Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 27.05.2021 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 145/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0527.13UF145.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 11.09.2020 – 3 F 42/20 – in Ansehung der Entziehung des Sorgerechts für das Kind L… F…-L… G…, geboren am … 2016, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Eisenhüttenstadt zurückverwiesen.
2. Im Übrigen - in Ansehung der Entziehung des Sorgerechts für das Kind L…-S… G…, geboren am …2013, - wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge bleibt demAmtsgericht vorbehalten.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,- € festgesetzt.
I.
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin richtet sich gegen die Entziehung der elterlichen Sorge für ihre beiden Kinder, für die sie bis zu ihrer Inobhutnahme am 29.01.2020 durch das Jugendamt die elterliche Sorge allein wahrnahm.
Am 29.01.2020 alarmierten Anwohner die Polizei und den Rettungsdienst, weil sie die beiden Kinder unbekleidet auf dem Fensterbrett des geöffneten Fensters der im vierten Obergeschoss gelegenen Wohnung der Beschwerdeführerin beobachteten (Bl. 10). Polizei und Rettungsdienst fanden die Kinder in verwahrlostem Zustand in der vermüllten Wohnung vor. Seitdem lebt L… F…-L… in einer Pflegefamilie und L…-S… im Haushalt ihres Vaters, der aufgrund übereinstimmender Sorgerechtserklärungen gegenüber dem Jugendamt am 12.02.2020 die elterliche Sorge mit der Mutter zunächst gemeinsam ausübte.
Im Anhörungstermin am 12.02.2020 (Bl. 3) des von Amts wegen eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahren (3 F 29/20) hat die Mutter dem Aufenthalt ihrer Tochter im Haushalt des Vaters zugestimmt, sich aber gegen die Fremdunterbringung ihres Sohns gewandt (Bl. 3). Das Amtsgericht hat daraufhin im Wege der einstweiligen Anordnung (Bl. 5) der Mutter Teile des Sorgerechts, unter anderem das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge, für L… F…-L… entzogen und insoweit Ergänzungspflegschaft des zuständigen Jugendamts angeordnet.
Im hiesigen Hauptsacheverfahren hat das Amtsgericht aufgrund des Hinweisbeschlusses vom 05.03.2020 (Bl. 31) den zum Anhörungstermin am 12.02.2020 im einstweiligen Anordnungsverfahren (3 F 29/20) nicht erschienenen Vater des Kindes L… F…-L…, nicht weiter am Verfahren beteiligt, nachdem dieser auf die gerichtliche Aufforderung vom 17.02.2020 (Bl. 23R), seine Mitwirkungsbereitschaft im Kindschaftsverfahren zu erklären, nicht reagiert hat.
Mit Beweisbeschluss vom 24.02.2020 (Bl. 25) hat das Amtsgericht die Psychologin (M. Sc.) Frau J… H… mit der Erstellung eines familienpsychologischen Gutachtens zur Erziehungsfähigkeit der Mutter und zu den erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung einer Kindeswohlgefährdung bei Rückkehr der Kinder in den Haushalt der Mutter beauftragt. Die Sachverständige hat das schriftliche Gutachten vom 17.08.2020 vorgelegt (Bl. 45ff.), auf dessen Inhalt der Senat verweist.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11.09.2020 (Bl. 97), auf den Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht der Mutter die elterliche Sorge für beide Kinder entzogen und hinsichtlich L… F…-L… Vormundschaft des zuständigen Jugendamts angeordnet. Zur Begründung hat es sich, der Empfehlung der Sachverständigen, der Verfahrensbeiständin und des Jugendamts folgend, auf die nicht nur vorübergehende Erziehungsunfähigkeit der Mutter aufgrund psychischer Defizite und eine daraus resultierende Gefährdung des körperlichen und seelischen Wohls der beiden Kinder im Fall der Rückführung in den mütterlichen Haushalt gestützt, die nicht durch ambulante Hilfemaßnahmen verhindert werden könne.
Zunächst hat die Mutter mit ihrer Beschwerde vom 16.09.2020 (Bl. 107) die Rückübertragung der alleinigen elterlichen Sorge für L… F…-L… mit dem Ziel der Rückführung ihres Sohns in ihren Haushalt sowie der gemeinsamen elterlichen Sorge für L…-S… beantragt. Sie hat vorgetragen, nicht an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung zu leiden und zur Erziehung und Betreuung ihres Sohns hinreichend geeignet zu sein, dessen Trennung von ihr seinem Wohl schade. Am 29.01.2020 habe sich nur L…-S… auf der Fensterbank des Fensters befunden, das außerdem geschlossen gewesen sei.
Nunmehr erklärt die Mutter mit Schriftsatz vom 15.12.2020 (Bl. 140), regelmäßig Umgang mit ihrer Tochter in Abwesenheit des Vaters pflegen zu wollen und deswegen eine außergerichtliche Umgangsvereinbarung mit dem Vater anzustreben.
Zur Gewährleistung regelmäßiger Umgänge zwischen der Mutter und L… F…-L… haben der Vormund, das zuständige Jugendamt und die Mutter im Rahmen des im Jugendamt durchgeführten Hilfeplangesprächs vom 16.02.2021 (Bl. 180) eine schriftliche Umgangsvereinbarung getroffen.´Im Zuge dessen beantragt die Mutter mit Schriftsatz vom 17.02.2021 (Bl. 174) die gerichtliche Protokollierung eines von ihr formulierten Vergleichs, dessen Inhalt im wesentlichen der Umgangsvereinbarung vom 16.02.2021 entspricht. Mit Schriftsatz vom 20.02.2021 (Bl. 178) schlägt die Mutter weiter die familiengerichtliche Billigung der Umgangsvereinbarung vom 16.02.2021 durch den Senat vor und teilt mit, in diesem Fall ihre Beschwerde nicht weiter zu verfolgen.
