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Asylrecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 5. Kammer Entscheidungsdatum 15.04.2021
Aktenzeichen 5 K 1863/20.A ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0415.5K1863.20.A.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger, eigenen Angaben zufolge am 5. April 1996 geborener sudanesischer Staatsangehöriger islamischen Glaubens, wendet sich gegen die auf Zuerkennung internationalen Schutzes in Italien gestützte Ablehnung seines Asylantrages als unzulässig und gegen die Abschiebungsandrohung nach Italien.

Nachdem er in Italien im April 2016 einen Asylantrag gestellt, internationalen Schutz in Form des Flüchtlingsstatus, ein am 29. Juni 2018 ausgestelltes und bis November 2022 gültiges Reisedokument, eine bis November 2022 gültige Aufenthaltserlaubnis, einen Personalausweis und eine bis November 2022 gültige Krankenversicherungskarte erhalten hatte, stellte er am 2. November 2020 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen weiteren Asylantrag. Im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats am 2. November 2020 gab der Kläger an, sich in Italien knapp vier Jahre lang aufgehalten zu haben. Die Anhörung zur Zulässigkeit seines Asylantrages fand am 3. November 2020 statt. Dort gab er an, seit Juni 2018 zwischen Italien und Deutschland wegen einer Beziehung zu einem Mann gependelt zu sein. Davor habe er in Turin, zunächst in einem Flüchtlingslager und dann in einer Wohnung gelebt. Nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft habe man ihm gesagt, dass er noch sechs Monate in der Wohnung bleiben dürfe und dann seine Angelegenheiten selbst organisieren müsste. Nach den zweiten sechs Monaten habe er die bis dahin kostenlose Unterbringung in der Wohnung im Januar 2019 verloren und in einer Sammelunterkunft für sechs bis sieben Euro pro Nacht leben müssen. In den ersten sechs Monaten habe er 300 Euro monatlich erhalten. Danach habe er seinen Lebensunterhalt mit Fußballwetten bestritten. In den sechs Monaten, während er in der Wohnung gelebt habe, habe er sich als Personaltrainer qualifizieren lassen und den Lehrgang mit einem Diplom erfolgreich abgeschlossen. Mit dieser Qualifikation habe er sich vor der Corona-Krise beworben und sei auch eingestellt worden. Er habe auch einen Monat lang gearbeitet. Ebenfalls in den ersten sechs Monaten habe er in Italien einen Sprachkurs besucht. In dem Sportclub, in dem er gearbeitet habe, sei er diskriminiert worden, weil er Clubmitglied habe werden müssen. Nachdem der Chef erfahren habe, dass er schwul sei, sei er erpresst worden. Die Diskriminierung habe sich darin gezeigt, dass er keine Kunden bekommen habe. Von dem Versuch, eine anderweitige Anstellung zu finden, habe er wegen der zweiten Coronawelle abgesehen. Auf die Frage, warum er gerade jetzt in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, antwortete der Kläger, dass sein früherer Chef ihm gegenüber aufgrund des Vertrages mit dem Club monatliche Zahlungen in Höhe von 450 Euro habe geltend machen wollen. Aus Angst deswegen im Gefängnis zu landen, sei er nach Deutschland gekommen.

