Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 17.05.2021 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 174/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0517.9UF174.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde vom 11. August 2020 – Az. 3 F 208/14 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.300 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Aus einem Stufenverfahren wegen regelmäßigen sowie besonders veranlassten Kindesunterhalts heraus streiten die Beteiligten im Beschwerderechtszug noch um Mehrbedarf aus der Zeit von Januar 2014 bis einschließlich November 2015. Im Einzelnen:
Der Antragsgegner ist der Vater der am … 2007 geborenen Antragstellerin, die im Haushalt ihrer Mutter betreut wird. Mit Schreiben vom 20. Januar 2014 ist der Antragsgegner – anknüpfend an das Ausbleiben der bis Dezember 2013 regelmäßigen Zahlungen auf Kindesunterhalt in Höhe von 491 EUR und Schulgeld von 150 EUR – zur Auskunftserteilung und fortlaufenden Zahlung aufgefordert worden.
Eingehend im Mai 2014 hat die Antragstellerin den Antragsgegner im Stufenverfahren auf – schließlich mit 160 % des Mindestunterhalts bezifferten - Kindesunterhalt und Zahlung monatlichen Schulgeldes von 150 EUR zzgl. Verpflegungsgeld und Hortbeitrag gerichtlich in Anspruch genommen. Der Antragsgegner habe den Besuch der Privatschule beauftragt und müsse wegen Leistungsunfähigkeit der im Streitzeitraum soziale Transferleistungen beziehenden Kindesmutter den damit einhergehenden Kostenaufwand allein tragen. Der Schulbesuch endete im November 2015 mit dem Umzug von E… nach W… .
Der Antragsgegner hat die vollständige Abweisung der Zahlungsanträge begehrt. Den Schulvertrag habe allein die Kindesmutter unterschrieben; er habe auch kein Einverständnis erklärt, für die Schulkosten aufzukommen.
Mit Beschluss vom 11. August 2020 hat das Amtsgericht den Antragsgegner u.a. und soweit hier von Interesse zur Zahlung von Mehrbedarf in Form von Schulgeld im Gesamtumfang von 3.330 EUR nebst Zinsen verpflichtet. Zur Begründung ist ausgeführt, der Antragsgegner sei zur Zahlung des Schulgeldes verpflichtet. Die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners ließen solche Zahlungen zwanglos zu; die Kindesmutter sei leistungsunfähig. Der Antragsgegner habe den Besuch der Privatschule, der bereits vor dem hiesigen Einsatzzeitpunkt stattgefunden habe, bis einschließlich Dezember 2013 mit monatlich 150 EUR finanziert. Daran müsse er sich auch für die Folgezeit festhalten lassen.
Gegen diese Zahlungsverpflichtung richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, der insoweit weiterhin die vollständige Zurückweisung des Zahlungsantrages erstrebt. Er wiederholt sein Vorbringen, die – allein sorgeberechtigte - Kindesmutter habe aufgrund ausschließlich eigener Entscheidung allein den Schulvertrag unterzeichnet; er selbst habe ausdrücklich nicht Vertragspartner werden wollen. Von einer gemeinsamen Entscheidung der – sich hochstreitig begegnenden – Eltern könne keine Rede sein. Er habe nur wegen Zahlungsschwierigkeiten der Mutter diese Kosten getragen, aber „zu jeder Zeit“ erklärt, nicht die Absicht zu haben, das Schulgeld auf Dauer zu entrichten. Nachdem die Kindesmutter verunfallt sei und von Hartz-IV-Leistungen gelebt habe, habe er – wie angekündigt - die Zahlungen im Januar 2014 eingestellt. Die Kindesmutter hätte den Schulvertrag kündigen können und müssen; jedenfalls sei sie allein zahlungsverpflichtet. Er zieht auch die Notwendigkeit des Besuchs dieser Privatschule in Zweifel und meint, die Beschulung hätte ohne Weiteres auch an einer staatlichen Institution erfolgen bzw. fortgesetzt werden können.
Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung. Sie trägt vor der Antragsgegner habe den Besuch der Privatschule ausdrücklich gewünscht, allerdings zugleich erklärt, die dafür nach seinem sehr hohen Einkommen zu zahlenden Schulbeiträge aber nicht leisten zu wollen; vielmehr sollte das Schulgeld nach dem niedrigeren Einkommen der Mutter – die selbst erklärtermaßen diese Kosten von vornherein nicht hätte tragen können - bemessen werden; zur Zahlung dieser Kosten habe sich der Antragsgegner verpflichtet und sei dieser Verpflichtung in der Folgezeit auch nachgekommen. Daran müsse er sich festhalten lassen. Eine Kündigung des Schulvertrages sei aus Gründen des Kindeswohls nicht zumutbar gewesen.
Der Senat hat den Anforderungen des § 117 Abs. 3 FamFG Rechnung tragend angekündigt, die Beschwerde des Antragsgegners ohne erneute mündliche Anhörung der Beteiligten nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG im schriftlichen Verfahren zurückzuweisen und dies unter Einräumung einer – ungenutzt gebliebenen - Schriftsatzfrist bis zum 30. April 2021 näher begründet. Bedenken gegen die beabsichtigte Verfahrensweise wurden nicht erhoben.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 117 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 520 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ZPO), mithin zulässig. Das Rechtsmittel bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Das Amtsgericht hat den Antragsgegner (allein) zu Recht gemäß §§ 1601, 1602, 1610 Abs. 2 BGB zur Zahlung des Schulgeldes für den Besuch der Antragstellerin in der … Grundschule in E… in der Zeit von Januar 2014 bis November 2015 im Gesamtumfang von 3.330 EUR (= 22 Monate x 150 EUR + 30 EUR) verpflichtet. Das Vorbringen im Beschwerderechtszug rechtfertigt ein anderes Ergebnis nicht.
Die hier streitigen Kosten eines privaten Schulbesuchs sind unterhaltsrechtlich als Mehrbedarf zu qualifizieren. Mehrbedarf ist der Teil des Lebensbedarfs, der regelmäßig während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er beim Kindesunterhalt mit den Tabellensätzen nicht oder nicht vollständig erfasst werden kann, andererseits aber kalkulierbar ist.
a)
Am Mehrbedarf muss sich grundsätzlich auch der Elternteil beteiligen, der ein minderjähriges Kind betreut und dadurch regelmäßig nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB seine Unterhaltspflicht erfüllen würde, wenn er über Einkünfte verfügt, insbesondere, wenn er erwerbstätig ist oder ihn eine Erwerbsobliegenheit trifft.
Die - zumal durch einen Unfall und also unverschuldet erst richtig in finanzielle Bedrängnis geratene - Mutter bezog im Streitzeitraum unstreitig nur Leistungen nach dem SGB II und war tatsächlich nicht leistungsfähig. Zwar wird sie für den entsprechenden Mehrbedarf grundsätzlich auch auf Einkommenserzielung zu verweisen sein, soweit das die nicht näher bekannt gewordenen unfallbedingten gesundheitlichen Einschränkungen zuließen, denn die sechs bzw. sieben Jahre alten Tochter war ganztags betreut. Allerdings muss die Antragstellerin sich etwaige Versäumnisse ihrer Mutter bei der Einkommenserzielung nicht entgegenhalten lassen. Das unterhaltsberechtigte Kind kann ohne Weiteres den leistungsfähigen Elternteil in Anspruch nehmen. Der Antragsgegner wäre insoweit auf Regressansprüche gegen die Mutter zu verweisen (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 2 Rdnr. 567).
Im Verhältnis zur Antragstellerin haftet danach allein der Antragsgegner für den unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf aus dem Schulbesuch.
b)
Im Streitfall war die Mutter bei Schulvertragsabschluss allein sorgeberechtigt und damit nach §§ 1631 Abs. 1, 1631 a BGB kraft Gesetzes befugt, die Ziele und Wege der Ausbildung unter Berücksichtigung der Eignung und Neigung der Antragstellerin verantwortlich festzulegen. Der barunterhaltspflichtige Elternteil – hier der Antragsgegner – muss solche Entscheidungen hinnehmen, auch wenn sie sich kostensteigernd für ihn auswirken und sie ihm nicht sinnvoll erscheinen. (Etwaige Fehlentscheidungen sind nach § 1666 BGB zu korrigieren.) Deshalb können im Unterhaltsverfahren Maßnahmen des Sorgerechtsinhabers grundsätzlich nicht auf ihre Rechtmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit überprüft werden. Das gilt auch bei der Wahl einer Mehrkosten verursachenden Privatschule (vgl. dazu BGH FamRZ 1983, 48 – Rdnr. 10 f. bei juris; KG, Urteil vom 18. Juni 2002, Az. 19 UF 370/01 - Rdnr. 9 bei juris; OLG München FF 2008, 509 – Rdnr. 19; OLG Karlsruhe FamRZ 2019, 1859 – Rdnr. 50 bei juris; Wendl/Dose, a.a.O., § 2 Rdnr. 456).
