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Entscheidung 3 L 628/20


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 3. Kammer Entscheidungsdatum 12.05.2021
Aktenzeichen 3 L 628/20 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2021:0512.3L628.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers VG 3 K 1703/20 gegen die Ausweisungsverfügung des Antragsgegners vom 30. Juni 2020 wird bezogen auf Nr. 2 des Tenors der Ausweisungsverfügung wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.

3. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird für das Eilverfahren abgelehnt.

Gründe

I.

Der nach eigenen Angaben im Januar 1997 geborene Antragsteller begehrt Eilrechtsschutz gegen die Vollziehung einer Ausweisungsverfügung.

Er ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit sunnitischen Glaubens und mit einer syrischen Staatsangehörigen verheiratet, die sich nicht in Deutschland aufhält. Er hat mit ihr ein gemeinsames Kind, das bei der Mutter lebt.

Der Antragsteller reiste im August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo ihm auf seinen Antrag mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Oktober 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und am 12. November 2015 ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erteilt wurde, dessen Gültigkeit bis zum 11. November 2018 befristet war.

Nach einer Anzeige eines Bekannten des Antragstellers, wonach der Letztgenannte einen islamistisch motivierten Terroranschlag vorbereite, kam der in Deutschland bis dahin nicht vorbestrafte Antragsteller am 22. März 2016 in Untersuchungshaft. Haftgrund war der dringende Tatverdacht, sich als Mitglied an der terroristischen Vereinigung im Ausland „Islamischer Staat (IS)“ beteiligt zu haben. Dies hatte der Antragsteller in seiner ersten polizeilichen Vernehmung selbst eingeräumt.

Nach umfangreichen Ermittlungen erhob der Generalbundesanwalt am 11. Oktober 2016 Anklage, auf deren Grundlage der Antragsteller mit Urteil des Kammergerichts vom 19. Mai 2017 – (1) 2 StE 17/16-1 (5/16) – wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in 950 Fällen, davon in 149 Fällen jeweils in Tateinheit mit der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt worden ist. Zu den abgeurteilten Taten gehörten neben der bewaffneten Teilnahme des Antragstellers an der Belagerung eines Flughafens und an der Einkesselung einer Stadt in Syrien auf der Seite des IS sowie der Einbindung des Antragstellers in die Logistik der Lebensmittelbeschaffung des IS in Syrien auch Beteiligungshandlungen in Deutschland. Insoweit ging das Kammergericht davon aus, dass der Antragsteller im Januar 2016 aus eigenem Antrieb und getragen von dem Willen, den IS weiter zu fördern, diesem von Deutschland aus eine nicht näher identifizierte, in Syrien aufhältliche Person als weiteren Kämpfer für den Einsatz in Syrien vermittelt habe. Ferner habe der Antragsteller beabsichtigt, in den bewaffneten Kampf des IS in Syrien zurückzukehren. Gegenüber einem IS-Mitglied habe der Antragsteller am 2. März 2016 seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, zusammen mit zwei weiteren Personen einen noch nicht näher konkretisierten Anschlag für den IS in Deutschland zu begehen und darüber hinaus auch als Kontaktmann für etwaige Attentäter des IS in Deutschland zur Verfügung zu stehen. Schließlich habe der Antragsteller einem Imam, der ihn in Syrien für den IS angeworben habe, im Februar 2016 mitgeteilt, welche weichen Ziele in Berlin für einen terroristischen Anschlag besonders geeignet seien. Er habe die von ihm bei Reisen nach Berlin erlangten Informationen zur Anzahl von Reisebussen und Personen am Brandenburger Tor, Reichstag und Alexanderplatz an den Imam weitergegeben, in dem Bewusstsein von deren Bedeutung für ein Attentat.

Der Antragsteller verbüßte die gegen ihn verhängte Strafe bis März 2021 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wriezen im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners.

Mit Bescheid vom 28. August 2017 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gegenüber dem Antragsteller die diesem 2015 zuerkannte Flüchtlingseigenschaft und entschied zugleich, dass der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt werde und – hinsichtlich Syrien – ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG vorliege. Zur Begründung verwies das Bundesamt darauf, dass die Gewährung von Flüchtlingsschutz für den Antragsteller wegen dessen Verurteilung ausgeschlossen sei. Es sei aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass er den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt habe und dass er aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen sei. Der Bescheid ist in vollem Umfang bestandskräftig geworden.

Ein Widerruf der erteilten Aufenthaltserlaubnis erfolgte nicht. Nach ihrem Ablauf im November 2018 wurde für den Antragsteller eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt.

Anträge des Antragstellers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 AufenthG und auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. Juni 2020 ab. Zur Begründung verwies er u.a. auf den bestandskräftigen Widerruf der Flüchtlingsanerkennung und auf die Verurteilung durch das Kammergericht. Nach Zurückweisung eines gegen diesen ablehnenden Bescheid erhobenen Widerspruchs hat der Antragsteller am 22. Dezember 2020 Klage auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erhoben, die unter dem Aktenzeichen VG 3 K 1694/20 geführt wird.

Mit Ausweisungsverfügung vom 30. Juni 2020 wies der Antragsgegner sodann den Antragsteller aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1 der Ausweisungsverfügung). Ferner forderte er ihn mit Nr. 2 der Ausweisungsverfügung auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 10 Tagen nach Wegfall der „Allgemeinen Weisung des Ministers des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg hinsichtlich der Anordnung der Aussetzung von Abschiebungen nach Syrien gemäß § 60a Abs. 1 AufenthG“ zu verlassen. Für den Fall, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkomme, drohte der Antragsgegner ihm die Abschiebung nach Syrien an. Er erklärte sodann ausdrücklich, dass die Abschiebungsandrohung unter dem Vorbehalt der Änderung/Aufhebung der Erlasslage hinsichtlich der Aussetzung der Abschiebung nach Syrien ergehe. Schließlich befristete der Antragsgegner mit Nr. 3 der Ausweisungsverfügung die Sperrwirkung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 20 Jahre ab dem Tag der nachgewiesenen Ausreise des Antragstellers. Mit Nr. 4 verpflichtete er den Antragsteller u.a., sich einmal wöchentlich bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeidienststelle zu melden. In Nr. 5. wies er auf die Beschränkung des Aufenthalts des Antragstellers auf den Bezirk des Antragsgegners hin. Schriftlich ordnete er mit Nr. 6 der Ausweisungsverfügung die sofortige Vollziehung der Nummern 1, 2, 3 und 4 dieser Ausweisungsverfügung im öffentlichen Interesse an.

Nach Zurückweisung eines gegen diese Ausweisungsverfügung eingelegten Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2020 hat der Antragsteller am 23. Dezember 2020 Klage erhoben und zugleich die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Die Klage wird unter dem Aktenzeichen VG 3 K 1703/20 geführt.

