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Entscheidung 13 WF 32/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 05.05.2021
Aktenzeichen 13 WF 32/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0505.13WF32.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Den Antragsgegnern wird gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt.

2. Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der die Kostenaufhebung zwischen den Beteiligten anordnende Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 20. Januar 2021 wie folgt abgeändert:

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Beschwerde des Jugendamtes gegen den die Kostenaufhebung zwischen den Beteiligten anordnenden Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 20. Januar 2021 wird verworfen.

4. Gerichtliche Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

5. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf die Wertstufe bis 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit ihren Beschwerden wenden sich das Jugendamt und die Pflegeeltern des betroffenen Kindes (Antragsgegner) gegen die Anordnung der Kostenaufhebung zwischen den Beteiligten, nachdem der Kindesvater nach Einholung eines Sachverständigengutachtens seinen Antrag auf Rückführung des Kindes im Erörterungstermin zurückgenommen hat.

Das Amtsgericht hat den Beschluss über die Kostenaufhebung im Termin erlassen und verkündet. Es hat ihn weder begründet noch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Der Sitzungsvermerk vom 20. Januar 2021 (Bl. 292 ff.) mit der darin enthaltenen Formel des angefochtenen Beschlusses (Bl. 293) ist den Antragsgegnern jeweils am 2. Februar 2021 zugestellt worden (Bl. 300R, 301R), dem Jugendamt am 9. März 2021 (Bl. 302). Mit am 18. Februar 2021 zur Akte gelangtem Schriftsatz (Bl. 303) hat das Jugendamt sich gegen die angeordnete Kostenpflicht der Pflegeeltern gewandt, die als solche im Auftrag des Jugendamtes handelten, für anfallende anwaltliche oder gerichtliche Kosten allerdings keine Unterstützung vom Jugendamt erhielten. Am 22. Februar 2021 hat das Amtsgericht seinen Beschluss um die fehlende Rechtsmittelbelehrung ergänzt, die auf die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde hinweist, die innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen sei. Dieser Beschluss ist den Antragsgegnern jeweils am 24. Februar 2021 zugestellt worden (Bl. 309R, 310R). Mit am 3. März eingegangenem Rechtsmittel haben sich die Antragsgegner gegen die Kostenentscheidung gewandt.

II.

1. Die Beschwerde der Antragsgegner zu 1. und 2. gegen den Beschluss ist statthaft, §§ 58 ff. FamFG.

2. a) Die Antragsgegner haben die Frist zur Einlegung der Beschwerde versäumt.

Die Kostenentscheidung ist mit der Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG anfechtbar. Die Beschwerde ist gemäß § 63 Abs. 1 FamFG innerhalb eines Monats beim erstinstanzlichen Gericht (§ 64 Abs. 1) einzulegen (BeckOK FamFG/Weber, 38. Ed. 1.4.2021, FamFG § 81 Rn. 41). Nach Zustellung der angefochtenen Beschwerde am 2. Februar 2021 lief die Beschwerdefrist mit dem 2. März 2021 ab. Das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung und später ihre Fehlerhaftigkeit, hinderten den durch die Bekanntgabe (§ 15 FamFG) in Gang gesetzten Lauf der Rechtsmittelfrist nicht (vgl. BGH NJW-RR 2016, 623; BGH NJW 2012, 2445 Rn. 5; 2012, 453 Rn. 5; BGH NJW-RR 2010, 291; BeckOK FamFG/Burschel, 38. Ed., FamFG § 17 Rn. 23; BeckOK FamFG/Obermann, a. a. O., § 39 FamFG Rn. 26; Prütting/Helms/Ahn-Roth Rn. 28).

Die Antragsgegner haben ihre Beschwerde am 3. März 2021 und damit nach Fristablauf zur Akte gereicht.

b) Den Antragsgegnern ist gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zu gewähren, weil sie die Frist unverschuldet versäumt haben.

Eines ausdrücklichen auf Wiedereinsetzung gerichteten Antrags bedurfte es im vorliegenden Fall nicht. Dieser ist entbehrlich, wenn die versäumte Handlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt worden ist und sämtliche den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Tatsachen aktenkundig oder offenkundig sind (Abs. 3 S. 3). Wiedereinsetzung ist dann von Amts wegen zu bewilligen. Die Nachholung der versäumten Handlung begründet die Vermutung, dass die Wiedereinsetzung dem Willen des Beteiligten entspricht (vgl. BeckOK FamFG/Burschel, 38. Ed., § 18 FamFG Rn. 17).

So liegt der Fall hier. Das Hindernis, das die Antragsgegner an der Einlegung eines Rechtsmittels gehindert hat, bestand im Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung. Es entfiel mit Zustellung des Beschlusses vom 22. Februar 2021, der die Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, am 24. Februar 2021. Zugleich setzte die Zustellung dieses Beschlusses die zweiwöchige, mit dem 7. März 2021 endende Wiedereinsetzungsfrist des § 18 Abs. 1 S. 1 FamFG in Gang. Am 3. März 2021, und damit rechtzeitig, haben die Antragsgegner die Beschwerdeeinlegung nachgeholt und damit zugleich ihren auch auf Wiedereinsetzung gerichteten Willen zum Ausdruck gebracht.

c) Die Antragsgegner waren ohne ihr Verschulden gehindert, die Frist einzuhalten. Wird die Rechtsmittelfrist versäumt, so wird in den Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 17 Abs. 2 FamFG unwiderlegbar vermutet, dass der Belehrungsmangel ein unverschuldetes Hindernis für die rechtzeitige Einlegung darstellt. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/6308, 183) nimmt ausdrücklich Bezug auf die Entscheidung BGHZ 150, 390 (= NJW 2002, 2171). Ebendort hat der BGH entschieden, dass bei einem Belehrungsmangel das fehlende Verschulden unwiderlegbar zu vermuten ist (BeckOK FamFG/Burschel, a. a. O., § 17 FamFG Rn. 23). Auch an der Kausalität des Belehrungsmangels für die Fristversäumung bestehen hier keine Zweifel. Die Antragsgegner sind anwaltlich nicht vertreten. Dass sie wegen vorhandener Rechtskenntnisse keiner Unterstützung durch eine Rechtsbehelfsbelehrung bedürften, liegt fern.

d) Die Beschwerde ist im Übrigen zulässig.

3. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Entscheidung des Amtsgerichts kann keinen Bestand haben. Es stellt bereits einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar, dass das Amtsgericht unter Außerachtlassung des § 38 Abs. 3 FamFG seine Entscheidung und damit auch eine etwaige Ermessensausübung nicht begründet hat. Denn ein mit Rechtsmitteln angreifbarer Beschluss muss jedenfalls soweit mit einer Begründung versehen sein, dass die Beteiligten über die die Entscheidung tragenden Gründe in einer Weise unterrichtet werden, die es ihnen ermöglicht, die maßgebenden Erwägungen zu verstehen und nachzuvollziehen. Dies gilt umso mehr, wenn die angefochtene Kostenentscheidung - wie vorliegend - richterlichem Ermessen Raum gibt (vgl. OLG Saarbrücken, BeckRS 2012, 18332).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Antragsteller hat das vorliegende Verfahren zur Prüfung der Rückführung seines Kindes angestrengt. Hinweise darauf, dass die beschwerdeführenden Pflegeeltern irgendeinen tatsächlichen Anlass zu dem Verfahren gegeben haben könnten, ergeben sich weder aus der Antragsschrift, noch aus dem weiteren Vorbringen des Antragstellers oder dem sonstigen Inhalt der Verfahrensakte. Insbesondere sind über die bloße – nicht mit einer konkreten Begründung versehene – Behauptung des Vaters im Beschwerdeverfahren hinaus, dass, „Jugendamt und Pflegeeltern immer mehr versucht“ hätten, „den Kindesvater aus seiner natürlichen Vaterrolle heraus zu drängen“, keine Anhaltspunkte für ein konkretes vorwerfbares Verhalten der Pflegeeltern erkennbar, die hätten Anlass zu dem Verfahren bieten können.

Der Antrag des Antragstellers war schließlich auch in vollem Umfang erfolglos. Deshalb entspricht es nicht billigem Ermessen, die Antragsgegner mit Kosten des Verfahrens zu belasten.

III.

Die Beschwerde des Jugendamtes ist als unzulässig zu verwerfen. Dem Jugendamt steht gegen den angefochtenen Beschluss kein Beschwerderecht zu.

Ein Beschwerderecht ergibt sich nicht aus § 59 Abs. 1 FamFG, denn das Jugendamt, das erstinstanzlich nicht gemäß § 162 Abs. 2 FamFG zu beteiligten war, ist von der Kostenentscheidung nicht betroffen.

Auch aus §§ 59 Abs. 3 S. 2 i. V. m. 162 Abs. 3 S. 2 FamFG, wonach dem Jugendamt in Verfahren, in denen es zu beteiligen ist, gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung im Sinne von § 38 Abs. 1 FamFG (vgl. BeckOK FamFG/Schlünder, 38. Ed., § 162 FamFG Rn. 17) die Beschwerde zusteht, ergibt sich vorliegend nichts anderes. Diese Vorschrift sieht ein Anfechtungsrecht für das Jugendamt nur gegen eine den Verfahrensgegenstand erledigende Endentscheidung vor. Sie ist unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertungen restriktiv auszulegen, weil unterhalb der Kindeswohlgefährdungsschwelle öffentliche Interessen einen Eingriff in das Elternrecht nicht rechtfertigen können. Dies bedeutet, dass das Jugendamt als mitwirkende Fachbehörde nur dann nach Abs. 3 S. 2 (als Fallgruppe des § 59 Abs. 3) beschwerdeberechtigt ist, wenn die Entscheidung des Gerichts das Kindeswohl berührt (vgl. MüKoFamFG/Schumann, 3. Aufl., § 162 FamFG Rn. 23). Der hier in Rede stehende Beschluss behandelt nach Erledigung des Verfahrensgegenstandes durch Antragsrücknahme indes nicht die Person des Kindes, sondern nur die Kosten des Verfahrens und berührt damit nicht das Kindeswohl.

IV.

Die das Beschwerdeverfahren betreffende Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG, § 20 FamGKG.

Die Entscheidung zum Verfahrenswert beruht auf §§ 55 Abs. 2, 40 FamGKG. Sie ermittelt sich aus der Höhe der Kosten, von denen die Antragsgegner befreit werden wollen.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 Abs. 2 FamFG.