Gericht | VG Cottbus 1. Kammer | Entscheidungsdatum | 27.04.2021 | |
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Aktenzeichen | 1 L 157/21 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0427.1L157.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 Abs 1 S 2 VwGO, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG |
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 18. April 2021 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt.
I. Der Antrag,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren einen Notenspiegel auszustellen, welcher im Modul „Festigkeitslehre“ nicht den Hinweis „endgültig nicht bestanden“ enthält (sog. Unbedenklichkeitsbescheinigung),
ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag ist nach § 123 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als einstweilige Anordnung in Form der Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft, denn das Begehren des Antragstellers, nämlich die vorläufige Ausstellung der begehrten Unbedenklichkeitsbescheinigung, ist nicht auf die Suspendierung eines belastenden Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern auf die Erweiterung seines Rechtskreises gerichtet.
Für die Zulässigkeit des Antrags kann offenbleiben, ob sich der Antragsteller mit seinem Begehren vor Anrufung des Gerichts an die Antragsgegnerin gewandt hat. Zwar muss der Prüfungsteilnehmer sein Begehren zunächst gegenüber der Prüfungsbehörde geltend machen. Erst, wenn diese nicht oder nicht in seinem Sinne reagiert, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, ein Gericht anzurufen (Niehues/Fischer/Jeremi-as, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 906). Das ist vorliegend – soweit für das Gericht ersichtlich – nicht geschehen. Allerdings hat die Antragsgegnerin mit der Antragserwiderung zum Ausdruck gebracht, dem Begehren des Antragstellers erkennbar nicht nachgeben zu wollen. Von dem Erfordernis der vorherigen Antragstellung bei der Behörde kann im Rahmen der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses in derartigen Fällen ausnahmsweise abgesehen werden (vgl. Dombert in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 95 m.w.N.).
2. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen nicht vor. Danach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung kommt danach nur in Betracht, wenn der Rechtsschutzsuchende die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung durch das Gericht (den Anordnungsgrund) und einen materiellen Anspruch auf Erlass der begehrten Regelung (den Anordnungsanspruch) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 und § 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Richtet sich das Antragsbegehren – wie auch hier – auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, gelten gesteigerte Anforderungen. Denn eine einstweilige Anordnung hat sich entsprechend dem Sicherungszweck des Anordnungsverfahrens im Grundsatz auf die Regelung eines vorläufigen Zustandes zu beschränken, die der Entscheidung über das Rechtsschutzbegehren im Hauptsacheverfahren nicht vorgreifen darf. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung deshalb nur ausnahmsweise zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes [GG]) zulässig. Dies setzt voraus, dass anderenfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile drohten, die durch die Hauptsacheentscheidung nicht mehr beseitigt werden könnten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 – 2 BvR 745/88 –, juris Rn. 17; BVerwG, Beschluss vom 21. März 1997 – BVerwG 11 VR 3.97 –, juris Rn. 13; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Juli 2006 – OVG 4 S 89.05 –, juris Rn. 2) und dass der Antragsteller mit seinem Begehren im Hauptsacheverfahren erkennbar erfolgreich sein würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 – BVerwG 2 VR 1.99 –, juris Rn. 24; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Mai 2007 – OVG 3 S 27.07 –, juris Rn. 3).
Beide Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.
a) Es fehlt bereits an einem Anordnungsanspruch.
Vom Bestehen eines Anordnungsanspruchs ist dann auszugehen, wenn das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass der Antragsteller in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit obsiegen wird (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 907). Das ist vorliegend nicht der Fall.
aa) Für das mit dem vorliegenden Antrag geltend gemachte Begehren kann dahinstehen, ob sich der im Hauptsacheverfahren (Az.: V... ) angegriffene Exmatrikulationsbescheid der Antragsgegnerin vom 21. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2020 als rechtswidrig erweisen könnte, weil – wie der Antragsteller meint – kein eigenständiger Prüfungsbescheid über das endgültige Nichtbestehen des Antragstellers im Modul Festigkeitslehre ergangen sei.
