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Entscheidung 412 Ds 274 Js 3182/20 (84/20)


Metadaten

Gericht AG Frankfurt (Oder) Entscheidungsdatum 01.04.2021
Aktenzeichen 412 Ds 274 Js 3182/20 (84/20) ECLI ECLI:DE:AGFF:2021:0401.412DS274JS3182.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Die Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB hängt in Fällen, in denen bei für den öffentlichen Dienst bestimmten Gebäuden ein Hausverbot im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung erfolgt, von der verwaltungsrechtlichen Vollziehbarkeit des Hausverbotes (§ 80 VwGO) ab und nicht von seiner Rechtmäßigkeit.

2. Polizeiliche Diensthandlungen, wie eine Platzverweisung und die Anwendung unmittelbaren Zwangs auf der Grundlage des Brandenburgischen Polizeigesetzes, sind in aller Regel im Sinne des § 113 Abs. 3 StGB rechtswidrig, wenn das Hausverbot, zu dessen Durchsetzung sie erfolgen, nicht sofort vollziehbar ist. Der Mangel der sofortigen Vollziehbarkeit zieht diese Rechtsfolge regelmäßig nach sich.

Tenor

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Gründe

I. Vorwurf nach der Anklageschrift vom 18.06.2020

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten unter Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung vor, am 04.11.2019 in V. Amtsträgern, die zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verfügungen berufen gewesen seien, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt Widerstand geleistet zu haben, ferner durch dieselbe Handlung Amtsträgern, die zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Verfügungen berufen gewesen seien, sowie zur Unterstützung bei einer Diensthandlung hinzugezogenen Personen, bei einer Diensthandlung tätlich angegriffen zu haben, ferner durch dieselbe Handlung andere Personen körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt zu haben, schließlich durch dieselbe Handlung in abgeschlossenen Räumen, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt gewesen seien, ohne Befugnis verweilt zu haben und auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt zu haben; Vergehen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte tateinheitlich mit tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Hausfriedensbruch, strafbar nach § 113 Abs. 1, § 114 Abs. 1, § 115 Abs. 2, § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 123, § 52 des Strafgesetzbuches (StGB).

Dem Angeklagten wird in der Anklageschrift im Einzelnen Folgendes zur Last gelegt: „Am Tattag suchte der Angeklagte das Sozialamt des Landkreises … in V. auf, um Sozialleistungen abzuholen. Dabei wurde ihm erklärt, dass er die Leistungen nicht in voller Höhe erhalten kann, da er nicht die nötigen Nachweise mitgebracht hatte. Dies akzeptierte der Angeklagte nicht und verließ die Räume nach mehrmaliger Aufforderung durch die Mitarbeiter des Sozialamtes nicht. Daraufhin wurde die Polizei gerufen, die ihn nochmals auf die verkürzte Auszahlung hinwies und ihn zum Verlassen aufforderte. Trotz dieser Mitteilung wollte er weder die Auszahlung noch das Sozialamt verlassen, woraufhin ihm durch POK … angedroht wurde, dass Zwangsmittel eingesetzt werden können. Dennoch weigerte er sich, den Kassenvorraum bzw. das Gebäude zu verlassen. Die Beamten POK … und POMin … fassten den Angeklagten am Arm, um ihn aus dem Bereich zu entfernen. Dabei hielt er sich an der Öffnung des Kassenbereichs fest und trat nach den agierenden Personen. Der Zeuge O., der als Sicherheitspersonal des Sozialamts die Beamten bei der Verbringung durch die massive Gegenwehr des Angeklagten unterstützte, erhielt durch diesen einen Schlag auf die rechte Brust, wodurch er merklich Schmerzen erlitt. Nach Eintreffen weiterer Polizeikräfte wurde der Angeklagte zu Boden gebracht und fixiert, wobei er sich vehement wehrte und um sich trat. Bei dieser Maßnahme wurde POK … an der rechten Wange durch den Angeklagten getroffen, wodurch dieser kurzzeitige Schmerzen verspürte. Weiterhin trat er den POK … mit seinem Fuß am linken Unterarm, der daraufhin ein Hämatom und Schmerzen erlitt. Zudem trat der Angeklagte in den linken Oberschenkel des PK … . Dieser erlitt leichte Schmerzen.“

II. Feststellungen des Gerichts nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme

1. Lebensverhältnisse des Angeklagten

Der Angeklagte ist Staatsangehöriger von Kamerun. Er reiste am 04.01.2017 nach Deutschland ein und sucht am 05.01.2017 um Asyl nach, zu seinem Asylverfahren ist eine Klage beim Verwaltungsgericht … anhängig, über die noch nicht entscheiden worden ist. Er lebte zur Zeit der vorgeworfenen Taten in einer Gemeinschaftsunterkunft in … im Landkreis … . Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

2. Geschehen bis zum Eintreffen der Polizei

Der Angeklagte begab sich am 04.11.2019 in der Zeit ab 08.00 Uhr in die Diensträume des Sozialamtes des Landkreises … in V., …, um dort die ihm monatlich zustehende Barleistung in Höhe von 310 € für den Monat November 2019 abzuholen; über andere Geldeinkünfte verfügte der Angeklagte für diesen Monat nicht, so dass er auf die gesamte Leistung angewiesen war, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten; er hatte im Zeitpunkt der Vorsprache nur noch einen Barbetrag von etwa 10 € bei sich.