(1)
Trotz der generellen Bindung an eine Entscheidung des insoweit sorgeberechtigten Elternteils kann das Kind den Mehrbedarf allerdings nicht unbeschränkt geltend machen. Auch wenn ein Elternteil aufgrund seines alleinigen Sorgerechts die Schule unter Berücksichtigung der Eignung und Neigungen des Kindes eigenverantwortlich festlegen kann, ist eine solche Entscheidung unterhaltsrechtlich nur anzuerkennen, wenn die daraus folgende Belastung mit Mehrkosten angemessen ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall – ungeachtet der Frage nach dem Hergang der Entscheidungsfindung – jedenfalls erfüllt.
Der mit dem inzwischen auch für die allgemeine Schulbildung durchaus verbreitet in Anspruch genommene, jedenfalls nicht mehr ungewöhnliche Besuch einer (Privat-)Schule in freier Trägerschaft verbundene Kostenaufwand war mit 150 EUR monatlich vergleichsweise moderat und wurde auch unstreitig von Anfang an vom Antragsgegner allein getragen, der dadurch in seiner Lebensführung nicht unangemessen beeinträchtigt worden ist. Die Zahlungseinstellung mit dem Ende des Jahres 2013 begründet der Antragsgegner – in dieser Kausalität nicht recht nachvollziehbar - damit, dass die Mutter leistungsunfähig geworden sei. Soweit er geltend macht, dass er „zu jeder Zeit (erklärte), dass er nicht die Absicht hat, das Schulgeld auf Dauer zu zahlen“, ist das schon unsubstantiiert und deshalb unerheblich; es bleibt im Übrigen unklar, welche konkreten rechtlichen Konsequenzen sich für die unterhaltsberechtigte Antragstellerin daraus ergeben sollen. Der zudem wohl mit der Grundentscheidung erkennbar einverstandene Antragsgegner – dazu sogleich - muss dann auch die Rechtsfolgen tragen, die losgelöst von der mangels Vertragspartnerschaft tatsächlich im Außenverhältnis nicht bestehenden Schuldverpflichtung gegenüber dem Schulträger einzig nach den dafür – unterhaltsrechtlich - geltenden Maßstäben zu beurteilen sind. Dass es eine Vereinbarung zwischen den Eltern gegeben habe, dass allein die Mutter diese Kosten zu tragen verpflichtet ist, behauptet der Antragsgegner selbst nicht, so dass sich die Frage, ob und wie eine solche Vereinbarung überhaupt Wirkung im Verhältnis zur berechtigten Antragstellerin entfalten könnte, nicht stellt.
Die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners steht außer Frage; er hat nicht einmal im Ansatz geltend gemacht, die geforderten und der Höhe nach moderaten Zahlungen würden ihn in seiner wirtschaftlichen Freiheit überhaupt spürbar tangieren. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des - selbständig erwerbstätigen und über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verfügenden - Antragsgegners sind im hiesigen Verfahren nie genau beauskunftet und/oder festgestellt worden. Der Antragsgegner hat allerdings seine mit der angefochtenen Entscheidung auch ergangene grundlegende Verpflichtung zur regelmäßigen Zahlung von 160 % des Mindestunterhalts abzgl. des anzurechnenden Kindergeldes hingenommen. Danach verfügt(e) er im streitigen Zeitraum über bereinigte monatliche Nettoeinkünfte nach der höchsten Einkommensgruppe, also mindestens 4.701 EUR. Abzüglich des danach geschuldeten Unterhalts von (im Streitzeitraum höchstens) 508 EUR waren der angemessene Selbstbehalt von 1.300 EUR wie auch der Bedarfskontrollbetrag von 1.980 EUR auch nach Zahlung des Schulgeldes nicht auch nur annähernd gefährdet. Im Übrigen steht - umzugsbedingt – letztlich auch nur ein Zeitraum von knapp zwei Jahren mit einem Gesamtkostenaufwand von 3.330 EUR in Streit. Von einer unangemessenen Belastung mit Mehrkosten, die eine teilweise oder gar vollständige Befreiung des Unterhaltspflichtigen von diesem Mehrbedarf des unterhaltsberechtigten Kindes zu rechtfertigen geeignet wäre, kann danach im Streitfall ganz offensichtlich nicht die Rede sein.