In dem hier erörterten Zusammenhang ist die Modulprüfung nicht erst dann „endgültig nicht bestanden“, wenn diese Entscheidung bestandskräftig ist, sondern auch dann, wenn der Bewerber sie durch Widerspruch oder Klage angefochten hat (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 152). Insoweit ist also allein die Existenz einer entsprechenden Prüfungsentscheidung Voraussetzung, die das Hindernis für die Immatrikulation an einer anderen Hochschule darstellt (vgl. z.B. § 14 Abs. 3 Nr. 2 des Berliner Hochschulgesetzes – BerlHG). Für den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung ist danach nicht entscheidend, ob die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens nicht gemeinsam mit der Exmatrikulation in dem Bescheid vom 21. September 2021 durch die Präsidentin der Antragsgegnerin ausgesprochen werden konnte, weil sie hierfür möglicherweise die formell unzuständige Behörde war, sondern allein, ob sich die Prüfungsentscheidung in materieller Hinsicht als mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig erweist.
Mit Blick auf die angesprochene Verknüpfung von Exmatrikulation und Prüfungsentscheidung im Bescheid vom 21. September 2020 macht die Kammer ergänzend und lediglich informatorisch auf Folgendes aufmerksam: Der Prüfungsteilnehmer ist zur Wahrnehmung von Ansprüchen auf nochmalige Prüfungsteilnahme oder nochmalige Bewertung seiner Prüfungsleistung darauf verwiesen, gegen den Prüfungsbescheid vorzugehen. Diesem kommt hinsichtlich seines Regelungsgehalts Tatbestandswirkung zu, so dass er einem auf § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1, 2. Variante des Brandenburgischen Hochschulgesetzes (BbgHG) wegen des endgültigen Nichtbestehens einer vorgeschriebenen Prüfung gestützten Exmatrikulationsbescheid ohne inhaltliche Nachprüfung zugrunde zu legen ist. Werden dagegen keine Prüfungsbescheide zur rechtsförmlichen Feststellung von Prüfungsergebnissen erlassen, etwa weil dies in der einschlägigen Prüfungsordnung nicht vorgesehen ist, so bleibt die Feststellung, dass eine Hochschulprüfung endgültig nicht bestanden und somit das Ziel des Studienabschnitts oder des Studienganges endgültig nicht erreicht ist, dem Exmatrikulationsbescheid vorbehalten. In Ermangelung vorangehender abschichtender Regelungen enthält dann erst dieser Bescheid die Feststellung, dass der Prüfungsanspruch in seiner Gesamtheit vollständig erfüllt ist. In diesen Fällen können Ansprüche auf nochmalige Prüfungsteilnahme oder nochmalige Bewertung erbrachter Prüfungsleistungen nur durch Anfechtung des Exmatrikulationsbescheids geltend gemacht werden (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 11. Juni 2001 – 4 E 31/01 –, juris Rn. 4). Danach – und mit Blick auf die Allzuständigkeit der Präsidentin der Antragsgegnerin nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und 3 BbgHG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 der Grundordnung der Technischen Hochschule W... (Amtliche Mitteilungen Nr. 45/2019 vom 21. August 2019; zuletzt geändert durch die 1. Änderung der Grundordnung, Amtliche Mitteilungen Nr. 03/2020 vom 7. April 2020) – scheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens einer Modulprüfung gemeinsam mit der Exmatrikulation ausgesprochen wird.
Ob im vorliegenden Fall tatsächlich kein gesonderter Prüfungsbescheid erlassen worden ist, ist aus Sicht der Kammer allerdings nicht unzweifelhaft.
Bedenken ergeben sich zum einen aufgrund der in dem Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin enthaltenen und an die Privatadresse des Antragstellers gerichteten „Bescheinigung über Prüfungsergebnisse“, die wie der Exmatrikulationsbescheid vom 21. September 2021 datiert (Seite 19 [Anlage I] des Verwaltungsvorgangs). Diese weist das Modul Festigkeitslehre mit dem Status „EN“ aus, wobei „EN“ der Legende der Bescheinigung nach für „endgültig nicht bestanden“ steht. Für diese Bescheinigung zeichnet das Sachgebiet Studentische Angelegenheiten verantwortlich, das gemäß § 9 Abs. 4 Satz 5 der hier einschlägigen Rahmenordnung der Technischen Hochschule W... (Amtliche Mitteilung Nr. 42/2019 vom 4. Juli 2019) – nachfolgend: Rahmenordnung (RahmenO) – auch für die Bekanntmachung der Modulnoten im Campusmanagementsystem zuständig ist. Im Übrigen erschließt sich aus dem Verwaltungsvorgang nicht, aus welchem anderen Grund die Bescheinigung ausgestellt worden sein sollte, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller einen Antrag auf Ausstellung der Bescheinigung gestellt hätte. Auch sehen weder die hier einschlägige Studien- und Prüfungsordnung (Amtliche Mitteilungen Nr. 22/2017 vom 19. Juli 2017 in Verbindung mit Amtliche Mitteilungen Nr. 4/2018 vom 25. Januar 2018) noch die Rahmenordnung Regelungen zur Beantragung und Ausstellung einer „Bescheinigung über Prüfungsergebnisse“ im Falle des endgültigen Nichtbestehens einer Modulprüfung vor.
Zum anderen ergeben sich Bedenken daraus, dass die Modulnote und damit das Nichtbestehen des Moduls Festigkeitslehre im dritten Prüfungsversuch aufgrund von § 9 Abs. 4 Satz 5 RahmenO dem Antragsteller im Campusmanagementsystem bekanntgegeben worden sein dürfte, wenngleich sich Entsprechendes dem Verwaltungsvorgang bedauerlicherweise ebenfalls nicht entnehmen lässt (vgl. zur Bekanntgabe von Prüfungsergebnissen im Internetportal einer Hochschule mit Verwaltungsaktqualität: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. März 2017 – 14 A 1689/16 –, juris Rn. 45 ff.; nachfolgend: BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 6 B 43/17 – Rn. 11 f.).
§ 25 Abs. 3 Satz 2 RahmenO dürfte demgegenüber in Bezug auf die Bekanntgabe von Prüfungsergebnissen nicht einschlägig sein. Lediglich der Vollständigkeit halber ist mit Blick auf die vom Antragsteller angesprochene Bestimmung des § 25 Abs. 3 Satz 2 RahmenO darauf hinzuweisen, dass der Prüfungsausschuss des Fachbereichs I... mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 (Seite 12 [Anlage I] des Verwaltungsvorgangs) im Hinblick auf § 19 Satz 1 RahmenO im Widerspruchsverfahren beteiligt wurde und sich dieser vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2020 mit Schreiben vom 10. November 2020 (Seite 7 f. [Anlage I] des Verwaltungsvorgangs) entsprechend geäußert hat, indem er die Annahme eines Härtefalls ablehnte.
Die vorgenannten Überlegungen führen vorliegend allerdings nicht weiter, weil auch das Vorliegen eines gesonderten Prüfungsbescheids nicht zu einem Anspruch des Antragstellers auf Erteilung der begehrten Unbedenklichkeitsbescheinigung führen würde.
bb) Soweit der Antragsteller einwendet, die Antragsgegnerin habe das Vorliegen eines Härtefalls aufgrund einer unzutreffenden Rechtsansicht von vornherein für ausgeschlossen gehalten und deshalb dessen Voraussetzungen nicht ordnungsgemäß geprüft, dringt er mit seiner Rechtsauffassung nicht durch.
Die Antragsgegnerin dürfte die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalls zu Recht abgelehnt haben. Zum einen sieht die einschlägige Prüfungsordnung eine Wiederholungsmöglichkeit der Prüfung aufgrund nachträglich geltend gemachter Härtefallgründe nicht vor. Zum anderen hat der Antragsteller keine Umstände vorgetragen, die nach den in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben einen prüfungsrechtlichen Härtefall begründen würden.
(1) Die Voraussetzungen der Nachteilsausgleichs- und Härtefallregelung nach § 19 Satz 1 RahmenO liegen nicht vor. Danach kann dem Studierenden auf Antrag vom Prüfungsausschuss gestattet werden, die Prüfungsleistungen innerhalb einer verlängerten Bearbeitungszeit oder in einer anderen, gleichwertigen Form zu erbringen, wenn er wegen länger andauernder krankheitsbedingter Beeinträchtigung nicht in der Lage ist, Prüfungsleistungen ganz oder teilweise in der vorgesehenen Zeit und Form abzulegen. Vom Tatbestand dieser Härtefallregelung werden danach nur solche Fälle erfasst, in denen der Studierende die länger andauernde krankheitsbedingte Beeinträchtigung vor und nicht – wie hier – erst nach Ablegung der Modulprüfung geltend macht.
Darüber hinaus dürfte dem Antragsteller auch kein aus dem Prüfungsrechtsverhältnis abzuleitender Anspruch auf Einräumung eines weiteren, von der Prüfungsordnung nicht vorgesehenen Wiederholungsversuchs zustehen. Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 RahmenO können nicht bestandene Modulprüfungen zweimal wiederholt werden. Der Antragsteller hat die Modulprüfung Festigkeitslehre insgesamt drei Mal, am 10. Juli 2017, 2. Juli 2020 und 10. September 2020 nicht bestanden und damit seine drei Versuche ausgeschöpft. Die inhaltliche Ausgestaltung des Prüfungsrechtsverhältnisses regelt grundsätzlich die jeweils einschlägige Prüfungsordnung, ergänzt durch die in § 2 Abs. 3 Nr. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg genannten Vorschriften. Die Auslegung dieses Regelwerkes und die ggf. erforderliche Ausfüllung von Regelungslücken hat sich an den grundrechtlichen Gewährleistungen der Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG auszurichten (vgl. Niehues/Fisch-er/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 18).
Die Antragsgegnerin ist danach nicht verpflichtet, eine dritte Wiederholungsmöglichkeit aus Härtefallgründen zuzulassen, da die Rahmenordnung eine weitere, dritte Wiederholungsmöglichkeit aus Härtefallgründen nicht vorsieht und sich auch nicht aus der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG oder anderen übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten ein genereller Anspruch auf eine weitere Wiederholungsmöglichkeit aus Härtefallgründen ergibt. Die Beschränkung auf drei Prüfungsversuche nach § 21 Abs. 3 Satz 1 RahmenO ist als Eingriff in die Berufsfreiheit des Antragstellers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig. Dass Prüfungen innerhalb eines Studiums nicht endlos wiederholt werden können, dient zum einen dazu, die Eignung des Studenten für einen bestimmten Beruf feststellen zu können und zum anderen dem öffentlichen Interesse an begrenzten Studienzeiten. Da durch das erstmalige Nichtbestehen einer Prüfung die Nichteignung für einen Beruf nicht ausreichend gesichert festgestellt werden kann, ist eine Wiederholungsmöglichkeit verfassungsrechtlich zwingend, aber auch ausreichend (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 – 1 BvR 1033/82 u.a. –, juris Rn. 96; BVerwG, Beschluss vom 12. November 1998 – 6 PKH 11.98 –, juris Rn. 6; BVerwG, Beschluss vom 7. März 1991 – 7 B 178.90 –, juris Rn. 14; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018 Rn. 769). Über diese verfassungsrechtlichen Vorgaben geht die Prüfungsordnung der Antragsgegnerin deutlich hinaus. Wenn ein Student die vorgesehenen drei Prüfungsversuche nicht bestanden hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis kommt, dass dieser Student die notwendige Eignung für den Studiengang und den später auszuübenden Beruf nicht besitzt. Diese drei Prüfungsversuche bilden eine hinreichend zuverlässige Grundlage für die Beurteilung, inwiefern ein Student die beruflichen und akademischen Anforderungen erfüllt.
Es bedarf danach auch keiner Entscheidung der umstrittenen Frage, ob und ggf. inwieweit die Geltendmachung eines besonderen Härtefalls im Nachhinein mit dem Ausschluss der nachträglichen Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit wegen gesundheitlicher Beeinträchtigung gleichzusetzen ist (eine Gleichsetzung gänzlich ablehnend: VGH Hessen, Beschluss vom 8. Februar 1989 – 6 TG 4046/88 –, juris Rn. 5; differenzierend: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. März 1996 – 4 S 1684/95 –, juris Rn. 20; a.A. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 154: Danach darf eine Härtefallregelung, bei der die außergewöhnliche Belastung auch noch nach Ablegung der Prüfung geltend gemacht werden kann, nicht zu einer Umgehung der strengen Rücktrittsregelungen wegen Prüfungsunfähigkeit führen).
(2) Die vom Antragsteller glaubhaft gemachten Umstände begründen allerdings ohnehin keinen prüfungsrechtlichen Härtefall.
