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Bebauungsplan Gedenkstätte "Berliner Mauer" (erweiterter Bereich); Gebiet von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung; (fehlende) Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses; Änderungen an den Festsetzungen des Bebauungsplans nach Behördenbeteiligung; (fehlende) erneute Behördenbeteiligung; (fehlende) Feststellung der Übereinstimmung des ausgelegten Entwurfs mit der zur Auslegung gebilligten Fassung; (fehlende) schlagwortartig in der Auslegungsbekanntmachung genannte Arten umweltbezogener Informationen; fehlerhafter Hinweis in der Auslegungsbekanntmachung zur Möglichkeit der Abgabe von Stellungnahmen; nach den Planerhaltungsvorschriften beachtliche formelle Fehler; (keine) Unbeachtlichkeit aufgrund fehlender Rügen; (keine) ungefragte Fehlersuche


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 16.04.2021
Aktenzeichen OVG 2 A 7.18 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0416.OVG2A7.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 3 Abs 2 BauGB, § 6 Abs 1 BauGBAG BE, § 47 VwGO, § 6 Abs 3 BauGBAG BE, § 9 BauGBAG BE, § 4 Abs 2 BauGB, § 4a Abs 3 BauGB, § 214 Abs 1 S 1 Nr 2a BauGB, § 215 Abs 1 S 1 BauGB, § 246 BauGB, § 215 Abs 2 BauGB, § 4a Abs 4 BauGB, § 214 Abs 1 S 1 Nr 2b BauGB

Tenor

Der durch Rechtsverordnung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen vom 27. Juni 2017 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 11. Juli 2017) festgesetzte Bebauungsplan 1-40ba im Bezirk Mitte, Ortsteile Mitte und Gesundbrunnen, wird für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan 1-40ba im Bezirk Mitte, Ortsteile Mitte und Gesundbrunnen.

Das Plangebiet umfasst das Gelände zwischen Bernauer Straße, Schwedter Straße, Kremmener Straße, Wolliner Straße, den nördlichen Grenzen der Grundstücke Wolliner Straße 49, Swinemünder Straße 20, Swinemünder Straße und den nördlichen Grenzen der Grundstücke Swinemünder Straße 110, Ruppiner Straße 7 und Ruppiner Straße im Berliner Bezirk Mitte; dies sind die östlichsten Teilflächen des Erweiterten Bereichs der Gedenkstätte Berliner Mauer.

Im Jahr 2005 erklärte der Senat von Berlin das Gebiet vom Nordbahnhof bis zum Mauerpark entlang der Südseite der Bernauer Straße zum Gebiet von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung. Dies diente dazu, die Maßnahmen aus dem (später) beschlossenen Gedenkstättenkonzept für die Erinnerungslandschaft der Berliner Mauer umzusetzen. Anschließend beschloss die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Aufstellung des Bebauungsplans 1-40. Dessen Planungsziel war es, die Grundstücke des ehemaligen Mauerstreifens im Kernbereich der Gedenkstätte „Berliner Mauer“ von der Garten- bis zur Brunnenstraße von Bebauung freizuhalten und im erweiterten Bereich von der Brunnenstraße bis zur Schwedter Straße den ehemaligen Postenweg als öffentliche Durchwegung zu sichern. Konzeptionell war für den erweiterten Bereich der Gedenkstätte die Bebauung mit einem Ensemble aus mäanderförmigen Gebäudegruppen mit Nord- und Südhöfen vorgesehen. Ursprünglich sah die Planung eine durchgehend siebengeschossige Bebauung vor. Dies wurde nach erheblicher Kritik von Anrainern an der Dichte der Bebauung im Laufe der Jahre mehrfach geändert. Nach Durchführung eines moderierten Vermittlungsverfahrens im Jahr 2012 wurden die Baukörperhöhen an den Blockrändern von sieben auf sechs Vollgeschosse und bei den in den Blockinnenbereich ragenden Mäandern von sieben auf fünf Vollgeschosse reduziert. Um die verschiedenen Problemlagen voneinander zu trennen, hatte die Senatsverwaltung den Geltungsbereich des Bebauungsplans 1-40 im Jahr 2010 in die Bebauungspläne 1-40a (für den Kernbereich der Gedenkstätte) und 1-40b (für den erweiterten Bereich der Gedenkstätte) geteilt. Im Jahr 2012 erfolgte eine Teilung des Bebauungsplan 1-40b in die Bebauungspläne 1-40ba und 1-40bb.

