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Entscheidung 26 Ta (Kost) 6019/21


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 26. Beschwerdekammer Entscheidungsdatum 03.05.2021
Aktenzeichen 26 Ta (Kost) 6019/21 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2021:0503.26TA.KOST6019.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 33 RVG

Leitsatz

1. Stand eine betriebsbedingte Kündigung im Streit oder fehlen Angaben über die Kündigungsgründe, bedarf es zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisregelung regelmäßig näherer Angaben, aus denen ein im Zeitpunkt des Vergleichs bestehender Streit bzw. eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch geschlossen werden kann
(vgl. LAG Berlin-Brandenburg 22. Mai 2018 - 26 Ta (Kost) 6036/18; 16. Juli 2019 - 26 Ta (Kost) 6040/19).

2. Angesichts der Auseinandersetzungen im Vorfeld der Kündigung im Hinblick auf einen dem Kläger vorgeworfenen Arbeitszeitbetrug lagen hier solche besonderen Gesichtspunkte vor, aufgrund derer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs jedenfalls Ungewissheit bestand,
ob die Beklagte dem Kläger ohne eine entsprechende Regelung im Vergleichstext ein sehr gutes Zeugnis ausstellen werde, auf deren Inhalt der Kläger zudem erheblichen Einfluss hätte nehmen können, wie das durch Nr. 3 des Vergleichs ermöglicht worden ist.
Im Rahmen des Rechtsstreits haben sich die Parteien zudem über den Inhalt der Arbeitsaufgaben des Klägers gestritten.

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. Februar 2021 – 1 Ca 9706/20 – teilweise abgeändert und ein Vergleichsmehrwert in Höhe von 5.491 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägervertreter machen mit der Beschwerde die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts geltend. Mit Schreiben vom 28. November 2019 hörte die Beklagte den Kläger zu einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung an. Sie warf ihm damals Arbeitszeitbetrug vor. Nach der Stellungnahme des Klägers nahm die Beklagte von einer Kündigung zunächst Abstand. Mit Schreiben vom 21. Februar 2020 kündigte die Beklagte dem Kläger dann betriebsbedingt. Die Kündigung wurde mit einer betrieblichen Umstrukturierung begründet. Der Kläger war einzige von der behaupteten Umstrukturierung betroffene Person. Im Rahmen des Kündigungsschutzrechtsstreits war auch die Tätigkeit des Klägers umstritten. Mit Beschluss vom 19. Januar 2021 stellte das Arbeitsgericht einen Vergleich fest, in dem sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, eine Abfindung und ein Zeugnis einigten. Unter Nr. 3 des Vergleichstextes heißt es:

„Die Beklagte erteilt dem Kläger ein qualifiziertes und wohlwollendes Arbeitszeugnis, welches in jeder Hinsicht der Schulnote „sehr gut“ entspricht und eine übliche Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel am Ende des Zeugnistextes enthält. Der Kläger ist berechtigt, der Beklagten binnen vier Wochen ab Erteilung des Arbeitszeugnisses hinsichtlich des Zeugnistextes Korrekturwünsche zu übermitteln, die für die Beklagte verbindlich sind und welche die Beklagte nur aus wichtigem Grund ablehnen darf.“

Im Rahmen der Anhörung zum Gegenstandswert haben die Klägervertreter geltend gemacht, für die Einigung über das Zeugnis sei ein Vergleichsmehrwert in Höhe eines Bruttoeinkommens zu berücksichtigen. Das Arbeitsgericht hat die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts abgelehnt. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Ein Vergleichsmehrwert ist hinsichtlich der Einigung über das Zeugnis angefallen.

1) Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG). In den Wert eines Vergleichs sind daher die Werte aller rechtshängigen oder nichtrechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die mit dem Vergleich geregelt wurden. Demgegenüber ist die bloße Begründung einer Leistungspflicht in dem Vergleich für den Vergleichsmehrwert ohne Bedeutung; denn es kommt für die Wertfestsetzung darauf an, worüber – und nicht worauf – die Parteien sich geeinigt haben. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass durch den Vergleich ein Streit vermieden wurde. Ein Titulierungsinteresse kann nur dann berücksichtigt werden, wenn der geregelte Anspruch zwar unstreitig und gewiss, seine Durchsetzung aber ungewiss war (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 – 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 2).

Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist danach nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren. Zwar wird eine Einigung der Parteien häufig nur zu erreichen sein, wenn derartige Vereinbarungen getroffen werden; denn die Parteien sind nicht selten nur dann zum Abschluss eines Vergleichs bereit, wenn weitere Fragen geregelt werden und ein diesbezüglicher zukünftiger Streit vermieden wird. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zum Abschluss eines Vergleichs führt, ist jedoch mit der Einigungsgebühr als solcher abgegolten. Für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts und die damit verbundene Gebührenerhöhung muss darüber hinaus festgestellt werden, dass die geregelten Gegenstände vor Abschluss des Vergleichs streitig oder ungewiss waren. Hierzu genügen weder die Vergleichsverhandlungen als solche noch Regelungen, durch die Leistungspflichten erstmals begründet oder beseitigt werden, die Rechtsverhältnisse lediglich klarstellen oder auf sonstige Weise ausschließlich einen künftigen Streit der Parteien vermeiden. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass eine der Parteien in den Vergleichsverhandlungen Forderungen aufstellt, um dann im Wege des Nachgebens einen Vergleich zu erreichen; für einen Vergleichsmehrwert muss vielmehr der potentielle Streitgegenstand eines künftigen Verfahrens eine Regelung erfahren (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 – 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 3).

2) Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte liegen die Voraussetzungen für den Ansatz eines Vergleichsmehrwerts hier vor.

a) Die Einigung über das Zeugnis hat einen Vergleichsmehrwert ausgelöst.

aa) Streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung, kann regelmäßig ohne nähere Begründung davon ausgegangen werden, dass auch das Führungs- und Leistungsverhalten des Arbeitnehmers streitig war; wird der Kündigungsrechtsstreit durch Abschluss eines Vergleichs beigelegt und dort eine Zeugnisregelung getroffen, führt dies deshalb ohne weiteres zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts. Gleiches gilt bei einer personenbedingten Kündigung, wenn die Kündigungsgründe einen Bezug zu dem Führungs- und Leistungsverhalten aufweisen. Stand eine betriebsbedingte Kündigung im Streit oder fehlen Angaben über die Kündigungsgründe, bedarf es zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisregelung regelmäßig näherer Angaben, aus denen ein im Zeitpunkt des Vergleichs bestehender Streit bzw. eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch geschlossen werden kann (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 22. Mai 2018 - 26 Ta (Kost) 6036/18; 8. März 2017 – 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 4).

bb) Hier war eine betriebsbedingte Kündigung im Streit. Angesichts der Auseinandersetzungen im Vorfeld der Kündigung im Hinblick auf den dem Kläger vorgeworfenen Arbeitszeitbetrug lagen aber besondere Gesichtspunkte vor (vgl. zu einer solchen Konstellation auch LAG Berlin-Brandenburg 16. Juli 2019 - 26 Ta (Kost) 6040/19), aufgrund derer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs jedenfalls Ungewissheit bestand, ob die Beklagte dem Kläger ohne eine entsprechende Regelung im Vergleichstext ein sehr gutes Zeugnis ausstellen werde, auf deren Inhalt der Kläger zudem erheblichen Einfluss hätte nehmen können, wie das durch Nr. 3 des Vergleichs ermöglicht worden ist. Im Rahmen des Rechtsstreits haben sich die Parteien auch über den Inhalt der Arbeitsaufgaben des Klägers gestritten. Auch insoweit macht die Regelung im Vergleich durchaus Sinn.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 33 Abs. 9 RVG. Eine Gebühr ist nicht angefallen.

IV.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.