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Entscheidung 9 UF 8/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 29.04.2021
Aktenzeichen 9 UF 8/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0429.9UF8.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 30.12.2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 16.12.2020 (Aktz. 36 F 229/20) unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde der Antragstellerin aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Oranienburg, das auch über die Kosten der Beschwerde zu entscheiden hat, zurückverwiesen.

2. Der Beschwerdewert beträgt 36.250 €.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Antrag des Antragsgegners vom 16.04.2021 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten haben am …2016 die Ehe geschlossen. Unstreitig ist der Antragsgegner am 01.04.2020 aus der vormals ehelichen Wohnung ausgezogen.

Die Antragstellerin begehrt mit ihrem am 18.09.2020 zugestellten Antrag die Ehescheidung. Sie hat behauptet, bereits Mitte 2018 habe man getrennt voneinander innerhalb der Ehewohnung gelebt und gewirtschaftet.

Der Antragsgegner hat behauptet, zu einem Trennungsgespräch sei es erst am 02.02.2020 gekommen; erst zu diesem Zeitpunkt habe er das Ehebett geräumt, zuvor habe man noch gemeinsame Erledigungen unternommen.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am 16.12.2020 hat das Amtsgericht durch Beschluss vom selben Tage den Scheidungsantrag im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin den Ablauf des Trennungsjahres nicht nachgewiesen habe und Gründe für das Vorliegen eines Härtefalls gemäß § 1565 Abs. 2 BGB nicht gegeben sein, zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Insoweit hat sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Insbesondere bekräftigte die Antragsgegnerin dabei nach wie vor ihren Willen zur endgültigen Trennung vom Antragsgegner.

Der Senat mit Verfügungen vom 04.03.2021 und (nach Übertragung der Sache auf den Einzelrichter) vom 08.03.2021 auf den Ablauf des Trennungsjahres und die Vorschrift des § 146 FamFG unter Ankündigung der schriftlichen Entscheidung hingewiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

in Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Ehe der Beteiligten zu scheiden.

Der Antragsgegner beantragt

die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung dahin, dass im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung die Scheidungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten.

II.

Der angefochtene Beschluss ist gem. § 146 Abs. 1 S. 1 FamFG aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, damit dort eine Entscheidung auch über die von Amts wegen zu betreibende Folgesache über den Versorgungsausgleich und die weitere Folgesache nachehelicher Unterhalt ergehen kann. Die Vorschrift des § 146 Abs. 1 FamFG betrifft dabei insbesondere den Fall, dass in der Beschwerdeinstanz die Voraussetzungen der Ehescheidung (insbesondere wegen des zwischenzeitlichen Ablaufes des Trennungsjahres) festgestellt werden (vgl. BGH NJW 1997, 1007).

1.

Die Voraussetzungen für die Ehescheidung sind jedenfalls jetzt (in der Beschwerdeinstanz) gegeben.

a.

Gemäß § 1565 Abs. 1 S. 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen, § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB. Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde, § 1565 Abs. 2 BGB.

Danach sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Ehescheidung gegeben. Die Ehe ist gescheitert. Die Lebensgemeinschaft der Ehegatten besteht nicht mehr und es kann nicht erwartet werden, dass die Ehegatten sie wieder herstellen.

b.

Die Antragstellerin hat im vorliegenden Verfahren durchgängig erklärt, dass sie die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder herstellen wolle und den Wunsch geäußert, dass die Ehe geschieden werde. Damit ist das Scheitern der Ehe schon im Hinblick auf die Ablehnung der Antragstellerin, sie fortzusetzen, anzunehmen. Darauf, dass der Antragsgegner sich gegen die Scheidung (wohl) nicht (mehr) wendet, kommt es dafür nicht an.

c.

Das Trennungsjahr ist jedenfalls jetzt in der zweiten Instanz abgelaufen. Wie der Senat bereits per Verfügung ausgeführt hat, ist spätestens (und insoweit auch unstreitig) mit dem Auszug des Antragsgegners zum 01.04.2020 die Trennung der Beteiligten erfolgt.

2.

Wird eine Entscheidung aufgehoben, durch die der Scheidungsantrag zurückgewiesen wurde, soll das Rechtsmittelgericht die Sache an das Gericht zurückverweisen, das die Abweisung ausgesprochen hat, wenn dort eine Folgesache zur Entscheidung ansteht, § 146 Abs. 1 Satz 1 FamFG. So liegt es hier. Über den Versorgungsausgleich als Zwangsverbundsache ist gemäß § 137 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, S. 2 FamFG von Amts wegen zu entscheiden; schon deshalb hat die Aufhebung und Zurückverweisung zu erfolgen (st. Rspr. des Brandenburgischen OLG, vgl. zuletzt Senat v. 21.02.2021 - 9 UF 198/20; ferner Senat FamRZ 2013, 317; Brandenburgisches OLG [2. FamS] FamRZ 2016, 484; allg. Ansicht, vgl. nur OLG Frankfurt v. 12.06.2020 – 8 UF 278/19; OLG Hamm FamRZ 2014, 208). Hinzu tritt die vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 30.11.2020 eingeleitete Folgesache nachehelicher Unterhalt, die ebenfalls die Rechtswirkungen des § 146 Abs. 1 FamFG auslöst.