Der Begriff des Härtefalls wird in der Rechtsprechung allgemein unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck einer derartigen außerordentlichen weiteren Wiederholungsmöglichkeit bestimmt. Die Möglichkeit einer weiteren Prüfungswiederholung in einem Härtefall soll gewährleisten, dass der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit auch in den Fällen gewahrt bleibt, in denen ein Prüfling durch besondere Umstände gehindert gewesen ist, seine Chance voll wahrzunehmen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3. Mai 1990 – 1 A 2281/89 –, juris Rn. 2 zum inhaltlich vergleichbaren Tatbestandsmerkmal „begründeter Ausnahmefall“). Danach soll einem Prüfling eine außerordentliche Wiederholungsprüfung ermöglicht werden, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass sein bisheriges Versagen in einer Ausnahmesituation wesentlich auch auf atypische leistungsmindernde Umstände zurückzuführen ist, die er nicht oder nur in zu vernachlässigendem Maß zu vertreten hat (Sächsisches OVG, Urteil vom 16. Juni 2011 – 2 A 822.10 –, juris Rn. 18; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. März 1996 – 4 S 1684.95 –, juris Rn. 17). Regelmäßig kann aus dem zweimaligen (hier sogar dreimaligen) Misserfolg in einer Prüfung auf das Nichtvorliegen der geforderten individuellen Fähigkeiten geschlossen werden. Ein prüfungsrechtlicher Härtefall kann mithin allenfalls dann vorliegen, wenn ausnahmsweise Umstände gegeben sind, die die Zuverlässigkeit dieses Rückschlusses begründeten Zweifeln unterwerfen. Hierbei ist grundsätzlich auch das bisherige Prüfungsergebnis des Prüfungsbewerbers umfassend in den Blick zu nehmen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. März 1996 – 4 S 1684.95 –, juris Rn. 18). Je besser ein Prüfungsbewerber bisher abgeschnitten hatte, desto mehr spricht dies für die Annahme, dass der aktuelle Misserfolg auf das Vorliegen atypischer leistungsmindernder Umstände zurückzuführen ist.
Der Antragsteller hat keine Gründe glaubhaft gemacht, die Anlass zu der Annahme geben, dass sein bisheriges Versagen in einer Ausnahmesituation wesentlich auch auf atypische leistungsmindernde Umstände zurückzuführen ist, die er nicht oder nur in zu vernachlässigendem Maß zu vertreten hat. Das gilt sowohl für die pandemiebedingt erschwerten Lernbedingungen, auf die sich der Antragsteller beruft, als auch für die nach seiner Auffassung zur Prüfungsunfähigkeit führende psychische Belastung.
Der Auffassung des Antragstellers, die Verfügung der Präsidentin der Antragsgegnerin vom 17. März 2020 sei missverständlich und es sei für den Antragsteller „nicht ersichtlich“ gewesen, dass diese Verfügung etwas an seiner Verpflichtung zur Einhaltung der Studienverlaufsvereinbarung änderte, folgt die Kammer nicht. Aus Sicht der Kammer ist der Wortlaut der Verfügung eindeutig. Danach konnte bei einer Abwesenheit von Studierenden in Prüfungsterminen vom 16. März 2020 bis einschließlich 31. August 2020 die Prüfung nicht mit „nicht ausreichend“ im Sinne von § 22 Abs. 1 Nr. 1 RahmenO bewertet werden. Der Formulierungseinschub „aufgrund der Corona-Pandemie“ stellt dabei kein Tatbestandsmerkmal für die Zulässigkeitsvoraussetzung der Abwesenheit vom Prüfungstermin („pandemiebedingter Verhinderungsgrund“) dar, sondern dient lediglich als Begründung für den Erlass der Verfügung. Der Antragsteller hätte danach den 2. Prüfungsversuch am 2. Juli 2020 nicht unternehmen müssen. Soweit er hieran Zweifel wegen des Wortlauts der Verfügung oder der Studienverlaufsvereinbarung vom 25. Februar 2020 hatte, hätte er diese Zweifel vor der Prüfung im Juli 2020 durch eine Nachfrage bei der Antragsgegnerin klären können und müssen. Dies hat der Antragsteller versäumt. Ihm musste auch klar sein, dass die konkreten Auswirkungen der Corona-Pandemie im Zeitpunkt des Abschlusses der Studienverlaufsvereinbarung Ende Februar 2020 noch nicht vorhersehbar sein konnten.
Folglich kann sich der Antragsteller auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die von der Antragsgegnerin ergriffenen Infektionsschutzmaßnahmen zu erheblich verschlechterten Lernbedingungen geführt hätten. Diesen Umständen sollte durch die Verfügung der Präsidentin der Antragsgegnerin vom 17. März 2020 gerade begegnet werden. Im Übrigen hätte der Antragsteller mit seinen lapidaren Ausführungen auf Seite 5, vorletzter Absatz, des Antragsschriftsatzes vom 18. April 2021 coronabedingte Erschwernisse für das bereits im 2. Semester zu absolvierenden Modul ohnehin nicht hinreichend dargelegt, geschweige denn im Eilverfahren glaubhaft gemacht.
