Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 28.04.2021 | |
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Aktenzeichen | 4 U 171/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0428.4U171.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 22. Juni 2020, Az. 2 O 300/19,wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrages, der zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs geschlossen wurde.
Der Kläger schloss auf Grundlage eines von ihm am 13. Mai 2014 in den Geschäftsräumen des Autohauses … unterzeichneten Darlehensantrages mit der Beklagten einen Verbraucherdarlehensvertrag mit der Nummer (1) über einen Nettodarlehensbetrag von 30.782,38 € zu einem für die gesamte Laufzeit gebundenen Sollzinssatz von 1,88 % p.a. Das Darlehen diente der Finanzierung des Kaufpreises für einen neuen (X) und sollte in 47 Monatsraten von je 314 € sowie einer Schlussrate von 17.547,76 € am 15. September 2018 getilgt werden. Den im Darlehensantrag genannten optionalen Kreditschutzbrief …/… … schloss der Kläger nicht ab. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrags wird auf das zu den Akten gereichte Exemplar dieses Vertrags Bezug genommen (Anlage B1, Bl. 42 ff. d.A.).
Am 27. September 2018 trafen die Parteien eine weitere als Darlehensantrag bezeichnete Vereinbarung mit der Nummer (2) zur Finanzierung des gegenständlichen Fahrzeugs als Gebrauchtwagen mit einem Nettodarlehensbetrag von 19.084,66 € und einem für die gesamte Laufzeit gebundenen Sollzins von 3,44 % bei 84 Monatsraten von jeweils 255,93 €. Dabei ist als „Kaufpreis/Reparaturkosten/Zubehör“ ein Betrag von 17.547,76 € genannt, der der Höhe nach der Schlussrate aus dem am 13. Mai 2014 geschlossenen Darlehensvertrag entspricht. Die Parteien vereinbarten ferner von dem Vertrag vom 13. Mai 2014 abweichende Darlehensbedingungen, der Kläger wurde mit dem Vertrag vom 27. September 2018 erneut über sein Widerrufsrecht informiert und erteilte erneut ein SEPA-Basislastschriftmandat. Im Vertrag vom 27. September 2018 schlossen die Parteien zudem für einen Beitrag von 1.536,90 € den im Vertrag vom 13. Mai 2014 zuvor nicht abgeschlossenen Kreditschutzbrief ab. Die Parteien übereigneten außerdem mit dem Vertrag vom 27. September 2018 den bereits im Darlehensvertrag vom 13. Mai 2014 sicherungsübereigneten (y) erneut zur Sicherheit an die Beklagte.
Die am 15. September 2018 fällige Schlussrate des Vertrags vom 13. Mai 2014 in Höhe von 17.547,76 € wurde sodann aus den Darlehensvaluta des am 27. September 2018 geschlossenen Vertrages beglichen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrags vom 27. September 2018 wird auf das zu den Akten gereichte Exemplar dieses Vertrags Bezug genommen (Anlage B 3, Bl. 49 ff. d.A.).
Mit Schreiben vom 29. März 2019 widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrags vom 13. Mai 2014 mit der Nummer (1) gerichtete Willenserklärung. Auch das folgende anwaltliche Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 2. Mai 2019 nahm Bezug auf den Darlehensvertrag vom 13. Mai 2014.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Widerruf sei wirksam. Dabei richte sich das Widerrufsrecht nach dem am 13. Mai 2014 geschlossenen Darlehensvertrag, weil der am 27. September 2018 geschlossene Vertrag eine bloße unechte Anschlussfinanzierung des ursprünglichen Darlehensvertrags darstelle. Die Widerrufsfrist von 14 Tagen habe nicht zu laufen begonnen, weil verschiedene Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 §§ 6 - 13 EGBGB in der Vertragsurkunde nicht enthalten bzw. - wie insbesondere die Widerrufsinformation - fehlerhaft seien.
Die Beklagte hat geltend gemacht, der Widerruf sei verfristet, denn sie habe die Widerrufsinformation sowie die anderen erforderlichen Pflichtangaben ordnungsgemäß erteilt. Der Ausübung des Widerrufs stehe überdies der Einwand des Rechtsmissbrauchs und der Verwirkung entgegen. Zudem hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem am 27. September 2018 abgeschlossenen Darlehensvertrag um die Gewährung eines neuen Darlehens gehandelt habe. Daher könne der abgelöste Vertrag ohnehin nicht mehr widerrufen werden.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Juni 2020,auf welches für die erstinstanzlich gestellten Anträge und die tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, abgewiesen. Das Widerrufsrecht sei hinsichtlich des am 13. Mai 2014 abgeschlossenen Vertrags verwirkt. Es habe sich bei dem am 27. September 2018 abgeschlossenen Vertrag nicht um eine bloße unselbständige Anschlussfinanzierung, sondern den Abschluss eines gänzlich neuen Vertrags gehandelt. Es sei bei Abschluss des ursprünglichen Darlehensvertrags gerade nicht absehbar gewesen, ob die Schlussrate aus Eigenmitteln, im Wege einer Finanzierung durch Dritte oder durch die Beklagte getilgt werde. Daher habe es dem Willen der Parteien entsprochen, dass sich der Kläger nach dem Ende der Laufzeit des am 13. Mai 2014 geschlossenen Vertrages selbst um Möglichkeiten zur Erbringung der Schlussrate bemühe.
Da die Parteien den Vertrag vom 13. Mai 2014 abgelöst hätten, sei der Widerruf, der sich ausdrücklich nur auf den am 13. Mai 2014 abgeschlossenen Vertrag bezogen habe, infolge Verwirkung unbeachtlich. Das Zeitmoment sei erfüllt, weil zwischen Vertragsabschluss und Widerruf knapp 5 Jahre verstrichen seien. Auch das Umstandsmoment sei angesichts des zwischenzeitlich abgeschlossenen neuen Darlehensvertrags erfüllt. Im Übrigen sei das Widerrufsrecht aber ohnehin infolge Zeitablaufs erloschen, weil Widerrufsinformation und Pflichtangaben ordnungsgemäß gewesen seien.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Der Vertrag vom 27. September 2018 stelle keinen eigenständigen Darlehensvertrag dar, da es sich um eine unselbständige Anschlussfinanzierung handele. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass bei fortdauerndem Kapitalnutzungsrecht lediglich neue Konditionen für die Zukunft vereinbart würden. So sei es auch vorliegend gewesen, weil dem Kläger kein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt, sondern die Kapitalnutzung lediglich zu veränderten Kondition fortgesetzt worden sei. Zudem seien die Voraussetzungen der Verwirkung nicht erfüllt. Die unbeanstandet vertragserfüllende Fortführung eines Vertrags begründe kein Umstandsmoment.
Im Übrigen sei der Widerruf infolge fehlerhafter Widerrufsinformation und unzutreffend erteilter Pflichtangaben auch fristgerecht erfolgt, weil die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass die Klagepartei aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 13. Mai 2014 über 32.619,76 € - prolongiert mit Vertrag vom 27. September 2018 über 21.498,12 € - weder die Zahlung der Zinsen in Höhe von 3,44 % p.a. noch die Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des Widerrufs seit dem 29. März 2019 schuldet,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klagepartei sämtliche Zahlungen nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der jeweiligen Zahlung zurückzugewähren, die die Klagepartei zwischen dem 29. März 2019 und der Rechtskraft dieses Urteils auf den unter Ziff. 1 genannten Darlehensvertrag geleistet hat,
3. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer WVW…0 (erstinstanzlich WVG…2) an die Klagepartei 28.761,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
4. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer WVW…0 (erstinstanzlich WVG…2) in Annahmeverzug befindet,
5. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.666,95 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen sowie im Wege der Hilfswiderklage
festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs (x), Fahrzeugidentifizierungsnummer WVG…2 zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig war,
festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, an die Beklagte den vereinbarten Sollzins in Höhe von 3,44 % p.a. für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens durch Rückgabe des (x), Fahrzeugidentifizierungsnummer WVG…2, zu zahlen.
Der Kläger beantragt unter Anerkenntnis seiner Wertersatzpflicht bis zum Eintritt des Annahmeverzugs,
die Hilfswiderklage im Übrigen abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Der Klageantrag zu 1) sei infolge der erhobenen Leistungsklage unzulässig. Der Klageantrag zu 2) sei schon nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Zutreffend habe das Landgericht erkannt, dass der vermeintlich widerrufene Vertrag vom 13. Mai 2014 schon durch den im Jahr 2018 geschlossenen Vertrag abgelöst worden und der Widerruf daher verwirkt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Neben dem Leistungsantrag zu 3) samt Anträgen zu 4) und 5) ist die Klage auch hinsichtlich des negativen Feststellungsantrags unter Ziffer 1) zulässig, da sich das zur Entscheidung gestellten Begehren mit einer Leistungsklage nicht abbilden lässt (BGH, Urteil vom 03. Juli 2018 – XI ZR 572/16 –, Rn. 17, juris BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 – XI ZR 586/15 –, Rn. 16, juris). Dagegen fehlt das gemäß § 256 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der mit dem Antrag zu 2) begehrten Feststellung der Pflicht der Beklagten zur Rückzahlung der seit dem Widerruf geleisteten Ratenzahlungen. Insoweit muss sich der Kläger angesichts der Bezifferbarkeit der monatlichen Ratenzahlungen auf den Vorrang der Leistungsklage verweisen lassen.
2. Soweit die Klage danach zulässig ist, ist sie unbegründet. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger mit den Vertragsinformationen nicht ohnehin hinreichend über das ihm gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zustehende Widerrufsrecht belehrt worden ist mit der Folge, dass die Widerrufsfrist ohnehin schon abgelaufen wäre. Ebenso kann offen bleiben, ob sich der Kläger deshalb nicht auf ein Widerrufsrecht berufen kann, weil er damit lediglich eine formale Rechtsstellung missbräuchlich ausnutzen würde. Denn das Landgericht hat der Klage zu Recht den Erfolg versagt, weil das Widerrufsrecht verwirkt ist.
a) Ein absoluter Schutz des Verbrauchers, sein Widerrufsrecht im Falle fehlender oder fehlerhafter Belehrung nach vollständiger Durchführung des Vertrages zeitlich unbegrenzt ausüben zu können, ist weder europarechtlich geboten (s. EuGH, Urteil vom 10. April 2008 – C-412/06 – NJW 2008, 1865), noch dem nationalen Recht zu entnehmen. Der in § 242 BGB verankerte Grundsatz von Treu und Glauben in seiner Ausformung der Verwirkung als allen Rechten und Rechtspositionen immanente Schranke (vgl. dazu nur Grüneberg, in: Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 242, Rn. 16) gilt daher auch für das unbefristete Widerrufsrecht (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 - BGHZ 211, 105, Rn. 18; Senat, Urteil vom 13. Mai 2020 – 4 U 67/17 –, Rn. 20, juris; Senat, Urteil vom 08. August 2018 – 4 U 157/17 –, Rn. 31, juris; Senat, Urteil vom 20. September 2017 - 4 U 187/16).
Eine Verwirkung als Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung kommt in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er hierzu in der Lage war, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen mithin besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (s. nur BGH, Urteil vom 09. Oktober 2013 – XII ZR 59/12 – NJW-RR 2014, 195; Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 – NJW 2016, 3518; Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15 – NJW 2017, 243). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (s. BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 – XI ZR 586/15 – NJW 2017, 2340; Urteil vom 14. März 2017 – XI ZR 442/16 – BeckRS 2017, 107789 jeweils m.w.N.; Senat, Urteil vom 20. Sepember 2017 – 4 U 187/16).
aa) In Bezug auf das Zeitmoment ist festzustellen, dass nach der Vertragserklärung 13. Mai 2014 bis zum Widerruf des Klägers Ende März 2019 knapp fünf Jahre vergangen sind und die Vertragslaufzeit seit über einem Jahr schon abgelaufen war. Das erforderliche Zeitmoment liegt damit vor (vgl. etwa für 3 Jahre OLG Düsseldorf, Urteil vom 01. Februar 2017 – I-3 U 26/16 –, Rn. 49, juris, für 3 Jahre und 5 Monate OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Januar 2021 – 24 U 157/20 –, Rn. 32, juris; für 4 ½ Jahre Senat, Urteil vom 31. Mai 2017 – 4 U 188/15 –, Rn. 55, juris).
bb) Als Anknüpfungspunkt für das Umstandsmoment kommt - auch wenn man berücksichtigt, dass der Unternehmer allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kein schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden kann, dieser werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen - insbesondere eine Beendigung des Darlehensvertrages in Betracht, wobei gleichgültig ist, ob dieser regulär oder vorzeitig abgelöst worden ist und ebenso, ob die zur Ablösung erforderlichen Mittel durch den Abschluss eines anderen Darlehensvertrags aufgebracht worden sind (vgl. auch zur vorzeitigen Vertragsablösung als Umstandsmoment BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15 –, BGHZ 212, 207-223, Rn. 30; Senat, Urteil vom 27. April 2016 – 4 U 81/15 –, juris). Eine derartige Ablösung des am 13. Mai 2014 geschlossenen Darlehens ist mit dem Vertrag vom 27. September 2018 erfolgt.
Die Parteien haben mit dem Vertrag vom 27. September 2018 entgegen der Auffassung des Klägers einen neuen Darlehensvertrag abgeschlossen. Maßgeblich bei der Abgrenzung zwischen der bloßen Änderung des bestehenden Darlehensvertrags – etwa im Wege einer unechten Anschlussfinanzierung – und dem Abschluss eines neuen Darlehensvertrags ist im Wesentlichen, ob durch den zeitlich nachgelagerten Vertragsschluss ein neues Kapitalnutzungsrecht begründet wird oder nicht (st. Rspr. vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. September 2019 – XI ZR 322/18 –, Rn. 17, juris; BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – XI ZR 426/18 –, Rn. 19, juris; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2019 – XI ZR 202/18 –, Rn. 2, juris; BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 – XI ZR 551/16 –, Rn. 9, juris BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 - XI ZR 385/15, WM 2016, 1727, 1728; BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 – XI ZR 6/12 –, Rn. 21, juris BGH, Urteil vom 15. November 2004 – II ZR 375/02 –, Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 07. Oktober 1997 – XI ZR 233/96 –, Rn. 25, juris). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Für die Sichtweise des Klägers, die Parteien hätten mit dem Vertrag vom 27. September 2018 eine bloße Prolongation oder unechte Anschlussfinanzierung bezogen auf das bereits aufgrund des Vertrags vom 13. Mai 2014 gewährte Darlehen vereinbart, spricht zunächst, dass beide Vereinbarungen der Finanzierung des (x) dienten und der zweite Vertrag unmittelbar im Anschluss an die Laufzeit des ersten Vertrags abgeschlossen ist. Darüber hinaus entsprach der Darlehensbetrag von 17.547,16 € aus dem Vertrag vom 27. September 2018 dem Tilgungsstand aus dem Darlehen vom 13. Mai 2014, bei dem nur noch die Schlussrate von 17.547,16 € offen war, die dann auch mit den Darlehensvaluta von 17.547,16 € aus dem zweiten Vertrag getilgt worden ist. Diese Übereinstimmung des neuen Darlehensbetrags mit der noch offenen Restdarlehensschuld kann dagegen sprechen, dass die Parteien einen neuen Darlehensvertrag abschließen wollten (vgl. zu diesem Umstand BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – XI ZR 426/18 –, Rn. 23, juris).
Allerdings haben die Parteien für den Vertrag vom 27. September 2018 ein neues und inhaltlich abweichendes Darlehensantragsformular mit einer neuen Vorgangsnummer unterzeichnet, in dem der Vertrag vom 13. Mai 2014 überhaupt nicht erwähnt wird. Hinzu kommt, dass beim Vertrag vom 27. September 2018 auch die Darlehensbedingungen gegenüber dem Vertrag vom 13. Mai 2014 geändert wurden und erneut eine Widerrufsinformation sowie erneut ein SEPA -Basislastschriftmandat erteilt worden ist. Ferner hat der Kläger im Vertrag vom 13. Mai 2014 den ihm angebotenen Kreditschutz nicht abgeschlossen, im Vertrag 27. September 2018 dagegen schon.
Damit sind im Vertrag vom 27. September 2018 eine Vielzahl von Änderungen des Vertragsinhalts erfolgt. Bei diesen Änderungen handelt es sich auch nicht lediglich um solche, die auch bei laufenden Verträgen von Zeit zu Zeit erfolgen (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – XI ZR 426/18 –, Rn. 29, juris). Hinzu kommt, dass die Parteien unter Ziffer 1 des Abschnitts „Sicherheiten“ des Vertrags vom 27. September 2018 erneut die Sicherungsübereignung des VW (x) vereinbart haben (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – XI ZR 426/18 –, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 – XI ZR 367/07 –, Rn. 29, juris). Diese Neubestellung der Sicherheit wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die Parteien lediglich eine Fortsetzung des ursprünglich vereinbarten Vertrags zu veränderten Konditionen vereinbart hätten.
Entscheidend für den Abschluss eines neuen Darlehensvertrages zwischen den Parteien am 27. September 2018 spricht schließlich, dass der Vertrag vom 27. September 2018 erst nach der Fälligkeit der Schlussrate aus dem Vertrag vom 13. Mai 2014 in Höhe von 17.547,76 € am 15. September 2018 abgeschlossen worden ist. Damit bestand für den Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags am 27. September 2018 kein Nutzungsrecht an dem mit dem ersten Vertrag überlassenen Kapital mehr. Das unterscheidet die vorliegende Konstellation von derjenigen einer sog. unechten Abschnittsfinanzierung, bei der nur die zeitlich beschränkte Zinsfestschreibung abgelaufen war, während die Tilgung des gewährten Darlehens erst lange Jahre nach dem Abschluss der ergänzenden Vereinbarung erfolgen musste (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 -, XI ZR 367/07, juris). Da der Kläger kein Nutzungsrecht mehr an dem Kapital aus dem Vertrag vom 13. Mai 2014 hatte, hat ihm der Vertrag vom 27. September 2018 ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt. Damit ist ein besonders gewichtiges Kriterium erfüllt, dass auf den Abschluss eines neuen Darlehensvertrags hindeutet (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 - XI ZR 385/15, WM 2016, 1727, 1728).
Im Hinblick auf das neue Kapitalnutzungsrecht und die Vielzahl der inhaltlichen Veränderungen im Vertrag vom 27. September 2018 bestehen in der Gesamtschau keine Zweifel daran, dass die Parteien am 27. September 2018 einen neuen Darlehensvertrag abgeschlossen haben. Dies ändert zwar nichts daran, dass ein etwaig nach Widerrufsrecht aus dem beendeten Vertrag vom 13. Mai 2014 nicht schon durch den Abschluss des Vertrags vom 27. September 2018 erloschen ist. Allerdings ist dieses vom Kläger ausdrücklich unter Bezugnahme auf den Vertrag vom 13. Mai 2014 ausgeübte Widerrufsrecht verwirkt, so dass der Senat offenlassen kann, ob die Widerrufsfrist nicht ohnehin schon abgelaufen wäre.
cc) Ausgehend von dem vorstehend festgestellten Abschluss eines neuen Darlehensvertrags am 27. September 2018 und der vollständigen Erfüllung des über die gesamte Laufzeit beanstandungsfrei bedienten Darlehensvertrages vom 13. Mai 2014 kann das Verhalten des Klägers aus Sicht der Bank nur dahin verstanden werden, dass auch der Kläger die am 13. Mai 2014 begründete Vertragsbeziehung als endgültig abgewickelten und abgeschlossenen Vorgang betrachtet hat (vgl. dazu Senat, Urteil vom 08. August 2018 – 4 U 157/17 –, Rn. 37, juris Senat, Urteil vom 13. Juni 2018 – 4 U 15/18 –, Rn. 54, juris; Senat, Urteil vom 20. September 2017 – 4 U 187/16 –, Rn. 33, juris Senat, Urteil vom 27. April 2016 – 4 U 81/15 –, Rn. 41, juris; vgl. auch: OLG Frankfurt, Urteil vom 19. November 2014 – 19 U 74/14 – Rn. 46; OLG Düsseldorf, Urteil vom 09. Januar 214 – I-14 U 55/13, 14 U 55/13 – Rn. 20 ff.; im Kern ähnlich: KG, Urteil vom 16. August 2012 – 8 U 101/12 – Rn. 6; OLG Köln, Urteil vom 25. Januar 2012 – I -13 U 30/11, 13 U 30/11 – Rn. 24; OLG Köln, Beschluss vom 21. Mai 2013 – 13 U 219/12 – Rn. 11). Denn nachdem der Kläger das Darlehen zuvor über einen Zeitraum von über vier Jahren bis zum Abschluss des neuen Darlehensvertrags beanstandungsfrei bedient hatte und anschließend in keiner Weise zu erkennen gegeben hat, sich Rechte aus dem Vertrag vorbehalten zu wollen, musste die Beklagte - ungeachtet etwaig noch nicht abgelaufener handelsrechtlicher Aufbewahrungsfristen (§ 257 HGB) - nicht mehr damit rechnen, dass der Kläger den zu diesem Zeitpunkt über fünf Jahre zurückliegenden rechtsgültigen Abschluss des Vertrages durch Ausübung seines Widerrufsrechts noch in Frage stellen würde.