Am 7. Dezember 2013 fasste die Senatsverwaltung den Beschluss, das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans 1-40ba neu einzuleiten.

Von Ende November 2016 bis Anfang Januar 2017 führte die Senatsverwaltung die Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange zu dem Bebauungsplanentwurf 1-40ba (Stand: 24. November 2016) durch. Danach wurde der Plan teilweise geändert.

Die Öffentlichkeitsbeteiligung fand in der Zeit vom 30. Januar bis 3. März 2017 zu einem Entwurf des Bebauungsplans 1-40ba vom 13. Januar 2017 statt. Die Bekanntmachung zur Offenlage im Amtsblatt von Berlin Nr. 3 vom 20. Januar 2017, S. 196 f. enthielt nach den Hinweisen zum Ort der Auslegung und zur Möglichkeit, die Unterlagen im Internet unter einer näher bezeichneten Internetseite einzusehen, die Passage:

„Während der Auslegungsfrist können Stellungnahmen vor Ort oder online abgegeben werden.“

Innerhalb der Auslegungsfrist nahm der Antragsteller Stellung. Am 9. Mai 2017 beschloss der Senat von Berlin den von der Senatsverwaltung vorgelegten Entwurf des Bebauungsplans 1-40ba vom 13. Januar 2017 einschließlich Änderungen bis zum 30. März 2017, dem das Abgeordnetenhaus von Berlin am 22. Juni 2017 zustimmte. Am 27. Juni 2017 setzte die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen den Bebauungsplan als Rechtsverordnung fest. § 4 der Verordnung enthält folgenden – hier auszugsweise wiedergegebenen – Hinweis auf die Rügeobliegenheit:

„(1) Wer die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung überprüfen lassen will, muss

1. eine beachtliche Verletzung der Verfahrens- und Formvorschriften, die in § 214 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Baugesetzbuchs bezeichnet sind,

[…]

3. nach § 214 Absatz 3 Satz 2 des Baugesetzbuchs beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs,

4. eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, die im Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs enthalten sind,

innerhalb eines Jahres seit der Verkündung dieser Verordnung gegenüber der für die verbindliche Bauleitplanung zuständigen Senatsverwaltung schriftlich geltend machen. Der Sachverhalt, der die Verletzung begründen soll, ist darzulegen. Nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist werden die in den Nummer 1 bis 4 genannten Mängel gemäß § 215 Absatz 1 des Baugesetzbuches und gemäß § 32 Absatz 2 des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuches unbeachtlich.“

Die Rechtsverordnung wurde im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Nr. 17 vom 11. Juli 2017 auf Seite 350 bekannt gemacht.

