Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 3 L 473/20


Metadaten

Gericht VG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 30.11.2020
Aktenzeichen 3 L 473/20 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2020:1130.3L473.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 4 BauNVO, § 80 BauO BB

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, gegenüber den Beigeladenen die Nutzung des Grundstücks für einen Holzhandel sowie einen Holzverarbeitungsbetrieb binnen drei Wochen nach Zugang der Entscheidung zu untersagen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsteller und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens je zu Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragsteller haben mit ihrem Begehren,

1. den Antragsgegner zu verpflichten, dem Beigeladenen zu 1. den Weiterbau der durch Baugenehmigung des Antragsgegners vom 9... 2018 –Az.: 0... genehmigten baulichen Anlage –Scheune - bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens zu untersagen,

2. den Antragsgegner zu verpflichten, den Beigeladenen den Betrieb oder die Duldung eines Holzhandels- und Holzverarbeitungsbetriebes auf dem Grundstück I..., bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu untersagen,

3. hilfsweise sachdienliche Anordnungen im Rahmen des gerichtlichen Ermessens bei Erlass einstweiliger Anordnungen gegen den Antragsgegner zu treffen,

nach Maßgabe des Tenors Erfolg.

1. Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Regelungsanordnung des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind nur insofern erfüllt, als eine Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen für einen Holzhandel und Holzverarbeitungsbetrieb erfolgt. Nach dieser Bestimmung sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind dabei glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet, dass für die richterliche Überzeugung vom Vorliegen des Anordnungsgrunds und Anordnungsanspruches eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (vgl. Huber, in: Musielak/Voit, ZPO; 13. Aufl. 2016, § 920 Rn. 9).

Der Anordnungsanspruch des Eilverfahrens nach § 123 VwGO bezieht sich auf den materiellen Anspruch für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen eines Anordnungsanspruches auszugehen, soweit es den tenorierten Umfang der Nutzung des Grundstücks betrifft.

1.1. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 2020 – GVBl. 1/18, Nr. 39 können die Bauaufsichtsbehörden die Nutzung (baulicher) Anlagen untersagen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Die bauordnungsrechtlichen Spezialermächtigungen sind zunächst Ermächtigungsgrundlagen für die Behörde zum Erlass belastender Verwaltungsakte. Sie können jedoch auch Anspruchsgrundlage im Sinne eines subjektiv-öffentlichen Rechts zugunsten des Nachbarn sein, wenn sie der Durchsetzung nachbarschützender Rechte dienen bzw. wenn durch ihre Ablehnung nachbarschützende Rechte verletzt werden. Vorliegend ist eine Verletzung des Nachbarschutzes vermittelnden Gebietserhaltungsanspruches gegeben.

1.2. Der Beigeladene zu 1. hat auf dem o.g Grundstück ein Vorhaben realisiert, für das er die erforderliche Baugenehmigung nicht aufweisen kann. Dabei ist von einem einheitlichen Vorhaben auszugehen, das sowohl Gebäude als auch in bauordnungsrechtlich relevanter Weise Flächen umfasst. Der Beigeladene zu 1. betreibt – dazu sogleich – auf dem ihm und der Beigeladenen zu 2. gehörendem Grundstück ein Gewerbe, wobei die „Scheune“ Teile des Betriebes/Gewerbes aufnimmt und Flächen des Grundstücks zur Lagerung von Holz und Maschinen genutzt werden. Bauliche Anlagen im Sinne der Brandenburgischen Bauordnung sind danach gegeben, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 BbgBO. Die Innutzungnahme der als „Scheune“ genehmigten Baulichkeit und der Flächen des Grundstücks zur Lagerung von holzverarbeitenden Maschinen, Gerätschaften, die einen Zusammenhang zum o.g. Gewerbe aufweisen, von Rohholz und solchen Holzes, welches schon verarbeitet wurde, stellt eine erstmalige Errichtung oder aber Nutzungsänderung dar, die nach § 59 Abs. 1, § 61 Abs. 2 Nr. 1 BbgBO genehmigungspflichtig ist.

