Gericht | VG Cottbus 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 19.04.2021 | |
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Aktenzeichen | 8 L 49/21 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0419.8L49.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 16a Abs 1 TierSchG, § 2 Nr 1 TierSchG, § 80 Abs 5 S 1 Alt 2 VwGO |
1. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
2. Der Antrag wird abgelehnt.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung abzulehnen, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Auf die Erwägungen zu II. wird verwiesen.
II. Die sinngemäßen Anträge der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 27. Januar 2021 gegen die tierschutzrechtliche Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2021 in der Fassung der Ziffer 1 des Bescheides vom 08. Februar 2021 sowie die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 16. März 2021 gegen Ziffer 2 des Bescheides vom 08. Februar 2021 wiederherzustellen und ihr die fortgenommene Hündin „L... “ einstweilen herauszugeben
haben keinen Erfolg.
Die Anträge der Antragstellerin sind unter Berücksichtigung ihres Vorbringens und Rechtsschutzziels (vgl. §§ 122, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) hinsichtlich der Anordnung der Fortnahme und anderweitigen Unterbringung der Hündin „L... “ auszulegen als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 27. Januar 2021 gegen die tierschutzrechtliche Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2021 in der Fassung der Ziffer 1 des Bescheides vom 08. Februar 2021 sowie ihres Widerspruches vom 16. März 2021 gegen die in Ziffer 2 des Bescheides vom 08. Februar 2021 verfügten Versäußerungsanordnung. Mit Blick darauf, dass ihrem Widerspruch vom 27. Januar als auch ihrem Widerspruch vom 16. März 2021 auf Grund der in Ziffer 3 des Bescheides vom 08. Februar 2021 angeordneten sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung zukommt, sind ihre Anträge als solche nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft. In diesem Zusammenhang hat es keine Auswirkungen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht im Zeitpunkt des Erlasses der tierschutzrechtlichen Ordnungsverfügung am 16. Januar 2021 ausgesprochen wurde, sondern erst mit Bescheid vom 08. Februar 2021.
Hinsichtlich des Herausgabeverlangens der Hündin ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO statthaft.
Alle drei Anträge sind zulässig, insbesondere begegnet die Antragserweiterung mit Schriftsatz vom 11. März 2021 gegen die erst mit Bescheid vom 08. Februar 2021 verfügte Veräußerungsanordnung nach § 91 VwGO keinen rechtlichen Bedenken.
Die Anträge sind aber nicht begründet.
1. Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage in Fällen, in denen die Behörde die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, wiederherstellen, wenn die Anordnung des Sofortvollzugs nicht ordnungsgemäß erfolgte und das private Aussetzungsinteresse das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Maßgebliches Indiz im Rahmen dieser Interessensabwägung ist die Erfolgsaussicht eines Rechtsbehelfs in der Hauptsache, denn am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse.
a. Die Anordnungen der sofortigen Vollziehung sowohl in Bezug auf die Anordnung der Wegnahme und anderweitige Unterbringung als auch die Veräußerungsanordnung ist formell rechtmäßig. Der Antragsgegner ist seiner Begründungspflicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO im ausreichenden Maße nachgekommen. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hat die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe darzulegen, die im konkreten Fall ein Vollziehungsinteresse ergeben und die zu ihrer Entscheidung geführt haben, von der Anordnungsmöglichkeit des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO Gebrauch zu machen. Dabei muss das einzelfallbezogen darzulegende besondere Vollzugsinteresse grundsätzlich über das Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes selbst hinausgehen (st. Rspr. siehe nur Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juli 2015 – OVG 10 S 14.15 –, juris Rn. 4). Der Antragsgegner ist dieser Pflicht sowohl in Bezug auf die Fortnahme und pflegliche Unterbringung als auch die Veräußerungsanordnung nachgekommen.
Die Ausführungen des Antragsgegners – insbesondere der Hinweis auf die im konkreten Fall fehlende andauernde art- und anspruchsgerechte Haltung sowie Versorgung der Hündin und die fehlende tierärztlichen Betreuung – lassen in ausreichender Weise erkennen, dass die Antragsgegnerin sich mit dem vorliegenden Einzelfall auseinander gesetzt hat und die Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Anordnung der Fortnahme und anderweitige Unterbringung aus Gründen einer zeitnahen effektiven Gefahrenabwehr für die Gesundheit und das Leben des Tieres für angezeigt hält. In Bezug auf die Veräußerungsanordnung wird zusätzlich dazu darauf abgestellt, dass das Verbleiben in einem Tierheim über die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens für die Hündin nicht zumutbar sei. Ob die Erwägungen des Antragsgegners die Anordnung der sofortigen Vollziehung tatsächlich rechtfertigen, ist keine Frage des formellen Begründungserfordernisses. Für dieses kommt es nicht auf die inhaltliche Richtigkeit der behördlichen Begründung an (st. Rspr., siehe nur Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juli 2015 – OVG 10 S 14.15 –, juris Rn. 5; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. April 2015 – OVG 11 S 39.14 –, juris Rn. 5).
b. Es überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren einzig möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage haben die Widersprüche keinen Erfolg. Sowohl die Anordnung der Fortnahme und anderweitigen Unterbringung (aa) als auch die Veräußerungsanordnung (bb) erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
aa) Rechtsgrundlage für die Anordnung der Fortnahme und anderweitigen Unterbringungen ist § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG. Nach § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Hierzu zählt nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG insbesondere die Befugnis, unter anderem ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterzubringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist.
Die Anordnung ist formell rechtmäßig. Ob die Antragstellerin am 15. Januar 2021 vor Erlass der Anordnung der Fortnahme und anderweitigen Unterbringung den Anforderungen des § 1 Abs. 1 des Brandenburgischen Verwaltungsverfahrensgesetztes (VwVfGBbG) i.V.m. § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) entsprechend angehört worden ist, lässt sich weder dem Kontrollbericht und der Aktennotiz der amtlichen Tierärztin noch den Ausführungen der Antragstellerin entnehmen, kann aber vorliegend auch dahinstehen. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Dies beinhaltet die Pflicht, den Beteiligten die entscheidungserheblichen Tatsachen mitzuteilen oder ihnen die Möglichkeit zu geben, sie in Erfahrung zu bringen. Selbst wenn dies nicht erfolgt sein sollte, ist im Rahmen der Interessensabwägung zu berücksichtigen, dass eine fehlende Anhörung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss des hier noch offenen Widerspruchverfahrens ohne Weiteres nachgeholt und der Fehler damit unbeachtlich werden kann, sofern die Funktion der Anhörung für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht worden ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juli 2013 – OVG 7 N 113.13 – juris Rn. 9; VG Cottbus, Beschluss vom 14. Februar 2018 – 3 L 95/18 – juris Rn. 8).
Die materiellen Voraussetzungen für eine Verfügung nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG lagen vor. Anders als die Antragstellerin vorträgt, war die Hündin im maßgebliche Beurteilungszeitpunkt mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 erheblich vernachlässigt.
Nach § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Diese Anforderungen erfüllte die Antragstellerin für längere Zeit und in erheblicher Weise nicht. Dies steht aufgrund der Feststellungen der Amtstierärztin S... im Kontrollbericht und der Aktennotiz vom 15. Januar 2021 sowie den ausführlichen und detaillierten Feststellungen des Amtstierarztes K... im Bescheid vom 08. Februar 2021 über die Vor-Ort-Kontrollen am 16. Januar 2021 und die nachfolgenden Untersuchungen der Hündin fest. Aus den Ausführungen ergibt sich zweifelsfrei, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit in mehrfacher Hinsicht und in gravierender Weise gegen die gesetzlichen Anforderungen an die Haltung von Hunden verstoßen hat. Die von der Tierschutzliga Stiftung am Tag der gemeinsamen Vor-Ort-Kontrolle durch den Antragsgegner angefertigte Fotodokumentation, die sich die Amtstierärzte durch Aufnahme in die Verwaltungsakte erkennbar zu eigen gemacht haben (vgl. Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. März 2020 – 23 CS 19.2486 – juris Rn. 23), belegen dies. Insoweit sieht das Gericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer Darstellung der Gründe ab und folgt der Begründung der Ordnungsverfügung vom 08. Februar 2021.