Inhalt des Bebauungsplans 1-40ba ist es, ein Städtebau- und Freiraumkonzept planungsrechtlich zu sichern, das den Belangen der einem stetig wachsenden Besucherinteresse ausgesetzten Gedenkstätte „Berliner Mauer“ entspricht und dabei die bestehenden Wohnnutzungen sowie die hohe Nachfrage nach Wohnraum im Innenstadtbereich berücksichtigt. Der Erweiterte Gedenkstättenbereich, dessen wesentliche Bestandteile der Postenweg und die hier angelegten Informationsangebote sind, stellt eine Verbindung zwischen dem historisch bedeutsamen Kernbereich (Gartenstraße bis Brunnenstraße) und dem Mauerpark dar, der als Grün- und Freifläche ebenfalls von überregionaler Bedeutung ist. In engem Zusammenhang mit der Planung und Realisierung des Erweiterten Bereichs der Gedenkstätte steht die Festsetzung von allgemeinen Wohngebieten sowie einem Mischgebiet auf den nach dem Fall der Mauer freigeräumten Flächen südlich der Bernauer Straße und nördlich des Postenwegs. Der für diesen Standort ausgewählte Gebäudetypus mit mäandrierender Struktur und den prägenden Nord- und Südhöfen wird durch ein hohes Maß planungsrechtlicher Festsetzungen einschließlich Gestaltungsvorgaben gefasst, um den vielfältigen Belangen, die sich aus der Schaffung einer hoch verdichteten Bebauungsstruktur in Nachbarschaft zur Mauergedenkstätte sowie zur südlich angrenzenden Bestandsbebauung ergeben, gerecht zu werden. Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens wird die Bebauung mittels Baukörperausweisungen, der Angabe der zulässigen Vollgeschosszahlen sowie der einzuhaltenden Gebäudeoberkanten und durch auf die bestehenden Baugrundstücke bezogene, maximal zulässige Geschossflächen festgesetzt. Der Bebauungsplan weist das Gebiet, in dem die Grundstücke des Antragstellers liegen, als allgemeines Wohngebiet WA 3 aus. Er setzt dort für künftige Bauvorhaben im Blockrandbereich zur Bernauer Straße eine maximal sechsgeschossige und für den Blockinnenbereich zum ehemaligen Postenweg des Mauerstreifens eine maximal fünfgeschossige Bebauung fest.

Der Antragsteller ist Eigentümer der Flurstücke 3..., 1... und 2... der Flur 2... der Gemarkung 1... Mitte (postalisch: Bernauer Straße...). Die Grundstücke sind unbebaut.

Mit dem am 27. Juni 2018 gestellten Normenkontrollantrag wendet er sich insbesondere gegen die in dem Bebauungsplan enthaltenen Festsetzungen zur maximal zulässigen Geschossanzahl der Gebäude im allgemeinen Wohngebiet WA 3. In der Antragsschrift weist er unter anderem darauf hin, dass die umfangreichen Neubauten der letzten 15 Jahre in dem Plangebiet nach dem Maßstab des § 34 BauGB genehmigt worden seien. Diese Bebauung sei sowohl zur Bernauer Straße als auch zum Blockinnenbereich durchgehend siebengeschossig erfolgt. Die in dem Bebauungsplan vorgesehene Reduzierung der maximalen Geschosszahl verletze ihn in seinem Eigentumsrecht im Sinne des Art. 14 GG.

Im Jahr 2020 ergänzt der Antragsteller seine Antragsbegründung im Wesentlichen wie folgt: Die streitgegenständliche Bauhöhenfestsetzung verletze das planerische Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB. Es gebe keinen sachlichen Grund für die bauliche Beschränkung, von der allein seine Grundstücke betroffen seien. Die Festsetzung leide daher an einem Abwägungsausfall und an einer Abwägungsdisproportionalität. Ferner sei der Bebauungsplan nicht im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich. Er verstoße gegen § 1 Abs. 5 BauGB, weil der Bevölkerung durch die festgesetzte Reduzierung der möglichen Stockwerke von ihm, dem Amtragsteller, geplanter Wohnraum entzogen werde. Im Übrigen bilde die siebengeschossige Bebauung in der Innenstadt im Allgemeinen und im Planungsgebiet im Besonderen die absolute Regel. Sie schaffe keine städtebaulichen Konflikte, sondern füge sich ein, wohingegen die – durch die angegriffene Festsetzung entstehende – „Zahnlücke“ eine ungewünschte städtebauliche Störung darstelle.

