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Beschwerde; Nachbarwiderspruch; vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren; Prüfung von nicht zum Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gehörenden Vorschriften jedenfalls bei offenkundigen und unzweifelhaften Verstößen; bauaufsichtliches Einschreiten; Reihenhaus; Anbau an ein Reihenendhaus; Rücksichtnahmegebot; Einsichtsmöglichkeiten; Niederschlagswasser; Versickerung; Bodenversiegelung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 10.05.2021
Aktenzeichen OVG 10 S 72/20 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0510.OVG10S72.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 VwGO, § 212a BauGB, § 63 BauO BE, § 36a Abs 2 BWG, § 3 Nr 3 NiederWasV BY, § 34 Abs 1 BauGB, § 13 BauO BE, § 3 Nr 4 NiederWasV BY

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für das Beschwerdeverfahren; ihre außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren trägt die Beigeladene selbst.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen bauliche Änderungen am Reihenendhaus seiner Nachbarin.

Der Antragsteller ist Eigentümer des im Ortsteil Lankwitz des Bezirks Steglitz-Zehlendorf von Berlin gelegenen Grundstücks W...weg 29. Die Beigeladene ist Eigentümerin des Nachbargrundstücks W...weg 30. Das auf dem Grundstück W...weg 30 stehende Reihenendhaus der Beigeladenen ist Teil eines vier Grundstücke umfassenden Reihenhauses. Die Reihenend- bzw. -mittelhäuser sind 7,52 Meter breit und etwa 8 Meter tief. Die beiden Reihenmittelhäuser sind jeweils über einen schmalen Grundstücksstreifen mit dahinter gelegenen größeren Gartenflächen verbunden, während beide Reihenendhäuser unmittelbar hinterliegend und seitlich größere Gärten haben. Die Grundstücke liegen nach dem Baunutzungsplan 1958/60 i.V.m. den bauplanungsrechtlichen Vorschriften der Bauordnung für Berlin von 1958 im allgemeinen Wohngebiet der Baustufe II/3.

Auf Antrag der Beigeladenen vom 21. April 2020 genehmigte das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin im vereinfachten Verfahren gemäß § 63 BauO Bln mit Baugenehmigung vom 13. Juli 2020 den Dachraumausbau sowie die bauliche Änderung des Reihenendhauses und die Errichtung eines 3,42 Meter tiefen Anbaus. Der Anbau hält zur Grundstücksgrenze mit dem Antragsteller einen Abstand von 3,25 Meter ein. Für den als Küche geplanten Anbau genehmigte das Bezirksamt ebenfalls mit Bescheid vom 13. Juli 2020 eine Abweichung wegen Unterschreitung der lichten Raumhöhe, die lediglich 2,30 Meter statt der gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln vorgeschriebenen 2,50 Meter beträgt. Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 6. August 2020 Widerspruch ein und beantragte mit Schreiben vom 27. August 2020 das bauaufsichtliche Einschreiten durch den Antragsgegner.

Das Verwaltungsgericht hat die Anträge des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Baugenehmigung und auf Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung zum bauaufsichtlichen Einschreiten abgelehnt. Gegen beides wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von dem Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Die Beschwerde wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Anbau (1.) und hinsichtlich einer Verpflichtung des Antragsgegners zum bauaufsichtlichen Einschreiten (2.) zu gewähren.

1. Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, das Vorhaben sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rücksichtslos, weil der Anbau zum Verlust des Reihenhauscharakters führe (a.), durch den Anbau und die davor liegende Terrasse unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten und Lärmbelastungen entstünden (b.) und aufgrund der höheren Grundstücksversiegelung Schäden durch Niederschlagswasser auf dem Nachbargrundstück drohten (c.).

Für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots genügt es nicht, wenn ein Vorhaben die Situation für den Nachbarn nachteilig verändert. Eine Rechtsverletzung ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn der Nachbar in städtebaulich relevanten Belangen unzumutbar beeinträchtigt ist. Dies lässt sich nicht anhand von verallgemeinerungsfähigen Maßstäben feststellen, sondern hängt von den jeweiligen konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Bei der gebotenen Gesamtschau sind die schutzwürdigen Belange des Nachbarn einerseits und die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen andererseits in den Blick zu nehmen und abzuwägen. Von Bedeutung sind dabei neben messbaren Kriterien wie Höhe und Länge des Gebäudes und Entfernung zum Nachbarn auch z.B. das Verhältnis der Baukörper auf den benachbarten Grundstücken und ihre Lage zueinander. Eine unzumutbare Beeinträchtigung im Sinne einer erdrückenden Wirkung wird etwa angenommen, wenn ein Vorhaben durch sein Ausmaß, seine Baumasse oder seine massive Gestaltung das Nachbargrundstück in besonderer Weise unangemessen benachteiligt (vgl. zum Ganzen OVG Bln-Bbg, Senatsbeschlüsse vom 19. Juli 2018 – OVG 10 S 52.17 – juris Rn. 20-21 m.w.N. und vom 27. November 2018 – OVG 10 S 57.17 – juris Rn. 18).

a. Die Beschwerde stellt die bereits erstinstanzlich von den Beteiligten geteilten Ausgangsüberlegungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage, dass die Festsetzung der geschlossenen Bauweise im Baunutzungsplan 1958/60 i.V.m. den bauplanungsrechtlichen Vorschriften der Bauordnung für Berlin von 1958 für den hier interessierenden Bereich funktionslos geworden sei, weshalb sich die Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich der Bauweise nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteile, und dass es sich bei der vorliegenden Reihenhausbebauung um eine gemäß § 8 Nr. 14 S. 2 BO 58 zulässige offene Bauweise handele, die Nachbarschutz nicht unmittelbar, aber über das Rücksichtnahmegebot vermittele.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller könne sich nicht im Sinne der „Doppelhaus-Rechtsprechung“ des Bundesverwaltungsgerichts, die für Reihenhäuser entsprechend gelte, auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots berufen, da sich der genehmigte Anbau eindeutig als untergeordneter Teil des Reihenendhauses darstelle, hat die Beschwerde nicht mit durchgreifenden Argumenten erschüttert.

Bei Einheiten aus zwei – oder entsprechend auch weiteren – Gebäuden ist das Erfordernis der baulichen Einheit bei offener Bauweise nur erfüllt, wenn die Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. August 2011 – BVerwG 4 B 25.11 – juris Rn. 5 und vom 19. März 2015 – BVerwG 4 B 65.14 – juris Rn. 6). Verlangt ist ein Mindestmaß an Übereinstimmung der Gebäude (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – BVerwG 4 C 5.12 – juris Rn. 16) jedenfalls in den ihnen Proportionen und Gestalt gebenden baulichen Elementen (OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 31. Juli 2015 – OVG 2 S 29.15 – juris Os. 4 und Rn. 15). Das Maß des Verträglichen wurde z.B. bei einem Baukörper als überschritten erachtet, der über eine Länge von fünf Metern an das benachbarte Wohnhaus angebaut war, jedoch dahinter um weitere acht Meter in den hinteren Gartenbereich versprang (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 – BVerwG 4 C 12.98 – juris Ls. 3 und Rn. 25). Ein in offener Bauweise unzulässiger einseitiger Grenzanbau kann auch entstehen, wenn ein nicht grenzständiger Anbau wegen seiner Abmessungen die bisherige Doppelhaushälfte so massiv verändert, dass die beiden Gebäude nicht mehr als bauliche Einheit erscheinen. Ein solcher Fall kann insbesondere dann gegeben sein, wenn der im Verhältnis zur bisherigen Kubatur massive Anbau grenznah errichtet wird und – in seiner Wirkung einem grenzständigen Anbau vergleichbar – die Freiflächen auf dem Grundstück der anderen Doppelhaushälfte abriegelt. Ob ein nicht grenzständiger Anbau die bisherige bauliche Einheit zweier Doppelhaushälften aufhebt, hängt maßgebend von den Umständen des Einzelfalls ab (BVerwG, Beschluss vom 10. April 2012 – BVerwG 4 B 42.11 – juris Rn. 9).

Der Antragsteller führt als Argumente für ein Überschreiten der aufgrund der Reihenhauskonzeption gebotenen wechselseitigen Interessenswahrung die Vergrößerung der Grundfläche durch den Anbau um 29 Prozent, die „massive“ Bauweise und die „geplante Hauptnutzung“, den durch den Anbau hervorgerufenen und in der Reihe von vier Häusern empfindlich störenden Charakter eines „Kopfbaus“, die trotz eingehaltenen Abstands gegebene „Grenznähe“ und das Verhältnis der Grundfläche des Anbaus zur angrenzenden Freifläche auf seinem Grundstück an. Diese Argumente überzeugen mit Blick auf die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Kriterien nicht.

Wie der Antragsgegner zu Recht entgegnet, kann der Anbau nicht als so massiv bezeichnet werden, dass er die bisherige bauliche Einheit des Vorhabengebäudes mit dem Reihenmittelhaus des Antragstellers aufheben und den Eindruck des „Verspringens“ zum benachbarten Reihenmittelhaus hervorrufen würde. Der Anbau führt zwar zu einer Zunahme der Gesamt-GRZ um ca. 27 Prozent und der Gesamt-GFZ um ca. 18 Prozent. Das Vorhaben hält aber durch die GRZ von 0,15 und die GFZ von 0,347 das in der Baustufe II/3 zulässige Maß (GRZ: 0,3; GFZ: 0,6) immer noch sehr deutlich ein, was bereits gegen eine Massivität spricht. Der eingeschossige Anbau ist in der Höhe im Rahmen der Abweichung gegenüber dem Zulässigen nochmals zurückgenommen, während das Bestandsgebäude eine Höhe von 9,52 Metern aufweist, und hält den vorgeschriebenen Mindestabstand eindeutig ein. Die Bautiefe des Anbaus von 3,42 Metern verlängert das ca. 8 Meter tiefe Bestandsgebäude um weniger als 50 Prozent. Sowohl die Tiefe als auch die Höhe des Anbaus liegen unterhalb dessen, was in der Rechtsprechung als Kriterium für eine hinsichtlich seiner Abmessungen erhebliche Erweiterung angesehen wurde; auch weist der Anbau weder eine deutlich über dem Geländeniveau liegende Fußbodenoberkante noch ein breiteres Dach auf (vgl. zu einer solchen Gestaltung: OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 29. Januar 2016 – OVG 2 S 58.15 – juris Rn. 5). Stark ins Gewicht fällt hier auch die ungewöhnliche Konstellation auf dem Nachbargrundstück, dessen größere, durch den Anbau qualitativ praktisch nicht beeinflusste Freifläche sich hinter dem Vorhabengrundstück befindet. Außerdem führt die geplante Nutzung des Anbaus als Küche weder zu einer relevanten Verschiebung der Größenverhältnisse noch zu einer Nutzungsintensivierung des Gebäudes. Bei einer Gesamtbetrachtung der GFZ und GRZ, der Länge, Breite und Höhe, der geplanten Nutzung und der Position zur Grundstücksgrenze, zum Nachbargebäude und zum Nachbargrundstück insgesamt stellt sich der Anbau demnach, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, nicht als in der Reihe der vier Häuser fremdartiger „Kopfbau“ dar, der in seiner Wirkung einem grenzständigen Anbau gleichkommen würde, sondern wirkt im Verhältnis zum Bestandsgebäude untergeordnet.

Soweit der Antragsteller ein Missverhältnis zwischen der Grundfläche des Anbaus und der unmittelbar an sein eigenes Wohnhaus grenzenden Freifläche geltend macht, muss er sich, wie der Antragsgegner zu Recht ausführt, auf die wesentlich größere Freifläche im hinteren Bereich seines Grundstücks verweisen lassen, auf der ihm der praktisch ungestörte Aufenthalt im Freien möglich ist. Angesichts dieser jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung in seinem Eigentum stehenden Freifläche ist nicht nachvollziehbar, warum er in besonderer Weise darauf angewiesen sein sollte, dass die „typische Luftigkeit“ im Bereich der rückwärtigen Fassaden erhalten bleibt. Unklar ist bereits, was der Antragsteller unter einer „typischen Luftigkeit“ versteht; soweit es um die Belüftung und Belichtung seines Grundstücks geht, ist eine wesentliche Beeinträchtigung dieser Belange angesichts der geringen Höhe des eingeschossigen Anbaus und der eingehaltenen Abstandsvorschriften nicht zu erwarten. Soweit der Antragsteller geltend macht, er dürfe nicht auf einen „Spaziergang auf seine rückwärtige Wiese“ verwiesen werden, ist diese Einlassung angesichts einer Entfernung von ca. 25 Metern zwischen der Rückwand seines Wohnhauses und der „rückwärtigen Wiese“ nicht nachvollziehbar.

Der mutmaßlich am 16. Februar 2021 erfolgte Verkauf des hinteren Grundstücksteils durch den Antragsteller ändert daran materiell und prozessual nichts. Materiell wirkt sich dieser Vorgang nicht mehr auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung aus, weil er erst nach deren Erteilung stattfand. Ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Rechts- und Sachlage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben (stRspr, vgl. z.B.: BVerwG, Beschlüsse vom 23. April 1998 – BVerwG 4 B 40.98 – juris Ls. 2 und Rn. 3 und vom 8. November 2010 – BVerwG 4 B 43.10 – juris Os. 1 und Rn. 9). Prozessual ist der außerhalb der Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO erfolgte Vortrag zum Verkauf des Grundstücksteils im Beschwerdeverfahren zudem unbeachtlich.

b. Der Antragsteller hat nicht hinreichend substantiiert dargelegt, warum das Vorhaben im Hinblick auf Einsichtsmöglichkeiten und Lärm trotz Einhaltung der Abstandsvorschriften sonst rücksichtlos sein sollte.

Ein Grundeigentümer, der sich gegen die Verwirklichung eines Bauvorhabens auf dem Nachbargrundstück zur Wehr setzt, kann unter dem Blickwinkel etwaiger Einsichtsmöglichkeiten grundsätzlich keine Rücksichtnahme erwarten, die über den Schutz hinausgeht, der diesen Interessen bereits durch die Grenzabstandsvorschriften zuteil wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1993 – BVerwG 4 C 5.93 – juris Rn. 22). Auch neu geschaffene Einsichtsmöglichkeiten begründen nicht aus sich heraus eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots (BayVGH, Beschluss vom 22. Mai 2019 – 9 ZB 17.54 – juris Rn. 5). Über die Indizwirkung der Einhaltung der Abstandsflächen hinaus kann eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch die Stellung des Baukörpers und die dadurch bewirkten erhöhten Einsichtsmöglichkeiten nur in absoluten Ausnahmefällen zum Tragen kommen. Dies gilt vor allem in innerstädtischen Lagen (OVG Bln-Bbg, Senatsbeschluss vom 29. September 2010 – OVG 10 S 21.10 – juris Rn. 13). Einsichtsmöglichkeiten von Nachbargrundstücken sind unter den Bedingungen einer verdichteten Bebauung in einer Großstadt nicht vollständig zu vermeiden (OVG Bln-Bbg, Senatsbeschluss vom 5. Juni 2015 – OVG 10 S 11.15 – juris Rn. 10).

Der Anbau hält die vorgeschriebenen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück ein. Zwar weist er eine auf das Grundstück des Antragstellers hin ausgerichtete, verglaste, bodentiefe Fenster- bzw. Türfront auf. Wie die Planung der Außenanlagen zeigt, ist jedoch ein Sichtschutz zum Nachbargrundstück durch eine 1,95 Meter hohe Trennwand und ein Hochbeet vorgesehen. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, durch diesen Sichtschutz beeinträchtigt zu werden. Aufgrund der Nutzung des Anbaus als Küche ist ohnehin nur mit flüchtigen Blicken auf das Nachbargrundstück zu rechnen.

Wegen der Einsichtsmöglichkeit auf die direkt vor seinem Haus liegende Terrasse konnte der Antragsteller zum maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung auf die Ausweichmöglichkeit im hinteren Bereich seines Grundstücks verwiesen werden, für den dadurch keine neuen Einsichtsmöglichkeiten entstehen.

Die Lage der vor dem Anbau geplanten Terrasse an der Grundstücksgrenze praktisch neben der Nachbarterrasse entspricht dem bei zwei Doppelhaushälften bzw. bei Reihenhäusern Üblichen. Auch auf der Terrasse intensiviert sich die bisherige Nutzung durch das geplante Vorhaben nicht. Dem befürchteten Lärm im Sinne eines „Party- und Eventbereichs“ ist ggf. mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts und des zivilen Nachbarschutzes zu begegnen.

c. Das Vorhaben ist auch nicht rücksichtslos wegen offensichtlich drohender Vernässungsschäden. Auf der Grundlage der Ausführungen der Beschwerde ist nicht erkennbar, dass die einschlägigen Vorschriften des § 36a Abs. 2 BWG sowie des § 3 Nr. 3 und Nr. 4 NWFreiV Teil des Prüfprogramms im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß § 63 BauO Bln wären bzw. hier gewesen sind. Ein Nachbar ist hinsichtlich im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach dem jeweiligen Landesrecht nicht zu prüfender Vorschriften selbst nicht in seinen Rechten betroffen und kann eine Verletzung solcher Bestimmungen nur im Wege des Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Vorhaben als solches geltend machen (BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1997 – BVerwG 4 B 244.96 – juris Os. 1 und Rn. 3). Jedenfalls bei offenkundigen und unzweifelhaften Verstößen gegen nicht zum Prüfprogramm gehörende Vorschriften kann allerdings die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag wegen Fehlens eines Sachbescheidungsinteresses ablehnen, weil kein Interesse an der Erteilung einer Baugenehmigung für ein Bauvorhaben besteht, dessen Verwirklichung sofort mit einer Baueinstellungsverfügung, einer Nutzungsuntersagung oder gar einer Beseitigungsverfügung wieder unterbunden werden müsste (VG Darmstadt, Urteil vom 7. Juni 2005 – 2 E 2905/04 – juris Ls. 1 und Rn. 19; BayVGH, Urteil vom 23. März 2006 – 26 B 05.555 – juris Os. 1-3 und Rn. 18 ff.; HessVGH, Beschluss vom 1. Oktober 2010 – 4 A 1907/10.Z – juris Ls. und Rn. 12 m.w.N.). Auch hierfür ist hier auf der Grundlage der Ausführungen der Beschwerde nichts erkennbar.

Nach der „Eidesstattlichen Versicherung“ der Frau C... vom 5. Februar 2021 soll der Antragsteller im Ortstermin am 15. Oktober 2020 ausführlich über die Problematik des auf sein Grundstück anfallenden Regenwassers gesprochen haben, da die Regenrinnen nicht getrennt gewesen seien. Dazu finden sich in der Niederschrift des Ortstermins und im Beschluss des Verwaltungsgerichts keine Hinweise. Jedenfalls wurde aber die gemeinsame Regenrinne, wie die Beigeladene im Beschwerdeverfahren dargelegt und der Antragsteller eingeräumt hat, im Dezember 2020 getrennt; die Beigeladene hat eine neue Regenrinne installiert und macht geltend, es gäbe an ihrem Gebäude nunmehr insgesamt drei Fallrohre, die sämtlich auf ihre Grundstückseite entwässerten. Dies spricht eindeutig dagegen, dass von einer gemeinsamen Regenrinne aktuell noch Gefahren ausgehen könnten.

Dahin stehen kann, ob es sich bei den vom Antragsteller geltend gemachten sonstigen, unabhängig von der gemeinsamen Regenrinne bestehenden Gefahren durch Niederschlagswasser um, wie der Antragsgegner meint, für das Beschwerdeverfahren aufgesparten, nicht mehr berücksichtigungsfähigen Vortrag handelt. Denn diesbezüglich fehlt es auch an einer hinreichenden Substantiierung durch den Antragsteller.

Zunächst trägt die Behauptung nicht, die Entwässerungssituation sei schon ohne den Anbau problematisch. Soweit der Antragsteller zum Beleg auf einen vor mehreren Jahren an seinem Wohnhaus aufgetretenen Wasserschaden verweist, ist dieses Ereignis dafür ungeeignet. Denn nach den von dem Antragsteller nicht mit durchgreifenden Argumenten in Frage gestellten Darlegungen der Beigeladenen und den von ihr vorgelegten Fotos ist es mindestens ebenso wahrscheinlich, dass der Wasserschaden durch ein unsachgemäß hergestelltes und dann verschlissenes Fallrohr oder durch ein Grundwasser- bzw. Schichtenwasserproblem verursacht wurde.

Die weitere Behauptung, die zusätzliche Versiegelung durch den Anbau und die Terrasse führe zu einer weiteren Verschlechterung, ist spekulativ und wird nicht durch die Ausführungen zur angeblich mangelnden Bodendurchlässigkeit substantiiert. Die Beschwerde verhält sich nicht substantiiert dazu, dass nach dem Außenanlagenplan nicht nur die vor dem Anbau gelegene Terrasse, sondern sämtliche Terrassenflächen auf dem Grundstück der Beigeladenen versickerungsoffen gestaltet werden, sondern beschränkt sich darauf, dies pauschal zu bestreiten.

Weiter fehlt es an belastbaren Ausführungen zu den Versickerungsbedingungen, d.h. zu den Durchlässigkeitsbeiwerten der vorhandenen Bodenschichten (vgl. hierzu ausführlich: OVG Bln-Bbg, Senatsbeschluss vom 25. Juni 2020 – OVG 10 S 32/20 – EA S. 5). Die Beschwerde legt nicht näher dar, warum die dem Außenanlagenplan zu entnehmende Versickerungsmulde auf dem Grundstück der Beigeladenen zu gering dimensioniert sein soll. Der Antragsteller behauptet nur pauschal, der Boden bestehe unterhalb der 10 bis 15 cm umfassenden Grasnarbe aus lehmhaltigen, weitgehend wasserundurchlässigen Schichten. Dazu hat er ein unergiebiges Foto vorgelegt, das jedenfalls nicht mit der notwendigen Klarheit eine Lehmschicht erkennen lässt.

Außerdem ergibt sich aus dem von dem Antragsteller in Bezug genommenen „Plan zur Grenzanzeige W...weg 29“ (Anlage BF 4) nicht, ob und ggf. welche Höhenunterschiede zwischen dem Grundstück der Beigeladenen und dem des Antragstellers insbesondere im Bereich des Anbaus bzw. der vor dem Haus des Antragstellers liegenden Freifläche bestehen. Der Plan weist im Bereich direkt vor dem Wohnhaus des Antragstellers lediglich auf dessen Grundstück Höhenpunkte auf, sagt jedoch nichts über etwaige Höhenunterschiede zum Grundstück der Beigeladenen aus. Ein nennenswertes Gefälle besteht nach dem Plan lediglich in nordwestlicher Richtung in Richtung der hinteren Grundstücksfläche des Antragstellers. Ein seitliches, in östlicher Richtung auf sein Wohnhaus zulaufendes Gefälle ist diesem Plan aber nicht zu entnehmen. Auch das vorgelegte Foto erlaubt keine Rückschlüsse auf die Fließrichtung und -menge etwaigen Niederschlagswassers vom Grundstück der Beigeladenen auf das Grundstück des Antragstellers.

