Gericht | VG Frankfurt (Oder) 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 17.05.2021 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 7 L 142/21 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2021:0517.7L142.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 Abs 1 VwGO, § 42 Abs 2 VwGO, § 7 Abs 4 S 1 Nr 1 WoEigG |
Die Vorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WEG zur Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung durch die Baubehörde vermittelt den Grundstücksnachbarn keine subjektiven öffentlich-rechtlichen Rechte; Zweck der Bescheinigung ist es, dem Grundbuchamt die Prüfung bautechnischer Fragen zu erleichtern. Ein auf die (vorläufige) Kraftloserklärung der Abgeschlossenheitsbescheinigung gerichteter einstweiliger Rechtsschutzantrag des Nachbarn ist mangels Antragsbefugnis unzulässig.
1. Die Anträge werden abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragsteller zu 1. und 2. in ihrem Verhältnis als Gesamtschuldner einerseits und der Antragsteller zu 3. andererseits je zur Hälfte.
2. Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Die sinngemäßen Anträge,
a) die der Beigeladenen von dem Antragsgegner erteilte Abgeschlossenheitsbescheinigung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG für kraftlos zu erklären,
hilfsweise den Antragsgegner zu verpflichten, die bezeichnete Bescheinigung für kraftlos zu erklären,
b) den Antragsgegner zu verpflichten, die von der Beigeladenen mittels der bezeichneten Bescheinigung vorgenommenen Grundbuchveränderungen rückgängig zu machen,
c) den Antragsgegner zu verpflichten, etwaige aufgrund der bezeichneten Bescheinigung beantragte, im Verfahren befindliche grundbuchliche Veränderungen sofort anzuhalten,
sind allesamt unzulässig.
Die Kammer legt die Anträge dahin aus, dass sie auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 und 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerichtet sind, weil es sich bei den angegriffenen Abgeschlossenheitsbescheinigungen mangels verbindlicher Regelung nicht um einen Verwaltungsakt, sondern lediglich um eine Wissenserklärung handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1995 - 8 C 37/93 -, BVerwGE 100, 83, Ziff. 11, juris Rn. 16) und damit ein Eilrechtsschutz nach §§ 80, 80a VwGO ausscheidet. Weiter versteht die Kammer die hinsichtlich der angegriffenen Vorhaben nicht konkretisierten Anträge mangels gegenteiliger Anhaltspunkte dahin, dass sie sich auf die vom Antragsgegner der Beigeladenen (bislang) erteilten Abgeschlossenheitsbescheinigungen für die sog. Häuser A und B auf dem (ehemaligen) F... der Flur 118 der Gemarkung F... beziehen, gegen die die Antragsteller Widerspruch erhoben haben.
1. Bezüglich des Antrags zu a) – einschließlich des Hilfsantrags – kann offenbleiben, ob dieser bereits wegen des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig ist. Denn jedenfalls folgt die Unzulässigkeit dieses Antrags daraus, dass den Antragstellern die insofern in (doppelter) analoger Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis fehlt (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl., § 123 Rn. 18 und § 42 Rn. 62 m. w. N.), weil sie als Nachbarn durch die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigungen an die Beigeladene auch nicht möglicherweise in eigenen öffentlich-rechtlichen Rechten verletzt werden und damit ein ihnen zustehender Anordnungsanspruch ausgeschlossen werden kann.
Rechtsgrundlage der Abgeschlossenheitsbescheinigungen ist § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Diese Vorschrift ist nicht nachbarschützend. Vielmehr sieht diese Norm die Abgeschlossenheitsbestätigung als eine formelle Voraussetzung im Rahmen des Grundbuchverfahrens bei der Bildung von Wohn- oder Teileigentum im Sinne von § 1 WEG vor. Die Bescheinigung dient dabei der Bestätigung, dass die zu bildenden Wohn- oder Teileigentumseinheiten den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 WEG genügen, also in sich abgeschlossen sind. Zweck der Abgeschlossenheitsbescheinigung ist es, dem Grundbuchamt die Prüfung bautechnischer Fragen zu erleichtern (vgl. BeckOGK/Monreal, WEG § 7 Rn. 61 f.; BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1995, a.a.O.). Weder sind öffentlich-rechtliche nachbarliche Belange in diesem Zusammenhang zu prüfen, noch werden diese durch den rein eigentumsrechtlichen Vorgang berührt.
Soweit die Antragsteller diesbezüglich auf ihre Rechte auf Eigentums- und Nachbarschutz verweisen, die sie in ihren bei der Kammer anhängigen Klagen gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen vorgetragen haben, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Die Abgeschlossenheitsbescheinigung steht rechtlich nicht in einem irgendwie gearteten Abhängigkeitsverhältnis zu einer für das Vorhaben erteilten Baugenehmigung. Vielmehr wird der Prüfungsumfang der Baubehörde bei der Erteilung der Bescheinigung allein vom sachenrechtlichen Bedarf der Eigentumsabgrenzung bestimmt und weist keine Bezüge zum Bauordnungsrecht (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 30. Juni 1992 - GmS-OGB 1/91 -, BGHZ 119, 42, zit. n. juris Rn. 8 ff.) oder Bauplanungsrecht auf (vgl. Heinemann in Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB, 4. Aufl. 2016, WEG § 7 Rn. 11).
Der weitere Einwand der Antragsteller, solange der Beigeladenen keine bestandskräftigen Baugenehmigungen zur Verfügung stünden, dürften nicht darauf gegründete vollendete Tatsachen geschaffen werden, lässt ein ihnen gegen die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung möglicherweise zustehendes öffentlich-rechtliches Abwehrrecht ebenfalls nicht erkennen. Vielmehr beziehen sich die Antragsteller mit diesem Vortrag lediglich auf eine (mögliche) Verletzung eigener Rechtspositionen durch die von ihnen angefochtenen Baugenehmigungen. Die Frage, ob die sofortige Vollziehbarkeit der Baugenehmigungen von den Antragstellern trotz der befürchteten Rechtsverletzungen hinzunehmen ist, wurde insofern bereits in den von den Antragstellern angestrengten gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung durch die Beschlüsse der Kammer vom 30. März 2020 (zu den Verfahren VG 7 L 245/19 und VG 7 L 483/19), im Beschwerdeverfahren jeweils bestätigt durch die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg bejaht.
2. Aus den vorgenannten Gründen erweisen sich auch die Anträge zu b) und c) mangels der analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Antragsbefugnis als unzulässig, ohne dass der Frage nachzugehen ist, ob und auf welcher Rechtsgrundlage der Antragsgegner überhaupt die Rückgängigmachung bzw. das Anhalten von Veränderungen im Grundbuch verfügen kann, wie dies der Antrag voraussetzt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.
4. Die Höhe des festgesetzten Streitwerts ergibt sich aus der Bedeutung der Sache für die Antragsteller, §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Diesen setzt die Kammer in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und den dort aufgeführten Rahmen in der Hauptsache für die Antragsteller zu 1. und 2. einerseits und den Antragsteller zu 3. andererseits jeweils mit 7.500,00 Euro an (vgl. www.bverwg.de/rechtsprechung/streitwertkatalog.php; dort Nr. 9.7.1). Denn maßgebend ist die Bedeutung der Sache für die Antragsteller, die die Nutzung ihrer Grundstücke zu Wohnzwecken durch Abwehr des Vorhabens der Beigeladenen vor Beeinträchtigungen schützen wollen. Die für ein Hauptsacheverfahren maßgebliche Summe von 15.000 Euro wird für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zur Hälfte angesetzt.