Der Antragsteller beantragt,

den Bebauungsplan 1-40ba im Bezirk Mitte, Ortsteile Mitte und Gesundbrunnen vom 27. Juni 2017, für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Er weist darauf hin, dass Rügen nach § 215 Abs. 1 BauGB oder § 32 Abs. 2 AGBauGB zu keinem Zeitpunkt eingegangen seien. Im Übrigen habe der Antragsteller keinen Anspruch auf die Festsetzung einer siebengeschossigen Bebauung. Seine Belange seien berücksichtigt worden, in der Abwägung hätten jedoch überwiegende städtebauliche Gründe zu der geringeren Maßfestsetzung geführt. Die streitgegenständliche Bauhöhenfestsetzung treffe weder allein den Antragsteller noch schränke sie ihn in seiner Planungs- und Verfügungshoheit überproportional ein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte und die Aufstellungsvorgänge (zwei Leitzordner und acht Hefter), die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.

I. Der Antrag ist zulässig.

1. Die einjährige Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt. Der am 27. Juni 2018 beim Oberverwaltungsgericht eingegangene Normenkontrollantrag ist rechtzeitig gestellt worden, da der streitgegenständliche Bebauungsplan im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 11. Juli 2017 bekannt gemacht worden ist.

2. Der Antragsteller ist antragsbefugt, denn er macht geltend, im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO durch die Rechtsverordnung oder ihre Anwendung in seinen Rechten verletzt zu werden. Er ist als Eigentümer von Grundstücksflächen, die im Plangebiet liegen, von einer bauplanerischen Festsetzung betroffen, die die bauliche Nutzbarkeit der Flächen einschränkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. März 1998 – 4 CN 6.97 –, juris Rn. 9 ff., vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 27. August 2020 – 4 CN 4.19 –, juris Rn. 10 m. w. N.).

3. Schließlich besteht für den Antrag ein Rechtsschutzbedürfnis. Es liegt bei bestehender Antragsbefugnis regelmäßig vor und entfällt lediglich ausnahmsweise, wenn Antragsteller ihre Rechtsstellung durch die Unwirksamkeit des Bebauungsplans offensichtlich nicht verbessern können (st. Rspr. des Senats, vgl. u. a. Urteil vom 9. September 2016 – OVG 2 A 23.15 –, juris Rn. 39 m. w. N.). Dies ist hier nicht der Fall. Wäre der Bebauungsplan unwirksam, richtete sich die Bebaubarkeit der im Eigentum des Antragstellers stehenden Flurstücke nach § 34 BauGB, was eine höhere bauliche Ausnutzbarkeit zur Folge haben dürfte.

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Nicht nur das Verfahren zur Beteiligung der Behörden ist fehlerhaft (1.), auch die Öffentlichkeitsbeteiligung ist nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden (2. und 3.). Keiner Entscheidung bedarf angesichts dessen, ob das Bebauungsplanverfahren überhaupt ordnungsgemäß eingeleitet worden ist (4.). Sämtliche festgestellte Fehler sind nach den Grundsätzen der Planerhaltung beachtlich (5.).

1. Der Bebauungsplan leidet an einem Verfahrensmangel. Nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB waren die Stellungnahmen der Behörden und Träger öffentlicher Belange zu dem Planentwurf erneut einzuholen, da der Entwurf des Bebauungsplans nach Durchführung des Verfahrens nach § 4 Abs. 2 BauGB geändert wurde.

a) Der Antragsgegner hat nach durchgeführter Behörden- und TöB-Beteiligung den Hinweis des Bezirksamts Mitte von Berlin auf die bestehende Erhaltungsverordnung zum Schutz der städtebaulichen Eigenart zum Anlass genommen, auf die geplante Festsetzung höherer Trauf- und Firsthöhen für die Bestandsgebäude in den allgemeinen Wohngebieten WA 5 und WA 6 zu verzichten und stattdessen über die Zahl zulässiger Vollgeschosse klarzustellen, dass Aufstockungen des gründerzeitlichen Gebäudebestandes nicht dem Planungsziel entsprechen. Auch die geplanten Festsetzungen zu Dachform und -gestaltung wurden dahingehend geändert, dass die Maßgaben der Erhaltungssatzung eingehalten werden. Diese Änderungen in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanentwurfs lösten die Pflicht zur erneuten Beteiligung aus. Darauf, ob diese Änderungen wesentlich sind oder die Grundzüge der Planung berühren, kommt es nicht an, da die Änderungen nicht lediglich klarstellende Bedeutung haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 – 4 BN 42/09 –, juris Rn. 8 m. w. N.).