Mit Beschluss vom 26. Februar 2021 entschied das Amtsgericht Bad Freienwalde in Vorbereitung der Haftentlassung des Antragstellers auf der Grundlage eines psychiatrisch-forensischen Prognosegutachtens vom 19. November 2020, dass mit der Entlassung aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht für die Höchstdauer von fünf Jahren eintreten solle. Ein Entfallen der Maßregel ordnete das Gericht nicht an, weil nach dem Vorleben des Verurteilten nicht zu erwarten sei, dass er ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen werde.

Die Kammer hat neben den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners die Ermittlungs- und Strafakten zu dem Strafverfahren vor dem Kammergericht Berlin und die Strafvollzugsakten betreffend den Antragsteller beigezogen und Auszüge aus diesen Akten zur vorliegenden Gerichtsakte genommen.

II.

Begründung Sachentscheidung

A. Der Antrag, der sich bei einer Auslegung entsprechend dem erkennbaren Begehren des Antragstellers (§ 88 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die gesamte Ausweisungsverfügung vom 30. Juni 2020 richtet, ist zulässig, hat aber in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Prüfungsmaßstab § 80 VwGO
I. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Allerdings entfällt diese u.a. gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgeschrieben ist oder in den Fällen, in denen die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse anordnet. Das Gericht kann dann auf Antrag gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage gegen für sofort vollziehbar erklärte Verwaltungsakte wiederherstellen und gegen von Gesetzes wegen sofort vollziehbare Verwaltungsakte anordnen. Solche Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes haben Erfolg, wenn das Gericht das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des Verwaltungsaktes vorerst verschont zu bleiben, im Rahmen einer Abwägungsentscheidung höher bewertet als das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug. Da an der sofortigen Vollziehung eines erkennbar rechtswidrigen Verwaltungsakts ebenso wenig ein berechtigtes Interesse bestehen kann, wie an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines offensichtlich aussichtslosen Rechtsbehelfs, ist für die Abwägung der widerstreitenden Interessen zunächst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen. Diese sind zu beurteilen aufgrund einer – im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich allein möglichen und gebotenen – summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, die weder die Durchführung eigener Ermittlungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Februar 2002 – 1 BvR 300/02 –, juris Rn. 5 ff.) noch die abschließende Klärung schwieriger Rechtsfragen umfasst.

Subsumtion
II. Hieran gemessen bleibt der Antrag des Antragstellers ganz überwiegend erfolglos, weil sich die in der Hauptsache angegriffenen Regelungen der Ausweisungsverfügung vom 30. Juni 2020 mit Ausnahme der (in der Nr. 2 des Tenors der Ausweisungsverfügung geregelten) Abschiebungsandrohung bei summarischer Prüfung als rechtmäßig darstellen.

Ausweisung
1. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die vom Antragsgegner verfügte Ausweisung des Antragstellers (Nr. 1 der Ausweisungsverfügung).

Wegfall der aufschiebenden Wirkung
a. Die hiergegen erhobene Klage hatte zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung, denn eine gesetzliche Regelung, die die aufschiebende Wirkung entfallen lassen würde, ist nicht ersichtlich. Insbesondere lässt § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen eine Ausweisung ausdrücklich unberührt. Der Antragsgegner hat aber mit der Nr. 6 der Ausweisungsverfügung die sofortige Vollziehung u.a. der verfügten Ausweisung angeordnet, so dass die aufschiebende Wirkung der hiergegen erhobenen Klage gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO entfallen ist.

Formell: Begründung VzA gemäß § 80 Abs. 3 VwGO
b. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung ist formell ordnungsgemäß, insbesondere genügt ihre schriftliche Begründung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat auf den Seiten 16 und 17 der Ausweisungsverfügung unter Abstellen auf den konkreten Einzelfall substantiiert dargelegt, warum er davon ausgeht, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ausweisung besteht, das über das Erlassinteresse hinausgeht. Ob diese Begründung durchgreift, ist für die zunächst zu treffende Entscheidung, ob die Anordnung den formellen Anforderungen des § 80Abs. 3 VwGO genügt, unbeachtlich.

Materiell: Rechtmäßigkeit der Ausweisung
c. Die verfügte Ausweisung erweist sich nach summarischer Prüfung auch in der Sache als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Bei der Abwägung sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere zu berücksichtigen: die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat.

Bezogen auf den Antragsteller liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vor (dazu nachfolgend unter i.), sein weiterer Aufenthalt gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung (dazu nachfolgend unter ii.), sein Bleibeinteresse wiegt weder besonders schwer noch schwer (dazu nachfolgend unter iii.) und bei einer Abwägung des besonders schwerwiegenden Interesses an der Ausreise mit dem Interesse an einem weiteren Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ergibt sich, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (dazu nachfolgend unter iv.). Der Antragsgegner ist schließlich auch nicht deshalb rechtlich an der Ausweisung gehindert, weil der Antragsteller auch ohne diese Ausweisung bereits ausreisepflichtig war oder weil seine Abschiebung aufgrund des für seine Person festgestellten Abschiebungsverbotes gegenwärtig unzulässig ist (dazu nachfolgend unter v.).

Ausweisungsinteresse: besonders schwerwiegend
i. Die Verurteilung des Antragstellers vom 19. Mai 2017 zu einer Jugendstrafe von 5 Jahren wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 129b Abs. 1 S. 1 und 2 des Strafgesetzbuches – StGB) begründet ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse.

§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG
(1) Dies ergibt sich zum einen unmittelbar aus § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil nach dieser Vorschrift das Ausweisungsinteresse dann „besonders schwer“ wiegt, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens 2 Jahren verurteilt worden ist.

§ 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG
(2) Darüber hinaus besteht im Fall des Antragstellers auch ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG.

Obersatz
(a) Nach dieser Vorschrift wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG besonders schwer, wenn der Ausländer die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Hiervon ist gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 AufenthG u.a. dann auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat.

Subsumtion
(b) Hier ergibt sich aus dem rechtskräftigen Urteil des Kammergerichts – (1) 2 StE 17/16-1 (5/16) – vom 19. Mai 2017, dass sich der Antragsteller Mitte des Jahres 2013 in Syrien dem sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) angeschlossen hat und dass er für diesen bis zum März 2016 tätig gewesen ist. Ebenso ergibt sich aus den umfangreichen Feststellungen in dem genannten Urteil, dass es sich bei dem IS um eine terroristische Vereinigung im Ausland handelt, die im Irak und in Syrien im großen Maßstab Mord und Völkermord begangen hat. Dem genannten Urteil lässt sich ferner entnehmen, dass die Mitgliedschaft des Antragstellers auch nicht mit der Ausreise aus Syrien endete. Vielmehr setzte er seine Tätigkeiten zur Förderung der Ziele des IS nach der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland aktiv fort. Er hielt mit verschiedenen IS-Mitgliedern, die um seine Mitgliedschaft wussten, Kontakt, sorgte für die Vermittlung eines neuen Mitglieds, erklärte seine Bereitschaft, als Kontaktmann für Attentäter zu dienen und (zusammen mit weiteren Personen) ein Attentat zu begehen, teilte potentielle Anschlagsziele mit und bereitete seine eigene Rückkehr nach Syrien vor, um dort vor Ort für den IS zu kämpfen.

Soweit der Antragsteller im Laufe des vor dem Kammergericht geführten gerichtlichen Verfahrens und auch danach bestritten hat, Mitglied des IS gewesen zu sein, hat schon das Kammergericht zu seiner Überzeugung festgestellt, dass diese Bekundungen des Antragstellers unwahr sind (Bl. 42 des Urteilsabdrucks). Denn der Antragsteller hatte in seiner ersten Vernehmung durch die Polizeibeamten seine Tätigkeit für den IS selbst eingeräumt (vgl. das Protokoll der Beschuldigtenvernehmung vom 22. März 2016, Beiakte 4 ab Bl. 12) und seine Kontakte zum IS sind durch zahlreiche Beweismittel belegt (vgl. die Feststellungen ab Bl. 42 des Kammergerichtsurteils). Nach den Feststellungen des Kammergerichts war der Antragsteller von der Ideologie des IS überzeugt. Er hatte dies auch gegenüber Landsleuten, mit denen er regelmäßig Kontakt hatte, offenbart und gegenüber einem von ihnen ausdrücklich erklärt, er würde auch einem Ansinnen des IS entsprechen, einen Anschlag in Deutschland zu begehen (Bl. 43 des Kammergerichtsurteils). Seine entsprechende Einstellung wird auch durch zahlreiche Fotos und Videos (teilweise mit expliziten Gewaltdarstellungen) und seine im Internet verwendeten Profilbilder belegt. Es wurde auch ein (nach seinem Dateinamen vermutlich im November 2015 aufgenommenes) Foto des Antragstellers gefunden (Bl. 121 der Beiakte 4), auf dem er mit schwarzem Turban, Messer, Funkgerät und einem vermutlichen Sprengstoffgürtel den sogenannten „Schahada-Finger“ zeigt (einen nach oben gerichteten Zeigefinger). Dabei handelt es sich um eine unter Jihadisten und damit auch unter IS-Anhängern typische Bekundung der Alleinstellung Allahs. Weitere Fotos zeigen den Antragsteller mit umgehängtem Munitionsgürtel und einem Maschinengewehr in der Hand in einer Art Stellung in einem Haus bzw. einer Ruine.

Ausschluss durch erkennbare unglaubhafte Abstandnahme?
(c) Die Annahme eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist im vorliegenden Fall auch dann nicht ausgeschlossen, wenn man den zweiten Halbsatz dieser Vorschrift berücksichtigt. Danach scheidet die Annahme eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach dieser Regelung aus, wenn der Ausländer erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt.

Die Kammer ist unter Würdigung aller vorliegenden Informationen, die sich insbesondere aus den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners, aus den beigezogenen Ermittlungs- und Strafakten sowie den Strafvollstreckungsakten und aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben, bei summarischer Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine hinreichend sichere Distanzierung des Antragstellers von der militanten Ideologie des IS und den darauf beruhenden sicherheitsgefährdenden Handlungen nicht festgestellt werden kann.

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass es verschiedene Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich die Einstellung und das Verhalten des Antragstellers seit dem Jahr 2016 geändert haben könnten.

Zwar war der Antragsteller noch während seiner Unterbringung in der Jugendstrafanstalt Berlin im Jahr 2017 dadurch aufgefallen, dass er agitierend Einfluss auf andere muslimische Inhaftierte genommen hatte; einige Mitgefangene berichteten auch, dass er am Haftraumfenster über seine Kampfeinsätze in Syrien geprahlt hätte. Ab 2018 stellten dann aber die Mitarbeiter der JVA Wriezen, in der er dann durchgehend inhaftiert gewesen ist, in den halbjährlichen Fortschreibungen des Vollzugs- und Eingliederungsplanes regelmäßig fest, dass der Antragsteller radikal-islamische oder extremistische Einstellungen innerhalb des Vollzuges zu keinem Zeitpunkt offen geäußert habe. Nachdem der Antragsteller anfänglich weder zu den abgeurteilten Sachverhalten noch zu der sich daraus ergebenden Radikalisierung Stellung genommen hatte, sodass auch der Leiter der JVA feststellen musste, dass weder ein Prozess der Einstellungsänderung noch etwaige Deradikalisierungsvorgänge nachgezeichnet werden könnten (vgl. die entsprechende Feststellung im Vollzugs- und Eingliederungsplan vom Juni 2018), wurde dem Antragsteller im weiteren Verlauf attestiert, dass er sich mit den Ursachen seiner Straftaten in psychologischen Einzelgesprächen auseinandergesetzt habe, sodass hier eine Weiterentwicklung stattgefunden habe. Eine radikale Einstellung sei nicht erkennbar. Der Antragsteller pflege keine Kontakte zu straftatbezogenen Personenkreisen. Dies werde auch durch den Mitarbeiter Migrationsfachberatung so bestätigt (vgl. das Schreiben des Leiters der JVA Wriezen an das Amtsgericht Bad Freienwalde vom 13. Dezember 2019, Beiakte 3). Auch das vom Amtsgericht in Auftrag gegebene psychiatrisch-forensische Prognosegutachten vom 13. November 2019 kam zu dem Schluss, dass sich „in der Gesamtschau aller persönlichkeitsbezogenen individuellen als auch statistischen Risikofaktoren keine Anhaltspunkte für eine weiterhin bestehende Gefährlichkeit des Antragstellers für die Allgemeinheit“ fänden. Zudem sei davon auszugehen, dass sich der Antragsteller vom radikal-islamischen Gedankengut abgewandt habe. Insofern lägen aus psychiatrischer Sicht keine erkennbaren Hindernisse für eine mögliche Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe vor. Der Antragsteller selbst erklärte in einer persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht Bad Freienwalde vom 17. März 2020 u.a., er habe während der Haftzeit viel Zeit zum Nachdenken gehabt, Deutsch gelernt, an verschiedenen Maßnahmen teilgenommen und psychologische Gespräche geführt. Diese Gespräche hätten sich auch mit seiner Vergangenheit und der Straftat auseinandergesetzt. Früher habe er schlimme Dinge gemacht. Jetzt denke er immer nach, bevor er etwas mache. Das Urteil stimme zum Teil und zum Teil nicht. Er habe es aber akzeptiert.

Diese Anhaltspunkte für eine Einstellungs- und Verhaltensänderung reichen jedoch bei einer Gesamtschau nicht aus, um bei summarischer Prüfung festzustellen, dass der Antragsteller erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hätte.

Die Kammer sieht sich mit diesem Ergebnis im Einklang mit den Entscheidungen des Amtsgerichts Bad Freienwalde (Beschlüsse vom 04. April 2020 und vom 26. Februar 2021) und des Kammergerichts (Beschluss vom 24. Juni 2020) in der Strafvollstreckungssache sowie mit der Stellungnahme des Generalbundesanwalts gegenüber der Vollstreckungsleiterin vom 16. Dezember 2019.

Diese Entscheidungen und Stellungnahmen haben sich mit den im jeweiligen Zeitpunkt bekannten Umständen, zu denen auch das psychiatrisch-forensische Gutachten vom 19. November 2019 gehörte, auseinandergesetzt und sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass bei dem Antragsteller tatsächlich eine Abkehr von seiner früheren radikal-islamischen Ideologie erfolgt sei (AG Bad Freienwalde im Beschluss vom 04. April 2020, Seite 5 des Beschlussabdrucks). Die Äußerungen des Antragstellers ließen vielmehr befürchten, dass seine aktuellen Bemühungen allein seinem vorzeitigen Entlassungswunsch entspringen würden (Stellungnahme des Generalbundesanwalts vom 16. Dezember 2019, Seite 2). Es bestehe weiterhin eine erhebliche Gefahr, dass der Antragsteller nach der Haftentlassung in islamistische Kreise zurückkehre und sich von diesen ausgehenden Tatanreizen nicht widersetzen könne (Kammergericht, Beschluss vom 24. Juni 2020, Seite 6 des Beschlussabdrucks).

Auch die Kammer kann nicht mit der Gewissheit, die angesichts der durch terroristische Handlungen gefährdeten hochrangigen Rechtsgüter erforderlich ist, zu ihrer Überzeugung feststellen, dass eine unter Haftbedingungen möglicherweise festzustellende Abkehr des Antragstellers von radikal-islamischem Gedankengut auch nach Haftentlassung Bestand haben würde. Sie teilt nach Würdigung des gesamten bekannten Sachverhaltes insbesondere die Auffassung, wonach eine erkennbare und glaubhafte Abwendung des Antragstellers vom radikal-islamischen Gedankengut deshalb nicht festgestellt werden kann, weil er nach wie vor versucht, die Taten, für die er verurteilt worden ist, zu bagatellisieren und seine diesbezüglichen Erklärungsversuche unglaubhaft sind. Insoweit hat das Kammergericht im Anschluss an den Generalbundesanwalt zu Recht darauf hingewiesen, dass auch der Gutachter festgestellt hat, dass der Antragsteller Bagatellisierungsbemühungen gezeigt habe. Dem Gutachten vom 19. November 2020 lässt sich auch entnehmen, dass z.B. in der Vollzugsplanfortsetzung vom 14. Mai 2018 festgestellt worden ist, dass der Antragsteller „teilweise erheblich abweichende Informationen preisgäbe, um eigene Ziele zu erreichen.“ Sowohl in Berlin als auch in Wriezen sei er als teilweise fordernd und auch manipulativ wahrgenommen worden (Gutachten, Seite 12). Berücksichtigt man dies und nimmt man hinzu, dass der Antragsteller entgegen den überzeugenden Feststellungen in dem Strafurteil und im Widerspruch zu seiner eigenen Einlassung in der ersten polizeilichen Vernehmung fortlaufend bestritten hat, bewusst Mitglied des IS gewesen zu sein (Seite 15 des Gutachtens), dass er ferner seine Radikalisierung und Gewaltbereitschaft geleugnet hat (Gutachten Seite 7 und Seite 29 ff.), die allerdings ihrerseits durch die Feststellungen im Urteil und die dort genannten Beweismittel belegt sind, und dass auch der Gutachter den Eindruck gewonnen hatte, dass der Antragsteller „hin und wieder“ durch seine (über-)freundliche und überangepasste Selbstdarstellung einen guten Eindruck hinterlassen wolle, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren (Bl. 32 des Gutachtens), verbleiben durchgreifende Zweifel an dem von ihm behaupteten Gesinnungswechsel und dessen Nachhaltigkeit. Die Kammer teilt – auch deshalb – die Einschätzung des Kammergerichts aus dem Beschluss vom 24. Juni 2020, wonach dem Antragsteller die nachträglich gegebene Erklärung seines strafbaren Verhaltens nicht geglaubt werden kann. Das Kammergericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die vom Antragsteller zur Rechtfertigung seines Verhaltens herangezogene Behauptung von „Naivität“ im Widerspruch zu der äußerst berechnenden Motivation steht, die sich aus seinem Vortrag ergibt, er habe die auf seinem Handy gefundenen Videoaufnahmen aus dem Internet runtergeladen, um sich im Falle einer Befragung durch den IS bei seiner Rückkehr darüber „schlau zu machen“, welche Regeln er im Falle einer Gesinnungsprüfung einzuhalten habe. Berechnend und unglaubhaft erscheint auch seine Erklärung dafür, warum sein Geständnis bei der Polizei nicht der Wahrheit entspreche. Seine diesbezügliche Behauptung, er habe geglaubt, wenn er gestehe, dass er für den IS gearbeitet habe, würde man ihm helfen, seine Familie nach Deutschland zu holen, ist nicht nachvollziehbar (so aber der Antragsteller gegenüber dem Gutachter, vgl. Bl. 29 des Gutachtens).

Fortbestehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
ii. Vor diesem Hintergrund geht die Kammer ebenfalls davon aus, dass der Aufenthalt des Antragstellers im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Tatsachengerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 – 1 C 45.06 –, juris, Rn. 14 ff.) auch weiterhin im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet.

Dies gilt sowohl unter dem Blickwinkel der Spezialprävention, also im Hinblick auf die Gefahren, die vom eigenen Verhalten des Antragstellers ausgehen, dazu nachfolgend unter (1), als auch generalpräventiv, also im Hinblick auf die Gefahren für die durch die Ausweisung zu schützenden Rechtsgüter, die sich unter dem Gesichtspunkt einer negativen Vorbildwirkung aus dem Verhalten anderer Ausländer ergeben könnten, wenn auf die Verfehlungen des Antragstellers aufenthaltsrechtlich nicht durch die Ausweisung reagiert würde, dazu nachfolgend unter (2).

Spezialpräventiv
(1) Im Hinblick auf die von dem Antragsteller selbst ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nimmt die Kammer nochmals Bezug auf die rechtskräftigen Feststellungen in dem Strafurteil des Kammergerichts. Danach war der Antragsteller vor seiner Inhaftierung auch in Deutschland aufgrund einer radikal-islamischen Überzeugung für die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ tätig geworden und hat hier für diese Vereinigung ein Mitglied geworben, deren Ideologie gegenüber anderen Ausländern vertreten und zu verbreiten gesucht und sich nicht nur als Kontaktmann für mögliche Attentäter angeboten, sondern auch selbst bereit erklärt, terroristische Anschläge für den IS in Deutschland zu begehen.

Aus den oben ausführlich zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 AufenthG dargestellten Gründen kann auch bei der anzustellenden eigenständigen Prognose zur Wiederholungsgefahr nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, dass der Antragsteller sich nicht länger von dieser militanten radikal-islamischen Überzeugung leiten lassen würde. Vor diesem Hintergrund bestehen die von ihm selbst ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung fort, die eine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen rechtfertigen.

Generalpräventiv
(2) Daneben (und selbstständig tragend) rechtfertigen auch generalpräventive Erwägungen die Ausweisung des Antragstellers.

Prüfung von Amts wegen
(a) Die Kammer ist an der Heranziehung auch generalpräventiver Gründe für die Ausweisung nicht deshalb gehindert, weil der Antragsgegner selbst die Ausweisung allein spezialpräventiv begründet hat. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird das Ausweisungsinteresse objektiv bestimmt. Generalpräventive Gründe sind deshalb auch dann zu berücksichtigen, wenn die Behörde ihrerseits die aufenthaltsrechtliche Entscheidung allein auf spezialpräventive Gründe gestützt hat, objektiv aber zusätzlich ein generalpräventives Ausweisungsinteresse vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16/17 –, juris Rn. 26).

Zulässigkeit und Voraussetzungen einer generalpräventiven Ausweisung
(b) Dies ist vorliegend der Fall.

Ausgangspunkt ist insoweit die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach – auch nach dem seit dem 1. Januar 2016 geltenden, geänderten Ausweisungsrecht – Ausweisungen auf generalpräventive Gründe gestützt werden können (BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2019 – 1 C 21/18 –, juris Rn. 16 ff.).

Danach kann eine Gefahr im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG nicht nur vom eigenen Verhalten des Ausländers ausgehen. Die in dieser Vorschrift angesprochene Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den Aufenthalt des Ausländers kann vielmehr auch darauf beruhen, dass im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer nicht wirksam davon abgehalten würden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2019 – 1 C 21/18 –, juris Rn. 17).

Subsumtion
(c) So ist es hier.

In den Blick zu nehmen ist insoweit, dass es in den letzten Jahren zahlreiche terroristische Anschläge durch islamistisch motivierte Gewalttäter in Europa und in Deutschland gegeben hat, die für den IS oder andere terroristische Vereinigungen aus dem arabischen Raum verübt worden sind. Es sind deshalb umfangreiche Regelungen über die Terrorismusbekämpfung auch durch die Europäische Union beschlossen worden (Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017), ausweislich derer der Terrorismus einen der schwersten Verstöße gegen die Grundsätze der Europäischen Union darstellt. Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Terrorismus stehen, betreffen unmittelbar die zentralen Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und gefährden in Anbetracht der gravierenden Folgen des Terrorismus Rechtsgüter von höchstem Wert. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass die Bedrohung durch den Terrorismus in den letzten Jahren zugenommen und sich rasch gewandelt habe. Von zurückkehrenden ausländischen terroristischen Kämpfern gehe eine erhöhte Sicherheitsbedrohung für alle Mitgliedstaaten aus. Ausländische terroristische Kämpfer seien mit unlängst verübten oder geplanten Anschlägen in mehreren Mitgliedstaaten in Verbindung gebracht worden (vgl. RL (EU) 2017/541 [Erwägungsgrund 4]). Die in jüngerer Zeit verübten Anschläge mit terroristischem Hintergrund in Deutschland und den europäischen Nachbarstaaten belegen die Aktualität der mit dem Terrorismus verknüpften erheblichen Gefahren für die innere Sicherheit sowie für Leib und Leben der Bürger.

Vor diesem Hintergrund rechtfertigen terroristische Aktivitäten – wie die dem Antragsteller in dem Urteil des Kammergerichts nachgewiesenen – auch aufenthaltsrechtlich adäquate Reaktionen, die das Ziel verfolgen dürfen, andere Ausländer von der Aufnahme oder Fortsetzung ähnlicher Aktivitäten abzuhalten.

Zeitliche Grenzen für generalpräventive Ausweisung
(d) Eine solche Ausweisung aus generalpräventiven Gründen ist im vorliegenden Fall auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie erst mit der angefochtenen Ausweisungsverfügung vom 30. Juni 2020 und damit mehr als 4 Jahre nach der letzten abgeurteilten Tat erfolgt ist.

Ausgangspunkt ist auch insoweit die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der eine generalpräventiv gestützte Ausweisung nur an ein Ausweisungsinteresse anknüpfen kann, das noch aktuell, also zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung noch vorhanden ist; denn jedes generalpräventive Ausweisungsinteresse verliert mit zunehmendem Zeitabstand an Bedeutung und kann ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr herangezogen werden. Dabei wird die untere zeitliche Grenze für die generalpräventive Ausweisung von der einfachen Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB gebildet, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt. Die obere Grenze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt (BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2019 – 1 C 21/18 –, juris Rn. 18 f.).

Im vorliegenden Fall sind diese zeitlichen Grenzen nicht überschritten. Denn die – vier Jahre nach der letzten Tat erfolgte – Ausweisung des Antragstellers hält schon die (nach dem vorstehenden maßgebliche) untere zeitliche Grenze der einfachen Verjährungsfrist ein. Diese beträgt – ausgehend von dem Höchstmaß der für die abgeurteilten Taten angedrohten Freiheitsstrafe von zehn Jahren (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) – ebenfalls zehn Jahre (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB).

Bleibeinteresse: weder schwer noch besonders schwer
iii. Gegenüber dem aufgrund all dessen bestehenden, besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse kommt dem Bleibeinteresse des Antragstellers weder ein schweres noch ein besonders schweres Gewicht zu. Denn in seinem Fall liegen die Voraussetzungen keines der in § 55 AufenthG geregelten Fälle vor.

Der volljährige Antragsteller ist in Syrien geboren und erst im Jahr 2015 nach Deutschland gekommen, wo sich keine Verwandten von ihm aufhalten. Die gesamte Familie des Antragstellers lebt – einschließlich seiner Ehefrau und seines minderjährigen Kindes – außerhalb Deutschlands. Die dem Antragsteller ursprünglich zuerkannte Flüchtlingseigenschaft ist mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. August 2017 bestandskräftig widerrufen worden. Seit dem Auslaufen der Befristung seiner nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis zum 11. November 2018 besitzt er keinen Aufenthaltstitel für Deutschland. Seinen Antrag auf Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 oder § 25 Abs. 3 AufenthG hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. Juni 2020 abgelehnt; dieser Bescheid ist gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG kraft Gesetzes sofort vollziehbar.

Abwägung Ausweisungsinteresse und Bleibeinteresse
iv. Vor diesem Hintergrund ergibt die gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Vertypte Betrachtung
(1) Insoweit spricht zunächst das Nichtvorliegen eines typisierten besonders schweren oder schweren Bleibeinteresses nach § 55 Abs. 1 oder 2 AufenthG als Gegengewicht zu dem hier vorliegenden besonders schweren Ausweisungsinteresse für das Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Ausweisung (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 21. Oktober 2020 – 7 K 2047/20 –, juris Rn. 38).

Ergänzende Einzelfallbetrachtung (§ 53 Abs. 2 AufenthG)
(2) Auch eine Einbeziehung aller weiteren für die Abwägung relevanten Faktoren führt zu keinem anderen Ergebnis. Solche Faktoren sind nach § 53 Abs. 2 AufenthG insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Antragstellers, seine persönlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner und die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat. Zudem sind die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG sowie die des Art. 8 EMRK zu berücksichtigten.

Der im Januar 1997 geborene Antragsteller hat sich vor seiner Inhaftierung im März 2016 noch nicht einmal ein Jahr in Deutschland aufgehalten und hier dementsprechend auch keine schutzwürdigen Bindungen aufbauen können. Er verfügt weder über Familienangehörige noch Lebenspartner und hat sich in der kurzen Zeit seines freien Aufenthaltes in Deutschland auch alles andere als rechtstreu verhalten. Verwandtschaftliche Bindungen bestehen nur zu seinem Herkunftsstaat, wo seine Ehefrau und sein Kind sowie seine Eltern leben, und zu Saudi-Arabien, wo eine Schwester wohnt.

Weitere für die Abwägung relevante Gesichtspunkte, die zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis führen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die vor diesem Hintergrund im Einklang mit § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG verfügte Ausweisung und der damit verbundene Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes) und in sein Privatleben (Art. 8 EMRK) erweist sich im Einzelfall auch als verhältnismäßig.

Denn der durch diese Ausweisung zu erreichende Schutz vor Terrorismus bzw. vor damit im Zusammenhang stehenden, den Terrorismus fördernden Straftaten, wie sie vom Antragsteller begangen wurden, ist in einer demokratischen Gesellschaft, die durch den Terrorismus in ihrem Wesensgehalt angegriffen wird, notwendig. Die Ausweisung dient der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie dem Schutz von Leib und Leben. Mithin erweisen sich die mit der Ausweisung verbundenen Eingriffe in Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK als gerechtfertigt im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 05. April 2018 – 7 A 11529/17 –, juris Rn. 62).

Anderweitig begründete Ausreisepflicht und Abschiebungsverbot stehende Auffassung nicht entgegen
v. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung wird bei summarischer Prüfung auch nicht durch den Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers infrage gestellt, wonach die Ausweisung angesichts des für Syrien bestehenden Rückführungsverbots der Innenminister nicht umgesetzt werden könne, weil eine Abschiebung hohe Hürden überwinden müsse.

Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, dass der entsprechende Abschiebungsstopp für Brandenburg zum Ende des Jahres 2020 ausgelaufen ist.

Zum anderen ist es aber auch nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Ausweisung, dass der Aufenthalt des Ausgewiesenen auch tatsächlich beendet werden kann.

Zwar ist es regelmäßig das Ziel einer Ausweisung, einem Ausländer zu gebieten, das Land zu verlassen und ihm zu verbieten, es erneut zu betreten (BVerwG, Urteil vom 31. März 1998 – 1 C 28/97 –, juris Rn. 11). Der Ausweisung kommen daneben aber – kraft Gesetzes – noch vielfältige weitere aufenthaltsrechtliche Wirkungen zu, die ihren Erlass rechtfertigen können.

Zu dem durch die Ausweisung bewirkten Erlöschen wirksamer Aufenthaltstitel (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und der hierdurch herbeigeführten Ausreisepflicht, zu der Zurückweisung an der Grenze (§ 15 Abs. 1 AufenthG) und zu dem mit der Ausweisung verbundenen Verbot von Einreise und Aufenthalt (§ 11 Abs. 1 S. 1 AufenthG) tritt nämlich auch die sogenannte Titelerteilungssperre hinzu (§ 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG und § 25 Abs. 1 S. 2 AufenthG). Danach darf einem ausgewiesenen Ausländer selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden. Ferner schließt eine Ausweisung auch die Erteilung einer Ausbildungsduldung (§ 60c Abs. 2 Nr. 4 AufenthG) und einer Beschäftigungsduldung (§ 60d Abs. 1 Nr. 9 AufenthG) aus und gemäß § 56 AufenthG kann der Aufenthalt von Ausländern, gegen die eine Ausweisungsverfügung aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht, in vielfältiger Hinsicht beschränkt werden.

Vor dem Hintergrund dieser weiteren Wirkungen ist die Ausweisung eines Ausländers nicht nur gerechtfertigt, wenn damit ein ihm erteilter Aufenthaltstitel zum Erlöschen gebracht und seine Ausreisepflicht begründet werden soll (so auch BVerwG, Urteil vom 31. März 1998 – 1 C 28/97 –, juris Rn. 11). Die Zulässigkeit einer Ausweisung setzt auch nicht voraus, dass der Betroffene im Anschluss auch tatsächlich abgeschoben werden kann. Eine Ausweisung ist vielmehr auch dann gerechtfertigt, wenn mit ihr aufgrund der damit verbundenen vielfältigen aufenthaltsrechtlichen Wirkungen, wie sie oben dargestellt wurden, einer weiteren Verfestigung des Aufenthalts des auszuweisenden Ausländers entgegengewirkt oder Aufenthaltsbeschränkungen ausgelöst werden sollen (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 21. April 2010 – 11 S 200/10 –, juris Rn. 60 und VGH München, Urteil vom 28. Juni 2016 – 10 B 15.1854 –, juris Rn. 41 und 42).

So verhält es sich im vorliegend zu entscheidenden Fall.

Die – nach dem oben Gesagten zu Recht auf § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gestützte – Ausweisung des Antragstellers begründet nämlich besondere Befugnisse zur Beschränkung seines Aufenthaltes (§ 56 AufenthG i.V.m.), die geeignet sind, solchen künftigen Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Inland vorzubeugen, die vom Antragsteller selbst ausgehen könnten. Die Ausweisung steht damit schon unter spezialpräventiven Gesichtspunkten im Einklang mit dem typischen Ziel von Ausweisungen (vgl. zu diesem Ziel BVerwG, Urteil vom 31. März 1998 – 1 C 28/97 –, juris Rn. 13). Aber auch generalpräventive Gesichtspunkte rechtfertigen die Ausweisung trotz dem bestehenden Abschiebungsverbot. Denn die Herbeiführung der oben aufgezählten Rechtswirkungen der Ausweisung gegenüber dem Antragsteller ist auch geeignet, anderen Ausländern, die Abschiebungsschutz besitzen, deutlich vor Augen zu führen, dass die Begehung von vergleichbar schweren Straftaten auch dann aufenthaltsrechtlich zu gravierenden Nachteilen führt, wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet tatsächlich nicht beendet werden kann (VGH München, Urteil vom 28. Juni 2016 – 10 B 15.1854 –, juris Rn. 42).

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht die Ausweisung eines Syrers als rechtmäßig beurteilt, auch wenn dieser – wie der Antragsteller im vorliegenden Fall – wegen eines bestandskräftig festgestellten Abschiebungsverbotes nicht abgeschoben werden konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2019 – 1 C 21/18 –, juris Rn. 28). Die Kammer schließt sich der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts an, wonach die Eignung der Ausweisung, andere Ausländer von der Begehung vergleichbarer Verstöße gegen die Rechtsordnung abzuhalten, nicht dadurch infrage gestellt wird, dass der Antragsteller aufgrund des zu seinen Gunsten festgestellten Abschiebungsverbots bis auf Weiteres nicht nach Syrien abgeschoben werden kann und auch sein bisheriger Aufenthaltsstatus mangels rechtmäßigen Aufenthalts gegenwärtig nicht verschlechtert wird. Denn schon der (mit einer Ausweisung verbundenen) Titelerteilungssperre nach § 11 Abs. 1 AufenthG, die auch einem Erfolg der Klage des Antragstellers VG 3 K 1694/20 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen könnte, ist eine – die Ausweisung rechtfertigende – generalpräventive Wirkung beizumessen (BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2019 – 1 C 21/18 –, juris Rn. 23). Anders gesagt ist die Ausweisung des Antragstellers trotz dem Abschiebungsverbot und der bereits zuvor bestehenden Ausreisepflicht auch deshalb gerechtfertigt, weil sie einen hinreichenden Abschreckungseffekt gegenüber anderen Ausländern haben kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 1995 – 1 B 55/95 –, juris Rn. 9).

Abschiebungsandrohung
2. Während sich also die mit der Nr. 1 des in der Hauptsache angefochtenen Bescheides verfügte Ausweisung des Antragstellers bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist, gilt dies nicht für die Abschiebungsandrohung (Nr. 2 der Ausweisungsverfügung). Diese Androhung stellt sich im Gegenteil bei summarischer Prüfung als rechtswidrig dar.

Denn der Antragsgegner hat nicht berücksichtigt, dass bezogen auf den Antragsteller mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. August 2017 ein Abschiebungsverbot festgestellt worden ist. Zwar steht dieses Abschiebungsverbot der Androhung der Abschiebung nicht entgegen (§ 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Nach § 59 Abs. 3 S. 2 AufenthG ist allerdings in der Androhung der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

Daran fehlt es hier.

Der Antragsgegner hat zwar den im Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung geltenden allgemeinen Abschiebungsstopp für syrische Staatsangehörige berücksichtigt und die Abschiebungsandrohung deshalb unter den „Vorbehalt der Änderung/ Aufhebung der Erlasslage“ gestellt. Er hat aber offenbar übersehen, dass auch nach Auslaufen des Abschiebungsstopps zum 31.Dezember 2020 das konkrete Abschiebungsverbot aus dem Bescheid vom 28. August 2017 zugunsten des Antragstellers fortbesteht. Er hätte deshalb in der Abschiebungsandrohung feststellen müssen, dass der Antragsteller unabhängig von der allgemeinen Erlasslage nicht nach Syrien abgeschoben werden darf.

Da an der sofortigen Vollziehung dieser rechtswidrigen Abschiebungsandrohung kein durchgreifendes öffentliches Interesse besteht und die vom Antragsgegner mit der Nr. 6 des Tenors der Ausweisungsverfügung ausgesprochene Anordnung der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung deshalb keinen Bestand haben kann, war die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nr. 2 der Ausweisungsverfügung wiederherzustellen.

Die Kammer geht insoweit davon aus, dass mit der Abschiebungsandrohung eine Ausreisepflicht des Antragstellers vollstreckt werden soll, die nicht durch Verwaltungsakt, sondern durch Gesetz (§ 50 Abs. 1 AufenthG) begründet worden ist. Für Maßnahmen, die nicht der Vollstreckung eines Verwaltungsaktes, sondern der Vollstreckung einer solchen gesetzlichen Pflicht dienen, gilt das Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (VwVGBbg) nicht, weshalb auch die Suspendierung der aufschiebenden Wirkung durch § 16 VwVGBbg vorliegend nicht greift (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Dezember 2020 – OVG 2 S 47/20 –, juris Rn. 7). In Ermangelung einer anderen gesetzlichen Vorschrift, die den Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen solche Vollstreckungsmaßnahmen anordnen würde, war vorliegend Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 S. S. 1 letzter Halbsatz i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 VwGO zu gewähren.

Befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot
3. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Nr. 3 der Ausweisungsverfügung hat hingegen keinen Erfolg.

Der Antragsgegner hat mit dieser Regelung die Sperrwirkung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 20 Jahre ab dem Tag der nachgewiesenen Ausreise des Antragstellers befristet.

Ausgangspunkt der Prüfung ist insoweit die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass mit einer behördlichen Befristungsentscheidung zugleich mit konstitutiver Wirkung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 AufenthG angeordnet wird (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Juli 2020 – OVG 3 B 3/20 –, juris Rn. 15 m.w.N.).

Nach § 11 Abs. 1 S. 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Falle der Ausweisung gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 S. 3 AufenthG). Gemäß § 11 Abs. 2 S. 4 AufenthG beginnt die Frist mit der Ausreise. Zwar wird nach § 11 Abs. 3 S. 1 AufenthG über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden und die Frist darf 5 Jahre nicht überschreiten. Etwas anderes gilt allerdings in den Fällen von § 11 Abs. 5 bis 5b AufenthG und damit auch im Anwendungsbereich von § 11 Abs. 5a AufenthG. Nach S. 1 dieser Vorschrift soll die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist in diesem Fall grundsätzlich ausgeschlossen (§ 11 Abs. 5a S. 3 AufenthG). Gemäß § 11 Abs. 5a S. 4 AufenthG kann die oberste Landesbehörde im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen. Schließlich ordnet § 11 Abs. 5b S. 2 AufenthG an, dass in den Fällen des Abs. 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden kann.

Der Antragsgegner hat sich in Ausübung des ihm durch diese Vorschrift eröffneten Ermessens gegen ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot entschieden, obwohl dessen tatbestandliche Voraussetzungen bei summarischer Prüfung im Fall des Antragstellers erfüllt sind.