Das Vorbingen der Antragstellerin ist nicht geeignet, diese Feststellung in Zweifel zu ziehen. Bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, kommt dem beamteten Tierarzt eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu. Ein solches Gutachten ist grundsätzlich ausreichend und maßgeblich dafür, einen Verstoß gegen die Grundpflichten zur artgerechten Tierhaltung nach § 2 TierSchG nachzuweisen (st. Rspr. siehe nur Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 2. April 2014 – 3 B 62.13 – juris Rn. 10; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. März 2020 – 23 CS 19.2486 –, juris Rn. 26). Es ist zwar möglich, die von dem beamteten Tierarzt getroffenen Feststellungen substantiiert durch fachliche Stellungnahmen von Amtstierärzten anderer Körperschaften oder dort beschäftigten Fachtierärzten in Frage zu stellen (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 20. April 2016 – 11 LB 29/15 –, juris Rn. 39 m.w.N., darauf Bezug nehmend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. März 2020 – 23 CS 19.2486 –, juris Rn. 26). Schlichtes Bestreiten der Halterin (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2010 – OVG 5 S 10.10 –, juris Rn. 9; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. März 2020 – 23 CS 19.2486 –, juris Rn. 26) sowie die Beibringung entsprechender eidesstattlicher Versicherungen der Halterin vermögen die Aussagekraft der amtstierärztlichen Beurteilung jedoch nicht zu entkräften (Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. Mai 2018 – 3 M 141/18 –, juris Rn. 26).
Bei den Ausführungen des Amtstierarztes K... im Bescheid vom 08. Februar 2021 wie auch beim Kontrollbericht der Amtstierärztin S... vom 15. Januar 2021 handelt es sich jeweils auch um amtstierärztliche Gutachten. An ein solches Gutachten sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es besteht kein besonderes Formerfordernis. Es reichen dokumentierte Aussagen des beamteten Tierarztes zu dem Zustand des Tieres beziehungsweise zu den Bedingungen vor Ort, wo das Tier gehalten wird, die einzelfallbezogen den Schluss auf eine erhebliche Vernachlässigung zulassen. Diese können beispielsweise die Form eines Vermerks, eines Protokolls oder auch von Fotoaufnahmen annehmen (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14. Juli 2020 – 23 CS 20.1087 –, juris Rn. 9 m.w.N.). Dass der Amtstierarzt K... am Tag der Wegnahme nicht vor Ort war, hindert ihn nicht daran, sich die Ausführungen der Amtstierärztin S... zu eigen zu machen.
Soweit die Antragstellerin die Feststellungen nicht nur rein pauschal bestreit, sondern vorträgt, dass sie mit der Hündin regelmäßig draußen im Wald spazieren gehe, die Hündin nicht auf dem Balkon lebe, sie regelmäßig genügend zu essen bekomme sowie tierärztlich versorgt werde, ist ihr Vortrag nicht hinreichend substantiiert, um den Feststellungen des Amtstierarztes entgegenzutreten. Gleiches gilt für den Einwand einer Nichtberücksichtigung des Alters und der Lebenserwartung des Hundes.
In Bezug auf die tierärztliche Versorgung ist der Vortrag sogar widersprüchlich. Ausweislich der eidesstaatlichen Versicherung vom 09. Februar 2021 gab es „notwendige Tierarztbesuche“. Die eingereichte Quittung vom 12. März 2020 weist als Diagnose den Verdacht auf Milztumor aus. Dass es nach dieser Diagnose zu weiteren Behandlungen oder Untersuchungen kam, hat die Antragstellerin aber nicht vorgetragen, den diesbezüglichen Vortrag des Antragsgegners auch nicht bestritten. Ob diese tierärztliche Rechnung von der Antragstellerin tatsächlich beglichen wurde – was zwischen den Parteien streitig ist –, kann dahinstehen, denn das Begleichen einer einzelnen Rechnung lässt keine Schlussforderungen darauf zu, dass in den auf die Diagnose folgenden Monaten eine Behandlung oder weitere Untersuchungen veranlasst wurden.
Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auch vorträgt, dass die bei der Hündin festgestellte Kachexie auf die Krebserkrankung und nicht die mangelnde Sicherstellung der Versorgung des Tieres zurückzuführen sei, überzeugt ihr Vortrag nicht. Unterstellt man, dass die Kachexie tatsächlich Folge der Krebserkrankung sei – deren Vorliegen nunmehr sogar von der Antragstellerin selbst behauptet wird – und nicht einer mangelhaften Versorgung mit Nahrung, bleibt es dabei, dass die Sicherstellung einer in diesem Fall für das kranke Tier zwingend notwendigen tierärztlichen Versorgung nicht gegeben ist. Hinzu kommt, dass der Vortrag der Antragstellerin auch darüber hinaus in sich widersprüchlich ist. So führt sie die Kachexie zum einen auf die Krebserkrankung zurück, zum anderen trägt sie aber vor, dass sie keine logische Erklärung dafür habe, dass der Hund „abgebaut“ habe und es für sie objektiv keinen Grund zur Sorge gegeben hätte.
Aufgrund der dargestellten Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts auch fest, dass die Antragstellerin nicht über die nach § 2 Nr. 3 TierSchG erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten über eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres verfügt.
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsgegner im vorliegenden Fall das ihm im Rahmen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Angesichts der obigen Ausführungen stellen sich die Fortnahme und die sich anschließende Unterbringung als verhältnismäßig dar. Mildere Mittel sind nicht ersichtlich um die tierschutzwidrigen Zustände zu beseitigen. Insbesondere kommen vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin durch zurechenbare erhebliche Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Anordnungen zu erkennen gegeben hat, dass sie nicht in der Lage oder nicht willens ist, den Hund mit der erforderlichen tierschutzrechtlichen Halterzuverlässigkeit zu versorgen und zu pflegen, auch die Erteilung von Auflagen nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG - gegebenenfalls mit kurzer Fristsetzung - nicht als milderes Mittel in Betracht (vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 14. Januar 2020 – W 8 S 19.1636 –, juris Rn. 33 f.). Im Übrigen ist der vom Antragsgegner gewährte Vorrang des in Art. 20a GG verfassungsrechtlich verbürgten und in § 1 TierSchG sowie den übrigen Regelungen des TierSchG einfachgesetzlich niedergelegten öffentlichen Interesses des Tierschutzes gegenüber den privaten, sich insbesondere aus Art. 14 GG ergebenden, grundrechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin mit Blick auf den nicht einmaligen, sondern fortgesetzten Charakter ihres schwerwiegenden Fehlverhaltens nicht als unverhältnismäßig gewichtet anzusehen.
Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der in der Ordnungsverfügung getroffenen Regelungen besteht nach alledem ein öffentliches Interesse. Das besondere öffentliche Interesse im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an einer Vollziehung stellt sich als Ergebnis einer Abwägung aller im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Interessen unter Berücksichtigung der Natur, Schwere und Dringlichkeit des Interesses an der Vollziehung bzw. an der aufschiebenden Wirkung und der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen Rückgängigmachung der getroffenen Regelung und ihrer Folgen dar (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 90). Das Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses hat der Antragsgegner auch ausreichend begründet. Den darin angenommenen Erwägungen folgt die Kammer und macht sie zum Gegenstand der eigenen Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO). Soweit die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren eine emotionale Bindung zu dem fortgenommenen Hund geltend macht, rechtfertigt dies keinesfalls das Verbleiben des Tieres bei der Antragstellerin mit einem absehbaren Verstoß gegen tierschutzrechtliche Vorschriften (vgl. Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 17. November 2020 – 3 L 463/20 –, juris Rn. 38).
bb) Rechtsgrundlage für die Veräußerungsanordnung ist § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 Halbsatz 2 TierSchG. Ist eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde hiernach das Tier veräußern. Die Voraussetzungen liegen vor.
