Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 06.05.2021 | |
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Aktenzeichen | 1 AR 15/21 (SA Z) | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0506.1AR15.21SA.Z.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Zuständig ist das Amtsgericht Lübben.
I.
Der Kläger macht mit seiner bei dem Landgericht Cottbus eingereichten Klage gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Entgelts für die Nutzung eines in seinem Eigentum stehenden Wohnhauses in … in Höhe eines ortsüblichen Mietzinses geltend.
Mit Verfügung vom 18. Januar 2021 wies das Landgericht Cottbus die Parteien auf Bedenken gegen seine sachliche Zuständigkeit hin und führte zur Begründung aus, dass eine ausschließliche amtsgerichtliche Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG anzunehmen sei, da diese Vorschrift auch Ansprüche wegen einer Wohnraumnutzung aufgrund eines nicht mehr bestehenden oder nichtigen Mietvertrags erfasse. Hierauf beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 9. Februar 2021 hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Lübben.
Das Landgericht Cottbus hat sich daraufhin mit Beschluss vom 10. Februar 2021 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Lübben verwiesen, das sich seinerseits ohne erneute Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 19. Februar 2021 für sachlich unzuständig erklärt und eine Übernahme des Verfahrens abgelehnt hat, da zwischen den Parteien kein Mietvertrag geschlossen worden sei. Schließlich hat das Landgericht Cottbus die Sache mit Beschluss vom 22. März 2021 dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil sich die am Gerichtsstandsbestimmungsverfahren beteiligten Gerichte in seinem Bezirk befinden.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Landgericht Cottbus als auch das Amtsgericht Lübben haben sich im Sinne dieser Vorschrift rechtskräftig für unzuständig erklärt, und zwar ersteres durch den Verweisungsbeschluss vom 10. Februar 2021 und letzteres durch den Beschluss vom 19. Februar 2021. Beide Entscheidungen genügen den Anforderungen, die an das Merkmal „rechtskräftig“ im Sinne des §36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es dafür allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekanntgemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat, NJW 2004, 780; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Auflage, § 36 Rn. 35).
3. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht Lübben.
Seine Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Cottbus vom 10. Februar 2021, § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Aufgrund dieser klaren gesetzlichen Regelung kann die Bindungswirkung einer solchen Entscheidung nur ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-) Rechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), entfallen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Verweisungsbeschluss nur dann nicht verbindlich, wenn er auf Willkür beruht. Hierfür genügt es aber nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn dem Beschluss jede rechtliche Grundlage fehlt (BGH, NJW-RR 2002, 1498; BGH, NJW 1993, 1273). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständig erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BVerfGE 29, 45, 49). Im Interesse einer baldigen Klärung und der Vermeidung wechselseitiger (Rück-)Verweisungen ist die Willkürschwelle dabei aber hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler, wie etwa das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm, rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung grundsätzlich nicht. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (BGH, NJW-RR 2011, 1364, 1365; vgl. Senat, NJW 2006, 3444, 3445; eingehend ferner Tombrink, NJW 2003, 2364 m.w.N.).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Cottbus nicht willkürlich und daher bindend.
Der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör ist beachtet worden. Das Landgericht Cottbus hat die Parteien mit Verfügung vom 18. Januar 2021 auf seine Rechtsauffassung hingewiesen, woraufhin der Kläger hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Lübben beantragt hat.
Der Verweisungsbeschluss entbehrt auch nicht jeglicher gesetzlichen Grundlage. Das Landgericht Cottbus hat in jedenfalls vertretbarer Weise eine streitwertunabhängige Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 23 Nr. 2a GVG und damit eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Lübben nach § 29a ZPO bejaht. Zwar richtet sich das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschriften grundsätzlich nach dem Sachvortrag des Klägers (Musielak/Voit/Wittschier, ZPO, 18. Auflage, § 23 GVG Rn. 9). Die Rechtsfrage, ob der der Klage zugrunde liegende Anspruch mietvertraglicher Natur ist, ist jedoch unabhängig von der Auffassung des Klägers vom Gericht zu beurteilen (BeckOK ZPO/Touissant, 40. Ed., § 29a Rn. 20, vgl. OLG Köln, WuM 2010, 95, 96). Da die Regelung des § 23 Nr. 2a GVG mit Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck, Mietstreitigkeiten einer raschen und auf Vertrautheit mit den lokalen Verhältnissen gestützten Entscheidung zuzuführen (Kissel/Mayer/Mayer, GVG, 10. Auflage, § 23 Rn. 14), weit auszulegen ist und auch Ansprüche aufgrund der Nutzung einer Wohnung im Rahmen eines faktischen Mietverhältnisses erfasst (Münchener Kommentar/Zimmerman, ZPO, 5. Auflage, § 23 GVG Rn. 7), ist die seitens des Landgerichts Cottbus insoweit vorgenommene rechtliche Würdigung, die auch die Angaben des Beklagten im Rahmen der erfolgten Zahlungen berücksichtigt (vgl. zur Maßgeblichkeit des beklagtenseitigen Vorbringens: OLG Düsseldorf, WM 2007, 712; Kissel/Mayer/Mayer, GVG, 10. Auflage, § 23 Rn. 17), jedenfalls vertretbar und damit nicht objektiv willkürlich.