Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 30.01.2020 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 B 31.19 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2020:0130.3B31.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1597a BGB, § 85a AufenthG, § 42 Abs 2 VwGO, § 2 Abs 3 Nr 3 VwVfG, Art 6 GG, § 113 Abs 4 VwGO, Art 16 Abs 1 GG, § 46 VwVfG, § 37 Abs 1 VwVfG, § 35 S 1 VwVfG, § 28 Abs 1 VwVfG |
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juni 2019 geändert. Der Bescheid der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in J...vom 20. April 2018 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, das Verfahren zur Prüfung, ob die Zustimmung der Frau M...zur Anerkennung der Vaterschaft missbräuchlich ist, einzustellen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, dass die Zustimmungserklärung zur Vaterschaftsanerkennung missbräuchlich ist.
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Beamter im Dienst des Auswärtigen Amtes. Von J...bis A...war er Leiter der der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in J...). Von A...bis ...war er bei der deutschen Botschaft in K...als S... eingesetzt.
Der Kläger ist Vater im Rechtssinne von neun Kindern. Seinen Angaben zufolge ist er auch deren leiblicher Vater. Die drei Kinder P...(27 Jahre), P...(22 Jahre) und P...(12 Jahre) sind aus der Ehe mit einer japanischen Staatsangehörigen hervorgegangen. Die Vaterschaft für die weiteren sechs Kinder erkannte der Kläger an. Die Mutter seiner Töchter L...(17 Jahre) und A...(14 Jahre) stammt aus . Der Kläger trägt hierzu vor, die Kindesmutter habe unabhängig von der Vaterschaftsanerkennung ein Aufenthaltsrecht in Deutschland gehabt. Sie und die beiden Töchter lebten mietfrei in einer Eigentumswohnung des Klägers in Berlin. Auch die Mutter seines Sohnes M...(16 Jahre) ist m...Staatsangehörige. M. T. lebt dem Kläger zufolge in den USA, deren Staatsangehörigkeit er besitzt. Der Kläger leiste ihm Barunterhalt. Die Mutter seines Sohnes A...(11 Jahre) stammt ebenfalls aus . Auch er ist – so der Kläger – Staatsangehöriger der USA. Er lebt in einer von dem Kläger angemieteten Wohnung in Berlin und erhält Unterhalt. Seine Tochter A...(6 Jahre) und sein Sohn K...(4 Jahre) haben eine k...Mutter. Nach Angaben des Klägers lebt er gemeinsam mit ihnen in einer Wohnung in Berlin.
Im Jahr 2013 oder 2014 lernte der Kläger in J...den im Jahr 2001 geborenen Herrn M... der k...Staatsangehörigkeit ist, kennen. Er ist der Sohn von Frau A..., die ebenfalls die k...Staatsangehörige besitzt. Sein leiblicher Vater ist unbekannt.
Herr M...beantragte am 14. Juli 2015 bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in J...die Erteilung eines Schengenvisums. Dabei legte er die Geburtsurkunde Nr. 2..., die auf den 1...2001 datiert und wonach sein Vater „A... “ heißt, sowie eine Sterbeurkunde Nr. 2..., wonach „A... “ am 19. Oktober 2008 verstorben ist, vor. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in J...erteilte Herrn M...am 15. Juli 2015 ein vom 24. Juli bis 17. August 2015 gültiges Schengenvisum. Hiervon machte dieser keinen Gebrauch.
Eine Vertrauensanwältin der Botschaft teilte am 20. April 2016 mit, die Geburtsurkunde des Herrn M...vom 1...2001 mit der Nr. 2...und die Sterbeurkunde Nr....seien gefälscht.
Am 16. Dezember 2016 erkannte der Kläger bei einem Notar in Berlin an, Vater des Herrn M...zu sein.
Wegen des Verdachts, Visa zu Unrecht erteilt zu haben, nahm die Bundespolizei Ermittlungen gegen den Kläger auf. In einer Schutzschrift zu einem Ermittlungsbericht machte er geltend, zwischen ihm und Herrn M...bestehe eine sozial-familiäre Beziehung, er habe ihn finanziell unterstützt und würde diese „Mission“ gerne fortsetzen. Die Vermutung der Ermittlungsbehörden, die Vaterschaftsanerkennung diene dazu, Herrn M...die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen, treffe zu. Letztlich wurde das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren eingestellt.
Ab Januar 2017 bemühte er sich bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in J..., einen Termin zur Beurkundung der Zustimmung der Kindesmutter zur Vaterschaftsanerkennung zu vereinbaren. In diesem Rahmen legte er eine Geburtsurkunde des Herrn M...vom 1...2001 mit der Nr. 8...vor, in der kein Vater eingetragen ist. Nach Mitteilung der Vertrauensanwältin der Botschaft ist diese Geburtsurkunde echt.
Die Botschaft teilte dem Kläger am 28. August 2017 mit, sie werde die Zustimmungserklärung zur Vaterschaftsanerkennung nicht beurkunden. Es sei nicht zweifelsfrei geklärt, dass keine Vaterschaft für Herrn M...bestehe, da in einer der vorgelegten Geburtsurkunden bereits ein Vater eingetragen sei.
