Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 17.05.2021 | |
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Aktenzeichen | 13 WF 23/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0517.13WF23.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 22. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert für die erste Instanz wird auf 22.985 € festgesetzt.
3. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
I.
Der Antragsgegner wendet sich im Stufenverfahren um Trennungsunterhalt mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die ihm nach Antragsrücknahme durch die Antragstellerin und nach eigener, auf seinen Widerantrag bezogener Erledigungserklärung auferlegte Kostenlast.
Die Antragstellerin hatte den Antragsgegner im Stufenverfahren zunächst auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen, nachdem sie ihn außergerichtlich aufgefordert hatte, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen und diese Auskunft zu belegen, woraufhin der Antragsgegner der Antragstellerin den Ausdruck seiner elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das vorangegangene Jahr übermittelt hatte (Bl. 6/9). Der Antragsgegner hat die Antragstellerin im Wege des Widerantrags ebenfalls auf Auskunft in Anspruch genommen (Bl. 20). Auf das hierauf bezogene sofortige Anerkenntnis der Antragstellerin (Bl. 52), hat das Amtsgericht insoweit Teilanerkenntnisbeschluss (Bl. 57) gegen die Antragstellerin erlassen. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2020 (Bl. 239) hat die Antragstellerin auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Versicherung seiner Auskunft an Eides Statt angetragen. Mit Schriftsatz vom 23. August 2020 (Bl. 266) hat der Antragsgegner die Feststellung beantragt, dass er ab September 2020, also ab dem Erreichen des Renteneintrittsalters, keinen Trennungsunterhalt an die Antragstellerin zu zahlen hat. Mit Schriftsatz vom 3. November 2020 hat die Antragstellerin ihren Stufenantrag zurückgenommen. Der auf seinen Feststellungsantrag bezogenen Erledigungserklärung des Antragsgegners vom 22. Dezember 2020 (Bl. 315) ist sie nicht entgegengetreten.
II.
Die gegen die isolierte Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme gerichtete statthafte (vgl. BGH FamRZ 2011, 1933) sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 269 Abs. 5, 91a Abs. 2 S. 1, 567 ff ZPO). Die Beschwerdesumme von 200 € (§ 567 Abs. 2 ZPO) ist erreicht und die Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 569 Abs. 1 ZPO) gewahrt.
Die Beschwerde bleibt aber in der Sache erfolglos.
Zutreffend hat das Amtsgericht bei der Verteilung der Kosten des Unterhaltsverfahrens auf § 243 FamFG abgestellt (vgl. Knittel/Birnstengel TG-1267, 3/2021). Danach entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Verfahrenskosten. Ob eine nach diesen Grundsätzen vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf (so BGH, NJW-RR 2007, 1586 Rn 15; OLG Hamm, Beschluss vom 03.01.2013 - II-2 UF 207/12, BeckRS 2013, 03576; Keidel/Giers, FamFG, 20. Aufl., § 243 Rn. 11) oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt (so BGH, FamRZ 2016, 218, Rn. 17; FamRZ 2014, 744, Rn. 17; FamRZ 2013, 1876, Rn. 23; FamRZ 2011, 1933, Rn. 35; Prütting/Helms/Bömelburg, FamFG, 5. Aufl., § 243 Rn. 34), kann hier dahinstehen. Denn die Begründung der angefochtenen Kostenentscheidung würdigt den Sachverhalt umfassend. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.
Gemäß § 243 S. 2 Nr. 2 FamFG hat das Gericht insbesondere den Umstand berücksichtigen, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist (OLG Karlsruhe FamRZ 2013, 1508), es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand. Gesetzeszweck dieser Sanktionsvorschrift ist es, den Unterhaltsanspruch außergerichtlich schneller zu klären. Die außergerichtlich nicht erteilte oder nicht genügende Auskunft wird kostenrechtlich sanktioniert. Wie das Verfahren letztendlich ausgeht, spielt für die Kostenentscheidung keine Rolle. Die Verpflichtung, die Kosten zu tragen, besteht auch dann, wenn die im Verfahren erteilte Auskunft dazu führt, dass der Antrag auf Zahlung von Unterhalt zurückgenommen werden muss (Prüttting/Helms/Bömelburg a. a. O., § 243 FamFG Rn. 21; BeckOK FamFG/Schlünder, 38. Ed. 1.4.2021, FamFG § 243 Rn. 9). Der vom Antragsgegner ins Feld geführte Gesichtspunkt des Obsiegens und Unterliegens tritt im Fall des § 243 S. 2 Nr. 2 FamFG regelmäßig hinter dem Abwägungskriterium des nicht rechtzeitigen Befolgens einer Aufforderung zur Auskunftserteilung zurück.