Der Landkreis führte die Auszahlung der Barleistungen damals und auch an dem in Rede stehenden Tag in der Weise durch, dass sich die Leistungsempfänger an einem bestimmten Tag zum Monatsanfang persönlich im Sozialamt melden mussten, dort eine Wartenummer bekamen und dann an einem Schalter einen Scheck erhielten, der in einer Auszahlstelle der Sparkasse im Gebäude eingelöst werden konnte. Im Sozialamt sind zu Zeiten der Auszahlung regelmäßig Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes anwesend, insbesondere mit der Aufgabe, den ordnungsgemäßen Ablauf der Auszahlungen zu gewährleisten.

Für den Angeklagten war an diesem Tag für die Ausgabe des Schecks Frau …, eine Mitarbeiterin des Sozialamtes, zuständig. Der Angeklagte begab sich gegen 09.00 Uhr in einen Auszahlungsraum, wo sich zwei Schalter befinden. Die Leistungsempfänger und das Personal des Sozialamtes halten sich, durch eine Sicherheitstrennscheibe abgeteilt, in verschiedenen Bereichen des Auszahlungsraumes auf; wegen der Einzelheiten der Ausgestaltung dieses Raumes wird auf zwei Lichtbilder verwiesen, die sich als Bild 10 auf Blatt 211 und als Bild 11 auf Blatt 212 bei den Akten befinden; diese Abbildungen sind mit dieser Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 der Strafprozessordnung (StPO) Teil dieses Urteils.

Die Sozialamtsmitarbeiterin … sagte dem Angeklagten, dass er für November nicht den vollen Betrag in Höhe von 310 € erhalte, sondern erst einmal nur 103 € für 10 Tage, der Angeklagte müsse, damit er den restlichen Betrag erhalten könne, bis zum 10.11.2019 einen Nachweis bringen, dass er am 07.10.2019, dem Zahltag für den Monat Oktober 2019, einen Termin bei seinem Anwalt gehabt habe. Dieses Vorgehen der Frau … entsprach der damaligen Praxis des Sozialamtes.

Das Verhalten der Frau … hatte folgende Vorgeschichte: Der Angeklagte suchte das Sozialamt am genannten Auszahlungstag für den Monat Oktober nicht auf, er machte als Grund für sein Ausbleiben geltend, dass er am 07.10.2019 seinen damaligen Rechtsanwalt … in Berlin in dessen Büro habe aufsuchen wollen, damit der Anwalt für ihn durchsetze, dass er eine Krankenversicherungskarte vom Sozialamt erhalte, damit er im Krankheitsfall künftig ohne vorherige behördliche Genehmigung durch einen amtlich bestellten Arztes Hilfe aufsuchen dürfe; vor dem Anwaltsbüro habe er bis 12.30 Uhr gewartet, aber niemand angetroffen, das Sozialamt habe er an diesem Tag zur Auszahlung nicht mehr aufsuchen können, Grund für eine Verzögerung bei der Reise zum Sozialamt sei ein Schienenersatzverkehr bei der Bahn gewesen. Der Angeklagte suchte dann am 10.10.2019 das Sozialamt auf, erhielt dort von Frau … den Betrag von 310 € für den Monat Oktober, allerdings verbunden mit der Aufforderung, dass er zum nächsten Mal eine Entschuldigung vom Rechtsanwalt bringen müsse. Der Einwand des Angeklagten, dass er den Anwalt nicht angetroffenen habe, blieb ohne Erfolg, Frau … sagte, dass der Angeklagte im November eine Entschuldigung bringen müsse, sonst zahle sie als „Strafe“ weniger aus.

Am 04.11.2019 geschah im Anschluss an die Weigerung der Frau …, den vollen Betrag auszuzahlen, Folgendes: Frau … erklärte dem Angeklagten, dass der Angeklagte mit einer Unterschrift die Auszahlung von 103 € bestätigen und am 10.11.2019 mit einer Entschuldigung wiederkommen solle. Der Angeklagte wollte das nicht hinnehmen, fragte nach einer Begründung für die Erklärung der Frau …, was diese aber ablehnte. Der Angeklagte machte insbesondere geltend, dass sein Anwalt bis 20.11.2019 in Urlaub sei, und die Sekretärin des Anwalts ihm keine Bestätigung aushändigen wolle. Er gab Frau … eine Visitenkarte des Anwalts und bat sie, dort anzurufen, was Frau … ablehnte.