b) Entgegen der Ansicht des Antragsgegners durfte nicht auf eine erneute Behörden- und TöB-Beteiligung gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB mit der Begründung verzichtet werden, die Änderungen entsprächen den Anregungen der jeweils betroffenen Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange und diese würden im Zusammenhang mit der Unterrichtung über die öffentliche Auslegung auf die Änderungen hingewiesen werden (vgl. Aufstellungsvorgang der Senatsverwaltung, Leitzordner Bl. 208R).

Allerdings ist das Beteiligungsverfahren nicht um seiner selbst willen zu betreiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 – 4 C 16.07 –, juris Rn. 40 und Beschluss vom 8. März 2010 – 4 BN 42.09 –, juris Rn. 11). Es kann unterbleiben, wenn der Entwurf nach dem Verfahren nach § 4 Abs. 2 BauGB in Punkten geändert wird, zu denen die betroffenen Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zuvor bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, die Änderungen auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Betroffenen beruhen und Dritte hierdurch nicht abwägungsrelevant berührt werden (st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. zuletzt Beschluss vom 3. Januar 2020 – 4 BN 25/19 –, juris Rn. 6 f.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar hatten die Behörden und Träger öffentlicher Belange Gelegenheit, zu den Festsetzungen höherer Trauf- und Firsthöhen sowie zur Dachform und -gestaltung in den allgemeinen Wohngebieten WA 5 und WA 6 im Verfahren nach § 4 Abs. 2 BauGB Stellung zu nehmen. Auch beruhen die Änderungen auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Betroffenen - hier des Bezirksamts Mitte von Berlin. Nicht erfüllt ist indes die dritte der kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen, dass Dritte durch die Änderung des Bebauungsplanentwurfs nicht abwägungsrelevant berührt werden. Denn die geänderten Festsetzungen können sich unter anderem auf die Schaffung neuen Wohnraums in den Dachgeschossen auswirken. Dies betrifft abwägungsrelevante Interessen der Wohnungsbauleitstelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die das städtebauliche Ziel der Schaffung dringend benötigten Wohnraums verfolgt. Für die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie sowie die Abteilung Schule, Sport, Facility Management des Bezirksamts Mitte von Berlin ergeben sich Auswirkungen auf die Planung von Grundschul- und Kindertagesstättenplätzen. Auch für die Berliner Stadtreinigung spielt die Anzahl der Wohnungen im Plangebiet eine Rolle. Die Festsetzungen betreffend die Dächer berühren zudem Interessen der Senatsverwaltung für Umwelt, da sich die Dachgestaltung beispielsweise auf den Abfluss von Regenwasser auswirken kann

c) Dass der Antragsgegner die betroffenen Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange mit Schreiben vom 27. Januar 2017 über die anstehende öffentliche Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 BauGB) und die Planänderungen informiert hat, macht die erneute formelle Durchführung eines Beteiligungsverfahrens ebenfalls nicht entbehrlich. Bereits das Schreiben selbst genügt nicht der Einleitung eines solchen Verfahrens, da die Betroffenen weder ausdrücklich unter Angabe einer Frist zur Stellungnahme aufgefordert werden, noch sich dem Schreiben entnehmen lässt, dass die Möglichkeit zur Abgabe von Stellungnahmen besteht. § 4a Abs. 4 Satz 2 BauGB rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Die damit eingeräumten verfahrenstechnischen Möglichkeiten sollen lediglich die Kommunikation zwischen der Gemeinde und den Behörden verbessern und beschleunigen (vgl. Köster in: Schrödter, Baugesetzbuch, 9. Auflage 2019, § 4a BauGB Rn. 21), ersetzen jedoch nicht ein erneutes Beteiligungsverfahren. Abgesehen davon hat der Antragsgegner hiervon auch keinen Gebrauch gemacht. Die im Schreiben vom 27. Januar 2017 aufgezeigte Möglichkeit, dass die Unterlagen im Dienstgebäude der Senatsverwaltung eingesehen werden könnten und außerdem im Internet bereitgestellt würden, entspricht vielmehr dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB.