(2)
Nur der Vollständigkeit halber ist deshalb festzustellen, dass nach Lage der Akten tatsächlich (eher) von einer gemeinsam getragenen Entscheidung beider Eltern auszugehen ist.
Die Antragstellerin hat sich darauf berufen, es sei maßgeblich der Antragsgegner gewesen, der den Besuch der Privatschule gewollt und die Mutter dazu „veranlasst“ habe. Der Antragsgegner hat sich lediglich darauf zurückgezogen, dass er keine Kostenzusage erteilt habe und die Kindesmutter selbst tatsächlich keinen Besuch auf einer staatlichen Schule beabsichtigt habe. Damit ist eine einverständliche oder jedenfalls übereinstimmend (mit-)getragene Entscheidung des Besuchs der Privatschule nicht bestritten gewesen. Das hat sich auch im Beschwerderechtszug nicht geändert. Der Antragsgegner zieht sich weiter auf die formale Position zurück, er habe ausdrücklich nicht Vertragspartner werden wollen und den Schulvertrag auch (unstreitig) nicht unterzeichnet. Er war aber gleichwohl vor Vertragsschluss in die Entscheidung über den Besuch der Privatschule involviert. Die Antragstellerin hat unbestritten vorgetragen, „sämtliche Gespräche mit der Schule hat der Antragsgegner geführt, die Möglichkeit, das Kind überhaupt auf dieser Privatschule unterrichten zu lassen, hat der Antragsgegner geschaffen“. Der Sachvortrag des Antragsgegners lässt nicht erkennen, dass er die sorgerechtlich allein von der Mutter verantwortete Entscheidung zum Privatschulbesuch der Antragstellerin aus irgendwelchen, insbesondere pekuniären Gründen ausdrücklich nicht mitgetragen hätte. Die Antragstellerin hat hierzu – unwidersprochen und sachlich ohne Weiteres nachvollziehbar – behauptet, der Antragsgegner sei an einer Bemessung des Schulgeldes an den niedrigeren Einkünften der Mutter interessiert gewesen und deshalb als Vertragspartner bewusst nicht in Erscheinung getreten. Unter diesen Umständen konnte die Mutter von einer einverständlichen Grundsatzentscheidung beider Eltern insoweit ausgehen. Dies wird auch durch die Darstellung des Antragsgegners, von einer gemeinsam getroffenen Entscheidung könne nicht die Rede sein, nicht tauglich in Zweifel gezogen.
Der Antragsgegner kann sich nach alledem – jenseits einer hier ganz offensichtlich nicht vorliegenden wirtschaftlichen Unangemessenheit oder gar Unzumutbarkeit – von der ihn im Verhältnis zur Antragstellerin allein treffenden Zahlungspflicht nicht lösen.
Er kann sich insbesondere auch nicht etwa auf eine Kündigungspflicht der Mutter nach seiner Zahlungseinstellung stützen. Diese wäre – mit Blick auf die dreimonatige Kündigungsfrist - ohnehin frühestens zum Ende des Schuljahres im Sommer 2014 möglich gewesen. Vor allen Dingen stellen sich in diesem Zusammenhang richtigerweise Fragen nach dem Kindeswohl. Die Antragstellerin macht geltend, durch den – einzig aufgrund Zahlungsunwilligkeit des Antragsgegners erzwungenen – Wechsel auf eine staatliche Schule wäre das Kind massiv beeinträchtigt und seiner sämtlichen sozialen Kontakte weitestgehend beraubt. Jenseits dessen müsste sich das Kind – hier also die anspruchsberechtigte Antragstellerin – etwaige Versäumnisse ihrer Mutter insoweit erneut nicht entgegenhalten lassen.
Eine auch nur teilweise Abänderung der angefochtenen Entscheidung war nach alledem nicht veranlasst.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.
Die Festsetzung des Streitwertes ergeht nach §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 35 FamGKG.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.