Mit Bescheid vom 18. November 2020 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes, forderte den Kläger zur Ausreise innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides auf und drohte ihm widrigenfalls eine Abschiebung nach Italien an. Ferner stellte es ein Abschiebungsverbot hinsichtlich des Sudans fest, verhängte ein Einreise- und Aufenthaltsverbot befristet auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung und setzte die Vollziehung der Abschiebungsandrohung aus. Wegen der Begründung wird auf Blatt 8 bis 15 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Mit seiner am 8. Dezember 2020 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, wegen Gewalterfahrungen seit dem 15. Lebensjahr unter Depressionen zu leiden, weshalb er in Italien kurzzeitig mit einer Gesprächstherapie versorgt worden sei. Er sei auf die Einnahme von Mirtazapin angewiesen. In Italien drohe ihm eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK. Als Homosexueller gehöre er zu einer vulnerablen Gruppe. Nach der sechs monatigen Beherbergung in einer Siproimi-Unterkunft sei das Risiko der Obdachlosigkeit sehr hoch. Viele Personen mit Schutzstatus lebten in verschiedenen italienischen Städten auf der Straße oder in informellen Siedlungen, besetzten Häusern oder Slums. Der Kläger habe sich glücklicherweise immer wieder in die Betten von Unterkünften schmuggeln können, ohne entdeckt zu werden. Allerdings habe die Gefahr bestanden, dass das Wachpersonal ihn entdecke. Vor der Pandemie habe er auch Nächte im Bahnhof verbracht. Es habe aber auch Nächte gegeben, die er mit Männern verbracht habe, um nicht auf der Straße bleiben zu müssen. Zu den vulnerablen Personen zählten auch Homosexuelle, weshalb eine Überstellung nur gegen eine Zusicherung einer Unterkunft möglich sei. Hinsichtlich der Gesundheitsversorgung bestünden unüberwindbare Hindernisse für Personen mit internationalem Schutz, sobald sie obdachlos würden und deshalb Schwierigkeiten hätten, ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern oder einen Aufenthaltsnachweis zu erbringen, da sie keine Adresse vorweisen könnten. Gravierende Probleme stellten sich auch bei der Versorgung psychischer Erkrankungen. Darüber hinaus sei die pandemiebedingte Unterversorgung im medizinischen Bereich zu berücksichtigen. Der Kläger bedürfe aber einer psychotherapeutischen Behandlung. Italien werde als Risikogebiet behandelt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. November 2020 mit Ausnahme der unter Ziffer 3 Satz 4 getroffenen Feststellung aufzuheben,

hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, zu seinen Gunsten ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Italiens und des Sudans festzustellen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

Der Kläger legt eine psychologische Stellungnahme von KommMit für Migration und Flüchtlinge e. V. erstellt am 29. März 2021 vom S..., M. A., psychologischer Psychotherapeut i. A., psychologischer Gruppenpsychotherapeut i. A. vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen. Sämtliche Akten werden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Die Unzulässigkeitsentscheidung über den Asylantrag muss sich an § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG messen lassen. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dies ist vorliegend der Fall. Ausweislich des Eintrags im EURODAC-Register und der ihm ausgestellten Ausweise wurde dem Kläger in Italien internationaler Schutz gewährt. Dies gibt er auch selbst an.

Dem Unzulässigkeitsverdikt steht auch kein höherrangiges Recht entgegen.

Zunächst steht der Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht die Übergangsbestimmung des Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU nicht entgegen. Sie gestattet die Anwendung der nationalen Regelung zur Umsetzung des Art. 33 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2013/32/EU auch auf Asylanträge, die - wie hier - 2014 gestellt wurden.

Ebenso wenig schließt Art. 4 EU-GR-Charta ein auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestütztes Unzulässigkeitsverdikt im vorliegenden Falle aus. Ausgeschlossen wäre eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nur, wenn dem Antragsteller im Staat der Schutzgewährung die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen die Gewährleistungen des Art. 4 EU-GR-Charta droht (EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 – C-540/17 u.a. – und Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 u.a. -).

Vorliegend droht keine Verletzung von Art. 4 der EU-GR-Charta.

Gegen eine Verletzung von Art. 4 der EU-GR-Charta streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie), in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. – Juris Rn. 85) und dessen Umsetzung ins nationale Recht § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dient.

Die Anwendung dieser Vermutung ist nicht disponibel, sondern zwingend (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 u.a. – Rn. 41).

Die zur Widerlegung dieser Vermutung besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 90). Daher ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 88).

Vorliegend ist die unionsrechtliche Vermutung nicht widerlegt, da dem Gericht keine objektiven Erkenntnisse vorliegen, dass infolge Gleichgültigkeit italienischer Behörden eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen.

Die individuellen Erlebnisse des Klägers widerlegen nicht, sondern bestätigen diese Vermutung. Der italienische Staat hat sich keineswegs gleichgültig gegen den Kläger verhalten. Vielmehr hat Italien dem Kläger Fürsorge angedeihen lassen, die über die Deckung von elementaren Bedürfnissen hinausging. Er erhielt vor seiner Anerkennung freie Koste und Logis sowie ein Taschengeld von 75 Euro monatlich. Nach seiner Anerkennung bezog er mindestens sechs Monate lang jeweils 350 Euro zur freien Verfügung ohne jede Rückzahlungsverpflichtung. Darüber hinaus stellte Italien dem Kläger sechs Monate lang kostenlos eine Wohnung zur Verfügung. Daneben wurde dem Kläger eine Ausbildung zum Personaltrainer ermöglicht, die er auch mit einem Diplom abgeschlossen hat. Es ist es nicht Ausdruck staatlicher Gleichgültigkeit, dass der italienische Staat Unterkünfte nicht lebenslang, sondern auf begrenzte Zeit stellt. Den Anfangsschwierigkeiten, die mit der Ankunft in einem Land ohne ein Netzwerk von hilfsbereiten Verwandten oder Freunden zusammenhängen, trägt Italien mit der Gewährung von Obdach während des Asylverfahrens und darüber hinaus für eine Übergangszeit, die regelmäßig sechs Monate beträgt, Rechnung. Eine lebenslange Garantie für kostenlose Versorgung mit Wohnraum lässt sich Art. 3 EMRK nicht entnehmen. Art. 3 EMRK kann nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtete, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m.w.N., und Beschluss vom 2. April 2013 - 27725/10 - (Mohammed Hussein), ZAR 2013, 336 f. Rn. 70).

Nichts anderes gilt mit Blick darauf, dass ausweislich der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Januar 2020, wonach die Abwesenheit von mehr als 72 Stunden ohne vorherige Mitteilung zum Entzug des Rechts auf eine Unterkunft führen kann, der Anspruch auf eine Unterbringung in einer SIPROIMI-Einrichtung untergeht. Denn der Verlust des Anspruchs ist keine Folge der Gleichgültigkeit italienischer Behörden, sondern die Konsequenz eigener Entscheidungen des Betroffenen. Im Übrigen liegt kein Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta vor, wenn der italienische Staat den Unterkunftsanspruch an bestimmte - von dem Asylberechtigten erfüllbare - Voraussetzungen knüpft und diesen ggf. entzieht. Derartige Regelungen sieht das sekundäre Unionsrecht ohne Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta bereits für die Phase des Asylverfahrens in Artikel 20 Abs. 1 Satz 1 a) i.V.m. Artikel 18 Richtlinie 2013/33/EU ausdrücklich vor (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juli 2019 – A 4 S 749/19 – Juris Rn. 68). Es ist nicht erkennbar, warum diese Maßgaben nach Asylanerkennung, also nachdem die Betroffenen Zeit hatten, sich mit den in ihrem Aufnahmeland obwaltenden Verhältnissen vertraut zu machen, unter dem Blickwinkel des Art. 4 EU-GR-Charta anders bewertet werden sollten (OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Dezember 2018 – 10 LB 201/18 – Juris Rn. 34; OVG Lüneburg, Urteil vom 04. April 2018 – 10 LB 96/17 – Juris Rn. 65). Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich auf die für alle italienischen Staatsangehörigen geltenden Voraussetzungen und Einschränkungen hinsichtlich des Empfangs von Sozialleistungen verweisen lassen (sogenannte Inländergleichbehandlung) (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juli 2019 – A 4 S 749/19 – Juris Rn. 93; OVG Lüneburg, Urteil vom 06. April 2018 – 10 LB 109/18 – Juris).

Kann nach alledem schon keine Rede davon sein, dass anerkannte Schutzberechtigte bei der Versorgung mit Wohnraum staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sind, ist es auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger in Italien obdachlos leben würde.