2. Die Bekanntmachung der Auslegung des Planentwurfs im Amtsblatt von Berlin Nr. 3 vom 20. Januar 2017 (S. 196 f.) ist fehlerhaft, weil sie eine rechtlich unzutreffende Einschränkung enthält, die von der Planung Betroffene davon abhalten könnte, sich mit Einwendungen oder Hinweisen an dem Verfahren zu beteiligen.

Die Auslegungsbekanntmachung enthält eine unzulässige Einschränkung, soweit sie darauf hinweist, dass Stellungnahmen „vor Ort oder online“ abgegeben werden können. Diese war geeignet, einen rechtserheblichen Irrtum über die Voraussetzungen einer Stellungnahme hervorzurufen und an der Planung interessierte Bürger davon abzuhalten, Stellung zu nehmen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Juni 2020 – 4 BN 55.19 –, juris Rn. 5 und vom 27. Mai 2013 – 4 BN 28.13 –, juris Rn. 7; Urteil vom 27. Oktober 2010 – 4 CN 4.09 –, juris Rn. 15). Der Zusatz „vor Ort“ konnte den Eindruck erwecken, Stellungnahmen, mündlich wie auch schriftlich, müssten persönlich bei der angegebenen Adresse abgegeben werden. Eine Übersendung auf dem Postweg oder per Telefax sei nicht möglich. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch den weiteren Zusatz „oder online“, da er nahelegt, dass alternativ zur persönlichen Abgabe einer Stellungnahme allein die Einreichung auf elektronischem Wege in Betracht komme. Der Ausdruck „abgeben“ räumt die Möglichkeit eines rechtserheblichen Irrtums nicht aus. Zwar mag er isoliert betrachtet auch die Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme auf dem Postweg abdecken, für die Auslegung des Hinweistextes aus dem maßgeblichen Empfängerhorizont kommt es jedoch auf den gesamten Kontext an. Es bestand für den interessierten Bürger auch keine Nachfragepflicht, denn angesichts der Zulassung von online-Stellungnahmen drängte es sich nicht auf, dass auch schriftliche Stellungnahmen auf dem Postweg zugelassen werden sollten.

3. Die öffentliche Auslegung selbst ist fehlerhaft, da sich dem Aufstellungsvorgang weder entnehmen lässt, welcher Bebauungsplanentwurf mit welchem Stand und mit welcher Begründung in der Zeit vom 30. Januar bis 3. März 2017 ausgelegt wurde (a), noch, ob und gegebenenfalls welche Arten der in der Auslegungsbekanntmachung genannten umweltbezogenen Informationen mit welchem Stand bei der Auslegung wie verfügbar gewesen sind (b).

a) Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob es vor Beginn der Öffentlichkeitsbeteiligung eines Beschlusses des zuständigen Gemeindeorgans über den auszulegenden Planentwurf bedarf. In jedem Fall muss der ausgelegte Entwurf mit der Fassung übereinstimmen, die von dem zuständigen Gemeindeorgan beschlossen bzw. für die Auslegung gebilligt worden ist. Berichtigungen oder Ergänzungen des ausgelegten Entwurfs während der Auslegung sind unzulässig (vgl. Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: Oktober 2020, § 3 BauGB Rn. 37; Gatz in: Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow, Berliner Kommentar, Stand: August 2020, § 3 BauGB Rn. 17). Dazu muss der Stand des Auslegungsexemplars eindeutig feststehen, da anderenfalls das weitere Planungsverfahren nicht mehr transparent ist. Daran fehlt es hier.