Mit Bescheid vom 20. April 2018 stellte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in J...fest, dass die Zustimmungserklärung zur Anerkennung der Vaterschaft zu dem Kind M...missbräuchlich sei. Der Bescheid war an den Kläger als „im Verfahren Bevollmächtigten“ adressiert. Die Botschaft hielt die Anerkennung der Vaterschaft für missbräuchlich, weil der Kläger nicht der biologische Vater sei. Auch bestünden zwischen diesem und Herrn M...keine sozial-familiären Beziehungen.
Mit seiner gegen den Bescheid gerichteten Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, zwischen ihm und Herrn M... bestehe ein sozial-familiäres Verhältnis, ein familiäres Zusammenleben sei weiterhin beabsichtigt. Die Beklagte hat eingewandt, dem Kläger fehle die Klagebefugnis, weil die Zustimmung der Kindesmutter deren höchstpersönliches Recht sei. Die Vaterschaftsanerkennung durch den Kläger sei missbräuchlich. Dies zeige auch das in § 1597a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BGB angeführte Fehlen persönlicher Beziehungen zwischen dem Kläger und dem Kind. Außerdem sei der Regelfall einer missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft nach § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt. Der Kläger habe der Vermutung des Ermittlers zugestimmt, die Vaterschaftsanerkennung sei dazu bestimmt, Herrn M...die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen.
Mit Urteil vom 7. Juni 2019 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt: An der Zulässigkeit der Klage bestünden keine Zweifel, insbesondere sei der Kläger als Adressat des angefochtenen Bescheides und wegen der von der Vaterschaftsanerkennung entfalteten Vorwirkung nach Art. 6 Abs. 1 GG klagebefugt. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Zustimmungserklärung zu der Vaterschaftsanerkennung sei rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger nicht der leibliche Vater des Herrn M...sei, die zivilrechtlichen Vorschriften über die Anerkennung der Vaterschaft aber vom Regelfall der Anerkennung durch den leiblichen Vater ausgingen. Außerdem bestehe zwischen dem Kläger und Herrn M...keine sozial-familiäre Beziehung, auf deren Grundlage der Kläger als rechtlicher Vater angesehen werden müsse. Ferner liege das Regelbeispiel des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG vor, weil der Kläger mehrfach die Vaterschaft von Kindern verschiedener ausländischer Mütter anerkannt und hiermit zumindest teilweise jeweils die rechtliche Voraussetzung für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder der Mutter geschaffen habe. Der Kläger habe seine Behauptung, leiblicher Vater sämtlicher zuvor anerkannter Kinder zu sein, nicht nachgewiesen.
Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend: Der angegriffene Bescheid sei weder ihm noch der Kindesmutter zugestellt worden. Er sei nicht Adressat des Bescheides, eine Vertretungsbefugnis für die Kindesmutter habe nicht vorgelegen. § 85a Abs. 1 AufenthG sei hier mangels zulässiger Rückwirkung nicht anwendbar, weil er die Vaterschaft bereits vor Inkrafttreten dieser Vorschrift anerkannt habe. Außerdem sei das nach § 1597a Abs. 2 BGB erforderliche Verfahren nicht durchgeführt worden; es fehle die Aussetzung der Beurkundung und die Mitteilung an die nach § 85a AufenthG zuständige Behörde. Die Beklagte habe die Beteiligten des Beurkundungsverfahrens nicht angehört. Dies sei nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich, weil nicht offensichtlich sei, dass die unterbliebene Anhörung, insbesondere die der Kindesmutter, die Entscheidung nicht beeinflusst habe. Ferner dürfe das Gericht seiner Entscheidung keinen Regeltatbestand des § 85a Abs. 2 AufenthG zugrunde legen, auf den sich die Behörde nicht berufen habe. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht maßgeblich auf das Fehlen der leiblichen Vaterschaft abgestellt, weil nach § 1597a Abs. 5 BGB ein Missbrauch nur dann vorliegen könne, wenn keine biologische Vaterschaft bestehe. Zudem existiere zwischen dem Kläger und Herrn M...eine sozial-familiäre Beziehung, die in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG falle.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juni 2019 zu ändern, den Bescheid der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland J...vom 20. April 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Verfahren zur Prüfung, ob die Zustimmung der Frau M...zur Anerkennung der Vaterschaft missbräuchlich ist, einzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dies rechtfertigt sie vor allem damit, dass die Voraussetzungen, unter denen von einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung auszugehen sei, im Hinblick auf das Kindeswohl weit gefasst werden müssten. Nur auf diese Weise lasse es sich erreichen, die Umgehung von Adoptionsvorschriften und bestimmte Formen des Kinderhandels zu unterbinden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.
Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Die gegen den Bescheid der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in J...vom 20. April 2018 gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig und begründet.
Die Anfechtungsklage ist statthaft. Der angegriffene Bescheid ist wirksam, weil ihn die Beklagte gegenüber dem Kläger bekanntgegeben hat (entsprechende Anwendung von § 43 Abs. 1 VwVfG, der nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG für Tätigkeiten der Auslandsvertretungen nicht unmittelbar gilt). Die Bekanntgabe setzt eine Eröffnung des Verwaltungsaktes mit Willen der Behörde an den Betreffenden voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1965 – VII C 175.64 – juris Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 – juris Rn. 29; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. November 2006 – OVG 4 B 11.06 – juris Rn. 25). Dabei ist der Bekanntgabeadressat diejenige Person, an die der Verwaltungsakt bekannt zu geben ist bzw. bekannt gegeben werden soll. Demgegenüber handelt es sich bei dem Regelungsadressaten eines Verwaltungsakts um den von der Regelung materiell Betroffenen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 1994 – 1 DB 12.94 – juris Rn. 7; VGH München, Beschluss vom 26. Juli 2019 – 15 CS 19.1050 – juris Rn. 24 ff.; OVG Saarlouis, Urteil vom 20. Februar 2017 – 2 A 34/16 – juris Rn. 25).