Der Antragsteller hat schließlich keine Berechnung der unter den gegebenen Versickerungsbedingungen zu erwartenden Ablaufgeschwindigkeit der anfallenden Niederschlagsmengen vorgelegt. Allein aus einer – hier nicht einmal substantiiert dargelegten – abfallenden Geländeoberfläche folgt nicht, dass sämtliches Niederschlagswasser auf der Geländeoberfläche in eine Richtung abläuft, zumal sich die geplante Terrasse auf gleicher Höhe mit der Geländeoberfläche befinden soll; eine Aufschüttung ist nicht geplant. Demnach liegt es nahe, dass das Niederschlagswasser zu erheblichen Teilen auf den nicht versiegelten Flächen einschließlich der versickerungsoffenen Terrassenflächen versickern wird. Folglich ist bei lebensnaher Betrachtung nur in besonderen Ausnahmefällen damit zu rechnen, dass geringe Mengen Niederschlagswasser der versiegelten Flächen in Richtung des Nachbargrundstücks ablaufen.

Angesichts dessen fehlt es an offenkundigen, unzweifelhaften Anhaltspunkten, warum der Antragsgegner Nachweise zur Versickerung des Niederschlagswassers bei der Beigeladenen hätte anfordern müssen bzw. inwiefern dem Antragsteller eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Wasser oder Feuchtigkeit im Sinne des § 13 Satz 1 BauO Bln i.V.m. § 36a Abs. 2 BWG oder § 3 Nr. 3 und Nr. 4 NWFreiV drohen sollte.

Bei summarischer Prüfung ist somit nicht ersichtlich, dass die erteilte Baugenehmigung den Antragsteller in seinen Rechten verletzen und ihm deshalb ein Abwehranspruch zustehen könnte, so dass sein Interesse, von der Ausführung der Baugenehmigung vorerst verschont zu bleiben, die Interessen des Antragsgegners und der Beigeladenen am Vollzug der Baugenehmigung nicht überwiegt. Es bleibt daher bei der gesetzlich vorgeschriebenen Folge, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen die Baugenehmigung keine aufschiebende Wirkung hat (§ 212a Abs. 1 BauGB), weshalb sein Rechtsschutzantrag zu 1. keinen Erfolg hat.

2. Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich der Antragsteller gegen die Ablehnung des Verwaltungsgerichts, den Antragsgegner vorläufig zum bauaufsichtlichen Einschreiten zu verpflichten. Ein Anordnungsanspruch ist nicht substantiiert dargelegt. Denn wie oben ausgeführt ist die Baugenehmigung nach dem im einstweiligen Rechtsschutz maßgeblichen Prüfungsmaßstab rechtmäßig. Außerdem fehlt es angesichts der genannten Erwägungen an Anhaltspunkten dafür, dass wegen eines im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß § 63 BauO Bln etwa nicht geprüften Belangs – was den geplanten Anbau einschließlich der genehmigungsfreien Teile des geplanten Vorhabens (Carport usw.), die Bestandsbebauung und die Außenanlagen im Hinblick auf Vernässung des Nachbargrundstücks betreffen mag – ein vorläufiges bauaufsichtliches Einschreiten geboten wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im tenorierten Umfang aufzuerlegen, weil die Beigeladene nur im Beschwerdeverfahren einen Zurückweisungsantrag gestellt und sich lediglich insoweit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 2 und 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wobei der Senat der erstinstanzlichen Festsetzung folgt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).