Gericht | VG Cottbus 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 11.06.2021 | |
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Aktenzeichen | 5 L 493/20.A | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:0611.5L493.20.A.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Wurde das Asylverfahren in Italien endgültig abgeschlossen, findet der Antragsteller nach seiner Dublin-Überstellung Aufnahme in einem Zentrum zur Rückkehr (CPR), wodurch das gemäß Art. 3 EMRK nötige Existenzminimum gesichert wird.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Der Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage (5...) gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Oktober 2020 (A...) anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Der – i.S.d. Art. 27 Abs. 3 und Art. 29 Abs. 1 a.E. der VO (EU) Nr. 604/2013 seinerseits aufschiebend wirkende - Antrag ist nach § 34a Abs. 2 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Die Abschiebungsanordnung hat das Bundesamt auf § 34a Abs. 1 AsylG gestützt. Damit entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 75 AsylG, mit der Folge dass die sechsmonatige Überstellungsfrist erst ab Zugang eines ablehnenden Beschlusses neu zu laufen beginnt (vgl. BVerwGE 164, 165-179 Rn. 17).
Der Antrag ist aber unbegründet.
Die in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG genannten Voraussetzungen für die Abschiebungsanordnung liegen vor.
Italien ist für die Wiederaufnahme gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d) Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zuständig, weil der Antragsteller ausweislich des Eurodac-Treffers der Kategorie 1 und seines eigenen Vortrages dort am 18. April 2016 einen Asylantrag gestellt hat, der zur Sache geprüft und abgelehnt wurde (vgl. zur Wiederaufnahme EuGH, Urteil vom 2. April 2019 – C-582/17 und C-583/17 -).
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht wegen systemischer Mängel auf Deutschland übergegangen.
Ein Antragsteller kann mit dem in Art. 27 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vorgesehenen Rechtsbehelf neben der Anwendung der Verordnung auch die Rechts- und Sachlage in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, prüfen lassen. Damit soll insbesondere sichergestellt werden, dass die Überstellung nicht aus einem der in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung genannten Gründen unmöglich ist (EuGH, Urteil vom 7. Juni 2016 – C-63/15-).
Einer hier bevorstehenden Überstellung nach Italien stehen die in Art. 3 Abs. 2 VO (EU) 604/2013 genannte Gründe offensichtlich nicht entgegen. Es ist nicht erkennbar, dass das Asylverfahrens und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien systemische Schwachstellen aufweisen, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.
Hiergegen streitet bereits die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-163/17 – Juris Rn. 82; EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 – NVwZ 2012, 417ff. Rn. 80). Die Vermutung erstreckt sich auch auf die etwa erforderlich werdende medizinische Versorgung (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 – C-578/16 PPU – Rn. 70).
Diese Vermutung wird nur widerlegt, wenn ist das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte feststellt, dass entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-163/17 – Juris Rn. 90). Solche Schwachstellen fallen nur dann unter Art. 4 der Charta, der Art. 3 der EMRK entspricht und nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der EMRK verliehen wird, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-163/17 – Juris Rn. 91). Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-163/17 – Juris Rn. 92). Diese Schwelle ist daher selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-163/17 – Juris Rn. 93).
Dem Gericht liegen keine Erkenntnisse vor, dass infolge Gleichgültigkeit italienischer Behörden eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, die unionsrechtliche Vermutung im Falle des Antragstellers also widerlegt wäre. Vielmehr ist vom Gegenteil auszugehen. Bereits 2016 hat der EGMR festgestellt, dass kein Grund zu der Annahme besteht, dass die italienischen Behörden bei eventuell auftretenden Schwierigkeiten nicht angemessen helfen würden (EGMR Entscheidung vom 4. Oktober 2016 Nr. 30474/14).
Anders als im Falle Griechenlands und zeitweise im Falle Bulgariens gibt es auch keine Empfehlung des UNHCR, von Abschiebungen nach Italien abzusehen. Den Stellungnahmen des UNHCR kommt in diesem Zusammenhang aber eine besondere Bedeutung zu (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C-528/11 – NVwZ-RR 2013, 660ff. Rn. 44).
