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Infektionsschutzrecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 8. Kammer Entscheidungsdatum 04.06.2021
Aktenzeichen 8 L 209/21 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0604.8L209.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 123 Abs 1 S 2 VwGO, § 22 Abs 2 CoronaV7EindV BB, § 7 Abs 1 CoronaV7EindV BB, § 7 Abs 4 CoronaV7EindV BB

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,

den Antragsgegner hinsichtlich der von ihr im Einzelnen benannten Konzertveranstaltungen im Zeitraum vom 4. Juni 2021 bis zum 20. Juni 2021 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr für die Durchführung der Konzerte vor 950 Zuschauern unter freiem Himmel eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 7 Abs. 4 der 7. SARS-CoV-2-EindV zu erteilen,

hilfsweise den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 3. Juni 2021 zu verpflichten, über den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 7 Abs. 4 der 7. SARS-CoV-2-EindV vom 2. Juni 2021 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden,

ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Der Antrag ist jedoch mit seinem Haupt- und seinem Hilfsantrag unbegründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der von einem Antragsteller geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, also eine besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) sind von ihm glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung. Erstrebt ein Antragsteller – wie hier – eine der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich widersprechende teilweise oder gänzliche Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache, kommt eine einstweilige Anordnung dabei nur ausnahmsweise in Betracht, wenn nämlich das Begehren in der Hauptsache schon auf Grund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden summarischen Prüfung des Sachverhaltes mit größter Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird und dem Antragsteller ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schlechthin unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstünden (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2010 – 4 S 98.09 –, juris Rn. 17 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25. Juli 2012 – 1 M 65/12 –, juris Rn. 3).

Hier hat die Antragstellerin jedoch das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es ist im Rahmen der im vorliegenden Eilverfahren nur möglichen, aber auch nur gebotenen summarischen Prüfung nicht davon auszugehen, dass sie Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung hat.

Die Antragstellerin stützt ihren Antrag auf § 7 Abs. 4 Satz 1 der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 6. März 2021 in der Fassung der am 3. Juni 2021 in Kraft getretenen Neunten Änderungsverordnung (7. SARS-CoV-2-EindV).

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1. der 7. SARS-CoV-2-EindV sind Veranstaltungen mit Unterhaltungscharakter unter freiem Himmel mit bis zu 500 gleichzeitig anwesenden Besucherinnen und Besuchern zulässig. Abweichend hiervon kann das zuständige Gesundheitsamt gemäß Abs. 4 der Regelung auf Antrag in besonderen Einzelfällen Ausnahmen von den Personengrenzen zulassen, sofern keine zwingenden infektiologischen Gründe entgegenstehen.

Es spricht jedoch schon Gewichtiges dagegen, dass sich die Antragstellerin auf die Regelung des § 7 Abs. 4 der 7. SARS-CoV-2-EindV berufen kann. Denn der Verordnungsgeber hat für Konzert- und andere Kulturveranstaltungen in § 22 der 7. SARS-CoV-2-EindV spezielle Regelungen getroffen, was dafür spricht, dass die allgemeine Regelung des § 7 der 7. SARS-CoV-2-EindV für derartige Veranstaltungen keine Anwendung findet. Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 der 7. SARS-CoV-2-EindV sind u.a. Konzertveranstaltungen unter freiem Himmel mit bis zu 500 gleichzeitig anwesenden Besucherinnen und Besuchern zulässig, ohne dass insoweit eine dem § 7 Abs. 4 der 7. SARS-CoV-2-EindV entsprechende Erteilung von Ausnahmegenehmigungen vorgesehen ist. Dass die Antragstellerin ihre Konzerte ersichtlich nur unter freiem Himmel veranstaltet und kein Konzerthaus als Einrichtung betreibt, macht insoweit keinen Unterschied, zumal sie diese auf dem von ihr betriebenen Gelände des A... veranstalten will.

Doch selbst wenn der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 4 Satz 1 der 7. SARS-CoV-2-EindV für die Antragstellerin eröffnet wäre, hätte diese keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung. Denn sie hat schon nicht hinreichend dargelegt, dass hinsichtlich der von ihr veranstalteten Konzertreihe von einem besonderen Einzelfall im Sinne dieser Regelung auszugehen ist.

Dass es, wie sie geltend macht, im Land Brandenburg keine vergleichbaren Veranstaltungen gebe, ist zum einen schon nicht plausibel, da Open-Air-Konzerte eine durchaus übliche Veranstaltungsform darstellen, zum anderen genügt es für sich genommen ohnehin nicht zur Annahme eines besonderen Einzelfalles. Ob vom Vorliegen eines besonderen Einzelfalls im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 der 7. SARS-CoV-2-EindV auszugehen ist, bestimmt sich vielmehr maßgeblich am inhaltlichen Charakter der Veranstaltung sowie an den Schutzzielen der Siebten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung, wobei der Anwendungsbereich derartiger Ausnahmeregelungen grundsätzlich eher einschränkend auszulegen ist.

Hier bestimmt § 7 Abs. 4 Satz 2 der 7. SARS-CoV-2-EindV normkonkretisierend, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung insbesondere bei Veranstaltungen von Parteien und Wählergruppen zur Aufstellung ihrer Bewerberinnen und Bewerber nach den jeweiligen Wahlgesetzen für bevorstehende Wahlen in Betracht kommt. Auch wenn es sich hierbei nur um eine nicht abschließende Hervorhebung handelt, spricht hieraus Überwiegendes dafür, dass besondere Einzelfälle im Sinne des Satzes 1 nach den Intentionen des Verordnungsgebers maßgeblich solche Veranstaltungen sind, denen ein besonderes öffentliches bzw. gesellschaftspolitisches Interesse zukommt, das es rechtfertigt, die Corona-Schutzmaßnahmen über das Maß des § 7 Abs. 1 Satz 2 der 7. SARS-CoV-2-EindV hinaus zu lockern.

Dass der Konzertreihe der Antragstellerin ein solches besonderes öffentliches Interesse zukommt, ist – trotz der unbestritten wichtigen Funktion auch der Kultur für die Gesellschaft – hier nicht hinreichend erkennbar, insbesondere hat die Antragstellerin, die vielmehr maßgeblich auf ihre finanziellen Einbußen verweist, diesbezüglich nichts Überzeugendes dargetan. Hinzu kommt, dass jedenfalls insoweit auch der Regelungsgehalt des § 22 Abs. 2 Satz 2 der 7. SARS-CoV-2-EindV, der, wie dargelegt, eine entsprechende Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für Kulturveranstaltungen von vorn herein nicht vorsieht, ergänzend heranzuziehen ist, was ebenfalls die Annahme stützt, dass Kulturveranstaltungen ohne Weiteres regelmäßig nicht besondere Einzelfälle im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 der 7. SARS-CoV-2-EindV sind.

Da vorliegend nach alledem bereits der Tatbestand der Norm nicht erfüllt ist, kommt es weder auf Ermessenserwägungen noch die Bewertung des Hygienekonzeptes der Antragstellerin an.

Gleiches gilt für den Hilfsantrag, auch soweit dieser den weiteren Zeitraum bis zum 15. August 2021 umfasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO

Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes, wobei das Gericht im Hinblick auf die von der Antragstellerin begehrte Vorwegnahme der Hauptsache von einer Halbierung des sich danach ergebenden Betrages absieht.