Ausweislich der Bekanntmachung der Offenlage im Amtsblatt von Berlin Nr. 3 vom 20. Januar 2017 (S. 196 f.) lag ein Entwurf des Bebauungsplans vom 13. Januar 2017 aus. Ein Plandokument dieses Datums ist nicht Bestandteil des Aufstellungsvorgangs. Der Aufstellungsvorgang enthält lediglich einen „Entwurf“ einer Planurkunde „Stand 26.01.2017“ (Hefter Bd. 3, Bl. 246), eine „Kopie des Planoriginals vom 13.01.2017 einschließlich Änderungen vom 30.03.2017“ (Hefter Bd 4, Bl. 183), in deren Anschluss der Bekanntmachungstext mit einem abweichenden Auslegungszeitraum abgeheftet ist (Hefter Bd 4, Bl. 184), eine nach dem Bekanntmachungstext – wie er veröffentlicht worden ist – abgeheftete Begründung zu einem Bebauungsplan 1-40ba ohne Datumsangabe, die unter dem 13. Januar 2017 von dem Leiter der Abteilung II der Senatsverwaltung unterschrieben ist (Leitzordner II, Bl. 471R). Woraus sich dessen Zuständigkeit ergibt, kann dabei ebenso offenbleiben wie die Frage, worauf sich seine Unterschrift bezieht, da sie sich nach „B. Rechtsgrundlagen“ und vor „C. Abkürzungsverzeichnis“ sowie „D. Anlagen“ befindet. Denn es fehlt jedenfalls an dem Kernbestandteil der auszulegenden Unterlagen, nämlich einem autorisierten Planentwurf vom 13. Januar 2017.

b) Die Auslegung ist darüber hinaus fehlerhaft, weil das Gericht nicht feststellen konnte, dass die in der Bekanntmachung der Offenlage als verfügbar ausgewiesenen schlagwortartig benannten umweltbezogenen Informationen der interessierten Öffentlichkeit tatsächlich zur Verfügung standen. Denn die in der Bekanntmachung genannten umweltbezogenen Informationen sind im Aufstellungsvorgang nur teilweise vorhanden.

Im Aufstellungsvorgang sind lediglich ein „Bericht Nr. 13603, Erweiterung der Gedenkstätte Berliner Mauer in Berlin Mitte – Bodenuntersuchungen 1-40ba + 1-40bba“ der D... Gesellschaft für U... mbH vom 1. Oktober 2008 (Leitzordner II, Bl. 239 ff.), ein „Fachgutachten Allgemeine Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, B-Pläne 1-40ba, 1-40bba und 1-40bbb Bernauer Straße“ der Beratungsgesellschaft f... mbH vom Juli 2016 (Leitzordner II, Bl. 274 ff.), sowie eine „Schalltechnische Untersuchung für den Bebauungsplan 1-40ba, Bernauer Straße in Berlin-Mitte, 2. Überarbeitung“ der K... Ingenieurbüro GmbH vom 31. August 2016 (Leitzordner II, Bl. 318 ff.) abgeheftet. Die in der Bekanntmachung zur Offenlage benannten weiteren umweltbezogenen Informationen fehlen. Nähere Angaben hierzu hat der Antragsgegner im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht gemacht. Deswegen konnte ebenso wenig überprüft werden, ob die schlagwortartige Bezeichnung der Informationen zutreffend ist.

4. Angesichts der festgestellten Fehler bedarf keiner Entscheidung, ob die Einleitung des Planungsverfahrens den gesetzlichen Anforderungen entspricht, weil der im Dezember 2013 gefasste Beschluss, den Bebauungsplan (erneut) aufzustellen, entgegen § 6 Abs. 1 Satz 1 AGBauGB nicht im Amtsblatt für Berlin bekannt gemacht worden ist. Die sich im weiteren stellenden Fragen, ob ein solcher etwaiger Fehler und gegebenenfalls wie er geheilt werden könnte, können ebenfalls offenbleiben.

