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Infektionsschutzrecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 8. Kammer Entscheidungsdatum 07.05.2021
Aktenzeichen 8 L 172/21 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0507.8L172.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 30 Abs 1 S 2 IfSG, § 80 Abs 5 S 1 Alt 1 VwGO, § 28 IfSG, § 80 Abs 2 S 1 Nr 3 VwGO, § 28a IfSG

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des noch zu erhebenden Widerspruchs des Antragstellers gegen die Absonderungsanordnung des Antragsgegners vom 27. April 2021 wird angeordnet, soweit die Aufhebung der Absonderung nach Ablauf des 10. Mai 2021 in den Ziffern 4, 7 und 8 des Bescheides von der Vorlage eines negativen Testergebnisses abhängig gemacht wird. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu zwei Dritteln und der Antragsgegner zu einem Drittel.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seines noch zu erhebenden Widerspruchs gegen die Absonderungsanordnung des Antragsgegners vom 27. April 2021 anzuordnen,

ist im Hinblick auf die gemäß §§ 28 Abs. 1 und 3, 28a i. V. m. § 16 Abs. 8 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG –) i. d. F. des 4. Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 entfallende aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die angeordnete Absonderung des Antragstellers gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zwar hat der Antragsteller ersichtlich bislang noch nicht gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO formwirksam Widerspruch gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid erhoben. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist jedoch gemäß Satz 2 der Regelung bereits vor Erhebung eines Rechtsmittels in der Hauptsache zulässig (vgl. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 139), solange jedenfalls die Rechtsbehelfsfrist – was hier der Fall ist – noch nicht abgelaufen und der Bescheid folglich noch nicht bestandskräftig ist.

Der Antrag ist im tenorierten Umfang begründet (hierzu unter 2.). Hinsichtlich der Anordnung der Absonderung für den Zeitraum vom 27. April 2021 bis einschließlich 10. Mai 2021 ist der Antrag dagegen unbegründet (hierzu sogleich unter 1.).

1. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 1 VwGO kann das Gericht die durch entsprechende Regelungen in einem Bundes- oder Landesgesetz – wie hier in §§ 28 Abs. 1 und 3, 28a i. V. m. § 16 Abs. 8 IfSG – gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfallende aufschiebende Wirkung eines Widerspruches anordnen. Dabei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, in deren Rahmen es die Interessen der Beteiligten an der sofortigen Vollziehung der behördlichen Verfügung bzw. an der aufschiebenden Wirkung des dagegen erhobenen Rechtsbehelfes unter maßgebender Berücksichtigung der Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens gegeneinander abwägt, wobei in Fällen des – wie hier – gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges sowohl die Wertung des Gesetzgebers zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit als auch ein etwa geltend gemachtes besonderes Suspensivinteresse zu berücksichtigen sind.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilverfahrens davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der hier in Rede stehenden Absonderungsanordnung das Interesse des Antragstellers, einstweilen von der Durchsetzung der Anordnung verschont zu bleiben bzw. deren Vollzug aufzuheben, im Wesentlichen überwiegt. Die den Zeitraum vom 27. April 2021 bis 10. Mai 2021 umfassende Anordnung des Antragsgegners vom 27. April 2021 erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.

Ihre Rechtsgrundlage findet die Absonderungsanordnung in §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG.

Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Abs. 1 und in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann bei – in Abgrenzung zu den in Satz 1 der Regelung genannten – sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilverfahrens ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen Ansteckungsverdächtigten handelt. Ansteckungsverdächtiger ist nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 7 IfSG eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Die Aufnahme von Krankheitserregern in Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, wenn der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatte. Die Vermutung, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht; erforderlich und ausreichend ist, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil.

Für die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckungsgefahr gilt dabei allerdings kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Vielmehr ist der allgemeine polizeirechtliche Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, wobei insbesondere auch das Ansteckungsrisiko einer Krankheit und die Schwere des Krankheitsverlaufs in den Blick zu nehmen sind. Ob gemessen daran ein Ansteckungsverdacht im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG zu bejahen ist, beurteilt sich unter Berücksichtigung der Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und der verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen sowie anhand der Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition der betreffenden Person und über deren Empfänglichkeit für die Krankheit (vgl. zum Ganzen Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. März 2012 - 3 C 16/11 –, juris Rn. 31 f sowie bereits Beschluss der Kammer vom 18. Februar 2021 – VG 8 L 70/21 –, juris Rn. 12).

Im Hinblick auf die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit COVID-19 geht das Robert-Koch-Institut (im Folgenden: RKI) als nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 IfSG) für den Bereich SARS-CoV-2-Infektionen für enge Kontaktpersonen zu einem bestätigten COVID-19 Fall von einem höheren Infektionsrisiko aus (vgl. RKI, Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei SARS-CoV-2-Infektionen, Stand: 30.04.2021, Anhang 1: Risikobewertung enger Kontaktpersonen, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html). Als enge Kontaktpersonen werden vom RKI insbesondere auch Personen aus demselben Haushalt des bestätigten COVID-19-Falls eingestuft (vgl. RKI, Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei SARS-CoV-2-Infektionen, Stand: 30.04.2021, Nr. 3.1.1., a. a. O.).

Auf dieser Grundlage ist die Einordnung des Antragstellers als enge Kontaktperson nicht zu beanstanden, wobei es jedenfalls im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens keinen grundsätzlichen Bedenken begegnet, hierfür maßgeblich auf die Empfehlungen und Kriterien des RKI abzustellen.

Hier ist nach den Ermittlungen des Antragsgegners die Ehefrau des Antragstellers, mit der dieser im selben Haushalt lebt, nach Probennahme am 26. April 2021 am 27. April 2021 positiv auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 getestet worden. Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Übertragungswegen des Coronavirus (vgl. RKI, Coronavirus SARS-CoV-2 – Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 19.04.2021, Nr. 2. und 3, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html) konnte der Antragsgegner demnach in rechtlich nicht zu beanstandeter Weise annehmen, dass auch der Antragsteller Krankheitserreger aufgenommen hat.

Dass nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilverfahrens weder die Ehefrau des Antragstellers als sog. Index-Fall noch der Antragsteller selbst noch die gemeinsame Tochter Krankheitssymptome aufwiesen, steht dem nicht entgegen.

Infektionen mit SARS-CoV-2 präsentieren sich mit einem breiten, aber unspezifischen Symptomspektrum. Zu den im deutschen Meldesystem am häufigsten erfassten Symptomen zählen Husten, Fieber, Schnupfen, sowie Geruchs- und Geschmacksverlust, wobei der Krankheitsverlauf in Symptomatik und Schwere variiert und symptomlose Infektionen bis hin zu schweren Pneumonien mit Lungenversagen und Tod auftreten können. Daher stellt die virologische Diagnostik die tragende Säule im Rahmen der Erkennung der Infektion, des Meldewesens und der Steuerung von Maßnahmen dar (vgl. RKI, Coronavirus SARS-CoV-2 – Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 19.04.2021, Nr. 7. und 8., a.a.O.), weshalb allein das Nichtvorliegen von Krankheitssymptomen den Aussagewert eines positiven Testergebnisses nicht widerlegen kann.

Gleiches gilt, soweit der Antragsteller die Zuverlässigkeit der SARS-CoV-2-Virus-Diagnostik mittels des sog. PCR-Tests in Frage stellt. Diese gelten nach den Ausführungen des RKI vielmehr als „Goldstandard“ für die Diagnostik (vgl. RKI, Coronavirus SARS-CoV-2 – Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2, Stand: 12.03.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html). Die Kammer geht nach der fundierten und unter Bezugnahme auf den aktuellen Stand der Wissenschaft getroffenen Einschätzung des RKI davon aus, dass es sich bei einem PCR-Test um ein geeignetes Instrument handelt, das Vorliegen einer akuten SARS-CoV-2-Infektion zu ermitteln. Bei korrekter Durchführung der Tests und fachkundiger Beurteilung der Ergebnisse ist von einer sehr geringen Zahl falsch positiver Befunde auszugehen, denn aufgrund des Funktionsprinzips von PCR-Tests und hohen Qualitätsanforderungen liegt die analytische Spezifität bei korrekter Durchführung und Bewertung bei nahezu 100%. Die Herausgabe eines klinischen Befundes unterliegt einer fachkundigen Validierung und schließt im klinischen Setting Anamnese und Differentialdiagnosen ein. In der Regel werden nicht plausible Befunde in der Praxis durch Testwiederholung oder durch zusätzliche Testverfahren bestätigt bzw. verworfen (vgl. ausführlich Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 1 S 4180/20 –, juris Rn. 30 ff.; Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 30. Oktober 2020 – W 8 S 20.1625 –, juris Rn. 30).

Hiergegen spricht auch nicht, dass der am gleichen Tage wie bei ihrer Mutter durchgeführte PCR-Test der Tochter negativ war. Denn dass bei der Tochter zu diesem Zeitpunkt keine SARS-CoV-2-Infektion nachweisbar war, spricht für sich genommen nicht gegen das Vorliegen einer entsprechenden Erkrankung bei ihrer Mutter, die sich vielmehr unabhängig von ihrer Tochter mit dem Virus infiziert haben kann. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass nach gegenwärtiger vorläufiger Erkenntnislage Kinder eine geringere Empfänglichkeit für eine Infektion mit dem Corona-Virus aufweisen als Erwachsene, weniger infektiös scheinen und in der Mehrzahl asymptomatische oder milde Krankheitsverläufe zeigen (vgl. RKI, Coronavirus SARS-CoV-2 – Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 19.04.2021, Nr.16, a. a. O.). Daher überzeugt es schon im Ansatz nicht, wenn der Antragsteller aus dem negativen Testergebnis seiner Tochter auf eine Unrichtigkeit des Testergebnisses seiner Ehefrau schließen will, zumal mit gleicher Argumentation vom positiven Testergebnis der Mutter auch auf eine Unrichtigkeit des Testergebnisses der Tochter geschlossen werden könnte. Ohnehin schließt ein negatives PCR-Testergebnis die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht aus. Falsch negative Ergebnisse können z. B. aufgrund schlechter Qualität der Probennahme, unsachgemäßem Transport oder – bezogen auf den Krankheitsverlauf – ungünstigem Zeitpunkt der Probenentnahme nicht ausgeschlossen werden (vgl. RKI, Coronavirus SARS-CoV-2 – Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2, Stand: 12.03.2021, a. a. O.).

Dass die Familie sich im Hinblick auf die geplante Mutter-Kind-Kur von Ehefrau und Tochter ab dem 19. April 2021 in „Selbstisolation“ begeben haben will, schließt die Annahme einer Infektion schon im Hinblick darauf nicht aus, dass der Antragsteller gleichzeitig angibt, dass sie ihre Wohnung jedenfalls auch zum Einkaufen und für notwendige Arztbesuche verlassen haben. Insofern bestand die Möglichkeit einer Ansteckung.

Ebenso wenig vermag der Vortrag des Antragstellers, seine Ehefrau habe am Vormittag des 27. April 2021 zwei Antigen-Schnelltests mit negativem Ergebnis durchgeführt, seinem Antrag zum Erfolg verhelfen. Abgesehen davon, dass nach den Empfehlungen des RKI ein negatives Testergebnis jedweden Tests während der Quarantäne weder das Gesundheitsmonitoring aufhebt noch die Quarantäne ersetzt oder verkürzt (vgl. RKI, Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei SARS-CoV-2-Infektionen, Stand: 30.04.2021, Nr. 3.2.2., a. a. O.), sind derartige Schnell- und Selbsttests aufgrund ihrer geringeren Sensitivität und Spezifität nur unter bestimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Maßnahmen. Damit ein Antigen-Test ein positives Ergebnis anzeigt, ist im Vergleich zur PCR-Testung eine größere Virusmenge notwendig (niedrigere Sensitivität). Das bedeutet insbesondere, dass ein negatives Antigen-Testergebnis die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht ausschließt (vgl. RKI, Nationale Teststrategie – wer wird in Deutschland auf das Vorliegen einer SARS-CoV-2-Infektion getestet?, Stand: 01.04.2021, abrufbar unter https://rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Teststrategie/Nat-Teststrat.html).

Soweit der Antragsteller beanstandet, dass der Antragsgegner nicht ermittelt habe, ob er bereits geimpft oder von einer COVID-19-Erkrankung genesen sei, ohne freilich im Übrigen substantiiert darzulegen, dass es sich so verhält, verweist die Kammer darauf, dass der entsprechende Ermittlungsbogen vom 27. April 2021 den ausdrücklichen Vermerk enthält, dass der Antragsteller nicht geimpft sei. Auch der weitere Vortrag, der Antragsgegner habe davon ausgehen müssen, dass der Antragsteller aufgrund der Absonderung keinen Zugriff auf das Internet habe, da der Schriftwechsel nur per Fax erfolgt sei, so dass er nicht auf die dort verfügbaren Hinweise für Kontaktpersonen verwiesen werden könne, ist schon deshalb unbehelflich, weil der Antragsteller weder wirklich behauptet noch hinreichend glaubhaft macht, in seiner Häuslichkeit keinen Zugang zum Internet zu haben. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die unterbliebene Übersendung des RKI-Flyers „Hinweise für Kontaktpersonen“ überhaupt geeignet wäre, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Absonderungsanordnung hervorzurufen.

Schließlich ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner das ihm gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG insoweit eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat. Insbesondere ist kein gegenüber der häuslichen Absonderung milderes, gleich geeignetes Mittel ersichtlich, so dass die Auswahlentscheidung hinsichtlich der Art und Weise der Unterbringung einer rechtlichen Überprüfung standhält.

Dies gilt auch für die in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides angeordnete Dauer der Absonderung. Aufgrund des mit der Absonderungsanordnung verbundenen Grundrechtseingriffs ist diese in zeitlicher Hinsicht auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken. Die hier für den Zeitraum vom 27. April 2021 bis einschließlich 10. Mai 2021 angeordnete Absonderung des Antragstellers entspricht dem vom RKI empfohlenen Management von engen Kontaktpersonen, wonach sich diese unverzüglich für 14 Tage in häusliche Absonderung zu begeben haben, und zwar gerechnet ab dem letzten Tag des Kontaktes zum bestätigten COVID-19-Fall. Dieser Frist entspricht der von dem Antragsgegner hier bestimmte Zeitraum der Absonderung. Ebenso entspricht die angeordnete Testung am Ende der Quarantäne den Empfehlungen des RKI, um für den Fall, dass eine Infektion der Kontaktperson erst später nachweisbar ist, zeitnah die entsprechenden Maßnahmen ergreifen zu können (vgl. RKI, Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei SARS-CoV-2-Infektionen, Stand: 30.04.2021, Nr. 3.2.2., a. a. O.).

Spricht somit bei summarischer Prüfung Maßgebliches dafür, dass die Absonderungsanordnung des Antragsgegners rechtmäßig ist, überwiegt insoweit das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.

Im Übrigen würde selbst bei offenen Erfolgsaussichten des Rechtsstreits in der Hauptsache eine allgemeine Interessenabwägung zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung sowie der Sicherung des Gesundheitssystems gegenüber dem zeitlich begrenzten Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers auf Freiheit seiner Person gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes führen. Würde der Vollzug der streitgegenständlichen Anordnung vom 27. April 2021 an ausgesetzt, erwiese diese sich aber als rechtmäßig, so könnten - aufgrund der bekanntermaßen vorkommenden schweren Verläufe bis hin zu Todesfällen bei einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 - erhebliche und möglicherweise irreversible Gesundheitsschäden eintreten. Erweist sich der Bescheid in der Hauptsache hingegen als rechtswidrig, ist die Freiheit des Antragstellers zwar kurzfristig eingeschränkt, der Schutz der menschlichen Gesundheit ist jedenfalls im vorläufigen Rechtschutz aber als höherrangig einzustufen.

2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegt die Absonderungsanordnung des Antragsgegners vom 27. April 2021 jedoch, soweit die Aufhebung der Absonderung nach Ablauf des 10. Mai 2021 in den Ziffern 4, 7 und 8 des Bescheides von der Vorlage eines negativen Testergebnisses abhängig gemacht wird.

Die entsprechenden Verfügungen des Antragsgegners unterliegen im Hinblick auf die ausdrückliche Befristung der Absonderung in Ziffer 3 des Bescheides bereits Bedenken hinsichtlich der aus dem Bestimmtheitsgebot gemäß § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) i. V. m. § 1 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg resultierenden Anforderungen an einen Verwaltungsakt, der hiernach klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei sein muss. Mit der in Ziffer 3 erfolgten Festlegung der Dauer der Absonderung bis einschließlich 10. Mai 2021 hat der Antragsgegner einen bestimmten Zeitpunkt für die Beendigung der Rechtswirkungen seiner Anordnung festgesetzt, zu dem die nachfolgend formulierte Bedingung, dass die Aufhebung der Absonderung eines negativen Antigentests bedürfe, im offensichtlichen Widerspruch steht.

Darüber hinaus erweist sich die Regelung als ermessensfehlerhaft. Soweit der Antragsgegner zur Begründung dieser Anordnung nämlich auf die Empfehlung des RKI zu den Entlassungskriterien aus der Isolierung bei COVID-19 verweist und ausführt, dass hiernach eine Entlassung aus der Absonderung erst mit Vorliegen eines negativen Testergebnisses möglich sei, geht er ersichtlich von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Denn die entsprechenden Empfehlungen des RKI, die auf der inzwischen vorherrschenden Verbreitung der eine erhöhte Ansteckungsfähigkeit aufweisenden Virusvariante B.1.1.7 beruhen, betreffen zwar alle SARS-CoV-2-Infizierten unabhängig vom individuellen Verdacht bzw. dem Nachweis einer entsprechenden Virusvarianten (VOC) und unabhängig von der Schwere der Erkrankung, der Hospitalisierung und dem Alter (vgl. RKI, COVID-19: Entlassungskriterien aus der Isolierung, Stand 31.03.2021, abrufbar unter https://rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Entlassungsmanagement.html) und können somit etwa für die angeordnete Quarantäne der Ehefrau des Antragstellers von Relevanz sein. Der Antragsteller aber ist nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilverfahrens selbst nicht mit dem Corona-Virus infiziert; insoweit geht weder aus der streitgegenständlichen Verfügung noch dem Vorbringen des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren und dem übersandten Verwaltungsvorgang hervor, dass der Antragsteller selbst positiv getestet worden sei oder zumindest Krankheitssymptome gezeigt habe. Vielmehr ist er – wie bereits dargelegt – lediglich als enge Kontaktperson abgesondert worden. Für diese empfiehlt das RKI zwar auch eine Testung am letzten Tag der ausdrücklich befristet auf 14 Tage empfohlenen Quarantäne, die aber nicht als Entlassungskriterium formuliert ist, also ersichtlich keine Voraussetzung für eine sog. Entisolierung bilden soll. Vielmehr kann ein dabei ermitteltes positives Testergebnis – nach Bestätigung durch einen anschließenden PCR-Test – eine eigenständig neue Isolierung des Antragstellers nunmehr als bestätigter COVID-19-Fall, also eine erneute – und erneut gerichtlich überprüfbare – Absonderungsanordnung aufgrund einer neuen Sachlage nach sich ziehen, nicht aber eine – zumal ausweislich des Bescheides vom 27. April 2021 dann ersichtlich nicht mit hinreichender Bestimmtheit befristete – (automatische) Verlängerung der bisherigen Absonderung als enger Kontaktperson. Dass im vorliegenden Einzelfall etwas Anderes gelten muss, hat der Antragsgegner nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Insoweit überwiegt damit das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Höchst vorsorglich weist die Kammer aber darauf hin, dass die sofortige Vollziehung der in den Ziffern 4, 7 und 8 getroffenen Festlegungen aufgrund dieses Beschusses erst entfällt, wenn der Antragsteller (form)wirksam Widerspruch hiergegen erhoben hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO

Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes, wobei die Kammer im Hinblick darauf, dass sich Absonderungsanordnungen regelmäßig kurzfristig erledigen und das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes damit die Hauptsache bereits vorwegnimmt, von einer Halbierung des sich danach ergebenden Betrages absieht.