Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 1 U 104/19


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 07.06.2021
Aktenzeichen 1 U 104/19 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0607.1U104.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 15. Oktober 2019 – 11 O 20/19 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abgewendet werden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Gegenstandswert der Berufung beträgt 29.200 €.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz vor dem Hintergrund des sogenannten VW-Abgasskandals in Anspruch.

Der Kläger erwarb am ...2017 ein Gebrauchtfahrzeug des Typs VW Touareg zum Preis von 29.200 €. Das Fahrzeug wies eine Laufleistung von 60.308 km auf. Es war mit einem V6-Dieselmotor der Schadstoffklasse Euro 5 mit einem Hubraum von 3,0 l ausgerüstet.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 5.6.2018 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückabwicklung des Fahrzeugerwerbs unter Anrechnung von ihm gezogener Nutzungen unter Fristsetzung bis 20.6.2018 auf.

Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug sei mit einem Motor des Typs EA897 ausgerüstet, der von der Beklagten hergestellt worden sei. Der Motor sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, die einen Prüfstandtestbetrieb erkenne und einen besonderen „Rollenprüfstandmodus“ aktiviere, um möglichst niedrige Schadstoffwerte messen zu lassen, die im normalen Fahrbetrieb bei weitem nicht erreicht würden. Darüber hinaus seien weitere Manipulationen vorhanden, dabei insbesondere die Installation eines Thermofensters, die dafür sorge, dass die Abgasreinigung nur innerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs funktioniere, und ein On-Bord-Diagnosesystem (im Folgenden: OBD-System), das ein ordnungsgemäßes Abgasverhalten des Fahrzeugs vortäusche.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 29.200 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % für die Zeit ab 20.5.2017 bis 21.6.2018 und seither von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer in der mündlichen Verhandlung zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen;

2.

festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 21.6.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstand in Annahmeverzug befinde;

3.

die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.358,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 21.6.2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, das Fahrzeug verfüge über einen Motor des Typs EA896 Gen2, der nicht von ihr entwickelt und hergestellt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 15.10.2019 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger Schadensersatzansprüche weder aus § 331 BGB noch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz oder aus § 826 BGB zustünden. Der Kläger habe nicht hinreichend dargetan, dass die Beklagte das von ihm erworbene Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet habe. Der Kläger habe bereits nicht widerspruchsfrei dazu vorgetragen, welcher Motor in das Fahrzeug eingebaut sei. Dies habe nicht das Gericht in einer Beweisaufnahme, sondern der Kläger vor der Erhebung der Klage zu klären. Die Behauptungen des Klägers zu einer Überschreitung der zulässigen Abgaswerte seien ins Blaue hinein getätigt, denn der Kläger zitiere dazu lediglich aus Urteilen und Testberichten zu Dieselfahrzeugen mit anderen Motortypen, insbesondere dem Motortyp EA189. Für diesen Motor gebe es mit einem entsprechenden Bescheid des Kraftfahrtbundesamts und einer korrespondierenden Rückrufaktion hinreichende Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Dies könne jedoch nicht ohne weiteres auf das streitgegenständliche Fahrzeug übertragen werden. Der Hinweis des Klägers auf Rückrufaktionen für Fahrzeuge der Schadstoffnorm Euro 6 stelle insoweit keinen hinreichenden Anhaltspunkt dar. Daneben fehle es an einem hinreichenden Vorbringen des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers zu einer Täuschung und Irrtumserregung durch die Beklagte. Zu seiner Kaufmotivation angehört habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung bekundet, dass ihm, da er schwerbeschädigt sei, die komfortable Sitzhöhe des Fahrzeugs wichtig gewesen sei. Zum Schadstoffverhalten und zu einem werthaltigen Wiederverkauf des Fahrzeugs habe er sich nach dem Ergebnis seiner Anhörung keine Gedanken gemacht, weshalb eine diesbezügliche Irrtumserregung nicht ersichtlich sei. Im Übrigen habe er das Fahrzeug erst zu einem Zeitpunkt erworben, zu dem der sogenannte „Dieselskandal“ bereits seit rund zwei Jahren bekannt und in seinen Auswirkungen erörtert worden sei auch unter diesem Gesichtspunkt sei eine sittenwidrige Täuschung nicht hinreichend dargelegt.

Das Urteil ist dem Kläger am 22.10.2019 zugestellt worden. Der Kläger hat am 21.11.2019 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 22.1.2020 an diesem Tag begründet.