Zur rechtlichen Bewertung des Vorgehens von Frau … betreffend die Weigerung, den vollen Betrag für November auszuzahlen, ist festzustellen: Der Angeklagte beauftragte in der Angelegenheit, wohl mit Unterstützung des Vereins Opferperspektive, am 22.11.2019 die Rechtsanwältin … in Berlin als Verfahrensbevollmächtigte. Die zuständige Widerspruchsstelle des Landkreises … stellte auf den Widerspruch der Verfahrensbevollmächtigten des Angeklagten mit Schreiben vom 14.02.2020 fest, dass die im Auszahlungsmonat November, wie bereits dargestellt, erfolgte Art der Kürzung der Leistungen aus Rechtsgründen unzulässig gewesen sei; das Widerspruchsverfahren ist mit dieser Entscheidung abgeschlossen worden. Am 02.12.2019 wurden die Leistungen für November rückwirkend an den Angeklagten gezahlt. Anfang 2020 wurde die dargestellte Verwaltungspraxis des Sozialamtes abgeändert, den Beschäftigen des Sozialamts wurde für Fälle der vorliegenden Art ein Ermessensspielraum eingeräumt, um ungekürzte Leistungen auszahlen zu können. Unter Heranziehung dieser (neuen) Regeln hätte der Angeklagte am 04.11.2019, anders als geschehen, ungekürzt den vollen Betrag in Höhe von 310 € erhalten.

Am 04.11.2019 geschah nach der endgültigen Versagung der vollen Leistung durch Frau … weiterhin Folgendes: Nachdem der Angeklagte gegenüber Frau … erklärt hatte, er wolle mit der Chefin von Frau … sprechen, kam gegen 09.15 Uhr Frau …., die Fachdienstleiterin im Sozialamt, hinzu, die das Vorgehen von Frau … allerdings billigte.

Der Angeklagte nahm die ihm angebotene Teilleistung nicht an und blieb im Auszahlungsraum in der Tür stehen, obwohl er von Frau … (Fachdienstleiterin) aufgefordert wurde, den Raum zu verlassen. Der Angeklagte wirkte ruhig, brachte seine Ablehnung gegen das Vorgehen des Sozialamtes ohne körperlichen Widerstand zum Ausdruck. Die Mitarbeiterinnen des Sozialamts entschlossen sich in Ansehung der Weigerung des Angeklagten, das Gebäude zu verlassen, die Auszahlungen an weitere Leistungsempfänger nicht fortzusetzen.

Frau … (Fachdienstleiterin) und Frau … zogen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hinzu, für die die Anweisung besteht, bei entsprechenden Problemen keine körperliche Gewalt einzusetzen, sondern, sofern im Einzelfall erforderlich, die Polizei einzuschalten. Hinzu kamen für den Sicherheitsdienst unter anderem der Zeuge M. und der Zeuge O. Der Zeuge M. forderte den Angeklagten, auch unter Verwendung der englischen und der französischen Sprache, auf, das Haus zu verlassen. Auch diesen Aufforderungen folgte der Angeklagte nicht.

3. Geschehen ab dem Eintreffen einer Polizistin und eines Polizisten

Frau … rief gegen 09.40 Uhr die Polizei. Gegen 10.40 Uhr trafen die Polizistin … und der Polizist … im Sozialamt ein, Frau … (Fachdienstleiterin) und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes erklärten der Polizei die Situation. Der Angeklagte erklärte seine Sichtweise und verlangte weiterhin die Auszahlung des vollen Betrages für den Monat November, teilte insbesondere mit, dass er das Geld für eine Fahrkarte zu einem Sprachkurs in Berlin benötige.

Der Polizeibeamte … und Herr M. erklärten dem Angeklagten in deutscher und englischer Sprache, dass der Angeklagte den Kassenraum und das Haus verlassen müsse, insbesondere auch deshalb, damit die Auszahlung weiterlaufen könne, dem Angeklagten wurde ferner durch die Polizei die zwangsweise Durchsetzung der Aufforderung angedroht.