Soweit der Antragsteller angibt, es habe aufgrund der abgeschlossenen Studienverlaufsvereinbarung vom 25. Februar 2020, die ihn dazu verpflichtete, die offenen Studienleistungen im Sommersemester 2020 zu absolvieren, und der anderenfalls nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BbgHG drohenden Exmatrikulation ein erheblicher Druck auf ihm gelastet, ist dieser Umstand auch für sich genommen im Rahmen der Prüfung eines Härtefalls nicht berücksichtigungsfähig. Ausweislich der Einladung zur Studienfachberatung vom 30. Januar 2020 (Seite 6 [Anlage IV] des Verwaltungsvorgangs) befand sich der Antragsteller seinerzeit mit den zu erbringenden Prüfungsleistungen im Rückstand. Insofern lässt der Antragsteller außer Betracht, dass der Grund für den Abschluss der Studienverlaufsvereinbarung die eingetretene Verzögerung seines Studienverlaufs war. Dass diese Verzögerung nicht seiner Risikosphäre zuzurechnen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Drucksituation hätte der Antragsteller dadurch entgehen können, dass er die betreffenden Prüfungsleistungen in zwei Modulen des 2. Semesters innerhalb der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 RahmenO vorgesehen Frist absolviert. Ist die während der Geltung der Studienverlaufsvereinbarung durchweg verstärkte prüfungstypische Stresssituation danach dem Risikobereich des Prüflings zuzurechnen, ist ein Bonus für die damit verbundene höhere nervliche Belastung rechtlich nicht zulässig (vgl. hierzu auch: BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1993 – 6 B 19/93 –, juris Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Juni 2010 – 14 A 1735/09 –, juris Rn. 38 [keine Gewährung einer Schreibzeitverlängerung bei mit Prüfungsangst verbundener Denkblockade]; Niehues/Fischer/ Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 775 [in der Wiederholungsprüfung durchweg verstärkte prüfungstypische Stresssituation ist dem Risikobereich des Prüflings zuzurechnen]).
Im Übrigen spricht der Umstand, dass der Antragsteller die Wiederholungsprüfung „Mathematik II“ im Juni 2020 mit der Note 2,0 bestanden hat, dafür, dass er trotz der geltend gemachten außergewöhnlichen psychischen Belastung und pandemiebedingten Einschränkungen grundsätzlich in der Lage war, auch im Sommersemester 2020 Prüfungen erfolgreich abzulegen. Dies spricht ebenfalls gegen die Annahme eines prüfungsrechtlichen Härtefalls.
Schließlich genügt auch die im Hauptsacheverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 21. Oktober 2020 ersichtlich nicht zur Glaubhaftmachung, der Antragsteller habe im September 2020 an einer zur Prüfungsunfähigkeit führenden psychischen Belastung gelitten. Der ärztlichen Bescheinigung lassen sich weder die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, noch die Methode der Tatsachenerhebung, noch die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), noch der Schweregrad der Erkrankung entnehmen. Die Bescheinigung begnügt sich mit der bloßen Behauptung, aufgrund seiner Erkrankung sei der Antragsteller nicht in der Lage gewesen zu sein, die Prüfung im September 2020 zu absolvieren. Weitergehende Aussagen enthält die ärztliche Bescheinigung nicht.
cc) Auch eine Auslegung des geltend gemachten Härtefalls als wirksame Erklärung eines Prüfungsrücktritts ist vorliegend nicht möglich.
Zum einen fehlt es an dem für die Erklärung eines Prüfungsrücktritts nach § 22 Abs. 2 Satz 2 RahmenO zwingend vorgeschriebenen Formblatt „Anzeige zur Prüfungsverhinderung“. Der Widerspruch des Antragstellers vom 29. September 2020 stellt sich demgegenüber als formloses Schreiben dar. Zum anderen hat der Antragsteller sowohl in seiner Klageschrift vom 14. Dezember 2020 im Hauptsacheverfahren als auch in seiner Antragsschrift vom 18. April 2021 eindeutig zu erkennen gegeben, dass es ihm nicht um eine Annullierung eines Prüfungsversuchs, sondern um die Einräumung einer weiteren, von der Prüfungsordnung nicht vorgesehen Wiederholungsmöglichkeit geht. Letzteres käme allenfalls in Betracht, wenn ein Härtefall vorliegen würde.
b) Der Antragsteller hat darüber hinaus einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Mit Blick auf die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache könnte dem Antrag nur dann entsprochen werden, wenn der Rechtsschutzsuchende ansonsten unzumutbar schweren, anders nicht abwendbaren und nachträglich nicht zu beseitigenden Nachteilen ausgesetzt wäre (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 – 6 VR 3/13 –, juris Rn. 5 m.w.N.).
Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist vorliegend anzunehmen. Der Antragsteller begehrt die Ausstellung eines Notenspiegels ohne den Hinweis „endgültig nicht bestanden“ im Modul „Festigkeitslehre“. Die Ausstellung einer solchen Unbedenklichkeitsbescheinigung ist jedoch erst möglich, wenn geklärt ist, dass der Antragsteller die Modulprüfung Festigkeitslehre nicht endgültig nicht bestanden hat. Diese Frage ist Gegenstand des Hauptsacheverfahrens V... . Dass das Gericht dem Antragsteller im Rahmen einer einstweiligen Anordnung sein Begehren nur auf beschränkte Zeit oder unter dem Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache gewähren kann, ändert nichts daran, dass die begehrte Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung nur in einem Hauptsacheverfahren erlangt werden könnte.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass mit der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur – wenn auch in zeitlicher Hinsicht nur vorläufigen – Erteilung der begehrten Unbedenklichkeitsbescheinigung gewissermaßen vollendete Tatsachen geschaffen würden. Aufgrund dieser Bescheinigung würde das Immatrikulationshindernis nach § 14 Abs. 3 Nr. 2 BerlHG beseitigt und der Antragsteller könnte sein Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Technik B... ) fortsetzen. Da die H... B... weder im Eil- noch im Hauptsacheverfahren Verfahrensbeteiligte ist, bestünde die Gefahr, dass diese keine Kenntnis davon erlangt, sollte sich im Zuge des Hauptsacheverfahrens herausstellen, dass der Antragsteller das Modul Festigkeitslehre endgültig nicht bestanden hat. Letztlich bestünde auch die Gefahr, dass der Antragsteller sein Studium an der H... – vermeintlich – erfolgreich abschließt, während in der Hauptsache noch nicht oder zu Ungunsten des Antragstellers entschieden ist. Inwieweit im Falle des Unterliegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren dann ein Entzug seines Studienabschlusses noch wirksam durchgesetzt werden könnte, bleibt ungewiss. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach den o.g. Ausführungen zum Anordnungsanspruch der Antragsteller mit seinem Begehren im Hauptsacheverfahren nicht erkennbar erfolgreich sein wird.
Angesichts dessen genügt der alleinige Hinweis des Antragstellers auf den Umstand, er könne sein Studium an der H... ohne die begehrte Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht aufnehmen, nicht. Die E-Mail der H... vom 14. April 2021 spricht insoweit auch lediglich davon, der Antragsteller könne „die Exmatrikulation und den Notenspiegel“ nach der Exmatrikulation von der TH W... noch bis Ende April nachreichen. Von der Forderung eines Notenspiegels ohne den Vermerk „endgültig nicht bestanden“ im Modul Festigkeitslehre als Bedingung für die Immatrikulation ist dort keine Rede.
Immerhin teilt die H... dem Antragsteller in ihrer E-Mail vom 14. April 2021 mit, man habe den „Rechtsstreit mit der TH W... zur Kenntnis genommen“. Insoweit ist nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass ohne die Beibringung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung bis zu einer Entscheidung in dem gegen den Exmatrikulationsbescheid vom 21. September 2020 gerichteten Hauptsacheverfahren V... „unwiederbringliche Studiensemester verstreichen würden“. Die in der Antragsschrift getroffene Aussage, der Anordnungsgrund sei „insofern offenkundig“, vermag die Kammer nach alledem nicht zu teilen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Das Interesse des Antragstellers sieht das Gericht in Anlehnung an Ziff. 18.1 des aktuellen Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit dem einfachen Auffangwert (§ 52 Abs. 2 GKG) als angemessen bewertet an. Der Sache nach geht es dem Antragsteller um die Ausstellung einer Bescheinigung, von der seiner Auffassung nach die Immatrikulation an einer anderen Hochschule abhängt. Von einer Ermäßigung des Streitwerts hat das Gericht abgesehen, weil eine Entscheidung des Eilverfahrens die Hauptsache endgültig vorwegnehmen würde.