Der Kläger trägt vor, das Kraftfahrtbundesamt habe, was die Beklagte nicht bestreitet, mit Schreiben vom 29.11.2019 ein Anhörungsverfahren zum streitgegenständlichen Fahrzeug VW Touareg 3.0 TDI EU 5 im Hinblick auf dessen Emissionsverhalten eingeleitet. Zuvor habe es am 14.10.2019 einen amtlichen Rückruf wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen für Fahrzeuge mit dem streitgegenständlichen Motor erlassen. Durch eine Veröffentlichung des RBB am 18.10.2019 sei bekannt geworden, dass das Kraftfahrtbundesamt verschiedene Tests bei Fahrzeugen mit dem Motor EA897 im Realbetrieb durchgeführt habe, die zu deutlich höheren Schadstoffwerten als im Prüfstandbetrieb geführt hätten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Potsdam abzuändern und

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 29.200 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 21.6.2018 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 8.510,41 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen;

2.

festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 21.6.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstand in Annahmeverzug befinde;

3.

die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.358,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 21.6.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der im Fahrzeug des Klägers verbaute Motor sei von der Audi AG entwickelt und hergestellt worden. Die Rückrufaktion im Oktober 2019 habe einen anderen als den streitgegenständlichen Motor betroffen. Ebenso habe die Berichterstattung des RBB andere Fahrzeuge als das des Klägers zum Gegenstand gehabt. Das mit Schreiben vom 29.11.2019 eingeleitete Anhörungsverfahren des Kraftfahrtbundesamts sei, was der Kläger nicht bestreitet, inzwischen abgeschlossen und habe zu dem Ergebnis geführt, dass für den Motor des Typs V6-TDI EU 5 Gen2 die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht festgestellt werden könne, was das Kraftfahrtbundesamt in einer amtlichen Auskunft vom 11.9.2020 bestätigt habe. Das Anhörungsverfahren habe, was der Kläger ebenfalls nicht bestreitet, nicht zu einem Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamts geführt.

Die Parteien haben in nachgelassenen Schriftsätzen vom 1.4.2021 und 13.4.2021 ergänzend vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs des Klägers gegen die Beklagte kann nicht erkannt werden.

1.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist kein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB gegeben. Diese Vorschriften sind nicht einschlägig, da zwischen den Parteien des Rechtsstreits kein Verhältnis im Sinne des § 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB besteht. Ein solches Verhältnis setzt voraus, dass die in Anspruch genommene Partei an den Vertragsverhandlungen als Vertreter, Vermittler oder sog. „Sachwalter“ einer Partei beteiligt – gewesen – ist (BGH, Urteil vom 29.1.1997, VIII ZR 356/95, zitiert nach juris; OLG Hamm, Urteil vom 2.9.2020, 30 U 192/19, zitiert nach juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 4.8.2020, 16a U 197/19, zitiert nach juris). Eine Teilnahme der Beklagten am Vertrag über den Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger kann dem Sachvortrag der Parteien indes nicht entnommen werden. Sie kann – jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein Gebrauchtfahrzeug erworben worden ist – auch nicht aus der Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung hergeleitet werden, da diese lediglich eine Bedeutung für die Erstzulassung des Fahrzeugs hat (OLG Braunschweig, Urteil vom 20.6.2019, 7 U 185/18, zitiert nach juris).

2.

Die Beklagte haftet nicht unter dem Gesichtspunkt einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob im Fahrzeug des Klägers ein Motor des Typs EA897 oder des Typs EA896Gen.2 verbaut worden ist. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte die Herstellerin des Motors ist, und ob, sollte der Motor durch die Audi AG hergestellt worden sein, die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung bei der Beklagten vorliegen. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die technische Ausgestaltung des Motors im Fahrzeug des Klägers die objektiven Merkmale eines sittenwidrigen Verhaltens erfüllt.

Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es nach seinem Gesamtcharakter, der durch eine umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck des Handelns zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt und demzufolge mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (BGH, Urteil vom 25.5.2020, VI ZR 252/19, zitiert nach juris; Senat, Urteil vom 7.9.2020, 1 U 99/19; Palandt/Sprau, BGB, 80. Aufl., § 826, Rn. 4). Es muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens gegeben sein, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann (BGH a. a. O.; Senat a. a. O.; Palandt/Sprau a. a. O.), wobei sich die Verwerflichkeit bereits aus einer bewussten Täuschung ergeben kann (BGH a. a. O.; Senat a. a. O.). Das kann für den im Fahrzeug des Klägers befindlichen Motor bereits nach dessen eigenem Sachvortrag nicht angenommen werden.