In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Antragsgegner zur Verfahrenseinleitung Veranlassung gegeben hat, indem er der außergerichtlichen Auskunfts- und Belegforderung der Antragstellerin nicht vollständig entsprochen hat, während andererseits die Antragstellerin den Auskunftsantrag des Antragsgegners sofort anerkannt hat, ohne dass dem eine außergerichtliche Aufforderung zur umfassenden Auskunftserteilung vorausgegangen war. Dass sie zu dem Widerantrag auf Auskunft Veranlassung gegeben hätte, der den Verfahrenswert im Übrigen nicht erhöht hat, ist danach nicht ersichtlich.
Der Umstand, dass die Antragstellerin ihren Antrag nach dem Eintritt des Antragsgegners in das Rentenalter und einem damit einhergehenden deutlichen Einkommensrückgang auf seiner Seite, der Unterhaltsansprüche der Antragstellerin in Zukunft ausschloss, zurückgenommen hat, weil sie auf der Grundlage der erteilten Auskunft keine nennenswerten Erfolgsaussichten für ihren Anspruch mehr gesehen hat, ist nach dem oben Gesagten für die Kostenverteilung im vorliegenden Fall nicht maßgeblich.
Hinzu kommt, dass der Antragsgegner seinen negativen Feststellungswiderantrag, der über einen bloßen Abweisungsantrag hinaus ging und für den von Anfang an kein Feststellungsinteresse geltend gemacht oder ersichtlich war, der mithin unzulässig war, ebenfalls nicht mehr weiter verfolgt, sondern für erledigt erklärt hat. Nach Abwägung all dieser Umstände entspricht die vom Amtsgericht getroffene Kostenentscheidung der Billigkeit.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 243 S. 2 Nr. 1 FamFG.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 574 I ZPO.
III.
Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde auch gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes auf 10.829 €. Er macht unter Hinweis auf den Auskunftsanspruch einen Wert von 4.950 € geltend.
Die auf die Entscheidung zur Streitwertfestsetzung bezogene Beschwerde ist zulässig §§ 59 Abs. 1 S. 1 FamFG, in der Sache aber erfolglos. Der Verfahrenswert für die erste Instanz ist gemäß §§ 55 Abs. 3 Nr. 2 FamGKG auf 22.985 € festzusetzen. Das Verbot der reformatio in peius gilt insoweit nicht. Die Vorschrift eröffnet dem Beschwerdegericht auch keinen Ermessensspielraum. Ist die Festsetzung des Verfahrenswertes unzutreffend erfolgt und sind die zeitlichen Grenzen des § 55 Abs. 3 FamGKG noch nicht verstrichen, muss das Beschwerdegericht daher die Festsetzung des Wertes ändern (BeckOK KostR/Siede, 33. Ed. 1.4.2021, § 55 FamGKG Rn. 46).
1. Soweit der Antragsgegner meint, es sei nur der Wert für den Auskunftsantrag anzusetzen, wird auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung und im Nichtabhilfebeschluss Bezug genommen. Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass neben dem Auskunftsantrag auch der Leistungsantrag rechtshängig geworden ist, nach welchem sich im Stufenverfahren der Verfahrenswert bestimmt.
Bei dem Stufenantrag handelt es sich um eine objektive Anspruchshäufung, für deren Bewertung die Sonderregelung des § 38 FamGKG gilt, die der des § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG vorgeht. Danach sind die Werte der Vorbereitungsansprüche und der Wert des Unterhaltsanspruchs, auf den sich erstere beziehen, gesondert zu ermitteln und miteinander zu vergleichen. Der höhere der im Wege des Stufenantrages verbundenen Ansprüche ist für die Wertfestsetzung maßgebend (BeckOK KostR/Neumann, 33. Ed. 1.4.2021, FamGKG § 51 Rn. 71).