Diese Einschätzung steht im Einklang mit der Auffassung des EGMR (vgl. Entscheidung vom 13. Januar 2015 Nr. 51428/10) und der einhelligen deutschen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 06. August 2018 – 10 LA 320/18 – Juris Rn. 7; Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2014 - 2 LA 308/13 - Juris; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 – 11 LB 248/14 – Juris Rn. 47; OVG Nds, Urteil vom 04. April 2018 – 10 LB 96/17 –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 -, InfAuslR 2014, 293; Bay. VGH, Urteil vom 28.2.2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628; Hess. VGH, Beschluss vom 28.2.2014 - 10 A 681/13.Z.A - Juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21.2.2014 - 10 A 10656/13 -, Juris; OVG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - Juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. April 2015 – 14 A 2356/12.A – Juris Rn. 38; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Juni 2016 – 13 A 1896/14.A – Juris Rn. 47), der sich das erkennende Gericht anschließt. Nichts Anderes gilt wegen der Covid-Pandemie (vgl. zur Rückführung von Familien Bay. VGH, Beschluss vom 4. Mai 2021 – 6 ZB 21.50026, 7837353 – zit. nach Juris).
Obdachlosigkeit droht dem Antragsteller nicht. Nach seinem eigenen Vortrag in der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 3. September 2020 wurde sein Asylantrag in Italien endgültig abgelehnt und der Rechtsweg ausgeschöpft. Das hat zur Folge, dass er nach der Dublin-Überstellung einen Wegweisungsbescheid erhalten und in einem „Zentrum zur Rückführung“ – CPR - untergebracht werden wird (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien“ Januar 2020 Seite 29). Hiermit sucht Italien offenbar seiner unionsrechtlichen Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG nachzukommen, alle effektiven Maßnahmen zu ergreifen, die zur Durchführung der Abschiebung des Betroffenen erforderlich sind (vgl. zu dieser Pflicht EuGH, Urteil vom 14. Januar 2021 – C-441/19 – Rn. 79). Darauf, ob diese Zentren als Haft zu qualifizieren sind, kommt es nicht an. Denn maßgeblich sind allein Verstöße gegen Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 zweiter Unterabsatz Verordnung (EU) Nr. 604/2013. Aus der Rechtsprechung des EuGH (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU [ECLI:EU:C:2017:127] -), ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Überstellung eines Asylbewerbers im Rahmen der Verordnung (EU) 604/2013 auch dann auszuschließen sei, wenn mit der Überstellung keine tatsächliche und erwiesene Gefahr verbunden ist, dass der Antragsteller eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRC erleidet, aber einzelne Regelungen und Garantien etwa der Richtlinie 2013/33/EU durch den Überstellungszielstaat nicht oder nur unvollständig umgesetzt werden. Wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems genügt eben nicht jede drohende Grundrechtsverletzung, um eine Überstellung in den normalerweise zuständigen Mitgliedsstaat zu vereiteln. Eo ipso ist eine Inhaftierung hingegen weder eine erniedrigende noch eine unmenschliche Behandlung (VG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Juli 2015 – 13 L 1802/15.A – Juris Rn. 53; VG Osnabrück, Urteil vom 18. Mai 2016 – 5 A 68/16 – Juris Rn. 45). Die Richtlinie 2013/33/EU eröffnet den Mitgliedsstaaten ausdrücklich die Möglichkeit, Asylantragsteller unter bestimmten Voraussetzungen in Asylhaft zu nehmen (vgl. Art. 8 der Richtlinie). Hiervon geht auch der EGMR aus, wenn er in einer Inhaftierung nur dann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung sieht, falls die Haftbedingungen zu beanstanden sind (vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30.696/09 – InfAuslR 2011, 221ff.). Maßstab dafür ist, ob die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und ob Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (VG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Juli 2015 – 13 L 1802/15.A – Juris Rn. 53; VG Dresden, Urteil vom 12. Januar 2016 – 2 K 1695/15.A – Juris Rn. 31). Anhaltspunkte für derartige Missstände sind indes nicht erkennbar. Berichte, wonach diese Zentren überfüllt seien, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist bekannt, dass den Bewohnern dieser Zentren keine angemessene Versorgung zuteilwürde.