a)

Mit dem Landgericht kann in tatsächlicher Hinsicht nicht davon ausgegangen werden, dass der Motor im Fahrzeug des Klägers mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, die einen Prüfstandtestbetrieb erkennt und durch eine Manipulation der Abgasrückführung niedrige Schadstoffwerte erzielt, die weit unter den Schadstoffwerten im normalen Fahrbetrieb liegen. Das Landgericht hat dazu zutreffend festgestellt, dass der Sachvortrag des Klägers im wesentlichen Teilen aus Ausführungen besteht, die sich auf den Motortyp EA189 oder Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6 beziehen und damit keinen konkreten Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug, das unstreitig nach der Schadstoffklasse Euro 5 ausgestattet ist, aufweisen. Diese Art des Vortrags unter ersichtlicher Verwendung von Textbausteinen aus Rechtsstreitigkeiten zu anderen Fahrzeugtypen lässt sich zudem sehr eindrücklich daran erkennen, dass für den Kläger noch in der Berufung vorgetragen wird, die Werbung der Beklagten für „clean diesel“-Fahrzeuge und deren besondere Umweltfreundlichkeit habe den Kläger zum Kauf seines Fahrzeugs motiviert, obwohl der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung beim Landgericht die Frage nach seiner Kaufmotivation - allein – damit beantwortet hat, dass er, da er schwerbeschädigt sei, vor allem ein Fahrzeug mit einer gewissen Sitzhöhe habe erwerben wollen. Daraus, dass in Fahrzeugen anderer Baureihen unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut worden sein mögen, kann indes nicht, jedenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit, darauf geschlossen werden, dass dies auch im Fahrzeug des Klägers geschehen ist. Denn es kann für unterschiedliche Motorversionen und erst recht für unterschiedliche Motortypen und Fahrzeugbaureihen nicht von einer Identität ihrer technischen Ausgestaltung ausgegangen werden, Die unterschiedliche Bezeichnung verschiedener Motorversionen, Motortypen und Fahrzeugbaureihen deutet im Gegenteil auf Unterschiedlichkeiten der technischen Ausgestaltungen hin, die ohne weiteres auch in der Ausgestaltung der Regelung der Abgasrückführung und des Schadstoffverhaltens liegen können. Können damit aber die vom Kläger vorgetragenen Erkenntnisse zum Motor EA189 und zum V6-Dieselmotor der Schadstoffklasse Euro 6 nicht auf das von ihm erworbene Fahrzeug übertragen werden, so fehlt es für sein Fahrzeug an einer hinreichenden Tatsachengrundlage für die Annahme eines – objektiv – sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten.

Der Kläger hat auch keine tragfähigen anderweitigen Anhaltspunkte für die Ausstattung seines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung dargetan.

Soweit er in der Klageschrift auf einen Rückruf von Audi-Fahrzeugen mit einem 3.0-TDI-Motor durch das Kraftfahrtbundesamt abgehoben hat, handelt es sich nach seinem eigenen Vortrag um Motoren der Schadstoffklasse Euro 6 und damit um seinem Fahrzeug nicht baugleiche Fahrzeuge. Dasselbe gilt, soweit der Kläger in der Klageschrift zu einem am 9.2.2018 veröffentlichten Rückruf von Fahrzeugen des Typs VW Touareg vorgetragen hat auch hier hat es sich nach seinem Vortrag um das Modell der Schadstoffklasse Euro 6 gehandelt, weshalb daraus keine hinreichend sicheren Schlussfolgerungen auf das von ihm erworbene Fahrzeug der Schadstoffklasse Euro 5 gezogen werden können.

In der Berufung trägt der Kläger zwar zunächst auch zu einem Rückruf vom 14.10.2019, der Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5 mit einem Hubraum von 3,0 l betroffen habe, vor. Dabei trägt er indes nicht weitergehend vor, welche konkreten Fahrzeuge von diesem Rückruf betroffen gewesen sind. Auch auf den Einwand der Beklagten in der Berufungserwiderung, dass sich der Rückruf auf andere Fahrzeuge als das des Klägers bezogen habe, ist eine diesbezügliche Ergänzung und Konkretisierung des Sachvortrags des Klägers nicht erfolgt. Das hat zur Folge, dass sein Vorbringen seine Behauptung des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu stützen vermag. Es ist insoweit auch weder die Einholung einer Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes noch eine Vernehmung der auf Seite 6 der Berufungsbegründung benannten Zeugen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens angezeigt, da es nicht die Aufgabe des Gerichts ist, im Wege einer Beweisaufnahme nicht hinreichend dargelegte Sachverhalte aufzuklären.