Die Anordnung ist zwar bislang formell rechtswidrig. So wurden die Antragstellerin vor ihrem Erlass nicht nach § 28 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfGBBg angehört. Allerdings kann auch diese Anhörung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss des hier noch offenen Widerspruchverfahrens ohne Weiteres nachgeholt werden.
Die materiellen Voraussetzungen liegen vor.
Die Veräußerungsanordnung kann vorliegend zwar nicht auf die Unmöglichkeit einer anderweitigen Unterbringung der Hündin gestützt werden; ihre Unterbringung war und ist nämlich - wie zunächst geschehen - in einem Tierheim möglich. Der Umstand, dass die Unterbringung in einem Tierheim der Hündin aus Sicht des Antragsgegners auf Dauer nicht zuzumuten sei, hat keine Auswirkungen auf die Frage, ob eine anderweitige Unterbringung möglich ist.
Allerdings ist eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch die Halterin in der Zukunft nicht zu erwarten. Eine Frist zur Herstellung einer dem § 2 des TierSchG entsprechenden Haltung wurde durch den Antragsgegner nicht gesetzt. Sie ist allerdings entbehrlich. Dies ist dann der Fall, wenn es unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ausgeschlossen erscheint, dass die Halterin die nötigen Haltungsbedingungen zeitnah wird sicherstellen können (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. März 2020 – 23 CS 19.2486 –, juris Rn. 39; Hirt/Maisack/ Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 33). Diese Prognoseentscheidung dürfte hier zwar vom Antragsgegner im Bescheid vom 08. Februar 2021 als solche nicht hinreichend dargetan sein, die ihr zugrundeliegenden Anhaltspunkte jedoch schon. Sie sind jedenfalls ohne weiteres aus dem Bescheid ersichtlich.
Im Bescheid vom 08. Februar 2021 wird lediglich darauf abgestellt, dass auf Grund fehlender Sachkunde, der Gleichgültigkeit einem Lebewesen gegenüber und offenbar finanzieller Probleme eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung der Hündin durch die Antragstellerin nicht sichergestellt sei. Es handelt sich dabei um die Feststellung des aktuellen Zustandes, nicht um eine Prognoseentscheidung. Allerdings können alle diese drei Aspekte, zusammen mit der im gerichtlichen Verfahren nachträglich vorgetragenen fehlenden Sachkunde als Anhaltspunkt die Annahme begründen, dass die Antragstellerin auch zukünftig eine artgerechte Haltung des Hundes nicht wird gewährleisten können.
Die Herstellung artgerechter Haltungsbedingungen ist in der Person der Antragstellerin nicht zu erwarten. Aufgrund der vom Antragsgegner dargestellten schwerwiegenden und ersichtlich über einen längeren Zeitraum andauernden Verstöße gegen das Tierschutzgesetz durch die Antragstellerin ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin auch zukünftig eine artgerechte Haltung des Hundes nicht gewährleisten kann. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass sie auch heute noch eine Vernachlässigung und nicht artgerechte Unterbringung des Hundes von sich weist sowie eine Verantwortlichkeit für den teilweisen schlechten Ernährungszustand des Tieres leugnet (vgl. Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom VG Cottbus, Beschluss vom 05. März 2020 – 3 L 67/20 –, juris Rn. 24). Hinzu kommt, dass die Antragstellerin keine Angaben dazu gemacht hat, wie sie die artgerechte Haltung des Hundes zukünftig unter den gegebenen Bedingungen gewährleisten will. Soweit sie – entgegen der Feststellungen des Amtstierarztes – zum einen behauptet, der Hund leide unter einer Krebserkrankung, zum anderen sehe sie aber keinen Anlass zur Sorge, zeugt dies von einem fehlenden Problembewusstsein. Diese mangelnde Einsicht mit Reflexion lässt im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung die Prognose zu, dass die Antragstellerin für die Zukunft gerade nicht die nötige Gewähr für eine tierschutzgemäße Haltung bietet.
Der Antragsgegner handelt auch ermessensfehlerfrei im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO, insbesondere ist die Veräußerungsanordnung auch verhältnismäßig. Angesichts der im Bescheid dargestellten gravierenden tierschutzrechtlichen Verstöße und der ebenfalls hinreichend begründeten erkennbaren Uneinsichtigkeit der Antragstellerin ist nicht ersichtlich, welche anderen milderen Maßnahmen ernstlich in Betracht kommen könnten, um weitere tierschutzrechtliche Verstöße in Zukunft sicher ausschließen zu können (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. November 2018 – 9 ZB 16.2467 –, juris Rn. 37). Die Maßnahme ist auch angemessen. Im Rahmen dieser Abwägung zwischen dem Eingriff in das Eigentumsrecht der Antragstellerin (Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes) und der Einhaltung tierschutzgerechter Zustände (§ 1 TierSchG, Art. 20a GG) zweifelt die Kammer zwar nicht an, dass die Antragstellerin eine starke emotionale Bindung zu der Hündin hat. Allerdings streiten bei zusammenfassender Bewertung die überwiegenden Gründe dafür, dass eine Veräußerung dem Wohl der Hündin entspricht. Eine Veräußerung der Hündin entspricht ihrem Wohle, weil ihre Abgabe in gute private Hände die beste Chance dafür ist, dass es ihr gut gehen wird. Die Antragstellerin hat trotz Diagnose des Verdachts einer lebensbedrohlichen Krankheit ihren Hund nicht weiter untersuchen lassen. Auch lassen ihre widersprüchlichen Ausführungen darauf schließen, dass sie auf den tatsächlichen Gesundheitszustand der Hündin keinen großen Wert legt. Dem entspricht auch der schlüssige Vortrag des Antragsgegners, dass die Hündin durch eine normale tägliche Fütterung bisher schon 7 kg zugenommen habe. Bis heute stellt sich die Antragstellerin nicht ihrem Fehlverhalten, sondern stellt nur immer wieder heraus, ihrem Hund sei es bei ihr – trotz nunmehr selbst behaupteter (unbehandelter) Krebserkrankung – immer nur gut gegangen. Alleine eine emotionale Verbundenheit der Antragstellerin mit ihrem Hund kann nicht dazu führen, dass die existierende Gefahr einer schwerwiegenden nicht tierschutzgerechten Haltung hinzunehmen wäre (vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04. Februar 2021 – 7 B 11571/20 –, juris Rn. 32).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin besteht auch eine das besondere Vollziehungsinteresse rechtfertigende Eilbedürftigkeit der tierschutzrechtlichen Anordnungen. Zum Schutz der Tiere im Sinne von Art. 20a GG hat der Adressat von tierschutzrechtlichen Anordnungen deren Folgen schon vor der Bestandskraft der Verwaltungsentscheidung hinzunehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass ansonsten eine Gefahr für die angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere entsteht (vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04. Februar 2021 – 7 B 11571/20 –, juris Rn. 37 m.w.N.). Angesichts der hohen Bedeutung des Tierschutzes kann dann das Risiko, dass es bei einer Aussetzung der angeordneten sofortigen Vollziehung einer Veräußerungsanordnung zu weiteren Verstößen gegen die Tierhaltebestimmungen kommt, nicht eingegangen werden. Im Fall der Antragstellerin gibt es – wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt – stichhaltige Gründe für die Annahme, dass es ohne die sofortige Vollziehung der Anordnungen bis zur Bestandskraft des Bescheides zu weiteren Verstößen gegen die Tierhaltebestimmungen kommen könnte.
2. Da schon die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 15. Januar 2021 nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist, kann die Antragstellerin auch nicht als Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch verlangen, dass die Vollziehung rückgängig gemacht und ihr der Hund wieder übergeben wird. Dies gilt sodann endgültig mit Rechtmäßigkeit der Veräußerungsanordnung.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Nr. 35.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Kammer veranschlagt für die Anordnung der Fortnahme und anderweitigen Unterbringung sowie der Veräußerung der Hündin insgesamt den Regelstreitwert. Der sich daraus ergebende Betrag war auf Grund des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens zu halbieren.