Eine weitergehende Prüfung, etwa ob eine Haft den sekundärrechtlichen Vorgaben der Art. 8ff. der Richtlinie 2013/33/EU entspräche, ist den Gerichten des aufnehmenden Mitgliedsstaates, hier also den italienischen Gerichten, vorbehalten. Verfügt der Asylbewerber über einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht dieses Mitgliedsstaates, kann er darauf verwiesen werden, vor Ort Rechtsschutz zu suchen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 – C-695/15 – Rn. 62 für Rechtsschutz vor ungarischen Gerichten gegen Überstellung an ein nach ungarischem Recht als sicherer Drittstaat eingestuftes Land; EuGH, Urteil vom 05. April 2016 – C-404/15 und C-659/15 PPU, C-404/15, C-659/15 PPU – Rn. 103 für Rechtsschutz gegen Überstellung auf Grund Haftbefehls). So verhält es sich hier. Art. 9 Abs. 3 Richtlinie 2013/33/EU garantiert dem Asylantragsteller eine gerichtliche Prüfung, wobei ihm auch unentgeltliche Rechtsberatung zusteht (Art. 9 Abs. 6 Richtlinie 2013/33/EU). Stellt sich die Haft infolge der gerichtlichen Überprüfung als unrechtmäßig heraus, ist der betreffende Antragsteller freizulassen (Art. 9 Abs. 3 zweiter Unterabsatz Richtlinie 2013/33/EU). Nichts Anderes gilt nach Maßgabe von Art. 13 Abs. 2, Art. 14, 15 Abs. 2 und art. 16 der Richtlinie 2008/115/EG.
Die Ausführungen im anwaltlichen Schriftsatz vom 27. Januar 2021 zur Lage von im Asylverfahren befindlichen Antragstellern oder zur Lage von als schutzberechtigt Anerkannten sind angesichts der endgültigen Ablehnung des Asylantrages im vorliegenden Falle irrelevant. Die Situation überstellter Asylantragsteller hängt nämlich vom Status ihres Verfahrens in Italien ab (so ausdrücklich Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien“ Januar 2020 Seite 29). Auch die vom Antragsteller zitierten Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Hannover und Oldenburg befassen sich mit anderen Konstellationen. Im Übrigen sind diese aus dem Jahre 2020 stammenden Judikate mittlerweile durch die stark rückläufige Entwicklung der Pandemie überholt. In Italien sind inzwischen mehr als 40% der Einwohner geimpft und die 7-Tage-Inzidenz auf unter 30 gefallen, was die Öffnung der Gastronomie und Streichung Italiens aus der Liste der Risikogebiete zur Folge hatte (vgl. ADAC-Bericht vom 7. Juni 2021). Letzteres lässt einen Aufschwung im Reisegewerbe erwarten, welches seinerseits einen erheblichen Anteil an der italienischen Wirtschaftsleistung hat und gerade ungelernten Arbeitskräften Beschäftigung bietet.
Sollte der Antragsteller in Italien einen Folgeantrag stellen und sollte dieser Folgeantrag zur Folge haben, dass er während der Bearbeitungsdauer das Zentrum zur Rückkehr verlassen müsste, wäre unabhängig von der Unterbringung in einem CPR im Falle des Antragstellers davon auszugehen, dass er in der Lage sein würde, sich auf eigene Faust mit Obdach und dem Existenzminimum zu versorgen. Dies hat er während seines mehrjährigen Aufenthaltes in Italien unter Beweis gestellt. So hat er für sich ein Zimmer angemietet und beschaffte sich eine Arbeitsstelle in der Landwirtschaft. Dass er diese gekündigt hat, weil er nach seiner Ansicht zu wenig verdient habe, beruht auf seinem freien Entschluss. Mit dieser Arbeit sein Existenzminimum nicht erwirtschaften zu können, hat er selbst nicht geltend gemacht. Im Übrigen ist für die Sicherung des Grundbedürfnisses nach Wohnen bzw. nach dem Schutz vor schlechter Witterung eine eigene, dauerhaft zur alleinigen Verfügung stehende Wohnung im Rahmen des Art. 3 EMRK nicht erforderlich, wenn durch den Zugang zu wechselnden Unterkünften Obdachlosigkeit hinreichend sicher vermieden werden kann. Auch Sammel- oder Lagerunterkünfte, die ein sicheres, witterungsfestes Obdach bieten und auch sonst eine menschenwürdige Unterkunft gewährleisten, sind nicht ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 18. Februar 2021 – 1 C 4.20 – Juris Rn. 37).