Hinzu kommt, dass der Kläger der Beklagten nicht nur durch die beanstandungsfreie Bedienung des Vertrags vom 13. Mai 2014, sondern auch darüber hinaus durch weiteres aktives Tun den Eindruck vermittelt hat, den Vertrag vom 13. Mai 2014 als abgeschlossenen Vorgang zu betrachten. Er hat durch den Abschluss des neuen Darlehensvertrags am 27. September 2018 und die damit verbundene Begleichung der Schlussrate die berechtigte Erwartung geweckt, dass sich die Beziehungen der Parteien allein nach der neuen vertraglichen Grundlage vom 27. September 2018 richten sollten. Gerade bei derartigen beendeten Verträgen kann - ebenso im Falle einer vorzeitigen Vertragsbeendigung - das Vertrauen des Unternehmers in ein Unterbleiben des Widerrufs schutzbedürftig sein (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15 –, BGHZ 212, 207-223, Rn. 30).
Die Beklagte hat sich auch darauf eingerichtet, dass der Kläger sein Widerrufsrecht nicht mehr geltend macht. Denn im Falle einer Bank, deren Geschäftsgegenstand darin besteht, mit den Geldern ihrer Kunden in der Weise zu arbeiten, dass einerseits Gelder verwahrt, andererseits Darlehen gegeben werden, ist offenkundig, dass zurückgezahlte Gelder neu verwendet und im Rahmen des Geschäftsbetriebes gewinnbringend genutzt werden (so bereits BGH, Urteil vom 1. Februar 1974 – IV ZR 2/72 – NJW 1974, 895, Rn. 9). Besonderen Vortrags der beklagten Bank, dass auch und gerade in Bezug auf die hier in Rede stehenden Gelder dementsprechend disponiert wurde, bedarf es in einer Konstellation wie der vorliegenden nicht (im Ergebnis ebenso: OLG Köln, Urteil vom 8. Juni 2016 – 13 U 23/16 – BKR 2016, 423, Rn. 26, und Beschluss vom 20. Juni 2016 – 13 U 87/16 – BeckRS 2016, 18776, Rn. 10; OLG Karlsruhe Urteil vom 11. Dezember 2018 - 17 U 125/17 -, juris, Rn 31 unter Verweis auf BGH, Beschl. vom 5. Juni 2018 - XI ZR 577/16 - juris Rn 4: Senat, Urteil vom 20. September 2017 – 4 U 187/16). Es entspricht der Lebenserfahrung, dass eine Bank im Vertrauen darauf, aus dem Vertragsverhältnis nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, in der Weise disponiert, dass sie nach der vollständigen, beanstandungsfreien Rückführung eines Darlehens in Bezug auf dieses Vertragsverhältnis keine Rückstellungen mehr bildet (Senat, Urteil vom 13. Mai 2020 – 4 U 67/17 –, Rn. 34, juris; Senat, Urteil vom 20. September 2017 – 4 U 187/16, juris; Senat, Urteil vom 27. April 2016 – 4 U 81/15 – BeckRS 2016, 12665, Rn. 48).
Dabei kann offenbleiben, ob die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß erteilt worden ist, weil gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen - wie hier - das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein kann, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 –, Rn. 16, juris BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 41 und Urteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rn. 22). Denn die Verwirkung eines Rechts setzt nicht zwingend die Kenntnis des Berechtigten von seiner Berechtigung voraus (BGH, Urteil vom 16. März 2007 – V ZR 190/06 – NJW 2007, 2183, Rn. 8, Senat, Urteil vom 13. Mai 2020 – 4 U 67/17 –, Rn. 30, juris).
b) Da dem Kläger nach den vorstehenden Ausführungen kein Widerrufsrecht zustand, hat die Klage mit keinem der Klageanträge Erfolg.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.782,38 € festgesetzt, dem Nettodarlehensbetrag (BGH, Beschlüsse vom 21. September 2020 - XI ZR 648/18 - Rn 3 und vom 26. Mai 2020 - XI ZR 414/19, Senat, Beschluss vom 18. Februar 2020 - 4 W 4/20). Die geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten bleiben als Nebenforderung nach § 43 Abs. 1 GKG außer Ansatz.