solche Umwandlung wirksam geworden sein sollte, ändert dies nichts daran, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Verbraucher gehandelt hat und Ansprüche aus diesem vertraglichen Schuldverhältnis nach dem insoweit allein maßgeblichen Klagevorbringen weiterhin den Gegenstand des Verfahrens bilden, da der Kläger eine wirksame Umwandlung seiner Genussrechtsbeteiligung in B-Aktien gerade in Abrede stellt. Hinzu kommt, dass der Kläger unstreitig seine Beteiligung zum 31.12.2018 gekündigt hat, so dass er auch aus diesem Grunde nicht mit Ablauf des 31.12.2018 Vollgesellschafter der Beklagten geworden sein kann. Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 30.03.2021 nunmehr erstmals vorträgt, die Verschmelzung sei bereits zum 31.12.2017 erfolgt, war bisher unstreitig, dass die Verschmelzung erst mit Wirkung ab 31.12.2018 erfolgt ist. Nach dem eingereichten Handelsregisterauszug (Bl. 31 ff. GA) ist der Gesellschafterbeschluss über die Durchführung der Verschmelzung erst am 25.09.2018 gefasst worden.
b)
Die … Investment AG als seinerzeitige Vertragspartnerin des Klägers und Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte ihre berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auch auf Deutschland ausgerichtet. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt des Hinweisbeschlusses vom 11.02.2021 verwiesen. Die Stellungnahme der Beklagten enthält hierzu keine neuen Gesichtspunkte, die eine anderweitige Beurteilung rechtfertigen. Weshalb es sich bei der von der Beklagten behaupteten Unternehmensfinanzierung nicht um eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit handeln soll, erschließt sich nicht.
c)
Der Zuständigkeit des Landgerichts steht auch die in § 13 der Genussrechtsbedingungen vereinbarte Gerichtsstandsvereinbarung nicht entgegen. Hierauf ist die Beklagte in ihrer Stellungnahme nicht mehr eingegangen, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.
III.
Der Senat hält auch daran fest, dass eine ordnungsgemäße Zustellung der Klageschrift jedenfalls mit der Zustellung an die von der Beklagten prozessbevollmächtigte Rechtsanwaltsgesellschaft am 25.05.2020 erfolgt ist.
Die Auffassung der Beklagten, eine Heilung von Zustellungsmängeln nach § 189 ZPO sei im Anwendungsbereich der EuZVO nicht möglich, teilt der Senat nicht. Die EuZVO enthält dazu keine Regelungen, so dass sich die Folgen etwaiger Zustellungsmängel und die Voraussetzungen einer Heilung nach dem Prozessrecht des die Zustellung veranlassenden Gerichts richten, im Streitfall also nach deutschem Prozessrecht (vgl. Thode in BeckOK/ZPO, 40. Edition, § 1068 Rn. 21). Somit findet grundsätzlich auch § 189 ZPO auf Zustellungsmängel im internationalen Rechtsverkehr Anwendung. Der Zweck einer Zustellung besteht dem Adressaten gegenüber darin, zu gewährleisten, dass er Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück nehmen und seine Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung darauf einrichten kann. Insoweit dienen Zustellungsvorschriften der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs. Mit der Vorschrift des § 189 ZPO soll verhindert werden, dass Mängel des streng formalisierten Zustellungsvorganges die Zustellung unwirksam machen, wenn feststeht, dass der Adressat das Dokument erhalten hat und sachlich so gestellt ist, als ob die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt wäre, ihr Zweck also erreicht ist. Der Zustellungsfehler führt möglicherweise zwar dazu, dass der weitere Zweck einer förmlichen Zustellung, den Zeitpunkt der Übergabe eindeutig nachweisen zu können, nicht erreicht wird. Der Anspruch des Zustellungsempfängers auf rechtliches Gehör ist jedoch gewahrt, wenn er das Schriftstück tatsächlich erhalten hat. Dies rechtfertigt es, den Verfahrensfehler zu ignorieren und eine wirksame Zustellung zu fingieren (vgl. BGH NJW 2011, 3581; Zöller/Greiner, ZPO, 33. Aufl. § 183 Rn. 29). So liegt der Fall auch hier. Da die Prozessbevollmächtigten der Beklagten sich in dem Rechtsstreit bestellt, ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt und zur Sache ausgeführt haben, steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der gesetzliche Vertreter der Beklagten die Klageschrift erhalten, von ihrem Inhalt auch ohne Übersetzung in die englische Sprache Kenntnis genommen hat und in der Lage war, seine Rechtsverteidigung entsprechend durch Information der Prozessbevollmächtigten darauf einzurichten.
Unabhängig von der Frage der Heilung ist die Zustellung jedenfalls wirksam an die von der Beklagten beauftragte Rechtsanwalts-GmbH wiederholt worden. Weshalb die Zustellung an die Prozessbevollmächtigte nicht wirksam sein soll, weil es sich dabei um eine juristische Person handelt, ist nicht nachvollziehbar. Im Übrigen stammt die Unterschrift auf dem zu den Akten gereichten Empfangsbekenntnis ersichtlich von dem Rechtsanwalt Dr. …, der auch die Schriftsätze vom 02.10.2019 und vom 02.12.2019 unterzeichnet hat und ausweislich der Unterschriftszeile als Geschäftsführer der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH firmierte.
IV.
Die weiteren Voraussetzungen der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fragen der Einstufung von Aktionären als Verbraucher im europarechtlichen Sinn und der Zulässigkeit von Ersatzzustellungen im Anwendungsbereich des § 1068 ZPO sind nicht entscheidungserheblich; zudem kommt es auf den jeweils zu entscheidenden Einzelfall an. Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil, noch ist eine mündliche Verhandlung aus sonstigen Gründen geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da das angefochtene Urteil keinen vollstreckungsfähigken Inhalt hat.
Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts beruht auf § 3 ZPO i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG.