Gericht | OLG Brandenburg 3. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 02.06.2021 | |
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Aktenzeichen | 15 UF 8/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0602.15UF8.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Auf die Beschwerde der SV … Lebensversicherung AG wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Frankfurt (Oder) vom 25.11.2020 - 53 F 289/20 - in seinem Ausspruch über den Versorgungsausgleich teilweise, soweit er den Ausgleich der Anrechte des Antragstellers bei der SV … Lebensversicherung AG betrifft (Ziff. 2., Abs. 3 und 4 des Tenors), abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Ein Ausgleich der Anrechte des Antragstellers bei der SV … Lebensversicherung AG, Versicherungsnummern
(b…) und (a…), findet nicht statt.
II. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wird als unzulässig verworfen.
III. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller zur Hälfte; im Übrigen werden Gerichtskosten nicht erhoben und außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
IV. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.118,00 € festgesetzt.
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am …1990 geheiratet. Der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 18.07.2020 zugestellt worden.
Während der vom …1990 bis zum …2020 dauernden Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und auf eine private Altersversorgung erworben, der Antragsteller darüber hinaus zwei Anrechte auf eine betriebliche Altersversorgung bei der Beschwerdeführerin.
Mit Beschluss vom 25.11.2020 hat das Familiengericht die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es die Anrechte der Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Anrechte des Antragstellers auf eine betriebliche Altersversorgung im Wege der internen Teilung ausgeglichen hat. Von einem Ausgleich der beiderseitigen Anrechte der Ehegatten auf eine private Altersversorgung hat es gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG abgesehen.
Gegen den Ausgleich der bei ihr bestehenden Anrechte des Antragstellers wendet sich die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde. Weil der Ausgleichswert nicht die Bagatellgrenze überschreite, sei gemäß § 18 Abs. 2, 3 VersAusglG von einem Ausgleich abzusehen. Der Antragsteller hat sich der Beschwerde im Wege der Anschlussbeschwerde angeschlossen.
II.
1. Der Senat entscheidet ohne die in § 221 Abs. 1 FamFG vorgesehene mündliche Verhandlung. Den Beteiligten ist nach hinreichender Aufklärung des Sachverhalts rechtliches Gehör gewährt worden; Einwände gegen die tatsächlichen Feststellungen zu Art und Höhe der von der Beschwerde betroffenen Anrechte haben sie nicht erhoben, so dass von einer persönlichen Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).
2. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist gem. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig (zur Zulässigkeit der Beschwerde des Versorgungsträgers, soweit die Beschwerde sich darauf bezieht, dass der Ausgleich eines bei ihm bestehenden Anrechts unter unzutreffender Beurteilung der Anwendungsvoraussetzungen des § 18 Abs. 2 VersAusglG erfolgt ist, vgl. BGH, FamRZ 2013, 612).
Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers ist hingegen unzulässig. Es fehlt an einem Rechtsschutzbedürfnis, da mit der Anschließung kein weitergehendes Ziel als mit dem Hauptrechtsmittel verfolgt wird (vgl. BGH, FamRZ 2018, 1245, m. w. N.).
3. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist begründet. Sie führt dazu, dass ein Ausgleich der bei ihr in der Ehezeit erworbenen Anrechte des Antragstellers gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG unterbleibt. Nach dieser Vorschrift soll von einem Ausgleich eines einzelnen Anrechts dann abgesehen werden, wenn der Ausgleichswert gering ist. Da die maßgebliche Bezugsgröße für die von der Beschwerde betroffenen Anrechte jeweils ein Kapitalbetrag und nicht ein Rentenbetrag ist, ist gem. § 18 Abs. 3 VersAusglG von einem geringen Ausgleichswert auszugehen, wenn dieser den Betrag von 120 Prozent der zum Ehezeitende geltenden monatlichen Bezugsgröße gem. § 18 Abs. 1 SGB IV nicht übersteigt. Für das Jahr 2020, dem Jahr des Ehezeitendes, betrug diese Bezugsgröße 3.185,00 €; 120 Prozent davon sind 3.822,00 €. Die Ausgleichswerte der einzelnen Anrechte bei der Beschwerdeführerin mit Kapitalwerten von 1.474,73 € und 1.132,09 € (jeweils vor Abzug der Teilungskosten) überschreiten diesen Grenzwert jeweils nicht. Auch die Summe der Ausgleichswerte der beiden Anrechte von 2.606,83 € liegt deutlich unter der Bagatellgrenze.
Da § 18 Abs. 2 VersAusglG als Sollvorschrift ausgestaltet ist, ist dem Tatrichter allerdings ein Ermessensspielraum eingeräumt, der den Ausgleich trotz Geringfügigkeit dann erlaubt, wenn dies aufgrund besonderer Umstände zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes geboten ist. Führt das Gericht den Ausgleich geringwertiger Anrechte in Ausübung dieses Ermessens durch, sind die dafür tragenden Erwägungen in den Entscheidungsgründen darzulegen (BGH, MDR 2015, 281).
Die Begründung der angefochtenen Entscheidung lässt indes weder erkennen, dass die Regelung des § 18 VersAusglG bei der Entscheidung über den Ausgleich der von der Beschwerde betroffenen Anrechte angewendet worden ist, noch dass das Amtsgericht von der Ausübung seines Ermessens Gebrauch gemacht hat, sodass der Senat gehalten ist, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen.
Welche Kriterien bei der Ermessensausübung im Einzelnen zu berücksichtigen sind, lässt das Gesetz offen. Gesetzesziel ist vornehmlich die Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands für den Versorgungsträger, der mit der Teilung eines Anrechts und der Aufnahme eines Anwärters in das Versorgungssystem verbunden sein kann. Es sind aus diesem Grunde in erster Linie die Belange der Verwaltungseffizienz aufseiten des Versorgungsträgers gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen (BGH, FamRZ 2015, 2125, m. w. N.). Daneben soll § 18 VersAusglG auch die Entstehung sogenannter Splitterversorgungen vermeiden, in denen der geringe Vorteil für den im Ergebnis ausgleichsberechtigten Ehegatten in keinem Verhältnis zu dem ausgleichsbedingten Verwaltungsaufwand steht (BGH, a.a.O.). Mit der Regelung des Bagatellausgleichsverzichts in § 18 VersAusglG hat der Gesetzgeber beabsichtigt, die Versorgungsträger und auch die Ehegatten vor unwirtschaftlichen Ergebnissen eines Hin-und-her-Ausgleichs geringfügiger Anrechte zu schützen. So kann der Aufwand für die Aufnahme und die Verwaltung eines neuen Versicherungsnehmers infolge des Abzuges der dafür anfallenden Teilungskosten zu einer unverhältnismäßig starken Reduzierung der ohnehin geringfügigen Anrechte führen (Senat, NJW-RR 2011, 1575). Andererseits muss der Ausschluss eines Bagatellausgleichs seine Grenze in einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes finden. Eine solche Beeinträchtigung kann beispielsweise dann vorliegen, wenn der Ausgleichswert einzelner Anrechte bei einem Versorgungsträger geringfügig ist, die Ehegatten aber weitere Anrechte bei diesem Versorgungsträger erworben haben, die gem. § 10 VersAusglG ausgeglichen werden, sodass der Versorgungsträger ohnehin Umbuchungen auf deren Konten vornehmen muss (BGH, FamRZ 2012, 192; OLG Köln, FamRZ 2015, 146). Neben dem Halbteilungsgrundsatz sind bei der Ermessensentscheidung nach den Vorgaben des Gesetzgebers aber auch die konkreten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute einschließlich ihrer Versorgungssituation zu berücksichtigen. Im Rahmen der Abwägung kann deshalb unter anderem für einen Ausgleich sprechen, dass der Ausgleichsberechtigte dringend auf den Ausgleich angewiesen ist oder dass der durch den unterlassenen Ausgleich begünstigte Ehegatte über weitere kleine, ebenfalls gem. § 18 VersAusglG nicht auszugleichende Ausgleichswerte verfügt, die in der Summe einen erheblichen Wert darstellen, während der andere Ehegatte nur vergleichsweise geringe Anrechte erworben hat (BGH, FamRZ 2012, 610).
Gemessen hieran ist von einem Ausgleich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Anrechte des Antragstellers abzusehen. Die Antragsgegnerin hat noch kein Anrecht auf eine private Rentenversicherung bei der Beschwerdeführerin, sodass infolge einer internen Teilung der beiden Anrechte für sie zwei gesonderte Konten anzulegen und zu verwalten wären;
es würden Splitterversorgungen entstehen, deren Verwaltung in keinem Verhältnis zur künftigen Leistung steht. Überdies würden die ohnehin geringen Anrechte zu Lasten der Beteiligten um die Kosten der Teilung in Höhe von insgesamt 500,- € gekürzt. Gründe, die dennoch die strikte Einhaltung des Halbteilungsgrundsatzes erfordern würden, sind weder dargetan noch ersichtlich.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass das Amtsgericht bereits gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG von einem Ausgleich der beiderseitigen Anrechte der Ehegatten auf eine private Altersversorgung abgesehen hat. Zwar wirkt sich auch diese Entscheidung im Ergebnis zu Lasten der Antragsgegnerin aus und führt dazu, dass insgesamt Versorgungsanwartschaften in Höhe von 3.964,81 € (vor Abzug der Teilungskosten) zu ihren Gunsten nicht ausgeglichen werden. Allein der Umstand, dass die Summe der wegen Geringfügigkeit nicht ausgeglichenen Kapitalwerte von mehreren Versorgungen die Bagatellgrenze - wie hier in Höhe von knapp 143,- € - geringfügig übersteigt, genügt für sich betrachtet jedoch nicht, von der Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG abzusehen (OLG Brandenburg - 1. FamS -, Beschl. v. 17.03.2020 – 9 UF 10/20 –, juris; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.01.2015 – 16 UF 264/14 –, juris; OLG Saarbrücken, Beschl. vom 02.07.2015 – 9 UF 19/15 –, juris).
Angesichts dessen, dass bei einem Ausgleich der im Beschwerdeverfahren verfahrensgegenständlichen Anrechte zu Gunsten der Antragsgegnerin lediglich zwei Kleinstanrechte entstünden, die auf ihre Versorgungssituation im Alter allenfalls einen marginalen Einfluss hätten, ist nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht, dass sie auf den Ausgleich dringend angewiesen wäre, zumal sich der Ausgleich der gesetzlichen Rentenanwartschaften zu ihren Gunsten auswirkt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 FamGKG i. V. m. §§ 84, 150 Abs. 4, 5 FamFG.
Der Verfahrenswert ergibt sich aus § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG.