Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung
Aufgrund von Wartungsarbeiten konnten seit Januar 2024 keine neuen Entscheidungen veröffentlicht werden. Alle Entscheidungen mit Stand vom 31. Dezember 2023 sind jedoch abrufbar. Zurzeit werden die noch ausstehenden Entscheidungen nachgepflegt.

Entscheidung 9 UF 167/20


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 28.01.2021
Aktenzeichen 9 UF 167/20 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0128.9UF167.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I.

Auf die Beschwerden der Antragstellerinnen vom 26. August 2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 17. Juli 2020 (5 F 707/19) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.

Der Antragsgegner wird verpflichtet an die Antragstellerin zu 1. zu Händen der Kindesmutter eine dynamisierte und zum 1. eines jeden Monats im Voraus fällige Unterhaltsrente ab dem 01. November 2020 i.H.v. 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe nach § 1612a BGB abzüglich der Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes für ein erstes Kind zu zahlen.

2.

Der Antragsgegner wird verpflichtet an die Antragstellerin zu 2. zu Händen der Kindesmutter eine dynamisierte und zum 1. eines jeden Monats im Voraus fällige Unterhaltsrente ab dem 01. November 2020 i.H.v. 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe nach § 1612a BGB abzüglich der Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes für ein zweites Kind zu zahlen.

3.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, aufgrund für den Zeitraum vom 01. Juni 2020 bis einschließlich 31. Oktober 2020 übergegangener Unterhaltsansprüche der Antragstellerin zu 1. an das Land Brandenburg (Unterhaltsvorschusskasse des Jugendamtes des Landkreises D...) 805 € zu zahlen.

4.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, aufgrund für den Zeitraum vom 01. Juni 2020 bis einschließlich 31. Oktober 2020 übergegangener Unterhaltsansprüche der Antragstellerin zu 1. an das Land Brandenburg (Jobcenter des Landkreises D...) 613,85 € zu zahlen.

5.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, aufgrund für den Zeitraum vom 01. Juni 2020 bis einschließlich 31. Oktober 2020 übergegangener Unterhaltsansprüche der Antragstellerin zu 2. an das Land Brandenburg (Unterhaltsvorschusskasse des Jugendamtes Landkreises D...) 855 € zu zahlen.

6.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, aufgrund für den Zeitraum vom 01. Juni 2020 bis einschließlich 31. Oktober 2020 übergegangener Unterhaltsansprüche der Antragstellerin zu 2. an das Land Brandenburg (Jobcenter des Landkreises D…) 613,85 € zu zahlen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt der Antragsgegner.

III.

Der Beschwerdewert beträgt bis zu 2.000 €.

IV.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

V.

Den Antragstellerinnen zu 1. und 2. wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt P... in K… bewilligt.

VI.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K... in E… bewilligt, soweit er sich gegen die Zahlung von Unterhalt für die Zeit von Juni 2020 bis einschließlich Oktober 2020 verteidigt. Der weitergehende Antrag des Antragsgegners vom 06. Oktober 2020 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um den Mindestunterhalt.

Die minderjährigen Antragstellerinnen sind aus der vormaligen Beziehung ihrer Mutter mit dem Antragsgegner hervorgegangen. Die Kindeseltern sind seit Langem getrennt, die Antragstellerinnen leben im Haushalt ihrer Mutter, der Antragsgegner hat regelmäßigen Umgang.

Mit Schreiben vom 17. September 2019 forderten die Antragstellerinnen den Antragsgegner zur Zahlung des Mindestunterhaltes auf. Der Antragsgegner hat daraufhin zunächst der Antragstellerin zu 1. monatlich 59 € und der Antragstellerin zu 2. monatlich 49 € an Unterhalt gezahlt. Die Antragstellerinnen haben darüber hinaus Leistungen nach dem UVG (Unterhaltsvorschuss) sowie nach dem SGB II (insb. Sozialgeld) im Rahmen einer mit ihrer Mutter gebildeten Bedarfs-/Haushaltsgemeinschaft bezogen.

Der Antragsgegner ist ausgebildeter Bürokaufmann und besitzt daneben die Befähigung für den Verkauf von Versicherungen. Nachdem er langjährig eine eigene Versicherungsagentur betrieben hat, ist er insoweit in die private Insolvenz gegangen (AG Cottbus, Az. 64 IK 413/14). Nachfolgend hat er eine Ausbildung im Dentalhandel wahrgenommen und eine entsprechende Tätigkeit nachfolgend aufgenommen. Um den genauen Umfang seiner Tätigkeit bzw. seine Stellung im Betrieb des Arbeitgebers (die A... GmbH in B...) streiten die Beteiligten. Jedenfalls hat der Antragsgegner insoweit bei einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden maximal rund 1.260 € monatsdurchschnittlich verdient, Einzelheiten sind auch insoweit streitig.

Der Arbeitgeber stellt dem Antragsgegner zudem einen Dienstwagen (Pkw Audi A6) zur Verfügung. Nach einer vom Antragsgegner vorgelegten Bescheinigung darf er den Pkw ausschließlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. für betriebliche Zwecke nutzen, eine darüber hinausgehende private Nutzung ist untersagt (vergleiche Bl. 95). Für seine von ihm angemietete 3-Zimmer-Wohnung zahlt der Antragsgegner 650 € an monatlicher Warmmiete.

Die Antragstellerinnen haben die Auffassung vertreten, der Antragsgegner müsse sich ein höheres Entgelt aufgrund eines Erwerbsobliegenheitsverstoßes zurechnen lassen, einerseits aus einer Hauptbeschäftigung, andererseits auch durch Ausübung von Nebenverdiensten. Zudem seien ihm Vorteile für die Nutzung des Dienstwagens anzurechnen, da er diesen – nach ihrer Behauptung – auch privat nutzen dürfe und dies tue. Im Übrigen behaupten sie, der Antragsgegner würde die bescheinigte Tätigkeit im Betrieb seines Arbeitgebers nur zum Schein in diesem Umfang mit diesen Bezügen ausüben; tatsächlich habe er insoweit eine mitbeherrschende Stellung, die er nach außen hin wegen des noch laufenden Privatinsolvenzverfahrens nicht in Erscheinung treten lasse.

Nachdem die Antragstellerinnen ihre Zahlungsansprüche für die Zeit bis einschließlich Dezember 2019 zurückgenommen und für die nachfolgende Zeit bis einschließlich Mai 2020 einseitig für erledigt erklärt haben, haben sie zuletzt beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, an sie zu Händen ihrer Mutter jeweils eine dynamisierte und zum 1. eines jeden Monats im Voraus fällige Unterhaltsrente ab dem 01. Juni 2020 i.H.v. 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe nach § 1612a BGB abzüglich der Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes für ein erstes bzw. zweites Kind zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat sich auf mangelnde Aktivlegitimation der Antragstellerinnen berufen und zudem mangelnde Leistungsfähigkeit angewandt. Angesichts der konkret anfallenden Miete für seine Wohnung, die er für die Umgänge mit den Antragstellerinnen und die von ihm begehrte Durchführung eines Wechselmodells bereithalte, müsse ihm ein erhöhter Selbstbehalt zukommen. Im Übrigen hat er die von den Antragstellerinnen aufgestellten Behauptungen bezüglich eines Scheinarbeitsverhältnisses für seinen derzeitigen Arbeitgeber, der Möglichkeit der Privatnutzung des Pkws und der Zumutbarkeit von auszuübenden Nebenerwerbsverdiensten im Einzelnen bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung (dort unter Ziff. I. der Gründe) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 17. Juli 2020 hat das Amtsgericht Königs Wusterhausen

idie Erledigung für die Zeit von Januar bis einschließlich Mai 2020 festgestellt, soweit ein monatlicher Kindesunterhalt i.H.v. 82,3 % des jeweiligen Mindestunterhaltes betroffen war;

iden Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerinnen jeweils 82,3 % des jeweiligen Mindestunterhaltes gemäß § 1612a Abs. 1 BGB der jeweiligen Altersstufe, gemindert um das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind, zu bezahlen;

idie weitergehenden Anträge zurückgewiesen.

Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung unter Ziff. II. Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Beschwerden der Antragstellerinnen, mit welchen sie in Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ursprünglich weiterhin die Zahlung des vollen Mindestunterhaltes für die Zeit ab Juni 2020 begehren.

Nach Übertragung der Beschwerde auf den Einzelrichter hat der Senat mit Beschluss vom 02. Dezember 2020 in der Sache Hinweise erteilt und zugleich die schriftliche Entscheidung angekündigt. Im Anschluss daran haben Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 ihre Anträge für die Zeit vom 01. Juni 2020 bis einschließlich am 31. Oktober 2020 dahingehend umgestellt, dass hinsichtlich der übergegangenen Unterhaltsansprüche Zahlung an das Land Brandenburg (Unterhaltsvorschusskasse des Jugendamtes des D… ) in Höhe von 805 € (Antragstellerin zu 1.) bzw. in Höhe von 855 € (Antragstellerin zu 2.) sowie an das Land Brandenburg (Jobcenter D…) in Höhe von jeweils 613,85 € je Antragstellerin zu leisten ist; im Übrigen haben sie für die Zeit ab 01. November 2020 die Zahlung des vollen Mindestunterhaltes begehrt.

Der Antragsgegner begehrt die Zurückweisung der Beschwerden und wiederholt und vertieft ebenfalls sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Antragsgegner hat nunmehr (zum November 2020) eine Nebenbeschäftigung aufgenommen. Im Rahmen eines sog. Minijobs bei der Fa. D… UG erhält er nach eigenen (unbelegten) Angaben monatlich 450 €. Zudem zahlt er (seit November 2020) einen erhöhten Unterhalt von jeweils 265 € je Antragstellerin.

II.

Die in zulässiger Weise gem. §§ 58 ff. FamFG eingelegten Beschwerden der Antragstellerinnen haben nach erfolgter Antragsumstellung vollen Erfolg.

1. Zeitraum von 01. Juni 2020 bis 31. Oktober 2020

Für diesen Zeitraum haben die Beschwerden vollen Erfolg. Soweit der von den Antragstellerinnen verfolgte Mindestunterhaltsanspruch von 100 % (soweit er noch nicht erfüllt war) auf Dritte übergegangen ist, haben diese in zulässiger Weise Zahlung an den Dritten (= Land Brandenburg) begehrt.

a.

Es ist zu berücksichtigen, dass den Antragstellerinnen zwar ein Mindestunterhaltsanspruch von 322 € (Zahlbetrag) jeweils zustand, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat (vgl. auch die nachfolgenden Ausführungen des Senats unter II.2.a).

b.

Ebenso zutreffend hat das Amtsgericht aber (für die vor Juni liegenden Zeiträume) darauf hingewiesen, dass die Antragstellerinnen weitgehend nicht mehr aktivlegitimiert für diesen Unterhaltsanspruch waren, in dem sie Sozialleistungen in Gestalt von Unterhaltsvorschuss sowie von SGB II-Leistungen bezogen haben.

aa.

Soweit dabei Unterhaltsvorschuss geleistet wurde, sind die entsprechenden Unterhaltsansprüche der Antragstellerinnen gem. § 7 Abs. 1 S. 1 UVG auf die Unterhaltsvorschusskasse (Land Brandenburg) übergegangen. Ob dabei der Unterhaltsanspruch auf einer fiktiven Leistungsfähigkeit des Antragsgegners beruht, ist ohne Belang, weil auch in diesem Falle ein gesetzlicher Forderungsübergang erfolgt (st. Rspr. des Senats, vgl. bereits Senat v. 06. Dezember 2007 – 9 UF 38/07 im Anschluss an BGH, FamRZ 2001, 619).

bb.

Hinsichtlich der erhaltenen SGB II-Leistungen beruht der Anspruchsübergang dagegen auf § 33 Abs. 1 SGB II. Dass dieser Anspruchsübergang an der gebotenen sozialhilferechtlichen Vergleichsberechnung (§ 33 Abs. 2 SGB II) scheitert, ist weder durch die Antragstellerinnen im Einzelnen dargetan noch nach derzeitigem Stand angesichts der dargestellten Einkünfte des Antragsgegners ersichtlich.

cc.

Im Übrigen ist unstreitig, dass der Antragsgegner an beide Antragstellerinnen Unterhalt monatlich laufend gezahlt hat. Insoweit ist bislang auch nicht streitig, dass er diese Unterhaltszahlungen im vorgenannten Zeitraum verändert oder ausgesetzt hat, zumal aus seinen im Rahmen der von ihm begehrten Verfahrenskostenhilfe vorgelegten Unterlagen auch die Zahlung insbesondere für den Monat Oktober 2020 hervorgeht.

Damit ergibt sich zunächst folgende Berechnung:

Unterhaltsansprüche Juni bis Oktober 2020

        

 L…, … 2010

M…, …2013

        

Kindesunterhalt - Zahlbetrag

 322,00 €

 322,00 €

        

Unterhaltsvorschuss

- 161,00 €

- 171,00 €

        

SGB II - Leistungen

- 122,77 €

- 122,77 €

        

Erfüllung

- 59,00 €

- 49,00 €

        

verbleibt

- 20,77 €

- 20,77 €

        

Da insoweit die den Antragstellerinnen zustehenden Zahlbeträge durch die von ihnen erhaltenen Zahlungen vollständig gedeckt sind, steht ihnen insoweit kein Unterhaltsanspruch mehr gegenüber dem Antragsgegner zu. Für diesen Zeitraum ist dem Antragsgegner daher darin zuzustimmen, dass die Antragstellerinnen angesichts der durch die Unterhaltsvorschusskasse und das Jobcenter geleisteten Zahlungen insoweit nicht aktivlegitimiert sind, wie auch der Senat bereits in seinem Beschluss vom 02. Dezember 2020 ab S. 5 f. ausgeführt hat.

Nach erfolgter Änderung ihrer Beschwerdeanträge für die Zeit von Juni bis einschließlich Oktober 2020 ist die Zahlung jedoch an den nunmehr berechtigten Leistungsträger (die Unterhaltsvorschusskasse des LK D… des Landes Brandenburg; das Jobcenter LK D… des Landes Brandenburg) hinsichtlich der in der vorherigen Tabelle dargestellten Unterhaltsvorschusszahlungen (insgesamt 805 € für die Antragstellerin zu 1. und 855 € für die Antragstellerin zu 2.) sowie SGB II - Leistungen (insgesamt 613,85 € je für die Antragstellerin zu 1. und 2.) zu leisten.

Der Antragsgegner verkennt hierbei, dass neben der von ihm angeführten – im konkreten Fall nicht vorgenommenen – Rückabtretung der übergegangenen Unterhaltsansprüche seitens des Leistungsträgers (vgl. § 7 Abs. 4 S. 3 UVG bzw. § 33 Abs. 4 S. 1 SGB II) auch die Möglichkeit besteht, für die während des laufenden Verfahrens übergegangenen Unterhaltsansprüche Zahlung an den insoweit neuen Berechtigten zu verlangen (vgl. BGH FamRZ 2012, 1793; BGH FamRZ 2011, 1854; BGH FamRZ 1996, 1203; Bömelburg FamRB 2020, 258, 260). Denn insoweit ist der vormalige Gläubiger (hier die Antragstellerinnen) weiterhin verfahrensführungsbefugt (§§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO) und hat allein seine materiell-rechtliche Befugnis während des laufenden Verfahrens verloren, weshalb er im Wege einer Antragsumstellung Zahlung an den neuen Gläubiger verlangen (vgl. nur allgemein dazu Seiler in Thomas/Putzo, ZPO/FamFG, 41. Aufl. 2020, § 265 Rn. 13) oder in anderer Weise verfahrensrechtlich handeln muss.

An dieser Betrachtung ändert im Übrigen auch nichts, soweit der Antragsgegner mit dem Land Brandenburg hinsichtlich der jeweils übergegangenen Unterhaltsbeträge ein Schuldanerkenntnis und eine Stundungsvereinbarung geschlossen hat (Bl. 311 f. d.A.). Insoweit handelt es sich um bloße schuldrechtliche Erklärungen, ein Titel ist insoweit nicht erstellt worden. Es ist auch nicht erkennbar, dass angesichts des Inhaltes dieser schuldrechtlichen Vereinbarungen ein Verzicht des Landes auf die übergegangenen Unterhaltsansprüche ganz oder teilweise oder auch hinsichtlich einer Titulierung ausgesprochen ist; im Gegenteil spricht der Inhalt, der ohne weiteres von einem entsprechenden Anspruchsübergang ausgeht, dafür, dass dem Land sehr wohl (jedenfalls im hier vorliegenden Streitfall) an einer Titulierung gelegen ist (ohne dass es darauf entscheidend ankommt).

Verfehlt ist in diesem Zusammenhang durch den Antragsgegner der vorgebrachte Begriff einer fehlenden Beschwer der Sozialleistungsträger, weil dies die Zulässigkeit des Beschwerdeverfahrens und nicht die hier bestehende materiell-rechtliche Befugnis der Sozialleistungsträger betrifft.

2. Zeitraum ab November 2020

Angesichts der Zustellung der Beschwerdebegründung in Oktober 2020 ist die Zeit ab November 2020 als zukünftiger Unterhalt zu bestimmen, wie der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 2. Dezember 2020 ausgeführt hat. Für diese Zeit steht den Antragstellerinnen der vollständige Mindestunterhaltsanspruch zu. Dabei kommt es dann nicht darauf an, ob in dieser Zeit überhaupt noch Sozialleistungen (insbesondere Unterhaltsvorschuss oder Sozialgeld des SGB II) geflossen sind bzw. inwieweit der Antragsgegner möglicherweise diese Unterhaltsansprüche durch Zahlungen an die Antragstellerinnen erfüllt hat. Entsprechende Einwendungen betreffend des zukünftigen Unterhalts sind vielmehr im Vollstreckungswege geltend zu machen.

a.

An einen entsprechenden Bedarf der Antragstellerinnen im Umfange des Mindestunterhaltsanspruches aus den §§ 1601, 1612a, 1612b BGB bestehen keine Bedenken. Beide Antragstellerinnen sind bedürftig, über eigene unterhaltsrechtliche Einkünfte, mit welchen sie ihren Bedarf insoweit decken können, verfügen sie (außerhalb des anzurechnenden hälftigen Kindergeldes) nicht.

b.

Ebenso wenig bestehen Bedenken daran, dass der Antragsgegner sich insoweit als leistungsfähig zur Zahlung der entsprechenden Mindestunterhaltsansprüche behandeln lassen muss.

aa.

Soweit der Antragsgegner aus seiner vollschichtigen Tätigkeit nach derzeitigem Stand einen monatlichen Nettoverdienst von 1.294,74 €, von dem konsequenterweise zumindest noch der Dienstwagenbezug i.H.v. 156,95 € in Abzug zu bringen ist (vgl. bereits die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung), erzielt und soweit er zudem nunmehr auch aus einem Minijob monatlich 450 € bezieht, wäre er nach derzeitigem Stand unter Berücksichtigung eines ihm zuzubilligenden Selbstbehaltes von 1.160 € nicht vollständig leistungsfähig für die dargestellten Mindestunterhaltsbeträge von jeweils 322 € (Zahlbetrag).

In der Sache kann dies sowie der weitere Streit der Beteiligten (um die konkrete Zurechnung des Dienst-Pkws, um die vermeintliche Stellung des Antragsgegners im Betrieb der A… GmbH und um eventuelle weitere Geschäftstätigkeiten des Antragsgegners) hier dahinstehen.

bb.

Wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, erfüllt der Antragsgegner mit seinen hier konkret erhaltenen Bezügen nicht die Erwerbsobliegenheiten, die ihn angesichts einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit aus § 1603 Abs. 2 BGB für die mindestunterhaltsberechtigten Antragsstellerinnen treffen.

Dafür ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner für seine die Zahlung des Mindestunterhaltes betreffende vollständige oder teilweise Leistungsunfähigkeit die volle Darlegungs- und Beweislast trägt. Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Tatsachen, die die reklamierte (teilweise) Leistungsunfähigkeit begründen sollen, trägt in jedem Unterhaltsrechtsverhältnis der Unterhaltspflichtige (BGH FamRZ 2019, 112; Senat FamRZ 2020, 1266). Hierauf ist der Antragsgegner spätestens aufgrund des Senatsbeschlusses vom 02. Dezember 2020 hingewiesen worden, ohne dass er sein Vorbringen nachfolgend ausreichend substantiiert hat.

Da dem Antragsgegner seine beiden Barunterhaltsverpflichtung gegenüber den Antragsstellerinnen bereits seit langem bekannt waren, war er ebenso bereits seit langem gehalten, sich eine besser dotierte Tätigkeit zu suchen, um so die entsprechenden Unterhaltsansprüche der Antragstellerinnen befriedigen zu können.

Nachvollziehbar und nachprüfbar hat das Amtsgericht insoweit ausgeführt, dass angesichts des mittleren Alters des Antragsgegners und seiner beruflichen Qualifikation (ausgebildeter Bürokaufmann, zudem langjährig beschäftigt) ein Bruttoeinkommen von (mindestens) 2.160 € in B… bei einem Nettoeinkommen von 1.516,64 €, vermindert um 5 % Abzug für pauschale berufsbedingte Aufwendungen, mithin monatlich 1.440,71 €, in 2020 erzielbar wären.

Soweit der Antragsgegner dem nunmehr dahin entgegengetreten ist, dass bei Zurechnung eines solchen fiktiven Vollzeiteinkommens berufsbedingte Aufwendungen zu berücksichtigen sind, ist dem zwar im Grundsatz zu folgen. Insoweit hat er zutreffend die anfallenden Kosten für den öffentlichen Nahverkehr von 107 € sowie die Fahrten zum Bahnhof mit seinem Pkw dargestellt. Bei den Fahrten mit seinem Pkw zum Bahnhof ist aber zu berücksichtigen, dass insoweit lediglich eine geringe Strecke (2,7 km) zurückzulegen ist. Insoweit ist es dem Antragsgegner angesichts des hier streitigen Mindestunterhaltsanspruches aufzuerlegen, dass er diese Strecke auch kostengünstiger – z.B. durch öffentlichen Nahverkehr (insoweit fehlen jegliche Ausführung des Antragsgegners) – oder durch Benutzung eines Fahrrades zurücklegt, weshalb es allein zu der Anerkennung der 107 € kommt. Unabhängig sind die Fahrten von ihm auch in pauschalierter Form (Kilometersatz 0,30 €) angesetzt worden, was – ebenso wie im Übrigen ein pauschaler Ansatz von 5 % für den Nebentätigkeitserwerb – angesichts des im Raum stehenden Lebensunterhaltes nicht zulässig ist (vgl. Ziff. 10.2.1 S. 3 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen OLGs); insoweit könnten nur die tatsächlich anfallenden Kosten berücksichtigt werden. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner seinen Nebenerwerb gleichsam in B… aufnehmen kann, um die Fahrtkosten möglichst gering zu halten. Auch ist dabei zu beachten, dass der Antragsgegner bis zu 48 Wochen Arbeitsstunden abzuleisten hat (vgl. zuletzt Senat v. 05. März 2020 – 9 UF 249/19, juris), um angesichts seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit den Mindestunterhaltsanspruch befriedigen zu können.

Danach ergibt sich zunächst folgende Berechnung:

Einkommen Antragsgegner

fiktives Vollzeiteinkommen

 1.440,71 €

Nebenerwerb

 450,00 €

Fahrtkosten

- 107,00 €

Summe 

 1.783,71 €

Selbstbehalt

 1.160,00 €

Leistungsfähigkeit

 623,71 €

Summe Mindestunterhalt

 644,00 €

Damit fehlt dem Antragsgegner lediglich der geringe Betrag von rd. 20 € im Monat, um den Mindestunterhalt ab Januar 2021 tatsächlich gewährleisten zu können. Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, dass schon bei der Anerkennung der 107 € für das Ticket der Antragsgegner in der Lage ist, eine Einkommensteuerrückerstattung zu verlangen; naturgemäß führt dies zu einer Zurechnung weiterer Einkünfte, weshalb bereits insoweit ohne weiteres der Fehlbetrag erreicht würde. Zum anderen wäre der Antragsgegner auch gehalten, diesen geringen Betrag durch Ausweitung seiner bestehenden Nebentätigkeit oder durch Aufnahme einer weiteren Nebenbeschäftigung zu erzielen, um den Mindestunterhaltsanspruch für seine beiden Töchter bezahlen zu können.

cc.

Eine Erhöhung des Selbstbehaltes – wie dies der Antragsgegner erst- und zweitinstanzlich verfolgt hat – scheidet aus.

Soweit ursprünglich Zweifel bestanden, ob der Antragsgegner die Wohnkosten tatsächlich selbst trägt (in seinem VKH-Heft befindet sich für den Monat Juli 2020 eine mietkostendeckungsgleiche Gutschrift über 650 €, offenbar von seinen Eltern stammend), kann diese Zahlung jedenfalls nicht mehr den nachfolgend durch ihn eingereichten Belegen entnommen werden. Letztendlich kann dies hier aber dahinstehen.

Die für den Antragsgegner angemessene Wohnfläche beträgt rd. 50 m², wobei dann der im Selbstbehalt enthaltene Wohnkostenanteil von 430 € nicht überschritten wird. Ein bloßes Vorhalten von größeren und teuren Wohnraum allein deshalb, weil Umgang mit Kindern stattfindet und dieser nach Wunsch des Antragsgegners noch ausgeweitet werden soll, ist dem Mindestunterhaltsanspruch der Kinder erkennbar nicht entgegenzuhalten. Mit einer Wohnfläche von 50 m² liegt der Antragsgegner bereits tendenziell über der angemessenen Fläche, die jedenfalls sozialhilferechtlich zugebilligt wird (ab 45 m²). Für die Umgänge mit den Antragstellerinnen kommt es zudem allein auf die derzeit tatsächlichen Verhältnisse, nicht auf eine beabsichtigte oder früher tatsächlich vorgenommene Ausweitung derselben in Betracht (Stichwort Wechselmodell). Da hier aber derzeit de facto primär der Regelumgang an den Wochenenden stattfindet, sind die obwaltenden Wohnverhältnisse dafür völlig ausreichend. Eine Erhöhung des Selbstbehaltes zulasten des Mindestunterhaltsanspruchs hat also nicht zu erfolgen, an den entsprechenden Ausführung des Senates im Beschluss vom 02. Dezember 2020 ist festzuhalten.

Selbst wenn aber grundsätzlich eine Erhöhung des Selbstbehalts wegen anfallender Wohnkosten in Frage käme, hätte der Antragsgegner seiner dabei bestehenden Darlegungslast nicht genügt. In solchen Fällen ist der Unterhalsschuldner gehalten, seine erhöhten Wohnkosten durch die Inanspruchnahme von Wohngeld zu senken. Da es insoweit um die Frage der eingeschränkten Leistungsfähigkeit im Sinne des § 1603 BGB geht, hat der Unterhaltsschuldner darzulegen und zu beweisen, dass er dieser Obliegenheit nachgekommen ist (BGH NZFam 2021, 35). Entsprechenden Vortrag hat der Antragsgegner aber nicht gehalten.

3. Zeitraum ab Januar 2021

Soweit aufgrund der Änderung der Unterhaltstabelle für 2021 sowie der erhöhten Kindergeldzahlungen sich höhere Zahlbeträge für die Antragstellerinnen ergeben, ist zu bedenken, dass sich dann gleichsam auch die fiktiv zurechenbaren Einkünfte des Antragsgegners steigern. Eine abweichende Beurteilung zum Zeitraum 2020 ergibt sich nicht.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 243 FamFG, 113 Abs. 1 FamFG, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, 40, 51 FamGKG. Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

Von einer mündlichen Verhandlung war wie angekündigt abzusehen, weil die Beteiligten erstinstanzlich angehört wurden und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, zumal pandemiebedingt auch weitestgehend auf die persönliche Anhörung zu verzichten ist.

IV.

Hinsichtlich des Verfahrenskostenhilfeantrages der Antragstellerinnen ist unbeachtlich, dass der Antragsgegner der Mutter der Antragstellerinnen Vermögenswerte vorhält. Insoweit käme allein ein Verfahrenskostenvorschussanspruch der Antragstellerinnen (entsprechend § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB) in Betracht, der aber angesichts der engen wirtschaftlichen Verhältnisse der Kindesmutter in keinem Fall aus deren Vermögen zu bestreiten wäre. Denn ein Einsatz des Vermögens ist betreffs eines Verfahrenskostenvorschussanspruch nur gerechtfertigt, wenn es sich um bereite Mittel handelt und deren Verwertung das Vermögen des Pflichtigen nicht erheblich beeinträchtigt (vgl. nur Grandel/Breuers in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1360a BGB (Stand: 04.01.2021) Rn. 53 m.w.N.).

V.

Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe war dagegen teilweise zurückzuweisen, weil – wie der Senat bereits im Beschluss vom 02. Dezember 2020 ausgeführt hat – § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO (§ 113 Abs. 1 FamFG) für die Zeit ab November 2020 keine Anwendung findet. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Entscheidung der Vorinstanz nur eine Vermutung dafür begründet, dass die Verteidigung gegen ein Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat; wo diese Vermutung nicht gerechtfertigt ist, ist § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht anzuwenden (BVerfG NJW 87, 1619). Vorliegend handelt es sich hier (ab November 2020) bei der Erfolglosigkeit um einen zukünftigen Umstand des Beschwerdeverfahrens, weshalb § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO unanwendbar ist. Zudem ist die Rechtsverteidigung hier offenkundig ohne Erfolg. Die Vorschrift des § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO findet aber keine Anwendung, wenn die Rechtsverteidigung schlechthin aussichtslos ist (st. Rspr. des Senats, FamRZ 2008, 2304; FamRZ 2004, 1036 m. N.; ferner OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 416).