Die Beklagte wollte den angegriffenen Bescheid dem Kläger bekannt geben; sie hat ihn insoweit als Adressaten angesehen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Adressfeld des Bescheides als auch aus der persönlichen Anrede des Klägers. Ob der Kläger darüber hinaus inhaltlich von der Regelung betroffen ist, ist für eine ausreichende Bekanntgabe ohne Bedeutung (vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 20. Februar 2017 – 2 A 34/16 – juris Rn. 25; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 37 Rn. 22).
Der Kläger ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil er – wie er geltend macht - durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt sein kann. Zwar ist der Kläger nicht Regelungsadressat des angegriffenen Bescheides. Dieser ist nach der auf öffentlich-rechtliche Erklärungen anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB (dazu im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 19. November 2019 – 1 C 41.18 – juris Rn. 28) dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte nur die Mutter des Herrn M... als Regelungsadressatin angesehen hat, auch wenn sie in dem Bescheid nicht ausdrücklich namentlich genannt wird. Die in dem Bescheid verfügte Feststellung bezieht sich ausschließlich auf die zu beurkundende Zustimmungserklärung der Kindesmutter als alleinige Antragstellerin des Beurkundungsverfahrens. Demgegenüber bezeichnet der Bescheid den Kläger selbst nur als Bevollmächtigten. Damit ist hinreichend ersichtlich, dass er durch die persönliche Anrede nicht als Regelungsadressat, sondern als Bevollmächtigter der Kindesmutter angesprochen wird.
Dieses Ergebnis steht der Klagebefugnis des Klägers jedoch nicht entgegen. Die an die Kindesmutter gerichtete behördliche Feststellung, ihre Zustimmungserklärung zur Anerkennung der Vaterschaft sei missbräuchlich, ist geeignet, zugleich in die nach §§ 1594 ff. BGB grundsätzlich bestehenden Rechte des Klägers einzugreifen, weil seine Vaterschaftsanerkennung, die die Beklagte im Übrigen ebenfalls als missbräuchlich ansieht, keine Wirkung entfalten kann. Zur Verteidigung dieser Rechte kann der Kläger als Dritter gegen die gegenüber der Kindesmutter getroffene behördliche Feststellung vorgehen.
Am Rechtsschutzbedürfnis des Klägers bestehen keine Zweifel (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 – 3 C 25.03 – juris Rn. 19; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., vor § 40 Rn. 11). Die Beklagte hat den Hinweis in der Geburtsurkunde Nr. 2..., wonach als Vater des Herrn M...eine Person mit dem Namen „A... “ eingetragen ist, nicht als ausreichend angesehen, um von einer bereits bestehenden anderweitigen rechtlichen Vaterschaft auszugehen. Diese Geburtsurkunde hat sich bei einer vertrauensanwaltlichen Überprüfung als unecht erwiesen.
Die fristgerecht erhobene Drittanfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in J...vom 20. April 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Sach- und Rechtslage hinsichtlich der von der Beklagten getroffenen Feststellung, die Zustimmungserklärung zur Anerkennung der Vaterschaft für Herrn M... sei nach § 85a Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit § 1597a Abs. 1 und Abs. 4 BGB missbräuchlich, beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Dies ergibt sich hier aus dem zugrunde liegenden materiellen Recht (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 31. März 2004 – 8 C 5.03 – juris Rn. 35). Danach wäre es mit der Grundrechtsrelevanz des § 85a AufenthG, der in das Recht aus Art. 6 GG eingreifen kann, nicht vereinbar, nach Erlass des angegriffenen Bescheides eintretende tatsächliche Umstände - vor allem die weitere Entwicklung der familiären Beziehungen - im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass es sich bei § 85a AufenthG um eine Ausnahmeregelung handelt.
Der angegriffene Bescheid ist nicht wegen formeller Fehler aufzuheben. Der von dem Kläger gerügte Anhörungsmangel, den er darin sieht, dass die Botschaft weder die Mutter des Herrn M... noch den Kläger vor Erlass des angegriffenen Bescheids angehört hat, ist unbeachtlich. Zwar gilt der das Anhörungsgebot normierende § 28 Abs. 1 VwVfG gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG für die Vertretungen des Bundes im Ausland nicht unmittelbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. August 1990 – 1 B 103.90 – juris Rn. 4; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Mai 2015 – OVG 3 M 37.15 – juris Rn. 5). Die Pflicht zur Anhörung folgt aber aus dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 2. September 1986 – 15 B 1849/86 – NVwZ 1987, 606, 607; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl., § 28 Rn. 3).
Die Unbeachtlichkeit des Anhörungsmangels ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des hier ebenfalls nicht unmittelbar anwendbaren § 46 VwVfG, der jedoch einen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsverfahrens normiert. Danach bleiben behördliche Anhörungsfehler folgenlos, wenn der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2018 – 2 C 14.17 – juris Rn. 31 f.). Da die Gerichte im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG eine gebundene Verwaltungsentscheidung umfassend zu überprüfen haben, erweist sich die behördliche Entscheidung am Ende entweder als rechtmäßig oder aber als materiell rechtswidrig, ohne dass dem behördlichen Verfahrensfehler hierbei eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2017 – 1 C 26.16 – juris Rn. 45; BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2010 – 2 B 39.10 – juris Rn. 6). Die von dem Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24. Oktober 2017 – 1 BvR 1026/13 – juris Rn. 47) bezieht sich auf behördliche Planungsentscheidungen, bei denen der Behörde ein Entscheidungsspielraum zusteht.
Gemessen daran hat der Senat den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Sachverhalt – auch durch Anhörung des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Klägers – ermittelt und die Rechtmäßigkeit der auf § 85a Abs. 1 Satz 2 AufenthG gestützten gebundenen Entscheidung überprüft. Dies gilt auch in Bezug auf solche Umstände, die aus einer unterbliebenen Anhörung der Kindesmutter resultieren könnten, wobei offen bleibt, ob einem derartigen Verfahrensfehler gegenüber dem Kläger drittschützende Wirkung zukäme.
Ohne Bedeutung ist, ob Verfahrensfehler in dem dem Verfahren nach § 85a Abs. 1 AufenthG vorgelagerten Verfahren nach § 1597a Abs. 2 BGB bestehen. Für die Prüfung und Feststellung einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung ist ein zweistufiges, grundsätzlich behördenübergreifendes Verfahren vorgeschrieben (vgl. auch BT-Drs. 18/12415, S. 20 f.). Danach prüft nach § 1597a Abs. 2 BGB auf der ersten Stufe die beurkundende Behörde oder die Urkundsperson, bei der die Vaterschaftsanerkennung nach § 1597 Abs. 1 BGB öffentlich beurkundet werden soll, ob konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft bestehen. Sofern solche Anhaltspunkte vorliegen, teilt dies die Beurkundungsstelle der nach § 85a AufenthG zuständigen Behörde mit, die dann nach eigener Prüfung abschließend über die Missbräuchlichkeit entscheidet (vgl. zum Ganzen OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. November 2019 – OVG 11 S 68.19 – juris Rn. 12). Auf Verfahrensfehler im Verfahren nach § 1597a Abs. 2 BGB kommt es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Feststellung nach § 85a Abs. 1 AufenthG nicht an. Formelle Voraussetzung für die Feststellung der Missbräuchlichkeit ist nach § 85a Abs. 1 Satz 1 AufenthG allein, dass der Ausländerbehörde bzw. Auslandsvertretung eine Mitteilung der beurkundenden Behörde oder Urkundsperson vorliegt, wonach konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft bestehen. Ob diese Mitteilung verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist, hat die nach § 85a AufenthG zuständige Behörde nicht zu prüfen. Für eine solche Prüfpflicht gibt der Wortlaut von § 85a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nichts her. Auch der Zweck des Verfahrens nach § 85a Abs. 1 AufenthG, missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern, spricht dagegen, dass eine entsprechende Feststellung nur deswegen unterbleiben müsste, weil das vorgelagerte Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist es für die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides ohne Bedeutung, ob hier neben dem aufenthaltsrechtlichen Verfahren ein davon getrenntes zivilrechtliches Verfahren gemäß § 1597a BGB durchgeführt worden ist, insbesondere, ob die Botschaft eine Mitteilung über konkrete Anhaltspunkte nach § 1597a Abs. 2 Satz 1 BGB, § 85a Abs. 1 Satz 1 AufenthG hätte erstellen müssen. Es findet sich in § 85a AufenthG kein normativer Anhaltspunkt dafür, dass das Verwaltungsverfahren eine ordnungsgemäße Durchführung des zivilrechtlichen Verfahrens voraussetzt und die Ausländerbehörde dies eigenständig zu prüfen hat. Entscheidend ist insoweit allein, dass konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung oder Zustimmung bestehen. Fehlt es an einer Aussetzung des zivilrechtlichen Verfahrens, führt dies allenfalls dazu, dass dieses Verfahren nicht wirksam unterbrochen worden ist. Dies ist für den Betroffenen jedoch nicht von Nachteil. Im Übrigen wäre hier einer „formellen“ Mitteilung keine eigenständige Funktion beizumessen gewesen. Es hätte sich lediglich um einen behördeninternen Akt gehandelt, weil die Botschaft sowohl für die öffentliche Beurkundung der von der Mutter des Herrn M... abgegebenen Zustimmungserklärung ... gemäß §§ 2, 10 Abs. 1 Nr. 1 des Konsulargesetzes und damit für die Verdachtsprüfung als auch zugleich nach § 85a Abs. 4 AufenthG für den Erlass eines Feststellungsbescheides zuständig war.
Der angegriffene Bescheid ist hinreichend bestimmt. Das Bestimmtheitserfordernis ergibt sich für Auslandsvertretungen wegen § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG zwar nicht unmittelbar aus § 37 Abs. 1 VwVfG. Es folgt jedoch aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 – 9 C 7.11 – juris Rn. 15; OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. März 2019 – 8 ME 18/19 – juris Rn. 43; Tiedemann, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 45. Aufl., § 37 Rn. 3). Eine hinreichende Bestimmtheit verlangt auch Klarheit darüber, an wen sich der Verwaltungsakt richtet, wer also hierdurch verpflichtet oder berechtigt werden soll (vgl. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 37 Rn. 10). Dies lässt sich - wie dargelegt - durch Auslegung ermitteln.