Der Senat hat mit Verfügungen vom 18.02.2021 (Bl. 175) und 15.04.2021 (Bl. 187) auf die Unzulässigkeit der Beschwerde in Ansehung der Sorgerechtsentziehung für das Kind L…-S… wegen zwischenzeitlichen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses und die Aufhebung und Zurückverweisung der Beschwerde in Ansehung der Sorgerechtsentziehung für das Kind L… F…-L… hingewiesen.
Er entscheidet, wie angekündigt (Bl. 175), ohne Durchführung eines Anhörungstermins, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG, von dem angesichts des umfangreichen Schriftwechsels im Beschwerderechtszug kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist, zumal eine Anhörung entbehrlich ist, soweit der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist (vgl. Senat, NJW 2020, 458).
II.
1. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und in zulässiger Weise erhobene Beschwerde der Mutter gegen die Entziehung der elterlichen Sorge für ihre Tochter L…-S… ist wegen zwischenzeitlichen Wegfalls ihres Rechtsschutzinteresses unzulässig geworden, § 68 Abs. 2 Satz 1 FamFG.
Bei der amtswegig vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde (§ 68 Abs. 2 Satz 1 FamFG) ist auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung abzustellen. Eine zunächst in zulässiger Weise erhobene Beschwerde kann später unzulässig werden und daher der Verwerfung unterliegen (Althammer in Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl. 2020 § 68 Rn. 6).
So liegt der Fall hier. Die Mutter hat von ihrem ursprünglichen Beschwerdeziel, der Rückübertragung der elterlichen Sorge zum Zweck der Rückführung ihrer Tochter L…-S… in ihren eigenen Haushalt Abstand genommen, indem sie nunmehr – stattdessen - den Abschluss einer außergerichtlichen Vereinbarung über die Umgänge zwischen ihr und ihrer Tochter L…-S… mit dem allein sorgeberechtigten Vater ankündigt.
Die endgültige Abstandnahme vom beschwerdegegenständlichen Ziel der Rückübertragung der elterlichen Sorge führt zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Mutter. Die Erklärung, an der Beschwerde nicht mehr festzuhalten, sondern eine Regelung des Umgangs zu verlangen beinhaltet das Einverständnis mit dem Ausspruch der erstinstanzlichen Entscheidung. Indem die Mutter sich nicht mehr gegen die mit der erstinstanzlichen Entscheidung angeordnete Entziehung der elterlichen Sorge für L…-S… wendet, kann sie durch Weiterverfolgung des Rechtsmittels ihre Rechtsposition nicht verbessern, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde nicht besteht.
2. Hingegen ist der gemäß §§ 58 ff. FamFG in zulässiger Weise zunächst gegen die Entziehung der elterlichen Sorge für das Kind L… F…-L… eingelegten Beschwerde der Mutter das Rechtsschutzbedürfnis nicht zu versagen, nachdem die Mutter nunmehr in Ergänzung des Entzugs der elterlichen Sorge eine Regelung des Umgangs mit ihrem Sohn beantragt.
Die Änderung des Beschwerdevorbringens führt - anders als bei auf Antrag eingeleiteten Kindschaftsverfahren zur elterlichen Sorge oder zum Umgang - im hiesigen Kinderschutzverfahren nicht zu einem Wechsel des jegliche Eingriffe in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG umfassenden Verfahrensgegenstands gemäß §§ 1666, 1666 a BGB. Indem die Beschwerdeführerin beanstandet, dass der mit dem nicht (mehr) beanstandeten Sorgerechtsentzug verbundene Aufenthaltswechsel unter Wahrung der Belange des Kindeswohls nach Maßgabe von § 1666 BGB zugleich mit einer Umgangsregelung hätte verbunden werden müssen, um einem ansonsten drohenden Beziehungsverlust zwischen Mutter und Kind entgegenzuwirken, wird im Beschwerderechtszug kein den Verfahrensgegenstand auswechselnder neuer Antrag auf Umgangsregelung eingebracht, sondern lediglich beantragt, eine solche im Interesse des Wohls des Kindes L… F…-L… im Rahmen des Kinderschutzverfahrens zu treffen.
Die Beschwerde der Mutter hat vorläufig Erfolg insoweit, als sie zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Eisenhüttenstadt führt.
Das Amtsgericht hat, was die hiesige Zurückverweisung auch ohne diesbezüglichen Antrag rechtfertigt, eine unzulässige Teilentscheidung getroffen. Indem es den gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG - auch als Nichtsorgeberechtigten zwingend (vgl. OLG Schleswig, FamRZ 2012, 725; Abramenko in Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 7 Rn. 25) am Verfahren zu beteiligenden Vater von L… F…- L… aus dem Verfahren ausgeschlossen hat, hat es unterlassen, gegenüber einem „Muss-Beteiligten“ eine Entscheidung in der Sache zu treffen, was die Aufhebung und Zurückverweisung ohne Antrag rechtfertigt (vgl. OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2021, 4688; OLG Düsseldorf, FamRZ 2020, 531; Abramenko a. a. O. § 69 Rn. 9).
III.
Zur Wahrung ihrer Einheitlichkeit bleibt die Kostenentscheidung über das Beschwerdeverfahren - auch soweit die Beschwerde teilweise als unzulässig verworfen worden ist - dem Amtsgericht vorbehalten (Senat, NJW-RR 2020, 458).
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 55 Abs. 2, 63 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG in der bis zum 31.12.2020 gültigen Fassung.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.