Zunächst ist die Nutzung für einen Holzhandel oder aber eine Holzverarbeitung nicht von der dem Beigeladenen zu 1. erteilten Baugenehmigung vom 0... 2020 erfasst. Gegenstand dieser ist die Errichtung einer Scheune. Als Scheune wird gemeinhin ein Teil eines landwirtschaftlichen Betriebes verstanden, der zur Aufbewahrung von Heu, Stroh und/oder Getreide verstanden wird. Im Gegensatz zum Schuppen, in dem landwirtschaftliche Maschinen und andere Fahrzeuge aufbewahrt werden, dienen Scheunen der Aufbewahrung landwirtschaftlicher Erzeugnisse (vgl. etwa Google: „Wörterbuch“ (Ergebnis auf 1. Seite); Immoscout 24 Gewerbelexikon; Duden („besonders Heu und Stroh“) teilweise weiter: Wikipedia [sämtlich unter dem Begriff „Scheune“], wonach Scheunen als genutzte Speichergebäude bezeichnet werden, die auch als Lagerraum für die vielfältigen Betriebsmittel und als überdachter Arbeits- und Werkraum für Be- und Verarbeitungsschritte im landwirtschaftlichen Produktionsprozess angesehen wird).

Hauptzweck ist unabhängig von der Nutzung im Einzelnen, die Lagerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, nicht jedoch die Nutzung für einen Gewerbebetrieb sei es als Werkhalle/Büro oder aber in einer Mischform, auch nicht für eine Lagerung von Erzeugnissen, denen ein Bezug zur Landwirtschaft fehlt.

Freilich ist nicht zu verkennen, dass der Beigeladene zu 1. keine näheren Angaben zur Nutzung der „Scheune“ gemacht hat. In seinem Bauantrag bzw. der eingereichten Betriebsbeschreibung fehlt es an einem Hinweis auf einen landwirtschaftlichen Betrieb. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob der Beigeladene zu 1. von Anfang an eine anderweitige Nutzung des Gebäudes, insbesondere für seinen Gewerbetrieb vorgesehen und dem Vorhaben eine nicht ordnungsgemäße Beschreibung beigefügt hat („Etikettenschwindel“). Jedenfalls muss er sich im vorliegenden Verfahren an das ihm unter diesem Begriff genehmigte Vorhaben festhalten lassen mit der Folge, dass eine anderweitige Nutzung unter bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten einer erneuten Überprüfung zu unterziehen ist.

Unter Beachtung des Vorbringens der Antragsteller und des sich aus den vorliegenden Unterlagen ergebenden Sachstandes ist – entgegen der Auffassung des Antragsgegners und der Beigeladenen – für die Annahme, auf dem Grundstück der Beigeladenen würde eine Holzverarbeitung nur für den privaten Gebrauch stattfinden, kein Raum; vielmehr liegt eine gewerbliche/betriebliche Organisation und eine dahingehende Nutzung auf der Hand.

Dafür sprechen bereits die vorliegenden Bilddokumente. Diese zeigen eine erhebliche Inanspruchnahme des ca 2.600 qm großen F... für die Lagerung von Holz. Dabei findet sich nicht nur aufgeschichtetes Holz, welches etwa für den heimischen Kamin verbraucht werden könnte, sondern gebündeltes Holz, das typischerweise für die Abgabe an Dritte vorgesehen ist und auch die Ablagerung von schon bearbeiteten Brettern und Bohlen. Gegen eine private Nutzung spricht zudem der umfangreiche Maschineneinsatz (Traktor/Sägewerk). Diesen Ansatz bestätigt die vom Beigeladenen zu 1. selbst nachgereichte Betriebsbeschreibung vom 0... 2020. Danach handelt es sich nun um einen Betrieb im Nebenerwerb mit erwarteten Einkünften von bis zu 2.000 Euro. Betriebs- und Lagergebäude sollen sich auf dem Grundstück (richtigerweise Flurstück) 3... befinden. Auch soll es um einen Überschussverkauf aus eigenem Waldbestand gehen, wobei als Haupterwerb Forstarbeiten angezeigt wird. Beachtlich hierbei ist freilich schon, dass in dieser Betriebsbeschreibung ein Ausweis von eigenen forstwirtschaftlichen Nutzflächen gerade nicht erfolgt ist. Ferner ist einzustellen, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit, als die „Scheune“ ein Dach aufwies und damit ein gewerbliche Nutzung zuließ, gegenüber der Stadt D... eine Ummeldung für seine Hauptniederlassung zu dem angezeigten Gewerbe „Handel mit diversen Produkten (Brennstoffe) Transportdienstleistungen, sonstige Dienstleistungen (z.B. Waldreinigung, kleinere Waldarbeiten), Baumschnittarbeiten (Baumfällungen)“ einreichte für den hier in Rede stehenden Standort I... .