5. Die aufgezeigten formellen Fehler sind nach den Planerhaltungsvorschriften (§§ 214, 215 BauGB) beachtlich.

a) Der festgestellte Fehler bei der Behördenbeteiligung nach (§ 4a Abs. 3, § 4 Abs. 2 BauGB) ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlich. Die interne Unbeachtlichkeitsregelung des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) BauGB greift nicht ein, weil der Antragsgegner nicht nur einzelne Behörden und Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt, sondern die notwendige erneute Behördenbeteiligung insgesamt unterlassen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 2018 – 4 BN 13/17 –, juris Rn. 26).

b) Ebenso sind die festgestellten Mängel bei der Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3 Abs. 2 BauGB) in Form der oben dargestellten Unklarheiten bezüglich des ausgelegten Planentwurfs sowie der tatsächlichen Verfügbarkeit der angegebenen umweltbezogenen Informationen und der fehlerhaften Auslegungsbekanntmachung nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlich. Die Voraussetzungen der internen Unbeachtlichkeitsvorschrift des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) BauGB sind nicht erfüllt, weil der aufgezeigte Fehler nicht die Frage betrifft, ob einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben.

c) Die Fehler sind nicht nachträglich gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden.

Nach dieser Bestimmung werden beachtliche Verletzungen der in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind.

Zwar sind innerhalb der Jahresfrist keine die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften betreffenden Rügen beim Antragsgegner eingegangen. Dennoch war von Amts wegen zu prüfen, ob Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung eingehalten worden sind. Denn die Rechtsfolgen des § 215 Abs. 1 BauGB treten nur ein, wenn bei Inkraftsetzung der Satzung bzw. Rechtsverordnung auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden ist. Fehlt es an einem ordnungsgemäßen Hinweis, werden beachtliche Fehler nicht unbeachtlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2012 – 4 CN 5.10 –, juris Rn. 15 f.).

Das ist hier der Fall. Die Formulierung „wer die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung überprüfen lassen will, muss eine … Verletzung … schriftlich geltend machen“, eröffnet Interpretationsmöglichkeiten, die Personen, die mit den getroffenen Regelungen nicht einverstanden sind, von der Erhebung von Rügen abhalten können. Die Formulierung kann durch die Verknüpfung von Rüge und Überprüfung der Rechtswirksamkeit der Verordnung dahin verstanden werden, dass derjenige, der ein gerichtliches Normenkontrollverfahren einleiten will, Mängel zuvor selbst fristgemäß gerügt haben müsse. Eine Rüge wirkt jedoch „inter omnes“, das heißt allgemein und absolut für jedermann, also nicht nur zugunsten desjenigen, der den Mangel ordnungsgemäß geltend gemacht hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Januar 2001 – 4 BN 13.00 –, juris Rn. 5; Beschluss vom 18. Juni 1982 - 4 N 6.79 –, juris Rn. 6). Angesichts dessen könnte ein potentieller Rügeführer, der von vornherein weiß, dass er eine Normenkontrolle wegen des damit verbundenen Prozess- und Kostenrisikos nicht erheben wird, von einer Rügeerhebung wegen der durch den Hinweis suggerierten Verknüpfung von Rüge und Normenkontrolle durch ein und dieselbe Person in der Erwartung abgehalten werden, seine Rüge werde ohnehin irrelevant sein. Ebenso könnte ein potentieller Rügeführer, der nicht die „Rechtswirksamkeit dieser Verordnung“ als solches zur Überprüfung stellen möchte, der jedoch ein mit der Verordnung nicht vereinbares Bauvorhaben durchführen möchte, von der fristgerechten Rügeerhebung in der Erwartung abgehalten werden, Mängel der Verordnung im Rahmen eines auf ein konkretes Bauvorhaben bezogenen Verfahrens und einer hierbei vorzunehmenden Inzidentkontrolle unabhängig von einer fristgemäßen Rüge noch geltend machen zu können (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 26. März 2021 – OVG 2 A 13.19 – juris Rn. 41).

III. Die festgestellten Mängel haben zur Folge, dass der Bebauungsplan insgesamt für unwirksam zu erklären ist, da die festgestellten Fehler bei der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung den gesamten Bebauungsplan betreffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.