Zudem lässt die absehbare Entwicklung mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass Arbeitswillige in Italien bei der gebotenen eigenen Anstrengung Beschäftigungen finden, die ihren Lebensunterhalt sichern. Denn zwischen 2020 und 2024 sind im italienischen Wirtschaftssystem über 2,5 Millionen der heute Beschäftigen zu ersetzen, weil sie das Pensionsalter erreichen oder aus anderen Gründen aus dem Berufsleben ausscheiden. Dieser Wert wird zusammen mit der Zunahme (oder Abnahme) der basierend auf den möglichen jährlichen Entwicklungen des Bruttoinlandsprodukts vorhergesehenen Arbeitnehmer einen Gesamtbedarf zwischen 1,9 und 2,7 Millionen Arbeitskräften ergeben (vgl. EURES, Das Europäische Portal zur beruflichen Mobilität; Italien, Kurzer Überblick über den Arbeitsmarkt). Schon zwischen 2020 und 2021 könnten die Privatsektoren und die öffentliche Verwaltung einen Beschäftigungsbedarf von 272.000 – 799.000 Personen aufweisen. Die Notwendigkeit des Ersetzens von Personal wird den Bedarf an diesem wieder in den positiven Bereich bringen. Im Fünfjahreszeitraum werden die Privatsektoren einen Bedarf zwischen 1,2 und 2 Millionen Personen aufweisen. Dabei wird der Nordwesten das größte Kontingent an Beschäftigten benötigen, gefolgt vom Nordosten und von Süditalien (vgl. EURES, Das Europäische Portal zur beruflichen Mobilität; Italien, Wo gibt es freie Stellen?). Auf Grund dieser Entwicklung erscheint es ausgeschlossen, dass eine arbeitsfähige und -willige Person im gesamten Land Italien keine Beschäftigung finden kann (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 2020 – 7 A 11038/18 – Juris Rn. 46; VG Stuttgart, Urteil vom 25. Februar 2021 – A 4 K 1044/20 – Juris Rn. 36). Aussichten auf eine künftige Verbesserung der Lage sind indes bei der Prüfung des Art. 3 EMRK zu berücksichtigen (EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 – MSS/Belgien. Rn. 262).
Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung besteht eine starke unionsrechtliche Vermutung, dass die dem Antragsteller gebotene Versorgung angemessen sein wird (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 – c-578/16 PPU – Rn. 70 zu Art. 17 bis 19 der Richtlinie 2013/22/EU). Die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse widerlegen nicht, sondern bestätigen diese Vermutung. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. Bericht des Bundesamts vom 02.04.2020, S. 15 zitiert nach VG Bayreuth, Urteil vom 08. März 2021 – B 4 K 19.50417 – Juris Rn. 36). Den aktuellen Reis- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes für Italien (gültig seit 7. Juni 2021) ist nicht ansatzweise zu entnehmen, dass die medizinische Versorgung in Italien pandemiebedingt zusammengebrochen ist.
Gesundheitsbedingte Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Der Antragsteller legt schon keine qualifizierte ärztliche Bescheinigung i.S.d. § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG vor. Die einzige ärztliche Stellungnahme vom 4. August 2020 vom V... bescheinigt, dass der Antragsteller keinen aktuellen Behandlungsbedarf aufweise, reisefähig sei und eine empfohlene psychotherapeutische Anbindung angesichts der Englischkenntnisse des Antragstellers auch nicht etwa in Berlin stattfinden müsse. Insbesondere findet sich keine ärztliche Bescheinigung, die die in der Vergangenheit vom Antragsteller unter Beweis gestellte Arbeitsfähigkeit in Zweifel ziehen würde.
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).