Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 14.05.2021 | |
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Aktenzeichen | 3 L 327/21 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2021:0514.3L327.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 16a Abs 1 S 2 Nr 2 Halbs 2 TierSchG, § 123 Abs 1 VwGO, § 27 Abs 1 S 2 VwVG BB 2013 |
1. Dem Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, die in seinem Bescheid vom 23. April 2021 bezeichneten 22 Hunde zu veräußern.
Die Anordnung endet, sobald der Antragsgegner dem Antragsteller eine die 22 Hunde betreffende Veräußerungsanordnung bekanntgegeben hat und diese vollziehbar ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.050 Euro festgesetzt.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, der wörtlich darauf gerichtet ist, „die Vollziehung des Bescheids … des Landkreises über die Veräußerung von 26 beschlagnahmte Hunde … auszusetzen“, ist bei verständiger Würdigung (§ 88 VwGO) im Sinne des stattgebenden Tenors zu 1. auszulegen.
Der so verstandene und gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zulässige Antrag ist begründet.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der zu Grunde liegende materielle Anspruch, der Anordnungsanspruch, sowie die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, der Anordnungsgrund, glaubhaft gemacht sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 294, 920 Abs. 2 ZPO).
Beides ist hier der Fall.
Dem Antragsteller steht der erforderliche Anordnungsanspruch zur Seite.
Er kann vom Antragsgegner verlangen, dass dieser vorerst die im Bescheid vom 23. April 2021 über die Fortnahme der 22 Hunde angekündigte Veräußerung der Tiere unterlässt, in welcher Gestalt er auch immer die Veräußerung durchzuführen beabsichtigt (vgl. zu den verschiedenen Möglichkeiten der „Veräußerung“: Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 38; OVG Koblenz, Beschluss vom 4. Februar 2021 – 7 B 11571/20 –, Rn. 33, juris).
Die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Veräußerung liegen bislang nicht vor.
Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 TierSchG bedarf die Veräußerung eines Tieres grundsätzlich einer sie regelnden vorausgehenden Entscheidung der Behörde, einer „Veräußerungsanordnung“, die überdies vollziehbar sein muss (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., Rn. 34 f.). Die genannte Bestimmung ermächtigt die Behörde nur zum Erlass von Verwaltungsakten und nicht zum Handeln im Wege der unmittelbaren Ausführung (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2012 - 7 C 5.11 -, Leitsatz 3 und Rn. 18 ff., juris).
Eine solche gesonderte Veräußerungsanordnung weist der Bescheid vom 23. April 2021 jedoch nicht auf. Er enthält allein eine Anordnung zur Fortnahme der Tiere und kündigt die Veräußerung am Ende der Begründung des Bescheids (S. 6 oben) lediglich an, und zwar für den Fall, dass die Frist von 21 Tagen für die Erfüllung der in Nr. 3 des Bescheidtenors genannten Maßgaben ergebnislos verstreicht.
Auch das einschlägige Landesrecht, nach dem sich bestimmt, ob gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 TierSchG ein Tier ohne vorausgehenden Verwaltungsakt veräußert werden darf (BVerwG, a. a. O., Leitsatz 3 und Rn. 27), rechtfertigt nicht die vom Antragsgegner beabsichtigte Veräußerung. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 VwVGBbg können Zwangsmittel ohne vorausgehenden Verwaltungsakt eingesetzt werden, soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollstreckungsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt.
Das ist hinsichtlich der beabsichtigten Veräußerung nicht der Fall.
Zwar kann der zu erwartende Anfall erheblicher Kosten für die Unterbringung fortgenommener Tiere deren umgehende Veräußerung auch ohne vorausgehende Anordnung rechtfertigen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., Rn. 34), also zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig sein.
Aber ein Fall von solcher besonderen Dringlichkeit liegt schon ausweislich des Vorgehens des Antragsgegners nicht vor. Obwohl auch die Unterbringung der dem Antragsteller fortgenommenen Tiere mit nicht nur geringfügigen Kosten verbunden ist, hat der Antragsgegner in dem Bescheid vom 14. April 2021 dem Antragsteller die Rückgabe der Tiere in Aussicht gestellt für den Fall, dass dieser innerhalb der besagten Frist zunächst die genannten Maßgaben erfüllt. Bereits in dem Bescheid hätte der Antragsgegner aber ohne Weiteres zugleich eine Veräußerungsanordnung treffen und deren sofortige Vollziehung anordnen, oder den Zeitraum während des Laufs der Frist hierzu nutzen können (vgl. die ähnliche Argumentation bei BVerwG, a. a. O., Rn. 30).
Hat der Antrag hiernach bereits Erfolg, kommt es nicht mehr auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage an, ob die Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 1 TierSchG für die Anordnung zur Fortnahme der Tiere im Bescheid vom 23. April 2021 – auf die eine Veräußerungsanordnung aufzubauen hat (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 31) – gegeben sind, wofür angesichts der ausweislich der Verwaltungsvorgänge die auch von Tierärzten dokumentierten Zustände der vom Antragsteller betriebenen Tierhaltung derzeit allerdings Vieles sprechen dürfte.
Auch besteht der erforderliche Anordnungsgrund. Der Antragsgegner ist laut der in den Gerichtsakten festgehaltenen fernmündlichen Auskunft einer seiner Mitarbeiterinnen vom 12. Mai 2021 angesichts der stetig auflaufenden Kosten für die Unterbringung der Tiere nicht gewillt, länger als bis Montag, den 17. Mai 2021, mit der Veräußerung der Tiere zuzuwarten. Bei Durchführung der sich bislang als rechtswidrig darstellenden Veräußerung droht dem Antragsteller, auch soweit er lediglich Halter und nicht Eigentümer der Tiere ist, ein endgültiger Rechtsverlust (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Oktober 2018 – OVG 5 S 13.18 –, Rn. 3, juris), der es erfordert, den Antragsgegner vorerst von einer Veräußerung abzuhalten.
Die einstweilige Anordnung ist allerdings zu befristen. Denn ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsgegner dem Antragsteller die erforderliche Veräußerungsanordnung, die zudem vollziehbar sein muss, bekanntgegeben hat, hat der Antragsteller die Möglichkeit, sich nunmehr gegen diese Anordnung in effektiver Weise rechtlich zur Wehr zu setzen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht orientiert sich zur Bemessung der Bedeutung der Sache für den Antragsteller an dem geschätzten Wert der von der beabsichtigten Veräußerung betroffenen Tiere. Es hat den hierfür im Gutachten des beamteten Tierarztes (Bl. 90 f. der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners) ausgewiesenen Betrag (4.100 Euro) mit Rücksicht auf die Vorläufigkeit der begehrten Anordnung auf die Hälfte ermäßigt.