An dieser Stelle kann deshalb dahinstehen, ob die Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz einen früheren Trennungszeitpunkt hinreichend substantiiert hat bzw. ob dass das Amtsgericht im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung eine richtige Entscheidung getroffen hat, weil § 146 FamFG hiervon unabhängig die grundsätzliche Aufhebung und Zurückverweisung der Scheidungssache bei Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen innerhalb der Beschwerdeinstanz vorsieht. Dies übersieht die Antragstellerin, soweit sie in der Beschwerde eine Sachentscheidung des Senats über die Scheidung begehrt, weshalb ihre darauf gerichtete Beschwerde zurückzuweisen war. Denn ungeachtet des Vorliegens der Scheidungsvoraussetzungen kann die Scheidung durch den Senat noch nicht ausgesprochen werden. Vielmehr ist das Verfahren im Hinblick auf die noch offenen Folgesachen über den Versorgungsausgleich an das Amtsgericht zwingend zurückzuverweisen. Das gesamte zugehörige Vorbringen der Antragstellerin geht an der Rechtslage vorbei. Zwar kann im Einverständnis der Parteien sehr ausnahmsweise von einer Zurückverweisung abgesehen werden, wenn die Folgesachen auch vorm Beschwerdegericht zum Abschluss gebracht werden können (vgl. nur OLG Hamm FamRZ 2014, 208), das ist aber hier weder übereinstimmend beantragt noch möglich. Zum einen fehlen hier noch Auskünfte zur Durchführung des Versorgungsausgleichs, zum anderen sind auch noch die Grundlagen für die künftige eventuelle Zahlung von Ehegattenunterhalt zu klären.

3.

Die Zurückverweisung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Oranienburg - wie durch die Antragstellerin möglicherweise im Schriftsatz vom 04.03.2021 begehrt - scheidet aus. Eine solche Kompetenz weist die auf in der Beschwerdeinstanz eingetretene neuen Tatsachen fußende Vorschrift des § 146 Abs. 1 S. 1 FamFG dem Beschwerdegericht nicht zu; solches wird auch (soweit erkennbar) nirgendwo vertreten, auch nicht zu § 538 Abs. 2 ZPO, für welchen § 146 FamFG lex specialis ist.

Letztendlich kommt es darauf nicht an, da auch in der Sache offenkundig keine Gründe für die Beauftragung eines anderen Richters bestehen. Die Verneinung des Ablaufes des Trennungsjahres in 1. Instanz war angesichts des Inhalts der persönlichen Anhörung der Beteiligten sowie insbesondere des Umstandes stattgefundener gemeinsamer Urlaube noch in 2019 mindestens gut vertretbar. Die Erörterung der Härtefallscheidung (die eben nicht den Ablauf des Trennungsjahres voraussetzt, § 1565 Abs. 2 BGB) war damit zwingend, das zugehörige Vorbringen der Antragstellerin (die in diesem Kontext - anders ist das Vorbringen im Schriftsatz v. 16.04.2021 nicht zu verstehen - dem Richter [und der Gegenseite] Amtsmissbrauch, Rechtsbeugung, Betrug/Prozessbetrug vorwirft) ist derart abwegig, dass darauf nicht weiter eingegangen werden muss.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens erfolgt nach Aufhebung und Zurückverweisung regelmäßig durch das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird (vgl. nur Senat FamRZ 2013, 317; ferner OLG Frankfurt v. 12.06.2020 – 8 UF 278/19; OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 298; Lorenz in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 146 FamFG Rn. 1), so auch hier.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf den §§ 40, 43, 50, 51 FamGKG. Soweit Bedenken durch die Antragstellerin an der Festsetzung des Wertes für die Folgesache nachehelicher Unterhalt vorgebracht wurden, entspricht der bereits vom Amtsgericht festgelegte Wert korrekterweise der Bezifferung des Leistungsantrags (1.750 €/monatlich) als Jahreswert.

Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

Von einer mündlichen Verhandlung bzw. persönlichen Anhörung der Beteiligten war - wie mit Senatsverfügung vom 08.03.2021 angekündigt - gem. § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG abzusehen, weil diese bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. BGH FamRZ 2017, 478).

IV.

Der Antrag des Antragsgegners vom 16.04.2021 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil der Antragsgegner seine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen hat. Angesichts seines Vortrags zur Folgesache Ehegattenunterhalt steht ihm erkennbar ein Verfahrenskostenvorschussanspruch gegen die Antragstellerin (§ 1360a Abs. 4 S. 1 BGB) zu, der angesichts dessen, dass er offenbar bereits eine einstweilige Anordnung über Trennungsunterhalt erstritten hat, auch in zumutbarer Weise durchsetzbar wäre.