Der werthöhere Anspruch ist vorliegend der Leistungsantrag.
2. Die Bewertung des auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen gerichteten und zunächst unbezifferten Leistungsantrages bei Stufenanträgen erfolgt nach § 51 FamGKG. Da der Leistungsantrag nicht erst mit seiner Bezifferung, sondern bereits im Zeitpunkt der Einreichung des Stufenantrages anhängig wird (OLG Bamberg BeckRS 2019, 9645; OLG Koblenz MDR 2017, 488; OLG Karlsruhe BeckRS 2015, 17608; OLG Bremen FF 2015, 78; OLG Schleswig FF 2019, 502; NZFam 2015, 931; FamFR 2013, 546; FamRZ 2013, 240; FamRZ 2014, 689; OLG Celle FamRZ 2011, 1809; OLG Hamm BeckRS 2013, 19477; FamRZ 2011, 582; BGH FamRZ 1995, 797; Schneider NZFam 2014, 591; 2015, 375), ist der Zeitpunkt der Einreichung des Stufenantrages auch maßgeblich für die Wertberechnung des von dem Stufenantrag erfassten laufenden (Abs. 1) und rückständigen (Abs. 2) Unterhalts. Da die einzelnen Unterhaltsleistungen in diesem Zeitpunkt unbeziffert geltend gemacht werden, ist ihr Betrag nach der ursprünglichen Zahlungserwartung des Antragstellers zur Zeit der Einreichung des Stufenantrages zu bestimmen (BeckOK KostR/Neumann, a. a. O. § 51 FamGKG Rn. 72).
Nach diesen Maßstäben ist der Verfahrenswert auf 22.985 € festzusetzen. Berechnungsgrundlage für den Verfahrenswert ist der monatliche Unterhaltsbetrag, § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG.
Für die Verfahrenswertbemessung des laufenden Unterhalts ist der von der Antragstellerin angegebene Betrag von Euro 1.650 € monatlich maßgebend. Der Umstand, dass der Antragsgegner zuvor regelmäßig monatlich Euro 1.013 € gezahlt hat, steht dem nicht entgegen. Denn ein Titulierungsinteresse der Antragstellerin bestand nicht nur an dem Spitzenbetrag über die freiwilligen Zahlungen des Antragsgegners hinaus, sondern an dem insgesamt erwarteten Unterhalt einschließlich freiwilliger Zahlungen, sodass die gesamte Forderung der Streitwertberechnung zugrunde zu legen ist (vgl. OLG Celle, FamRZ 2003, 465; Zöller-Herget, ZPO, 28. Auflage, § 3 ZPO Anhang, Stichwort Unterhalt, m. w. N.). Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Antragstellerin sich darauf beschränkt hätte, lediglich den über den freiwillig gezahlten Unterhalt hinausgehenden Betrag geltend zu machen (KG Beschl. FamRZ 2011, 755). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Für den laufenden Unterhalt ergibt sich damit gemäß § 51 Abs. 1 FamGKG ein Streitwert von 12 x 1.650 € = 19.800 €. Hinzu kommt gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG der geltend gemachte Unterhaltsrückstand von März bis Juli 2019 in Höhe von 3.185 €. Insoweit sind von dem erwarteten Betrag (5 x 1.650 € = 8.250 €) die geleisteten Zahlungen in Höhe von 5.065 € abzuziehen.
Der Wert des Feststellungswiderantrages betrifft denselben Verfahrensgegenstand, den Trennungsunterhaltsanspruch der Antragstellerin. Er übertrifft nicht den Wert des Leistungsantrages. Wegen der wirtschaftlichen Identität des im Wege des Widerantrags geltend gemachten Anspruchs mit dem Leistungsanspruch ist gemäß § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.
Soweit die Beschwerde die Festsetzung des Verfahrenswertes betrifft, fallen weitere Gerichtsgebühren nicht an. Insoweit entstandene außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, §§ 59 Abs. 3 FamGKG.
Diese Entscheidung ist, soweit sie die Beschwerde gegen die Verfahrenswertfestsetzung betrifft, unanfechtbar, §§ 59 Abs. 1 S. 5, 57 Abs. 7 FamGKG.