Der Angeklagte stand dann vor dem Kassenschalter, der Polizeibeamte … und ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes versuchten, dem Angeklagten Handschellen anzulegen, der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hielt den Angeklagten von hinten fest. Der Angeklagte stand zunächst ruhig, versuchte seine Hand in die Durchreiche am Schalter zum Aufenthaltsbereich der Beschäftigten zu stecken. Vom Kasseninnenraum aus versuchte eine Frau (Mitarbeiterin des Sozialamtes), den Angeklagten daran zu hindern, sich in der Durchreiche festzuhalten, indem sie mit einem Gegenstand gegen die Hand des Angeklagten stocherte und ihn damit auch traf, der Polizeibeamte schlug von oben auf die Hand des Angeklagten. Ein weiterer Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes kam hinzu, den drei Männern gelang es dann, den Angeklagten von der Durchreiche ein Stück weit zu entfernen, ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hielt eine Hand des Angeklagten mit einem Haltegriff fest, der Angeklagte löste sich aus dem Griff und ging Richtung Wand, wo er von dem Polizeibeamten und einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes an den Händen festgehalten wurde, der Angeklagte versuchte, sich durch leichte Bewegungen aus den Griffen zu lösen, was ihm aber nicht gelang, die anwesenden Personen standen dann erneut vor der Durchreiche, ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hielt den Angeklagten mit einem Haltegriff fest.

Im Verlauf des bislang dargestellten Geschehens bekam der Zeuge O. einen „Schlag“ ab; Einzelheiten zur Verursachung konnten in der Hauptverhandlung nicht geklärt werden, insbesondere nicht, ob die den Schlag verursachende Bewegung mit Verletzungsabsicht oder versehentlich erfolgt ist, ferner kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich nicht um ein Verhalten des Angeklagten, sondern um eine Bewegung des Polizisten handelte, die in der Auseinandersetzung ungewollt den Zeugen O. traf. Der Zeuge O. hatte Schmerzen, sein Arzt konnte am nächsten Tag allerdings keine Verletzungen feststellen; der genannte Zeuge stellte keinen Strafantrag.

4. Geschehen ab dem Eintreffen weiterer Polzisten und Polizistinnen

Die Polizistin … bat Frau …, Verstärkung zu rufen, was Frau … tat. Es trafen dann weitere Kräfte der Polizei ein, am Ende könnten es ca. 20 Polizisten und Polizistinnen gewesen sein. Die Kräfte der Polizei waren auch damit befasst, andere Leistungsempfänger, mindestens 10 Personen, die sich auf dem Flur vor dem Raum befanden, daran zu hindern, in den Auszahlungsraum, wo sich der Angeklagte befand, zu gelangen. Die anderen Leistungsempfänger kritisierten das Vorgehen der Polizei gegen den Angeklagten und fertigten Videos.

Der Angeklagte stand, soweit das Gericht Feststellungen zum Geschehen treffen kann, im Raum zunächst am Auszahltresen, mehrere Polizisten befanden sich mit ihm im Auszahlraum, andere Polizisten sicherten den Raum nach außen ab, dort standen weiter mehrere Leistungsempfänger und beobachteten und filmten das Geschehen im Raum durch die offene Tür. Zunächst kam es zu keiner körperlichen Auseinandersetzung mit dem Angeklagten, die Polizisten redeten auf den Angeklagten ein, der Wortlaut der Ausführungen konnte insoweit nicht in allen Einzelheiten geklärt werden, einer der Beamten zählte dann gegenüber dem Angeklagten von Drei rückwärts bis Eins und veranschaulichte dies zugleich, indem die jeweilige Zahl mit den Fingern einer Hand durch Ausstrecken und Anziehen von Fingern anzeigte. Der Angeklagte stand weiter am Tresen und hatte eine Hand in der Durchreiche.

Die Polizei ging dann mit mehreren Beamten und unter Anwendung erheblicher Körperkraft, auch mit Schlägen, gegen den Angeklagten vor, der zunächst weiter vor dem Tresen stand, sich dort zunächst noch festhielt und dann, infolge der Einwirkung durch die Polizisten, zu Boden ging. Am Anfang ergriffen zwei Polizeibeamte den Oberkörper und den Kopf des Angeklagten, dieser hielt sich weiter am Tresen fest, ein Polizist schlug auf den Arm des Angeklagten, der noch am Tresen war, möglicherweise traf er auch den Kopf des Angeklagten, der Angeklagte hielt sich weiter am Tresen fest, ein Beamter ergriff den Oberkörper des Angeklagten, ein anderer Polizist umfasste den anderen Arm des Angeklagten. Ein Polizist übte Kraft auf den Oberkörper des Angeklagten aus, der Angeklagte blieb immer noch passiv. Dann löste sich die Hand des Angeklagten vom Tresen, sein Körper geriet in Bewegung, der Angeklagte ging wieder zum Tresen, um sich dort festzuhalten, drei oder vier Polizisten versuchten, den Angeklagten von dort wegzuziehen, das anschließende Geschehen konnte nicht geklärt werden, das Geschehen im Auszahlungsraum ist zeitweise auf dem Video nicht sichtbar. Im Anschluss hielten mindestens vier Polizisten den Angeklagten fest, einer von ihnen schlug mehrmals von oben auf den Angeklagten; das weitere Geschehen im Auszahlungsraum ist auf dem Video nicht festgehalten. Eine Vielzahl von Polizeibeamten sicherte den Raum von aus ab, wo andere Leistungsempfänger standen, die den Polizeieinsatz nun lautstark kritisierten.