Auf den vom Kläger mit der Anlage BB1 zur Berufungsbegründung (Bl. 959 d. A.) untersetzten Vortrag eines Rückrufs von Fahrzeugen der Schadstoffklasse Euro 5 am 2.12.2019 hat die Beklagte in der Berufungserwiderung vorgebracht, dass das Kraftfahrtbundesamt die Eintragung in die Rückrufdatenbank zwischenzeitlich korrigiert habe und nicht mehr eine unzulässige Abschalteinrichtung, sondern nur noch eine Konformitätsabweichung der Antriebssteuerungssoftware bezeichne. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten, weshalb auch der Rückruf vom 2.12.2019 kein taugliches Anzeichen für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung darstellt.

Dasselbe gilt für das in der Berufung vorgetragene Anhörungsschreiben des Kraftfahrtbundesamtes vom 29.11.2019 zum Emissionsverhalten von Fahrzeugen des Typs VW Touareg 3,0 l EU 5. Die Beklagte hat darauf erwidert, dass dieses Anhörungsverfahren zwischenzeitlich zum Abschluss gelangt ist und nicht zu einem verpflichtenden Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes wegen des Emissionsverhaltens des betroffenen Fahrzeugtyps geführt hat. Auch dem ist der Kläger nicht entgegengetreten, weshalb auch die Anhörung der Beklagten durch das Kraftfahrtbundesamt nicht, jedenfalls nicht hinreichend sicher, auf das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Fahrzeug des Klägers hindeuten kann.

Im Übrigen würde das Vorliegen eines das streitgegenständliche Fahrzeug betreffenden Rückrufs zwar den Schluss auf das Vorliegen eines kaufrechtlichen Mangels rechtfertigen können, nicht aber, jedenfalls nicht ohne Weiteres, den weitergehenden Schluss auf das Vorliegen eines zumindest bedingten Schädigungsvorsatzes (5. Zivilsenat, Urteil vom 19.12.2019, 5 U 103/18, zitiert nach juris).

Nach alledem erfolgt der Vortrag des Klägers zum Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung ohne greifbare konkrete Anhaltspunkte und damit letztlich ins Blaue hinein. Das gilt auch, soweit er in der Berufung zu einer Berichterstattung im Oktober 2019 zu aus Unterlagen des Kraftfahrtbundesamtes hervorgehenden Messergebnissen zum Schadstoffausstoß nach der Schadstoffklasse Euro 5 ausgerüsteter Fahrzeuge des Typs VW Touareg vorträgt; da nicht ersichtlich ist, dass diese Messergebnisse zu weiteren Befunden und Maßnahmen des Kraftfahrtbundesamtes geführt haben, die die Fortsetzung der Nutzung des Fahrzeugs des Klägers infrage stellen könnten, kann auch daraus nicht, jedenfalls nicht hinreichend sicher, abgeleitet werden, dass das Fahrzeug des Klägers mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, die seine Betriebsfähigkeit zu beeinträchtigen geeignet sein könnte.

b)

Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger vorgetragenen Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einem sog. „Thermofenster“, dass in einer technischen Einrichtung besteht, die bewirkt, dass in bestimmten Außentemperaturbereichen die Abgasrückführung reduziert und dadurch der Schadstoffausstoß erhöht wird. Die Verwendung einer solchen Technik stellt für sich genommen noch keine besondere Verwerflichkeit im Sinne der eingangs genannten Grundsätze dar, und zwar auch dann nicht, wenn sie zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG führen sollte und von einer Gewinnerzielungsabsicht des Fahrzeugherstellers getragen ist (BGH, Beschluss vom 19.1.2021, VI ZR 433/19, zitiert nach juris). Ein Hinzutreten besonderer Umstände, aus der sich eine Sittenwidrigkeit ergeben könnte (BGH a. a. O.), kann dem Vorbringen der Parteien, dabei insbesondere dem Vortrag des insoweit darlegungspflichtigen Klägers (vgl. BGH a. a. O.), nicht entnommen werden. Denn auch für die Thematik des Thermofensters ist schon nicht ersichtlich, dass dadurch Aktivitäten des Kraftfahrtbundesamts herbeigeführt worden sind, die die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs des Klägers infrage zu stellen geeignet sein könnten. Ebenso und erst recht nicht lässt sich feststellen, dass die mit der Entwicklung bzw. Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems befassten Personen in dem Bewusstsein gehandelt haben, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben, was gegebenenfalls eine objektive Sittenwidrigkeit begründen könnte (vgl. BGH a. a. O.). Konkrete Anhaltspunkte für eine derartige Fallgestaltung, insbesondere für den Organverantwortlichen der Beklagten zurechenbare Unrichtigkeiten von Angaben im Rahmen des Genehmigungsverfahrens, sind nicht dargetan. Soweit der Kläger mit Nichtwissen bestreitet, dass die Beklagte das Kraftfahrtbundesamt über das Vorhandensein und die Funktionsweise des Thermofensters informiert habe, steht dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit bereits das Fehlen einer Täuschung entgegen; denn eine Täuschung liegt nicht vor, wenn das Kraftfahrtbundesamt trotz fehlender Angaben zur Emissionsstrategie die Angaben des Fahrzeugherstellers als ausreichend erachtet und die Typengenehmigung erteilt haben sollte (4. Zivilsenat, Urteil vom 12.5.2021, 4 U 34/20, zitiert nach juris). Bestimmte Verschleierungshandlungen der Beklagten hat der Kläger, auch im Lichte des Vortrags der Beklagten, dass das Thermofenster zur Vermeidung von Versottungen und Verschmutzungen und damit zur Verhinderung von Motorschäden erforderlich sei, nicht dargetan. Demgemäß sowie vor dem Hintergrund, dass die Funktion des Thermofensters nicht eigenständig zwischen einem Betrieb auf dem Prüfstand und dem normalen Fahrbetrieb differenziert (vgl. BGH a. a. O.), kann eine als sittenwidrig zu qualifizierende Bewusstseinslage der auf Seiten der Beklagten handelnden Personen nicht, jedenfalls nicht ohne ein Vorliegen weiterer Anhaltspunkte, angenommen werden.

c)

Für die vom Kläger vorgetragene Ausstattung seines Fahrzeugs mit einem OBD-System steht der Annahme einer Sittenwidrigkeit bereits entgegen, dass es sich dabei nicht um eine – unzulässige – Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG handelt, weil das OBD-System die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems weder aktiviert, verändert oder verzögert noch deaktiviert, womit die Voraussetzungen des Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG nicht erfüllt sind (4. Zivilsenat a. a. O.). Nach dem eigenen Vortrag des Klägers handelt es sich lediglich um ein Anzeigesystem, das nicht eigenständig auf den Motor und seine Funktionen einwirkt. Sein ausgiebiger Sachvortrag zur Funktionsweise des OBD-Systems lässt nicht erkennen, dass dem System eine eigenständige Bedeutung für eine Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit seines Fahrzeugs zukommt (vgl. 4. Zivilsenat a. a. O.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.10.2020, 17 U 92/19, zitiert nach juris). Die Funktion des OBD-Systems folgt – logisch zwingend – der übrigen technischen Ausstattung des Fahrzeugs; seine Funktion besteht darin, dortige Fehlfunktionen zu erkennen und zu melden, weshalb es unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit etwaiger Abschalteinrichtungen nicht zu einer Anzeige gelangen kann, wenn und solange diese Abschalteinrichtungen technisch einwandfrei funktionieren. Da, wie dargestellt, für das Fahrzeug des Klägers vom Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht ausgegangen werden kann, kann mithin ebenso das Vorhandensein und die Funktionsweise des OBD-Systems nicht als sittenwidrig angesehen werden, und zwar auch und insbesondere nicht als ein notwendiger Teilbeitrag zur Verheimlichung einer unzulässigen Abschalteinrichtung.

d)

Das Vorhandensein eines zu gering dimensionierten Ad-Blue-Tanks und den Einsatz einer weiteren Software zur Verringerung des Harnstoffverbrauchs im normalen Fahrbetrieb gegenüber der Prüfstandumgebung trägt der Kläger sowohl in der Klageschrift als auch in der Berufung allein in Bezug auf für den amerikanischen Markt bestimmte Fahrzeuge vor. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen rechtlichen Bestimmungen zur Zulassung von Kraftfahrzeugen in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Europa kann dieser Vortrag nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres, auf das vom Kläger erworbene Kraftfahrzeug übertragen werden. Ein konkreter Vortrag zur diesbezüglichen Ausgestaltung seines Fahrzeugs lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen, weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt keine tragfähige Tatsachengrundlage für eine weitergehende Rechtsprüfung gegeben ist.

e)

Zum Vorhandensein einer – weiteren – Abschalteinrichtung in der Form einer sog. „Aufheizstrategie“ trägt der Kläger in der Klageschrift zunächst zu Fahrzeugen der Marke Audi mit 3.0-TDI-Motoren der Schadstoffklasse Euro 6 vor. Wie ausgeführt, lässt sich dieser Vortrag nicht ohne weiteres auf Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5 damit auf das vom Kläger erworbene Fahrzeug übertragen.

In der Berufung führt der Kläger zwar das Vorliegen einer Aufheizstrategie für Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5 an. Dies erfolgt indes ohne jegliche weitere Konkretisierung in tatsächlicher Hinsicht. Soweit der Kläger dabei auf den Rückruf des Kraftfahrtbundesamts vom 14.10.2019 Bezug nimmt, lassen sich seinem Sachvortrag – wie bereits dargestellt – nähere Einzelheiten zu diesem Rückruf – ebenfalls – nicht entnehmen, weshalb auch damit kein tragfähiger Anhaltspunkt für das Vorliegen einer unzulässigen und den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigenden Abschalteinrichtung dargetan ist.

f)

Entsprechendes gilt für das Vorbringen des Klägers zum Vorliegen einer sog. „Lenkwinkelerkennung“. Dabei handelt es sich um eine technische Einrichtung, die – grundsätzlich zulässig – registriert, ob ein Fahrzeug sich auf dem Prüfstand befindet. Die Lenkwinkelerkennung allein beeinflusst das Abgasverhalten des Fahrzeugs noch nicht, sondern nur dann, wenn das Fahrzeug mit einer weiteren Vorrichtung versehen ist, die bei einem Erkennen des Prüfstandbetriebs einen niedrigere Schadstoffwerte herbeiführenden Betriebsmodus des Fahrzeugs einschaltet. Davon kann – wie dargestellt – für das Fahrzeug des Klägers jedoch nicht ausgegangen werden, weshalb das Vorhandensein und die Funktionsweise der Lenkwinkelerkennung nicht als sittenwidrig angesehen werden kann, und zwar – in gleicher Weise wie die Ausstattung des Fahrzeugs mit dem OBD-System – auch und insbesondere nicht als ein notwendiger Teilbeitrag zur Verheimlichung einer unzulässigen Abschalteinrichtung. In der vom Kläger in diesem Zusammenhang in Bezug genommenen Veröffentlichung eines Rückrufs des Kraftfahrtbundesamts am 2.12.2019 kann – wie bereits dargestellt – im Lichte des unstreitigen Sachvortrags der Beklagten über die zwischenzeitliche Korrektur der Veröffentlichung kein tragfähiger Anhaltspunkt für das Vorliegen einer sittenwidrigen Manipulationseinrichtung gesehen werden.

g)

Soweit der Kläger auf Seite 16 seines Schriftsatzes vom 24.2.2020 das Vorhandensein einer „Ausrampstrategie“ abstellt, nimmt er ersichtlich eine im Schriftsatz der Beklagten vom 16.8.2019 gewählte Formulierung zur technischen Funktion des Thermofensters auf. Seinem Sachvortrag kann nicht entnommen werden, dass damit eine weitere und demgegenüber eigenständige technische Einrichtung des Fahrzeugs gemeint ist, die einer gesonderten rechtlichen Prüfung zu unterziehen wäre.

Dasselbe gilt, soweit an der soeben genannten Stelle von einer „zeitabhängigen Abschalteinrichtung“ die Rede ist. Damit meint Kläger ersichtlich die zuvor als Aufheizstrategie in den Rechtsstreit eingeführte Technologie, die hier nicht – nochmals – angeführt ist.

3.

Aus den vorgenannten Gründen bestehen auch keine Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB, da es für die Annahme einer Täuschung des Klägers durch die Beklagte gleichfalls an einer tragfähigen Tatsachengrundlage fehlt.

Für Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG ist ebenfalls kein Raum, da diese Vorschriften nach ihrem Schutzzweck nicht für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs auf Erstattung des Kaufpreises herangezogen werden können (BGH, Urteil vom 8.12.2020, VI ZR 244/20, zitiert nach juris; Urteil vom 30.7.2020, VI ZR 5/20, zitiert nach juris).

4.

Da es bereits an einem Hauptanspruch des Klägers fehlt, ist für die Feststellung eines Annahmeverzugs der Beklagten sowie für eine Verurteilung zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ebenso kein Raum.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.