Dies alles belegt in dem hier erforderlichen Maße die gewerbliche Nutzung der Baulichkeit „Scheune“ und des Grundstücks für eine betriebliche Einrichtung, die jedenfalls auch den Handel und die Verarbeitung von Holz zum Gegenstand hat. Dies gilt auch deshalb, da der Beigeladene zu 1. eine gewerbliche Tätigkeit an anderen Standorten nicht namentlich untersetzt hat.

Dass die Umnutzung einer „Scheune“ zu einer Einrichtung eines Betriebes mit dem Inhalt eines Holzhandels einschließlich einer Holzverarbeitung die Genehmigungsfrage wieder aufwirft und nicht als genehmigungsfrei im Sinne des § 61 Abs. 2 BbgBO angesehen werden kann, liegt wegen der typischerweise damit einhergehenden Belastung der Umgebung mit Immissionen auf der Hand.

1.3. Die Antragsteller haben auch glaubhaft gemacht, dass das von dem Beigeladenen zu 1. auf dem genannten Flurstück realisierte Vorhaben gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften, auf deren Verletzung sie sich als Nachbarn berufen können, verstößt.

Der Gebietsbewahrungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Der Anspruch resultiert daraus, dass Baugebietsfestsetzungen kraft Gesetzes dem Schutz aller Eigentümer der in dem Gebiet gelegenen Grundstücke dienen. Die weit reichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) hat jeder Eigentümer – unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung – das Recht, sich gegen eine Umwandlung des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 – 4 C 28.91 –, juris Rn. 12; BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 – 4 C 13.94 –, juris Rn. 49).

Der Nachbarschutz besteht auch im unbeplanten Innenbereich, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht, wobei der Nachbar einen Anspruch auf Gewährung der Gebietsart hat, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993, a.a.O.).

Nach den insoweit unstreitigen Angaben der Antragsteller, befindet sich das Vorhaben des Beigeladenen zu 1. in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO. Sie führen sogar aus, dass sich in unmittelbarer Nähe nur Wohngebäude befinden würden. Der Antragsgegner geht in seinem Aktenvermerk vom 30. Juni 2020 (Bl. 11 VV) selbst von einem allgemeinen Wohngebiet aus.

Das Vorhaben des Beigeladenen – so wie es oben skizziert wurde – ist in einem allgemeinen Wohngebiet auch nicht ausnahmsweise zulässig.

In ein allgemeines Wohngebiet fügt sich das Vorhaben des Beigeladenen zu 1. in der nun gegebenen Gestalt nicht ein. Die Voraussetzungen für die Annahme eines – hier allein in Betracht zu ziehenden – sonstigen nicht störenden Gewerbebetriebes und § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind erkennbar nicht erfüllt.

Ob ein Betrieb stört, lässt sich nicht anhand absoluter Werte oder allgemein gültiger Umstände bestimmen. Bewertungsmaßstab sind auch nicht die konkreten Verhältnisse in der näheren Umgebung, denn abgesehen von dem Sonderfall des besonderen Wohngebietes kommen solche Aspekte erst bei der Prüfung nach § 15 Abs. 1 BauNVO zur Geltung. Die Störeigenschaft eines Betriebes kann vielmehr nur mit Blick auf das konkret festgesetzte Baugebiet anhand seiner allgemeinen Zweckbestimmung und seines speziellen Fächers der allgemeinen und ausnahmsweise zulässigen Nutzungen beurteilt werden. Ein Betrieb stört demzufolge dann nicht, wenn seine Auswirkungen das gebietsadäquate Maß akzeptabler Störungen nicht übersteigen. Zur Beurteilung des Störgrades eines Betriebes ist in der Regel nicht auf die konkreten Verhältnisse des konkreten Vorhabens abzuheben. Vielmehr ist von einer eingeschränkten typisierenden Betrachtungsweise auszugehen. Ausgangspunkt ist die Frage, ob der konkrete Betrieb seiner Art nach erfahrungsgemäß generell geeignet ist, das Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet zu stören oder aber nicht zu stören. Die Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen, sind einzustellen (vgl. Stock, in: König/Röser/Stock, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 4. Aufl. 2019, Randnummer 70 ff. zu § 4; vgl. auch Bayerischer VGH München, Beschluss vom 07. Oktober 2015 - 15 ZB 12.2042 – zitiert nach juris).

Der hier in Rede stehende Betrieb ist als das Wohnen störend einzustufen. Es handelt sich um eine Betriebsform, die regelmäßig mit lärmintensiven Tätigkeiten verbunden sind. Dies liegt für das Sägen auf der Hand. Es werden Maschinen eingesetzt, die Lärm und Staub verursachen (vgl. etwa für eine Tischlerei: OVG für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07. Juni 1999 – 1 M 119/98 – auch zu den typischerweise auftretenden Immissionen). Zudem finden auf dem Grundstück der Beigeladenen maschinenuntersetzte Transportprozesse statt, die der gebietstypischen Schutzbedürftigkeit und Störempfindlichkeit, also dem Wohnen immanenten Ruhebedürfnis (vgl. Stock, a.a.O., Rn. 7 zu § 4 BauNVO) entgegenstehen.

Eine Atypik ist hier nicht gegeben. Der Beigeladene zu 1. führt in seiner Gewerbeummeldung selbst an, dass es ihm um den Handel mit diversen Produkten (Brennstoffen) geht, er auch Transportdienstleistungen anbietet und Baumschnittarbeiten realisiert. Mangels anderweitiger Betriebsstätten liegt es auf der Hand, dass er auf dem ihm zur Verfügung stehenden Grundstück Brennstoffe lagert, diese umgeschichtet, möglicherweise diese auch dort herstellt bzw. Ergebnisse der Dienstleistungen im Wald zu vermarktungsfähigen Produkten umwandelt. Gerade die Anschaffung eines Sägewerks, welches – so unstreitig – wegen des Gewichtes nicht dafür vorgesehen ist, an verschiedenen Stellen benutzt werden, belegt, eine nicht nur gelegentliche Nutzung des Grundstücks für lärmintensive Tätigkeiten bzw. dass dieses jederzeit möglich ist.

Unabhängig davon würde die Aufrechterhaltung des Betriebs an dieser Stelle auch eine nicht zu unterschätzende Belastung des Wohngebietes durch den Zu- und Abgangsverkehr nach sich ziehen, auch deshalb, da das zu verarbeitende Holz mit schweren Maschinen angeliefert werden muss und die Produkte mit kleineren und größeren Fahrzeugen abgeholt werden müssen.