Zum Ende des Geschehens im Auszahlungsraum befand sich der Angeklagte am Boden, wirkte benommen und war möglicherweise auch bewusstlos. Der Angeklagte blutete jedenfalls leicht aus dem Mund, wirkte ohnmächtig. Die Polizei rief deshalb einen Rettungswagen, der dann eintraf. Der Angeklagte wurde fixiert und auf eine Trage gelegt, wehrte sich möglicherweise weiter mit Bewegungen, und er wurde in den Rettungswagen und mit diesem Wagen in das Krankenhaus … gebracht. Dort wurde der Angeklagte ärztlich untersucht. Die Untersuchung ergab, dass der Angeklagte weder unter dem Einfluss von Alkohol noch von sonstigen Drogen stand. Die untersuchende Ärztin stellte die Gewahrsamstauglichkeit des Angeklagten fest, verbunden mit Auflage, die Erweckbarkeit des Angeklagten alle 30 Minuten zu überprüfen. Die Polizei brachte den Angeklagten zu einer Polizeidienststelle, wo der Angeklagte nach kurzer Zeit aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen wurde.

Im Verlauf des dargestellten Geschehens kann es zu Handlungen gekommen sein, wie sie dem Angeklagten in der Anklageschrift zum Nachteil von Polizisten vorgeworfen werden, mit der Folge einer Verletzung der rechten Wange des Polzisten … und einer Verletzung des linken Unterarms des Polizisten … sowie einer Verletzung des linken Oberschenkels des Polzisten … . Derartiges konnte in der Hauptverhandlung indessen nicht sicher festgestellt werden, insbesondere deshalb, weil die Polizisten, wie noch näher zu erläutern sein wird, nicht als Zeugen vernommen werden durften.

5. Strafanträge

Der Landkreis … stellte mit Schreiben vom 11.12.2019 Strafantrag gegen den Angeklagten wegen Hausfriedensbruchs, der Dienstvorgesetzte der Polizeibeamten …, der Leitende Polizeidirektor … bei der Polizeidirektion …, stellte jeweils mit Schreiben vom 17.01.2020 Strafantrag gegen den Angeklagten, der Polizeibeamte … stellte bereits am 04.11.2019 auch selbst einen Strafantrag.

III. Beweiswürdigung zum Sachverhalt

Die Feststellungen des Gerichts beruhen insbesondere auf der Einlassung des Angeklagten, soweit dieser gefolgt werden kann, den Angaben der vernommenen Zeugen und Zeuginnen …; ferner wurden Videos betreffend den Polizeieinsatz ausgewertet, sowohl für die Zeit vor als auch nach Eintreffen der Verstärkung der Polizei, schließlich hat der Sachverständige … das Geschehen im Auszahlraum aus rechtsmedizinischer Sicht bewertet, insbesondere zu den Folgen, die das Anlegen der Handfesseln beim Angeklagten hatte.

1. Einlassung des Angeklagten

Der Angeklagte hat sich insbesondere wie folgt eingelassen: Nach dem Vorgehen von Frau … am 04.11.2019 sei er verzweifelt gewesen, er habe keine Entschuldigung bringen können, er habe angenommen, mit einer, wie von ihm gefordert, Unterschrift würde er die Entscheidung über die Leistungskürzung akzeptieren, dann mit seinem Geld im laufenden Monat nicht mehr hinkommen, er habe zu diesem Zeitpunkt gerade noch etwa 10 € gehabt, er habe das Problem mit der Chefin des Sozialamtes klären wollen. Nach Eintreffen der Chefin habe er nicht rausgehen, sondern zuerst das Problem klären wollen, um die Strafe nicht zu akzeptieren und dann kein Geld mehr zu bekommen. Auch nach Eintreffen der Polizisten sei von ihm verlangt worden, dass er unterschreibe, er habe sich geweigert, weil das Problem nicht gelöst gewesen sei. Nachdem sie ihn festgehalten hätten, habe er sich dagegengestemmt und sich in der Durchreiche zur Kasse festgehalten, dann sei er wieder in eine Ecke zurück. An einer Hand habe er zwei blaue Punkte gehabt, auf einem Film habe er gesehen, dass Frau … mit einem Gegenstand in der Durchreiche auf seine Hand gestochert habe. Dann seien immer mehr Polizisten in das Zimmer gekommen. Er habe gesagt, dass er nicht rausgehe, bis man ihn angehört habe. Es seien immer mehr Polizisten auf ihn „drauf gegangen“. Sein Kopf sei auf die Theke gehauen worden, er habe sich an der Scheibe festgehalten, um den Kopf zur Scheibe zu schützen. Dann seien sie von hinten gekommen, er sei mehrmals auf den Kopf geschlagen worden, habe versucht, den Kopf mit den Händen zu schützen, habe dann einen sehr harten Schlag gegen den Oberkörper seitlich rechts bekommen. Alles habe sich gedreht, er habe sich später auf dem Boden wiedergefunden. Er habe Handschellen angehabt, eine Handschelle sei zu eng gewesen, er habe starke Schmerzen gehabt. Dann sei er in den Wagen getragen worden, habe noch gerufen, dass die Fessel zu eng sei. Danach habe er noch lange Schmerzen wegen des Ziehens am Kopf und der Schläge gehabt. Noch heute habe er Alpträume, einen Deutschkurs habe er abgebrochen, er habe seither Angst vor Polizisten, was ihn sehr belaste.