Neben staatlicher Gleichgültigkeit setzt ein Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta zusätzlich voraus, dass Obdachlosigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich droht, wobei auch nichtstaatliche Hilfsmaßnahmen relevant sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Mai 2014 – 10 B 31.14 – Juris Rn. 6). Neben den SIPROIMI bieten jedoch auch caritative Einrichtungen Unterkünfte an. In großen Städten konnten Flüchtlinge zwar vor Jahren teilweise nur in besetzten Häusern, mit zum Teil Hunderten von Bewohnern und ohne ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität unterkommen. Inzwischen hat sich die Situation aber verbessert. Das Auswärtige Amt hat schon im August 2013 und gegenüber dem OVG NRW unter dem 23. Februar 2016 mitgeteilt, im Ergebnis könne davon ausgegangen werden, dass für die anerkannten Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder caritative Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser lokaler Überbelegung) zur Verfügung stehen (vgl. mit zahlreichen detaillierten Einzelnachweisen OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A – Juris Rn. 101 bis136). Für anerkannte Asylbewerber ohne Unterkunft bieten namentlich Organisationen wie die Caritas, Suore Missionarie della Carità, Centro Astalli, Stranieri in Italia, Opere Antoniane, Comunità di Sant‘Egidio oder Consiglio Italiano per i Rifugiati Unterstützung an (Auswärtiges Amt - im Folgenden: AA -, Anfragebeantwortung an NRW vom 23.02.2016 zum Az. 13 A 516.80/48651). Auch viele religiöse Einrichtungen betreiben Unterbringungseinrichtungen und verteilen Kleidung und Nahrung (Nationaler Integrationsplan, FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, S. 21). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe gibt zu Schlafplätzen von Nichtregierungsorganisationen und Kirchen zu bedenken, dass diese erstens größtenteils bereits Teil des staatlichen Systems seien, womit sie auch den dortigen Vorgaben unterlägen, und nicht zusätzlich dazu bestünden. Zweitens stünden sie allen Bedürftigen zur Verfügung, nämlich nicht nur Schutzsuchenden oder -berechtigten, sondern auch Personen, die keinen Asylantrag stellen, oder italienischen Obdachlosen. Es handele sich daher um wenige Plätze (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juli 2019 – A 4 S 749/19 – Juris Rn. 60). Allerdings wird auch hier der starke Rückgang von Asylbewerberzahlen in den letzten Jahren und noch deutlicher in den letzten Monaten das Verhältnis von Nachfrage und Angebot positiv beeinflussen (so schon VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juli 2019 – A 4 S 749/19 – Juris Rn. 115). Die Zahl von Migranten, die Italien erreichen, hat mittlerweile stark abgenommen hat, was die Aufnahme der im Land befindlichen Asylantragsteller oder Anerkannten erleichtert. Bereits im August 2017 sank diese Zahl um 90% (vgl. Zeit Online, „Italien meldet Rückgang von Flüchtlingszahlen“ vom 28. August 2017). Diese Tendenz hat sich über die auch im Jahre 2018 fortgesetzt. Laut UNHCR wurden zwischen Januar und September 2018 nur 21.000 Neuankünfte in Italien registriert, gegenüber 105.400 in der gleichen Periode im Jahr 2017 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien“ vom 8. Mai 2019, S. 11). Vom Mai 2019 bis März 2020 landeten in Italien hingegen nur noch 13.486 Personen an (statista.com). Von März 2020 bis Februar 2021 haben 36.636 Migranten Italien auf dem Seeweg erreicht (statista.com). 2019 betrug die Zahl der Erstasylantragsteller je eine Million Einwohner in Italien lediglich 580, während Griechenland 6.985, Spanien 2.454, Belgien 2.017 und Deutschland wie Frankreich und Slowenien jeweils gut 1700 Personen verzeichneten. Zudem ist es eine allgemeinkundige Tatsache, dass ein erheblicher Teil der Asylbewerber und der als schutzberechtigt Anerkannten Italien wieder verlässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04. März 2015 – 1 B 9.15 – Juris Rn. 6). Der vorliegende Fall ist ein augenfälliges Beispiel für diese Sekundärmigration, die gerade verhindert werden soll (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 – C-695/15 PPU – Juris Rn 52).