Der angegriffene Bescheid ist materiell rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
An der Verfassungsmäßigkeit der hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen in § 85a AufenthG und § 1597a BGB bestehen keine durchgreifenden Zweifel (so auch Kemper, in: FamRB 2017, 438, 441).
Art. 16 Abs. 1 GG ist insoweit nicht verletzt. Wird festgestellt, dass die Vaterschaftsanerkennung bzw. die Zustimmungserklärung der Mutter missbräuchlich ist, führt dies nicht zu einer Entziehung oder zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, sondern verhindert, dass diese erworben wird. Vor dem Erwerb ist eine Berufung auf Art. 16 Abs. 1 GG ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 1962 – 1 BvL 4/58 – juris Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1959 – I C 6.58 – juris Rn. 12; Sanders, in: FamRZ 2017, 1189, 1192; Giegerich, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 88. EL, Art. 16 Rn. 199).
§ 1597a BGB und § 85a AufenthG sind mit dem durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Elternrecht und dem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung vereinbar (so auch Sanders, in: FamRZ 2017, 1189, 1193). Soweit dem biologischen Vater ein verfassungsmäßiges Recht auf Anerkennung der Vaterschaft aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zusteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvR 1493/96 – juris Rn. 54), wird dieses Grundrecht nicht berührt. Nach § 1597a Abs. 5 BGB ist die Feststellung der Missbräuchlichkeit bei einer biologischen Abstammung des Kindes von dem anerkennungswilligen Mann ausgeschlossen. Demgegenüber ist es bei fehlender leiblicher Abstammung verfassungsrechtlich unbedenklich, eine Vaterschaftsanerkennung zu versagen, wenn diese gerade darauf abzielt, die Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils zu schaffen. In diesem Fall ist die soziale Bedeutung der (zukünftigen) rechtlichen Vaterschaft für Eltern und Kind gering, und die gesetzliche Beschränkung verfolgt legitime Steuerungsziele des Staatsangehörigkeits- und Aufenthaltsrechts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 – juris Rn. 51, Rn. 99 und Rn. 103).
Ferner ist die Beeinträchtigung des durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familienlebens durch die mit dem Prüfverfahren verbundenen Ausforschungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Das Prüfverfahren dient der Verhinderung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung. Grundsätzlich ist auch hinzunehmen, dass in die behördlichen Ermittlungen Familien einbezogen werden, bei denen die Voraussetzungen für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung am Ende nicht vorliegen. Eben dies kann sich unter Umständen erst durch das Prüfverfahren erweisen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 – juris Rn. 107 f.). Ob im konkreten Fall die Verdachtsmomente ausreichen, um die Belastungen eines Prüfverfahrens zu rechtfertigen, bzw. welche Nachfragen und Aufklärungsmaßnahmen zulässig sind, betrifft nicht die Verfassungsmäßigkeit der Norm als solcher, sondern die Rechtsanwendung im Einzelfall.
Die Anwendung von § 1597a BGB und § 85a AufenthG führt hier nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung, weil diese Regelungen erst mit Wirkung vom 29. Juli 2017 in Kraft getreten sind (Artikel 9 des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017, BGBl I S. 2780), der Kläger aber bereits am 16. Dezember 2016 die Vaterschaft anerkannt hat.
Es handelt sich nicht um eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung. Sie setzt voraus, dass ein Gesetz nachträglich in der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingreift (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2012 – 2 BvL 5/10 – juris Rn. 65; BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 2 BvL 14/02 – juris Rn. 61; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 1 C 1.13 – juris Rn. 15; Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl., Art. 20 Rn. 133). Das ist hier nicht der Fall. Die Anerkennung der Vaterschaft durch den Kläger war bei Inkrafttreten von § 1597a BGB und § 85a AufenthG noch nicht wirksam, weil die Zustimmungserklärung der Mutter noch beurkundet werden musste.
Die demgegenüber hier erfüllte tatbestandliche Rückanknüpfung („unechte Rückwirkung“) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie setzt voraus, dass eine Norm auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und die betroffenen Rechtsbeziehungen dabei nachteiliger bewertet als das zuvor geltende Recht. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Verhältnismäßigkeitsprinzip stehen einer unechten Rückwirkung nur dann entgegen, wenn sie zur Erreichung des Gesetzeszwecks ungeeignet oder nicht erforderlich ist, oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2012 – 2 BvL 5/10 – juris Rn. 66 und 73; BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 2 BvL 14/02 – juris Rn. 57; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 1 C 1.13 – juris Rn. 16).
Das hier betroffene Vertrauen, das familienrechtliche Instrument der Vaterschaftsanerkennung gezielt einsetzen zu können, um ein ansonsten ausgeschlossenes Aufenthaltsrecht eines Kindes zu begründen, ist nicht schutzwürdig. Eine solche Vaterschaftsanerkennung ist rechtsmissbräuchlich, was für den anerkennungswilligen Mann und die Kindesmutter auch vor Inkrafttreten von § 1597a BGB, § 85a AufenthG erkennbar gewesen ist.
Die in § 1597a Abs. 1 BGB definierten Voraussetzungen für die behördliche Feststellung, dass die Zustimmungserklärung zur Anerkennung der Vaterschaft missbräuchlich ist, sind hier nicht erfüllt. Das ist nur der Fall, wenn der alleinige Zweck der Zustimmungserklärung darin besteht, die rechtlichen Voraussetzungen für eine ansonsten verwehrte Einreise bzw. einen ansonsten verwehrten Aufenthalt zu schaffen (so auch Tewocht, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 24. Aufl., § 85a AufenthG Rn. 5 ff.). Diese Auslegung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 1597a Abs. 1 BGB, wonach die Vaterschaft nicht „gezielt gerade“ aus aufenthaltsrechtlichen Motiven anerkannt werden darf.
Zudem entspricht die Auslegung dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit der Einführung von § 1597a BGB und § 85a AufenthG verfolgt: Es sollen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen verhindert werden, die zum Ziel haben, einen Aufenthaltstitel zu erlangen (BT-Drs. 18/12415, S. 15). Die familienrechtlichen Wirkungen einer Vaterschaftsanerkennung sind nicht gewollt, wenn die Anerkennung nur der Verschaffung eines Aufenthaltsrecht dient (BT-Drs. 18/12415, S. 20). Dementsprechend reicht es dem gesetzgeberischen Willen zufolge für die Annahme einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung nicht aus, wenn der anerkennungswillige Mann angibt, die Anerkennung diene auch einem in § 1597a Abs. 1 BGB genannten Zweck (BT-Drs. 18/12415, S. 17). Demgegenüber bestehen keine durchgreifenden Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber eine allgemeine Missbrauchskontrolle einführen und den zivilrechtlichen Grundsatz aufgeben wollte, wonach aufgrund einer bewussten familienpolitischen Entscheidung eine Vaterschaftsanerkennung aus beliebigen Gründen zulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 – juris Rn. 48; BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 – 1 C 1.17 – juris Rn. 15; Wittkopp, in: jM 2018, 335; vgl. ferner Balzer, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Stand: 1. November 2019, § 1597a BGB Rn. 15).
Das dargelegte (enge) Verständnis einer missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft im Sinne von § 1597a Abs. 1 BGB ist außerdem verfassungsrechtlich geboten. Es wäre mit dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, ausschließlich Familien, die einen aufenthaltsrechtlichen Bezug aufweisen, die Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung aus Gründen zu versagen, die nicht allein aufenthaltsrechtlich motiviert sind. Für eine solche unterschiedliche Behandlung beider Gruppen fehlt ein sachlicher Grund (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 – juris Rn. 47). Angesichts dessen darf die Vaterschaft zumindest auch aus aufenthaltsrechtlichen Gründen anerkannt werden, solange sie nicht dem alleinigen Zweck dient, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Einreise oder einen Aufenthalt zu schaffen. Allerdings kann insoweit nicht generalisierend als zuverlässiger Indikator für eine Missbräuchlichkeit darauf abgestellt werden, ob eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem anerkennungswilligem Mann und dem Kind vorliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 – juris Rn. 59). Ferner bieten § 1597a BGB und § 85a AufenthG keine geeignete Grundlage dafür, die Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung allein mit der Erwägung zu versagen, die Vaterschaftsanerkennung sei mit dem Kindeswohl nicht vereinbar oder umgehe Adoptionsvorschriften.
Diese Regelungen sind gemäß § 1597a Abs. 4 BGB auf die Zustimmung der Mutter entsprechend anzuwenden, wobei dies gemäß § 1597a Abs. 2 Satz 1 BGB auch in Bezug auf § 85a AufenthG gilt. Im die Zustimmungserklärung der Mutter betreffenden Verfahren ist demnach ebenfalls zu prüfen, ob die Anerkennung der Vaterschaft durch den anerkennungswilligen Mann missbräuchlich ist (vgl. Balzer, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Stand: 1. November 2019, § 1597a BGB Rn. 111). Die materiell-rechtliche Kontrolldichte ist hier mit derjenigen identisch, die im anlässlich der Vaterschaftsanerkennung eingeleiteten Prüfverfahren anzulegen ist. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Er hielt eine eigenständige Regelung in Bezug auf die Zustimmungserklärung der Mutter für erforderlich, weil die Anerkennung des Mannes und die Zustimmung der Mutter getrennt erklärt werden können und konkrete Anhaltspunkte für den missbräuchlichen Charakter der Anerkennung möglicherweise erst bei der Beurkundung der Zustimmung bekannt werden (BT-Drs. 18/12415, S. 22). Vor diesem Hintergrund spielt es keine Rolle, ob bei der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung bereits Anhaltspunkte für eine Missbräuchlichkeit geprüft und ggf. verneint worden sind. Die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung entfaltet keine dahingehende Tatbestandswirkung, dass ihre Missbräuchlichkeit nach § 85a AufenthG nicht mehr inzident geprüft werden darf.
Davon ausgehend ist die Anerkennung der Vaterschaft des Klägers für Herrn M... nicht missbräuchlich im Sinne von § 1597 Abs. 1 BGB.
Die in § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 4 AufenthG normierten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft regelmäßig vermutet wird, sind hier nicht erfüllt.