2. Bewertung des Gerichts

Die Feststellungen ergeben sich zum Geschehen bis zum Eintreffen der Polizei aus den insoweit übereinstimmenden Angaben der vernommenen Mitarbeiterinnen des Sozialamtes und der vernommenen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes; insoweit besteht kein Widerspruch zur Einlassung des Angeklagten.

Zum Geschehen ab Eintreffen der Polizei im Sozialamt stützen sich die Feststellungen zunächst auf die Auswertung der Videos, die das Geschehen gut wiedergeben. Wesentlich sind ferner die Ausführungen der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, insbesondere des Zeugen O. Der Zeuge O. gab zu einer etwaigen Verletzung, seine Einlassung bei der Polizei, wo er noch den Angeklagten belastete, relativierend, an, dass es nicht sicher sei, dass seine Verletzung vom Angeklagten herrühre.

Soweit es um etwaige Verletzungen der Polizeibeamten und deren Ursachen geht, konnte der Sachverhalt nicht umfassend aufgeklärt werden, was zu der bereits dargestellten Unsicherheit führt. Das Gericht konnte den Sachverhalt hierzu aus folgenden Gründen nicht umfassend aufklären:

Die Polizeibeamten … sowie die Sozialamtsmitarbeiterin … haben sich auf jeweils auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen, deshalb war eine Vernehmung dieser Personen durch das erkennende Gericht aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Gemäß § 55 Abs. 1 StPO kann jeder Zeuge unter anderem die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat verfolgt zu werden. Das trifft für die genannten Zeugen und Zeuginnen zu, die Staatsanwaltschaft hat dem Gericht mitgeteilt, das gegen diese Personen auf eine Strafanzeige ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungshandlungen zum Nachteil des Angeklagten geführt wird, das noch andauert.

Die schriftlichen Erklärungen der Polizeibeamten … zu dem Geschehen, die sich in der Akte befinden, durften nicht durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt werden, insbesondere lagen die Voraussetzungen für eine Verlesung nach § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO bereits deshalb nicht vor, weil die Verteidigung einem solchen Vorgehen nicht zustimmte.

IV. Rechtliche Bewertung zum Sachverhalt

1. Hausfriedensbruch

Der Angeklagte hat sich aus rechtlichen Gründen nicht wegen Hausfriedensbruchs strafbar gemacht.

Gemäß § 123 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe unter anderem bestraft, wer in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt. Die Tat wird nach § 123 Abs. 2 StGB nur auf Antrag verfolgt.

a) Rechtliche Grundlagen

In der zweiten Variante des § 123 Abs. 1 StGB, die hier zu prüfen ist, genügt es regelmäßig, dass eine Aufforderung des Berechtigten vorliegt und dass dieser Aufforderung nicht Folge geleistet wird. Kennt der Täter den entgegenstehenden Willen des Aufforderungsberechtigten, nimmt er aber irrig ein das Hausrecht brechendes stärkeres Recht an, so handelt er rechtswidrig und es liegt lediglich Verbotsirrtum vor, der in aller Regel nicht zur Straflosigkeit führt (vergleiche dazu: Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 16.05.1977, 1 Ss 13/77, Rn. 14, zitiert nach juris).