Die Einschätzung, dass das SIPROIMI-System und caritative Einrichtungen sowie Eigeninitiative in summa anerkannte Schutzberechtigte vor Obdachlosigkeit bewahren, wird auch nicht etwa durch Erkenntnisse über die tatsächlich herrschende Wohnungslosigkeit entkräftet. Aktuelle Zahlen zur Obdachlosigkeit von international Schutzberechtigten liegen nicht vor (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Januar 2020, Seite 74). Die für 2018 veröffentlichten Zahlen sind angesichts des starken Rückgangs von Asylbewerberzahlen nicht mehr aussagekräftig. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass aktuelle Erhebungen verfügbar sind. Im Übrigen belegen selbst diese für 2018 bekannten Zahlen, dass anerkannte Schutzberechtigte nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von Obdachlosigkeit bedroht sind. Danach ist ein im Verhältnis zu ihrer Gesamtzahl eher kleiner Teil der Migranten tatsächlich obdachlos bzw. lebt in besetzten Häusern. Nach Schätzung der MÈDECINS SANS FRONTIÈRES (= Ärzte ohne Grenzen) gibt es nämlich “nur“ ungefähr 10.000 obdachlose Menschen unter den Asylsuchenden und Schutzgenehmigungsinhabern (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juli 2019 – A 4 S 749/19 – Juris Rn. 101). In Deutschland sollen im Jahre 2018 hingegen 441.000 anerkannte Flüchtlinge wohnungslos gewesen sein (statista.com). Nichts anderes ergibt die Betrachtung einzelner Metropolen, soweit für diese statistische Zahlen vorliegen. Soweit für Mailand von 2608 Obdachlosen im Jahre 2018 berichtet wird (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Januar 2020, Seite 73), zeigt der Vergleich mit Berlin, wo unter ungleich schwierigeren klimatischen Verhältnissen in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar 2020 knapp 2000 Obdachlose gezählt wurden (vgl. statista.com), wobei die Schätzungen von 6000 bis 10000 Personen ausgehen (vgl. Tagesspiegel vom 7. Februar 2020). Daraus erhellt, dass die Obdachlosigkeit als allgemeines Phänomen großer Städte keinen Rückschluss auf eine Verletzung von international Schutzberechtigten in ihrem Recht aus Art. 4 EU-GR-Charta zulässt, weil sie auch in Ländern mit einem Anspruch auf staatliches Obdach auftritt.

Im Falle des Klägers kommt hinzu, dass er in Italien auf einen hilfsbereiten Freund zurückgreifen kann. Mit seiner Hilfe vermochte der Kläger über längeren Zeitraum, zuletzt für fünf Monate in einer Sammelunterkunft zu wohnen. Dort wurde er auch verpflegt.

Auch hinsichtlich der Gefahr der Verelendung greift eine starke unionsrechtliche Vermutung für das Gegenteil ein. Für die Personengruppe der gesunden, arbeitsfähigen Männer liegen keine objektiven, zuverlässigen, genauen und gebührend aktualisierten Anhaltspunkte vor, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine extreme materielle Not besorgen lassen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juli 2019 – A 4 S 749/19 – Juris Rn. 90). Solche Umstände ins Blaue hinein erst zu ermitteln, verbietet sich eingedenk der unionsrechtlichen Vermutung (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 2020 – 7 A 11038/18 – Juris Rn. 37).

Unabhängig davon ist davon auszugehen, dass ein gesunder arbeitsfähiger Mann, wie der Kläger, in Italien durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 2020 – 7 A 11038/18 – Juris Rn. 41).

Von Schutzberechtigten ist ohne weiteres zu verlangen, dass sie sich in ganz Italien um eine Arbeitsstelle, ggf. im Niedriglohnsektor, bemühen. Denn der italienische Arbeitsmarkt erweist sich auf regionaler Ebene als sehr heterogen, mit stark industrialisierten Regionen im Norden und solchen im Süden, in denen Tätigkeiten in der Landwirtschaft und im Tourismus überwiegen (vgl. EURES, Das Europäische Portal zur beruflichen Mobilität; Italien, Kurzer Überblick über den Arbeitsmarkt). Es kann von Schutzberechtigten auch erwartet werden, in die Regionen zu ziehen, in denen sie auch ohne vorherige Ausbildung Beschäftigungen in der Landwirtschaft und im Tourismus finden. Vor allem lässt die absehbare Entwicklung mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass Schutzberechtigte wie der Kläger in Italien bei der gebotenen eigenen Anstrengung Beschäftigungen finden, die ihren Lebensunterhalt sichern. Denn zwischen 2020 und 2024 sind im italienischen Wirtschaftssystem über 2,5 Millionen der heute Beschäftigen zu ersetzen, weil sie das Pensionsalter erreichen oder aus anderen Gründen aus dem Berufsleben ausscheiden. Dieser Wert wird zusammen mit der Zunahme (oder Abnahme) der basierend auf den möglichen jährlichen Entwicklungen des Bruttoinlandsprodukts vorhergesehenen Beschäftigten einen Gesamtbedarf zwischen 1,9 und 2,7 Millionen Arbeitskräften ergeben (vgl. EURES, Das Europäische Portal zur beruflichen Mobilität; Italien, Kurzer Überblick über den Arbeitsmarkt). Schon zwischen 2020 und 2021 könnten die Privatsektoren und die öffentliche Verwaltung einen Beschäftigungsbedarf von 272.000 – 799.000 Personen aufweisen. Die Notwendigkeit des Ersetzens von Personal wird den Bedarf an diesem wieder in den positiven Bereich bringen. Im Fünfjahreszeitraum werden die Privatsektoren einen Bedarf zwischen 1,2 und 2 Millionen Personen aufweisen. Dabei wird der Nordwesten das größte Kontingent an Beschäftigten benötigen, gefolgt vom Nordosten und von Süditalien (vgl. EURES, Das Europäische Portal zur beruflichen Mobilität; Italien, Wo gibt es freie Stellen?). Auf Grund dieser Entwicklung erscheint es ausgeschlossen, dass eine arbeitsfähige und -willige Person im gesamten Land Italien keine Beschäftigung finden kann (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 2020 – 7 A 11038/18 – Juris, Rn. 45 - 46).

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie führen zu keinem anderen Ergebnis. Sie lassen nicht erwarten, dass der Kläger wahrscheinlich in eine konventionswidrige Situation geraten könnte. So gibt es keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür, dass sich die Chancen von Schutzberechtigten darauf, ihren Lebensunterhalt in Italien selbstständig zu bestreiten, gravierend und nachhaltig verschlechtert hätten. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich durch die Corona-Pandemie die Erwerbsmöglichkeiten für Schutzberechtigte in Italien nachhaltig verschlechtern sollten. Dies ist schon angesichts des oben dargelegten künftigen Personalbedarfs nicht zu erwarten. Hinzu kommt, dass die Corona-Pandemie den Bedarf an Lebensmitteln weitgehend unberührt lässt. Mit anderen Worten werden gerade in der Landwirtschaft weiterhin Arbeitskräfte benötigt. In diesem Bereich können auch ungelernte Schutzberechtigte eine Beschäftigung finden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 2020 – 7 A 11038/18 – Juris Rn. 52 - 55). Dies gilt umso mehr, als in Italien, wie auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten, die Impfkampagne an Fahrt aufnimmt und die bevorstehende Einführung eines EU-Impfpasses den Tourismus als einen in Italien besonderes wichtigen Wirtschaftszweig bereits in der kommenden Urlaubssaison befördern wird.

Im konkreten Fall des Klägers werden die Chancen auf Anstellung dadurch verbessert, dass er über Kenntnisse der italienischen Sprache verfügt, die seinen eigenen Angaben zufolge genügten, um als Personaltrainer in einem Fitnessstudio zu arbeiten. Warum es ihm nicht erneut gelingen sollte, eine Anstellung zu finden, ist nicht erkennbar. Im Übrigen hat er selbst vorgetragen, dass er in Italien auch mit Sportwetten ein Einkommen hat erzielen können.

Soweit sich der Kläger wegen seiner Homosexualität auf besondere Vulnerabilität beruft, ist nicht erkennbar, wie seine sexuelle Orientierung den Erwerb zur Sicherung des eigenen Unterhalts beeinträchtigen sollte. Der Umstand, dass ein Fitnessstudiobetreiber eine private Beziehung zu Kläger gesucht haben soll, ist für sich genommen keine Diskriminierung. Soweit er ferner beklagt, dass ihm Kunden vorenthalten worden seien, ist schon nicht ersichtlich, dass sich darin ein allgemeines, alle Wirtschaftssektoren betreffendes Phänomen manifestiert. Dem Gericht liegen auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass Homosexuelle in Italien generell im Arbeitsleben generell benachteiligt werden. Dagegen spricht, dass die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf auch Italien gilt. Ausweislich ihres Art. 1 dient sie gerade dem Schutz vor unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung. Soweit dennoch Schwierigkeiten auftreten sollten, kann vom Kläger erwartet werden, dass er diese überwindet. Er hat hier im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren gezeigt, dass er durchaus in der Lage ist, seine Rechte – ggf. unter Hinzuziehung anwaltlicher Hilfe – zu wahren (vgl. zu diesem Aspekt OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 2020 – 7 A 11038/18 – Juris Rn. 51).

Es ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger gesundheitlichen Einschränkungen unterliegt, die seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt schmälern oder ihn gar an der Erwerbstätigkeit hindern. Seine Erwerbsfähigkeit hat der Kläger durch Tätigkeit als Personaltrainer unter Beweis gestellt. Nichts Anderes ergibt sich auf Grund der psychologischen Stellungnahme von KommMit für Migration und Flüchtlinge e. V. erstellt am 29. März 2021 vom S..., M. A., psychologischer Psychotherapeut i. A., psychologischer Gruppenpsychotherapeut i. A. Angesichts der Unschärfen des etwaig psychischen Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik ist regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests erforderlich ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 – 1 C 35.19 – Juris Rn. 29 unter Hinweis auf § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 Buchst. c Satz 2 und 3 AufenthG hinsichtlich der Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer die Abschiebung beeinträchtigenden Erkrankung). Diesen Anforderungen wird die vorgelegte Stellungnahme schon deshalb nicht gerecht, weil sie nicht von einem Facharzt erstellt wurde. Die Vorlage eines solchen Attestes verfehlt die in solchen Fällen geltenden Anforderungen an die Substantiierung (OVG der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 12. November 2018 – 2 LA 60/18 –Juris Rn. 7) und löst keine Pflicht zur weiteren Ermittlung aus, weil es Sache des Ausländers ist, seinen Gesundheitszustand durch Vorlage eines qualifizierten Attestes glaubhaft zu machen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – 6 A 11330/18 – Juris Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Mai 2017 – 12 M 91.16 -).

Gelingt der Selbstunterhalt durch eigene Arbeit nicht sogleich bzw. vollständig, kann der Kläger die Hilfe caritativer Organisationen erlangen. In Italien gibt es zwar kein allgemeines System der Sozialhilfe. Etwaige gemeindliche Unterstützungsleistungen sind an den offiziellen Wohnsitz in der Gemeinde geknüpft. Es gibt aber öffentliche Fürsorgeleistungen für gemeldete Flüchtlinge, wenn sie bereit sind, an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, z. B. speziellen beruflichen Lehrgängen, teilzunehmen. Lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder NGOs unterhalten Integrationsprogramme und arbeiten dabei teilweise zusammen. Soweit solche Leistungen nicht greifen oder ausreichen, können Flüchtlinge, wenn sie - wie viele Italiener auch - arbeitslos sind, auf Spenden caritativer Organisationen zurückgreifen (vgl. zum Ganzen mit zahlreichen detaillierten Einzelnachweisen OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A – Juris Rn. 101 bis136; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Juli 2019 – A 4 S 749/19 – Juris Rn. 102).

Angesichts Art. 30 der Richtlinie 2011/95/EU besteht auch im Falle anerkannter Schutzberechtigter eine starke unionsrechtliche Vermutung dafür, dass die ihnen in Italien gebotene medizinische Versorgung angemessen sein wird (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 – C-578/16 PPU – Rn. 70 zu Art. 17 bis 19 der Richtlinie 2013/22/EU). Die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse bestätigen diese Vermutung. Bei der Gesundheitsversorgung werden anerkannte Flüchtlinge in Italien wie italienische Bürger behandelt. Auch psychische Erkrankungen sind als weit verbreitete Erkrankungen in Italien behandelbar (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Potsdam, vom 25. November 2015, Seite 2). Der Kläger räumt selbst ein, in Italien eine Gesprächstherapie erhalten zu haben.

Unabhängig davon, dass der Zugang zur Notfallversorgung stets kostenlos ist und auch anerkannten Schutzberechtigten immer zur Verfügung steht (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. August 2016 – 13 A 63/16.A – Juris Rn. 94), werden die Kosten medizinischer und pharmazeutischer Versorgung außerhalb der Notfallversorgung vom staatlichen Gesundheitssystem Servizio Sanitario Nazionale (SSN) getragen. Dies gilt auch etwa für die Kosten einer psychotherapeutischen Therapie (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Potsdam, vom 26. Februar 2015, Seite 2). Erforderlich ist eine Registrierung (vgl. auch zu deren Voraussetzungen: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Januar 2020, Seite 78).

Einer Überstellung nach Italien stehen auch keine Stellungnahmen des UNHCR entgegen. Anders als im Falle Bulgariens oder Griechenlands hat der Hohe Flüchtlingskommissar zu keinem Zeitpunkt einen Abschiebestopp hinsichtlich Italiens gefordert. Den Stellungnahmen des UNHCR kommt in diesem Zusammenhang aber eine besondere Bedeutung zu (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C-528/11 – NVwZ-RR 2013, 660ff. Rn. 44).

Erweist sich nach alledem das Unzulässigkeitsverdikt gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als rechtmäßig, gilt dies auch für die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG getroffene Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 34, 35 AsylG. Danach erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 des AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Diese Voraussetzungen liegen vor. Es liegt weder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch ein solches nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vor.

Gem. § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Im Falle einer Abschiebung nach Italien droht keine konventionswidrige Behandlung. Dagegen streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie, in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. – Juris Rn. 85). Diese Vermutung wird nach dem Vorstehenden vorliegend nicht widerlegt.

Ebenso wenig greift ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ein. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das normative Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG umfasst auch solche Gefährdungen; einer Prüfung bedarf es deshalb vor einer Aufenthaltsbeendigung in sichere Drittstaaten, wozu auch Italien als Mitglied der EU gehört, auch insoweit nicht (vgl. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, BVerfGE 94, 49-114, Rn. 186). Nichts Anderes gilt mit Blick auf die Covid-19-Krankheitswelle. Selbst wenn pandemiebedingt erneut Einreisebeschränkungen verhängt werden sollten, begründete dies kein Abschiebungsverbot, weil die Unmöglichkeit der Abschiebung kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis bildet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1998 – 9 B 604.98 – Juris; BVerwG, Beschluss vom 01. September 1998 – 1 B 41.98 – Buchholz 402.240 § 50 AuslG 1990 Nr 4; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1998 – 9 B 409.98 – InfAuslR 1999, 525-526). Dies gilt erst recht bei absehbar vorübergehenden Hindernissen.

Soweit für die Rückführung von Familien mit Kindern eine individuelle Zusicherung italienischer Behörden für erforderlich gehalten wird, gilt diese Rechtsprechung nur für Familien mit Kleinstkindern im Alter bis zu drei Jahren (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 939/14 – Juris Rn. 16 = NVwZ 2014, 1511/1513), also nicht für den Kläger, einen gesunden, volljährigen Mann.

Das konkludent mit der Befristungsentscheidung ausgesprochene Einreise- und Aufenthaltsverbot begegnet keinen Bedenken.

Die hilfsweise geltend gemachten Verpflichtungsanträge haben keinen Erfolg. Hinsichtlich des Begehrens, ein Abschiebungsverbot bezüglich des Sudans festzustellen, fehlt es dem Kläger an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil der angefochtene Bescheid eine solche Feststellung bereits trifft. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbotes bezüglich Italiens ist der Verpflichtungsantrag mangels eines materiellen Anspruchs unbegründet. Auf die vorstehenden Ausführungen zu Abschiebungsverboten wird Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.