Die Regelvermutung ist widerlegt, wenn im Einzelfall aufgrund atypischer Umstände die Schlussfolgerung von den in § 85a Abs. 2 Satz 1 AufenthG niedergelegten Sachverhalten auf die Missbräuchlichkeit der Anerkennung der Vaterschaft erschüttert ist. In diesem Fall bleibt es bei der materiellen Beweislast der Behörde (vgl. BT-Drs. 18/12415, S. 17; Tewocht, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 24. Aufl., § 85a AufenthG Rn. 46; Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl., § 85a AufenthG Rn. 13). Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Gericht bei der Überprüfung eines feststellenden Verwaltungsaktes nach § 85a Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht an die von der Behörde angenommenen Vermutungstatbestände gebunden. Im Bereich der gebundenen Verwaltung kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die Regelung von der Begründung, die die Behörde gegeben hat, getragen wird. Anders liegt es, wenn der Verwaltungsakt durch den Austausch der Begründung in seinem Wesen geändert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 2010 – 8 C 12.09 – juris Rn. 16; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 113 Rn. 26). Dies ist bei dem Austausch der Regeltatbestände des § 85a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht der Fall.
Auf § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG lässt sich der angegriffene Bescheid nicht stützen. Danach wird eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft regelmäßig vermutet, wenn der Anerkennende erklärt, dass seine Anerkennung gezielt gerade einem Zweck im Sinne von § 1597a Abs. 1 BGB dient und die Erlangung der rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter ohne die Anerkennung der Vaterschaft und die Zustimmung hierzu nicht zu erwarten ist. Eine solche Erklärung hat der Kläger nicht abgegeben. Zwar hat er in seiner Schutzschrift der Vermutung der Ermittlungsbehörde, seine Vaterschaftsanerkennung für Herrn M... sei dazu bestimmt, diesem die deutsche Staatsbürgerschaft zu verschaffen, zugestimmt. Dies reicht für sich genommen jedoch nicht aus, um die Voraussetzungen des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu bejahen. Mit dieser Erklärung räumt der Kläger gerade nicht ein, es gehe ihm ausschließlich darum, Herrn M... durch die Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen. Vielmehr erklärt er damit lediglich, den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu begrüßen, ohne insoweit zu bestätigen, dass er mit der Vaterschaftsanerkennung keine weiteren Zwecke verfolgt. Dass die Erklärung des Klägers nicht im Sinne von § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG verstanden werden kann, bestätigt auch eine Zusammenschau seiner in der Schutzschrift gemachten Angaben. Danach geht er vom Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen ihm und Herrn M... aus, der in K...bereits 18 Monate quasi bei und von ihm gelebt und den er materiell unterstützt habe.
Ebenso wenig greift die Regelvermutung des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Sie erfordert, dass der Anerkennende bereits mehrfach die Vaterschaft von Kindern verschiedener ausländischer Mütter anerkannt und hierdurch jeweils die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder der Mutter geschaffen hat, auch wenn das Kind durch die Anerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Diese Voraussetzungen sind zwar erfüllt, der Kläger hat die Regelvermutung aber hinreichend erschüttert.
Der Kläger hat bereits mehrfach die Vaterschaft von Kindern verschiedener ausländischer Mütter anerkannt, nämlich für sechs Kinder von insgesamt vier verschiedenen ausländischen Müttern: Die Mutter seiner Töchter L...und A...stammt aus d... . Auch die Mutter seines Sohnes M...hat ebenso wie die Mutter seines anerkannten Sohnes A...eine ausländische Staatsangehörigkeit. Die Mutter seiner Tochter A...und seines Sohnes K...ist k...Staatsangehörige.
Ferner hat der Kläger als anerkennungswilliger Vater jeweils die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder der Mutter durch die Anerkennung geschaffen. Es kommt dem Wortlaut des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zufolge nur darauf an, dass die Vaterschaftsanerkennungen den beteiligten Müttern oder Kindern ein Einreise- oder Aufenthaltsrecht verschafft haben, unabhängig davon, ob sie dies tatsächlich genutzt haben (so auch Balzer, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Stand: 1. November 2019, § 1597a BGB Rn. 65). Hier hatten jedenfalls zwei Anerkennungen der Vaterschaft von Kindern verschiedener Mütter durch den Kläger zur Folge, dass die Beteiligten ein Einreise- oder Aufenthaltsrecht erwarben. Nach Angaben des Klägers begründete die Anerkennung der Vaterschaft für seine beiden jüngsten Kinder A...und K...für deren Mutter ein Aufenthaltsrecht nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG im Bundesgebiet. Zudem hat sein Sohn M...durch den mit der Vaterschaftsanerkennung verbundenen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ein Einreise- und Aufenthaltsrecht für Deutschland erhalten.
Der Tatbestand der Regelvermutung in § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erfordert nicht, dass der rechtliche Vater nicht der leibliche Vater der anderen Kinder ist. Dafür gibt der Wortlaut nichts her. Auch mit dem Zweck der Vorschrift wäre dies nicht vereinbar, wonach durch die Regelvermutung eine Beweiserleichterung für die Behörde geschaffen werden soll (vgl. BT-Drs. 18/12415, S. 17). Während die Behörde die objektiven Gegebenheiten der mehrfachen Anerkennung von Kindern unterschiedlicher Mütter und die aufenthaltsrechtlichen Folgen dieser Anerkennungen noch – wenn möglicherweise auch nur mit Schwierigkeiten (vgl. Tewocht, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 85a AufenthG Rn. 17 ff.) – ermitteln kann, fällt der Umstand der biologischen Abstammung allein in die Sphäre des anerkennungswilligen Mannes und der jeweiligen Kindesmutter.