1.4. Liegen nach alledem die Voraussetzungen für ein Einschreiten des Antragsgegners vor, ist auch dessen Entschließungsermessen insoweit gebunden, dass nur eine Entscheidung zugunsten der Antragsteller in Betracht kommt. Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten besteht grundsätzlich unabhängig vom Grad der mit der gebietsunverträglichen Nutzung verbundenen Beeinträchtigung. Es kommt mithin nicht darauf an, inwieweit hier die bauliche Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks eingeschränkt ist und die Nutzung als Betriebsgrundstück zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung des Nachbarn führt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Oktober 1999 – 7 A 998/99 –, NVwZ-RR 2000, 205; Urteil der Kammer vom 23. Oktober 2003 – VG 3 K 1846/00 –; a.A. wohl: Decker, in Bayerische Bauordnung, Art. 82, Rn. 485, 491, m.w.N. zu der dort als herrschend bezeichneten Auffassung – Ermessenreduzierung auf Null nur bei besonderer Intensität der Störung oder der Gefährdung nachbargeschützter Rechtsgüter). Der Auffassung, es komme auf den Nachweis eines „Extremfalls“ bzw. einer schweren Gefährdung wesentlicher Schutzgüter an (vgl. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 30, Rn. 24 m.w.N.), ist nicht zu folgen. Die Ermessensausübung der Bauaufsichtsbehörde hat sich nach der in § 58 Abs. 2 BbgBO niedergelegten Aufgabe zu richten, wonach sie darüber zu wachen hat, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Die Bauaufsichtsbehörden haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Bauaufsicht ist damit gesetzesakzessorische Verwaltung. Die anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen bezeichnen nicht nur Inhalt und Schranken der Tätigkeit der Bauaufsichtsbehörde, sondern auch die möglichen Grenzen ihrer Untätigkeit. Gegen die Verletzung des formellen und materiellen Baurechts ist grundsätzlich und regelmäßig einzuschreiten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Mai 2016 – OVG 10 S 34.15 –, Beschluss vom 12. Juni 2013 – OVG 10 M 41.13 –, Rn. 5; Urteil vom 23. September 2014 – OVG 10 B 5.12 –, Rn. 36 m.w.N.; Hessischer VGH, Urteil vom 25. November 1999 – 4 OE 2222/92 –, jeweils zitiert nach juris, Beschlüsse der Kammer vom 25. Juli 2003 – VG 3 L 57/03 – und 06. April 2017 – 3 L 714/15 –). Zudem ist auch für das Bauordnungsrecht im Land Brandenburg anerkannt, dass die bauaufsichtliche Ordnungsverfügung zu den Fällen des sogenannten intendierten Ermessens gehört, in denen regelmäßig bereits das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen den Eintritt der in der Vorschrift vorgesehenen Rechtsfolge rechtfertigt. Einer besonderen Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls bedarf es deshalb nur, wenn sich dies in einer für die Ermessensentscheidung erheblichen Weise vom Regelfall abhebt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Oktober 2012 – OVG 2 S 62.12 –; OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 28. September 1999 – 3 A 47/98 –; Beschluss der Kammer vom 26. Mai 2016 – VG 3 L 137/16 –; Urteil der Kammer vom 2. August 2005 – VG 3 K 805/03 – und Beschluss der Kammer vom 16. Juni 2003 – VG 3 L 742/02 –). Die Gefährdung oder Verletzung subjektiver öffentlicher Nachbarrechte ist in die Ermessensentscheidung, für die regelmäßig ohnehin wenig Spielraum bleibt, gesondert einzustellen. Ist das Ermessen schon objektiv-rechtlich reduziert, kann es in dem Fall, in dem zusätzlich Nachbarrechte verletzt sind, regelmäßig nur mit der Folge eines Einschreitens rechtmäßig betätigt werden (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Februar 2015 – 10 B 6.10 –, juris, Rn. 54). Dabei ist in die Betrachtung einzustellen, dass Inhalt und Schranken des Eigentums vielfach einfachgesetzlich geregelt sind und auch Schutzrechte primär dem einfachen Recht, nicht der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung als herkömmlichem Individualfreiheitsrecht unmittelbar zu entnehmen sind. Das öffentliche Baurecht lässt sich, soweit es das Verhältnis von Nachbarn betrifft, als Regelung eines Konflikts zwischen rivalisierenden Privaten und dem Umfang des Eigentumsrechts des einen wie des anderen verstehen. Mit der Überwachung des Baugeschehens darauf hin, ob die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, hat die Bauaufsichtsbehörde auch für die Verwirklichung dieser Konfliktregelung zu sorgen. Dabei kann die Bauaufsichtsbehörde nicht nach eigenem Ermessen über die Verwirklichung des subjektiven Rechts des Dritten entscheiden, sondern ist strikt an die Verwirklichung der ihr kraft Gesetzes übertragenen Aufgabe gebunden. Die Baubehörde ist daher gehalten, nicht nur eine rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, sondern auch eine rechtswidrige, Nachbarrecht verletzende Nutzung zu untersagen und gegebenenfalls Anlagen zu beseitigen, wenn kein milderes Mittel Abhilfe schaffen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2000 – 4 B 11/00 –, juris; Hessischer VGH, Urteil vom 25. November 1999 – 4 OE 2222/92 –, a. a. O.; Urteil der Kammer vom 23. Oktober 2003 – 3 K 1846/00 – ; vgl. Mampel, Zum Anspruch Dritter auf bauaufsichtliches Einschreiten, DVBl. 1999, 1403).

Gründe, die es ausnahmsweise rechtfertigen könnten, von einem bauaufsichtlichen Einschreiten abzusehen, sind nicht erkennbar. Dies würde selbst dann gelten, wenn der Beigeladene zu 1. auf existenzbedrohende Folgen einer etwaigen Nutzungsuntersagung hinweisen würde, was schon nicht geschehen ist. Nicht nur verbleibt ihm ein Tätigkeitsspektrum, da es vorliegend nur um den Bereich des Holzhandels und der Holzverarbeitung an dem o.g. Standort geht, sodass er weitere gewerbliche Aktivitäten außerhalb bzw. solche, die eine Bezug zum Holz nicht aufweisen, auf seinem Grundstück realisieren kann. Auch handelt der Nutzer – hier der Beigeladene zu 1. – auf eigenes Risiko, wenn er in Ansehung einer Nachbarrechtsverletzung störende Grundstücksnutzungen durchführt.

Die Entscheidung, den Antragsgegner zu verpflichten, gegen den Holzhandel und die Holzverarbeitung auf dem Grundstück I... vorzugehen, entspricht dem Antrag der Antragsteller. Diese Tätigkeiten sind auch hinreichend abgrenzbar, erfassen sie doch gerade die störintensiven und nach außen sichtbaren Maßnahmen, die die Anlieferung, Bearbeitung und Vermarktung von Holz betreffen.

Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, dass ihnen durch die Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen auch während schutzwürdiger Zeiten am Abend und am Wochenende nach einem Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen. Insofern mangelt es nicht an einem entsprechenden Anordnungsgrund. Die möglichen und letztlich nicht effektiv eingrenzbaren Störungen in unmittelbarer Nähe zu deren Wohngrundstück bedingen, dass ihnen ein längeres Zuwarten bis zur Hauptsache nicht weiter zugemutet werden kann, auch unter dem Aspekt, dass ihnen ein – wie schon dargestellt – strikter Anspruch auf Wahrung der Gebietsart zukommt.

Allerdings war dem Antragsgegner und letztlich auch dem Beigeladenen zu 1. eine hinreichende Frist einzuräumen, um die Nutzung an diesem Standort tatsächlich und auch auf ordnungsgemäßer rechtlicher Grundlage zu beenden. Dem trägt die im Tenor benannte Frist ausreichend Rechnung.

Ergänzend sei schon jetzt angemerkt, dass die durch das Gericht ausgesprochene Verpflichtung auf ein striktes Durchsetzen gerichtet ist. Die titulierte Verpflichtung auf Erlass eines Verwaltungsaktes vermag die Behörde jedenfalls dann, wenn es um ein Handeln gegenüber einem Dritten geht, nur dann ordnungsgemäß nachzukommen, wenn sie den Verwaltungsakt in die Realität umsetzt. Die Behörde ist danach in der Regel auch verpflichtet, den Verwaltungsakt unter Sofortvollzug zu setzen und gegebenenfalls mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen – auch wenn dem Rechte anderer – hier etwa der weiteren Grundstückseigentümerin oder eines Dritten – entgegenstehen (vgl. nur Beschlüsse der Kammer vom 24. April 2015 – 3 M 1/15 - m.w.N. sowie vom 06. April 2017 – 3 L 714/15 –).

2. Hingegen können die Antragsteller hinsichtlich der begehrten Untersagung des Weiterbaus der genehmigten „Scheune“ nicht durchdringen. Der bloße Baukörper belastet die Antragsteller erkennbar nicht. Auch ist dem Beigeladenen zu 1. möglich, das genehmigte Vorhaben nach Fertigstellung in der gestatteten Funktion in Nutzung zu nehmen. Etwaige mit der Errichtung des Bauvorhabens einhergehende Störungen sind regelmäßig hinzunehmen, wobei auch insoweit die einschlägigen Vorschriften zu beachten sind.

Von daher ist diesbezüglich auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden; dies gilt selbst unter Beachtung des Grundsatzes der Einheit von baulicher Hülle und Funktion.

3. Wegen der Erwägungen zu 1. ist für weitergehende Anordnungen des Gerichts, so wie sie hilfsweise beantragt wurden, kein Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung entspricht der Bedeutung der Sache für die Antragsteller, §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat sich insofern an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit angelehnt (vgl. NVwZ-Beil. 2013, 58; dort Nr. 9. 7. 1; 1.5). Der Streitwert ist aufgrund der Vorläufigkeit der begehrten Entscheidung zu halbieren.