Die Strafbarkeit hängt allerdings in Fällen, in denen, wie hier, bei für den öffentlichen Dienst bestimmten Gebäuden ein Hausverbot im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung erfolgt, von der Vollziehbarkeit des Hausverbotes ab und nicht von seiner Rechtmäßigkeit. Ist gegen das Hausverbot Widerspruch eingelegt worden und hat dieser mangels Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufschiebende Wirkung, ist das Eindringen oder Verweilen nicht strafbar. Ist hingegen das Hausverbot sofort vollziehbar, bleibt das Verhalten tatbestandsmäßig, auch wenn die sofortige Vollziehbarkeit oder sogar das Hausverbot später in einem Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden (vergleiche dazu: Graf v. Schlieffen in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 3. Auflage, 2020, § 123 Hausfriedensbruch, Rn. 21, zitiert nach juris).

Im Einzelnen gilt: Gemäß § 80 Abs. 1 Satz VwGO hat der Widerspruch aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt, soweit hier von Interesse, nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird. In den Fällen des zitierten Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nach § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO allerdings nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

Fehlt die nach § 80 Abs. 3 VwGO erforderliche Begründung vollständig, so ist in Anlehnung an § 44 Abs. 1 des einschlägigen Verwaltungsverfahrensgesetzes mit Rücksicht auf die in jeder Hinsicht eindeutige Gesetzeslage ohne weiteres von der Nichtigkeit auszugehen (vergleiche dazu: Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl. 2018, § 80 [Aufschiebende Wirkung], Rn. 56, zitiert nach juris).

b) Bewertung des Gerichts

Hiervon ausgehend ist das gegenüber dem Angeklagten ausgesprochene Hausverbot nicht wirksam geworden und daher nicht strafbegründend.

Die vorstehend erläuterten Grundsätze für die Anforderungen, die an ein Hausverbot im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung zu stellen sind, sind für die vorliegende Sache einschlägig, das Geschehen betrifft die Auszahlung von staatlichen Sozialleistungen.

Das Hausverbot hat die Befugnis des Angeklagten, sich in den Räumen des Sozialamtes aufhalten zu dürfen, nicht beendet. Der Angeklagte musste nach Lage der Dinge das Hausverbot nicht beachten, weil es nicht sofort vollziehbar war und sein sinngemäß erklärter Widerspruch gegen das Hausverbot von daher aufschiebende Wirkung hatte, was eine Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs ausschließt. Es fehlt jedenfalls an einer schriftlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung, die nach der bereits zitierten Vorschrift des § 80 Abs. 3 VwGO geboten war, aber nicht erfolgt ist.

2. Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte

2. 1 Widerstand

Gemäß § 113 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe unter anderem bestraft, wer einem Amtsträger, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet. Die Tat ist gemäß § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht nach § 113 Abs. 4 Satz 1 StGB die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat gemäß § 113 Abs. 4 Satz 2 StGB nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Zum Schutz von Personen, die zur Unterstützung bei der Diensthandlung hinzugezogen sind, gelten gemäß § 115 Abs. 2 StGB die §§ 113 und 114 entsprechend.

a) Rechtliche Grundlagen

Der hier allein in Rede stehende Begriff der "Gewalt" ist als sehr weit gehender Blankettbegriff des § 113 Abs. 1 StGB einzelfallabhängig ausfüllungsbedürftig. Gewalt in diesem Sinnverständnis erfordert eine durch tätiges Handeln bewirkte Kraftäußerung, die sich gegen die Person des Vollstreckenden richtet und die geeignet ist, den Vollzug der Vollstreckungshandlung zu erschweren oder zu verhindern. Die unter Anwendung von Körperkraft vorgenommene Handlung muss von dem Vollstreckenden im Zeitpunkt der Diensthandlung körperlich empfunden werden (vergleiche Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 21.07.2014, 2 OLG 21 Ss 319/14, Rn. 11, zitiert nach juris).

Die Rechtsprechung hat für die Anwendung des § 113 Abs. 3 StGB einen vom Verwaltungsrecht abweichenden spezifisch strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff entwickelt, der nicht die vollständige inhaltliche Richtigkeit des Vorgehens des Amtsträgers verlangt, sondern nach dem es schon genügt, wenn sich die hoheitliche Handlung als formal rechtmäßig darstellt und darüber hinaus ein Mindestmaß an sachlicher Richtigkeit aufweist (vergleiche Barton in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 3. Aufl. 2020, § 113 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Rn. 34, zitiert nach juris). Beim Vollzug von Entscheidungen, die andere getroffen haben (Urteile, Beschlüsse, Verfügungen, Verwaltungsakte), richtet sich die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung nicht nach der materiellen Richtigkeit des Staatsaktes, sondern nur nach dessen Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit. Erst ein grobes Verschulden des Beamten lässt nach die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung entfallen (vergleiche Barton in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 3. Aufl. 2020, § 113 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Rn. 41, zitiert nach juris).

b) Bewertung des Gerichts

Nach den erläuterten Kriterien ist der Angeklagte aus Rechtsgründen nicht wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte oder gleichgestellte Personen zu verurteilen.

