Gericht | VG Cottbus 9. Kammer | Entscheidungsdatum | 15.06.2021 | |
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Aktenzeichen | 9 I 7/21 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0615.9I7.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 58 Abs 6 AufenthG, § 7 VwVfG |
Der Antrag auf Anordnung der Durchsuchung der Wohnung der Antragsgegner wird abgelehnt.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Antrag ist bereits unzulässig.
Zuständig für die Entscheidung, in Bezug auf die der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 27. April 2020 – OVG 2 L 5.20 – n. v.), ist gemäß § 5 Abs. 3 VwGO die Kammer, weil es sich nicht um eine Vollstreckung aus einem Titel gemäß § 168 VwGO handelt, für die der Vorsitzende zuständig wäre. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich vorliegend aus § 52 Nr. 1 VwGO, weil die zu durchsuchende Wohnung der Antragsgegner im hiesigen Gerichtsbezirk liegt.
Der Antragsteller ist vorliegend jedoch nicht berechtigt, den Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung zu stellen. Mit E-Mail vom 15. Juni 2021 (Bl. 286 VV) bat der Antragsteller die Ausländerbehörde C... in Amtshilfe um Festnahme sowie Zuführung des Herrn A... . Das konkrete Amtshilfeersuchen lautet damit weder auf eine Abschiebung des Ausländers noch auf Durchsuchung einer Wohnung. Gemäß § 7 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) richtet sich die Zulässigkeit der Maßnahme, die durch die Amtshilfe verwirklicht werden soll, nach dem für die ersuchende Behörde (hier: Landesamt für Einwanderung) geltenden Recht, die Durchführung der Amtshilfe aber nach dem für die ersuchte Behörde geltenden Recht. Die Durchführung der Festnahme sowie Zuführung durch die Ausländerbehörde bzw. für Brandenburg wegen § 3 Nr. 6 i. V. m. § 4 Ausländerrechtszuständigkeitsverordnung durch die ZABH umfasst auch das Aufgreifen des abzuschiebenden Ausländers, zu dessen Zweck die hier beantragte Durchsuchungsanordnung getroffen werden soll; es handelt sich damit um Modalitäten im Rahmen der Durchführung der Amtshilfe (hier: Festnahme und Zuführung), die sich nach dem Recht der ersuchten Behörde richtet und mithin von dieser – da sie nur vom Gericht angeordnet werden kann – auch zu beantragen ist (vgl. VG Cottbus, B. v. 19. April 2021 – 9 I 6/21 – juris Rn. 2; AG Augsburg, B. v. 06. Oktober 2011 – 2 M 27049/11 – juris Rn. 4; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13. Februar 1980 – 3 B 1716/79 – juris Rn. 11).
Dagegen spricht auch nicht § 58 Abs. 6 AufenthG, soweit dieser von „der die Abschiebung durchführenden Behörde“ spricht (so wohl VG Gießen, B. v. 26. November 2019 – 6 N 4595/19 – juris Rn. 5). Denn mit dieser Begrifflichkeit ist bereits nicht nur die örtlich zuständige oder sonst nach Landesrecht für die Vollziehung von Abschiebungen zuständige Ausländerbehörde (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 4 AufenthG; für Brandenburg vgl. § 3 Nr. 6 Verordnung über die Zuständigkeiten im Ausländerrecht) umfasst. Denn wie sich aus § 71 Abs. 5 AufenthG ergibt, sind für die Durchführung der Abschiebung auch die Polizeien der Länder zuständig (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG, 58.0.0, abgedruckt bei Bergmann/Dienelt, 13. Auflage, 2020), was zugleich impliziert, dass vom Wortlaut des § 58 Abs. 6 AufenthG nicht bloß die zuständige Ausländerbehörde erfasst ist. Ferner spricht der Wortlaut „durchführende Behörde“ auch dafür, dass damit auch die Behörde gemeint ist, die tatsächlich – freilich in rechtlich zulässiger Weise – im Rahmen der Durchführung der Abschiebung eines Ausländers tätig wird. Insoweit bleibt der Antragsteller (Landesamt für Einwanderung Berlin) zwar auch durchführende Behörde i. S. v. § 58 AufenthG; die Norm des § 58 Abs. 6 AufenthG verdrängt aber mangels Spezialität nicht die Regelungen über die Amtshilfe nach §§ 4 ff. VwVfG und namentlich nicht die Regelung des § 7 VwVfG, soweit eine andere Behörde – wie hier – in Amtshilfe tätig werden soll.
Dafür spricht auch, dass im Rahmen der Durchführung der Abschiebung die Frage, ob eine Durchsuchung der Wohnung erfolgen soll, im Ermessen der durchführenden und vorliegend der ersuchten Behörde steht. Diese muss letztlich entscheiden, ob für das Aufgreifen des Ausländers zum Zwecke der Festnahme und Zuführung eine in Art. 13 Grundgesetz (GG) eingreifende Wohnungsdurchsuchung geboten ist oder ob hiervon Abstand genommen wird; § 58 Abs. 6 AufenthG stellt dies mit der Wendung „kann“ in das behördliche Ermessen. Insoweit spricht auch nichts dafür, weshalb der Antragsteller bei Lichte betrachtet einen Durchsuchungsbeschluss lediglich auf Vorrat beantragen könnte, obwohl die in Amtshilfe tätig werdende Behörde eine Entscheidung darüber, ob eine Wohnungsdurchsuchung zum Zwecke der Festnahme und Zuführung des Ausländers erforderlich sein könnte, (noch) nicht getroffen hat.
Einer Kostenentscheidung und Festsetzung eines Verfahrenswertes bedarf es nicht, da nach dem Gerichtskostengesetz vorliegend keine Gebühren anfallen (VG Karlsruhe, B. v. 10. Dezember 2019 – 3 K 7772/19 – juris Rn. 31). Außergerichtliche Kosten sind angesichts der fehlenden Beteiligung des Antragsgegners an dem Verfahren und dem demgemäß fehlenden kontradiktorischen Charakter des Verfahrens nicht zu erstatten (OVG Bremen, B. v. 30. September 2019 – 2 S 262/19 – juris Rn. 24).