Da er den Antragsteller (als rechtskräftig verurteiltes Mitglied einer terroristischen Vereinigung) zur Abwehr einer terroristischen Gefahr ausgewiesen hat, hat er eine Entscheidung der obersten Landesbehörde eingeholt, die aber keine Ausnahme im Sinne von § 11 Abs. 5a S. 4 AufenthG zugelassen hat. Der Antragsgegner hat das von ihm aufgrund der gesetzlichen Anordnung des § 11 Abs. 1 AufenthG zu erlassende Einreise- und Aufenthaltsverbot vor diesem Hintergrund – in Anwendung von § 11 Abs. 5a S. 1 AufenthG – auf 20 Jahre befristet.

Diese Entscheidung steht bei summarischer Prüfung im Einklang mit dem Gesetz.

Insoweit war zu beachten, dass es sich bei § 11 Abs. 5a S. 1 AufenthG um eine Soll-Vorschrift handelt. Das bedeutet, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen im Regelfall die von der Vorschrift angeordnete Rechtsfolge einer Befristung auf 20 Jahre anzuwenden ist. Eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse, den Ausländer eine gewisse Zeit vom Bundesgebiet fernzuhalten und dem privaten Interesse des Ausländers an einer baldigen Wiedereinreise und einem erneuten Aufenthalt in Deutschland, die im Rahmen der Entscheidung über die Befristung sonst immer vorzunehmen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 – 1 C 27/16 –, juris Rn. 18 ff. und OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06. Juli 2020 – OVG 3 B 3/20 –, juris Rn. 26 ff.), ist der Behörde in diesem Fall verwehrt, da sie bereits vom Gesetzgeber – und zwar im Regelfall zulasten des Ausländers – vorgenommen worden ist.

Eine Abweichung ist nur in atypischen Fällen möglich. Für das Vorliegen eines solchen atypischen Falles hat der Antragsteller selbst nichts vorgetragen. Er hat vielmehr lediglich erklärt, dass die Länge der Befristung des Einreiseverbotes auf 20 Jahre „irreal und in der Praxis wohl kaum durchsetzbar“ sei. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Befristungsentscheidung infrage zu stellen.

Das Vorliegen eines atypischen Falles lässt sich auch bei einer summarischen Prüfung von Amts wegen nicht feststellen. Es kann vielmehr auch insoweit auf das oben Gesagte verwiesen werden, wonach nicht mit der erforderlichen Gewissheit zur Überzeugung der Kammer festgestellt werden kann, dass der Antragsteller sich glaubhaft von seiner früheren radikalen islamistischen Ideologie und den damit verbundenen terroristischen Bestrebungen abgewendet hat. Die sich daraus ergebende schwerwiegende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter rechtfertigt auch ein langfristiges Fernhalten des Antragstellers vom Bundesgebiet.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht unangemessen, dass der Gesetzgeber und im Anschluss auch der Antragsgegner dem öffentlichen Interesse an der Abwehr einer (von dem Antragsteller ausgehenden) terroristischen Gefahr ein höheres Gewicht beimisst, als dessen Interesse am Verbleib in Deutschland. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 06. Februar 2019 – 1 A 3/18 –, juris Rn. 89 m.w.N.). Die Abwehr der von dem Antragsteller ausgehenden terroristischen Gefahr steht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auch nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs, der mit dem auf 20 Jahre befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot verbunden ist.

Denn der junge, gesunde und vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller verfügt über keinerlei grundrechtlich geschützte Bindungen zum Bundesgebiet, die über das allgemeine Persönlichkeitsrecht hinausgehen würden. Hinzu kommt, dass er zukünftige Änderungen der Sach- und Rechtslage, soweit sie ausnahmsweise eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbot gebieten könnten, gegebenenfalls im Wege eines Antrags an die oberste Landesbehörde auf Gewährung einer Ausnahme im Einzelfall gemäß § 11 Abs. 5a S. 4 AufenthG verfolgen könnte.

„Regelungen“ zu 4. und 5.
4. Bei den unter der Nr. 4 und Nr. 5 des Tenors der Ausweisungsverfügung aufgenommenen Verpflichtungen des Antragstellers handelt es sich nicht um Einzelfallregelungen, die auf einer Entscheidung des Antragsgegners beruhen, sondern um die Wiedergabe gesetzlicher Verpflichtungen.

a. Die mit der Nr. 4 ausgesprochene Verpflichtung des Antragstellers, sich – beginnend mit dem Tag der Haftentlassung – einmal wöchentlich bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeidienststelle unter Vorlage eines Identifikationspapiers zu melden, ergibt sich unmittelbar aus § 56 Abs. 1 S. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift unterliegt ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Der Antragsgegner hat diese gesetzliche Verpflichtung lediglich hinsichtlich ihres Beginns und bestimmter Modalitäten der Meldung modifiziert. Dies begegnet bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken.

b. Entsprechendes gilt für die Nr. 5 des Tenors der Ausweisungsverfügung. Danach ist der Aufenthalt des Antragstellers auf den Bezirk der Ausländerbehörde des Antragsgegners beschränkt. Ausnahmen von dieser Beschränkung bedürfen der Erlaubnis des Antragsgegners. Damit gibt der Antragsgegner lediglich die Verpflichtung wieder, die den Antragsteller gemäß § 56 Abs. 2 AufenthG auch ohne Entscheidung des Antragsgegners trifft. Denn nach dieser Vorschrift ist der Aufenthalt eines Ausländers, gegen den eine Ausweisungsverfügung aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht, auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

Kosten und Streitwert
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO.

Da der Abschiebungsandrohung (auch angesichts des bestehenden Abschiebungsverbotes) im Verhältnis zu den anderen Regelungen der Ausweisungsverfügung kein besonderes Gewicht zukommt, wirkt sich das Unterliegen des Antragsgegners in diesem Punkt weder auf die Kostenentscheidung noch auf die Streitwertentscheidung aus (zu letzterem vgl. auch Nr. 8.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (veröffentlicht unter https://www.bverwg.de). Die Kammer macht vor diesem Hintergrund von dem ihr durch § 155 Absatz 1 S. 3 VwGO eröffneten Ermessen Gebrauch und erlegt die Kosten vollständig dem Antragsteller auf. Auch bei der Streitwertfestsetzung lehnt sich die Kammer an Nr. 8.2 des vorgenannten Streitwertkataloges an, halbiert den Auffangstreitwert jedoch im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung (§ 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes).

A. Prozesskostenhilfe
C. Weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aufgrund all dessen bei summarischer Prüfung ganz überwiegend keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 166 VwGO i. V. m. den §§ 114 ff. ZPO abzulehnen.