Es dürfte allerdings der objektive Tatbestand der Vorschrift verwirklicht worden sein, also durch tätiges Handeln bewirkte Kraftäußerung, die sich gegen die Person des Vollstreckenden richtet und die geeignet ist, den Vollzug der Vollstreckungshandlung zu erschweren oder zu verhindern. Das Festhalten an der Durchreiche genügt zwar nicht, es fehlt insoweit an einer Kraftwirkung gegen eine Person. Die Grenze zum Widerstand ist erst damit überschritten, dass der Angeklagte sich „aus dem Griff einer der Personen löste“ und Richtung Wand ging, wo er von dem Polizeibeamten und einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes an den Händen festgehalten wurde, er „aber versuchte sich durch leichte Bewegungen aus den Griffen zu lösen“. Weitere Widerstandshandlungen konnten im Rahmen des durch die Staatsanwaltschaft zur Prüfung gestellten Geschehens nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden; auf die Ausführungen zur Beweiswürdigung wird verwiesen.

Die Tat ist indessen gemäß § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB nicht als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte strafbar, weil die „Diensthandlung“ nicht rechtmäßig war.

Die in Rede stehenden polizeilichen Diensthandlungen, eine Platzverweisung und die Anwendung unmittelbaren Zwangs auf der Grundlage des Brandenburgischen Polizeigesetzes, sind im hier in Rede stehenden Sinne rechtswidrig, weil das Hausverbot, zu dessen Durchsetzung sie erfolgten, aus den bereits erläuterten Gründen nicht sofort vollziehbar war. Der Mangel der sofortigen Vollziehbarkeit zieht diese Rechtsfolge nach sich. Die handelnden Polizeibeamten waren zwar nicht gehalten, sich mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Leistungskürzung durch das Sozialamt zu befassen. Sie hätten sich indessen mit der bereits erläuterten Problematik der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit befassen müssen, wozu, wie bereits dargelegt, keine Feststellungen getroffen werden konnten, so dass eine Rechtswidrigkeit der Diensthandlung anzunehmen ist.

2.2 Tätlicher Angriff

Gemäß § 114 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren unter anderem bestraft, wer einen Amtsträger, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift. § 113 Absatz 2 gilt entsprechend. § 113 Absatz 3 und 4 gilt entsprechend, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist; auf die bereits erfolgte Darstellung zu § 113 StGB wird wegen des Wortlauts dieser Vorschrift verwiesen. Zum Schutz von Personen, die zur Unterstützung bei der Diensthandlung hinzugezogen sind, gelten gemäß § 115 Abs. 2 StGB die §§ 113 und 114 entsprechend; diese Vorschriften wurden bereits zitiert.

a) Rechtliche Grundsätze

Ein tätlicher Angriff im Sinne des § 114 StGB ist eine mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper des Beamten oder Soldaten zielende Einwirkung. Eine körperliche Berührung oder auch nur ein darauf zielender Vorsatz des Täters ist nicht erforderlich. Jedenfalls eine objektiv gefährliche, verletzungsgeeignete Handlung kann auch dann, wenn der Täter keinen Verletzungsvorsatz hat, ein tätlicher Angriff sein (OLG Hamm, Beschluss vom 12.02.2019, III-4 RVs 9/19, juris). Entsprechendes gilt für Handlungen gegen Hilfeleistende in Fällen der vorliegenden Art.

b) Bewertung des Gerichts

Der Angeklagte hat sich insoweit aus tatsächlichen Gründen nicht strafbar gemacht. Objektiv gefährliche, verletzungsgeeignete Handlungen, die mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielen, konnte das Gericht nicht feststellen. Das Verhalten des Angeklagte ist, soweit das Gericht hierzu bei den durch Aussageverweigerung eingeschränkten Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung Feststellungen treffen konnte, durchgehend als „passiver Widerstand“, „defensive Abwehr“ bzw. „friedliche Verweigerung“ zu bewerten, wie der Sachverständige dies zutreffend im Rahmen einer Analyse des Verhaltens des Angeklagten aus medizinischer Sicht getan hat.

3. Körperverletzung

Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird gemäß § 223 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie gemäß § 230 Abs. 2 Satz 1 StGB auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt.

Zu diesem Vorwurf hat sich in der Hauptverhandlung ergeben, dass keine Körperverletzungshandlung des Angeklagten festgestellt werden konnte, weshalb diesbezüglich aus tatsächlichen Gründen keine Straftat angenommen werden darf.

V. Kosten des Verfahrens

Die Staatskasse trägt nach § 467 Abs. 1 StPO die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.