Dem Kläger ist es gelungen, die Vermutungswirkung des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu entkräften. Das ist der Fall, wenn der anerkennungswillige Mann der leibliche Vater derjenigen Kinder ist, auf deren Anerkennung sich die Vermutungswirkung stützt. Unter diesen Umständen besteht keine Grundlage für den Schluss von früheren Vaterschaftsanerkennungen auf eine Missbräuchlichkeit der aktuell beabsichtigten Vaterschaftsanerkennung. Bei einer leiblichen Abstammung steht gemäß § 1597a Abs. 5 BGB fest, dass die Vaterschaft nicht missbräuchlich im Sinne von § 1597a Abs. 1 BGB anerkannt wurde. Sie diente vielmehr dem gesetzlich anerkannten Zweck, die rechtliche Vaterschaft in Übereinstimmung mit der biologischen Vaterschaft zu begründen (vgl. zu diesem Grundsatz des Abstammungsrechts Reuß, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Stand: 1. November 2019, § 1600d BGB Rn. 6; Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., vor § 1591 Rn. 20). Es bestehen hier – auch aus Sicht der Beklagten, die insoweit von einer biologischen Vaterschaft ausgeht – keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger entgegen seiner Behauptung nicht der leibliche Vater aller von ihm bereits wirksam anerkannten Kinder sein könnte. Angesichts dessen waren weitere Ermittlungen nicht veranlasst.
Im Übrigen unterhält der Kläger seinen Angaben zufolge, an deren Glaubhaftigkeit keine durchgreifenden Zweifel bestehen, persönliche Beziehungen zu sämtlichen Kindern. Dies begründet einen weiteren - selbstständig tragenden - Einwand gegen die Regelvermutungswirkung des § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Hierzu hat der Kläger folgendes erklärt: Mit seinen Kindern A...und K...(sowie deren Mutter) lebe er in einer gemeinsamen Wohnung in Berlin. Sein Sohn A...wohne in einer von dem Kläger angemieteten Wohnung in Berlin und beziehe Barunterhalt. Seine Töchter L...und A...lebten mit ihrer Mutter mietfrei in einer Eigentumswohnung des Klägers in Berlin. Mit seinem Sohn M...habe er zwischen 2003 und 2005 in den USA zusammen gelebt. Seine Tochter A...und er hätten von 2005 bis 2011 und von 2015 bis 2016 eine gemeinsame Wohnung gehabt.
Die Vermutungstatbestände in § 85a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. Nr. 4 AufenthG liegen offensichtlich nicht vor. Soweit die Beklagte auf § 1597a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BGB (Fehlen persönlicher Beziehungen) abstellt, begründet dies mangels gesetzlicher Normierung keine Regelvermutung im Sinne von § 85a Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
Der Senat ist auch nicht aufgrund sonstiger Umstände davon überzeugt, dass der Kläger mit der Anerkennung der Vaterschaft den alleinigen Zweck verfolgt, Herrn M... ein diesem anderweitig verwehrtes Einreise- und Aufenthaltsrecht zu verschaffen.
Die unstreitig fehlende biologische Abstammung des Herrn M... stellt keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung dar (vgl. Balzer, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Stand: 1. November 2019, § 1597a BGB Rn. 117). Sie belegt nur, dass es dem anerkennungswilligen Mann nicht um eine Übereinstimmung von biologischer und rechtlicher Vaterschaft geht. Welche konkreten Gründe ihn zur Anerkennung bewogen haben, folgt daraus nicht, so dass insoweit keine allein aufenthaltsrechtlich bedingte Motivation angenommen werden kann. Gegen eine Indizwirkung der fehlenden biologischen Abstammung als solcher für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung spricht ferner, dass § 1597a BGB, § 85a AufenthG detaillierte Regelungen für die Annahme einer Missbräuchlichkeit normieren, wenn der Anerkennende nicht biologischer Vater des Kindes ist. Die Vermutung einer Missbräuchlichkeit, die von vornherein alle nicht leiblichen Väter erfassen müsste (vgl. auch § 1597a Abs. 5 BGB), ginge deutlich über den Anwendungsbereich der Vermutungsregelungen in § 85a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hinaus. Sie ist im Aufenthaltsgesetz nicht angelegt und lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien auch nicht entnehmen.
Der sich dem Senat darstellende Sach- und Streitstand bietet einige Anhaltspunkte, die für eine rein aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung durch den Kläger sprechen könnten. So gab dieser in seiner Schutzschrift im Rahmen des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens als einen Grund für die Anerkennung der Vaterschaft an, er halte Herrn M...für förderungswürdig; es gebe Menschen, die an Weihnachten spenden würden, er wolle auf diese Art helfen. Dies ließe sich dahingehend verstehen, dass es dem Kläger allein darum geht, Herrn M... durch Verschaffung der deutschen Staatsangehörigkeit zu unterstützen und ihm im Bundesgebiet günstigere Lebensumstände und Ausbildungschancen zu ermöglichen. In eine ähnliche Richtung weist die Antwort des Herrn M... in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auf die Frage, wie es zu der Vaterschaftsanerkennung gekommen sei. Danach habe der Kläger ihm gesagt, er wolle ihm helfen weiterzukommen, und habe vorgeschlagen, die Vaterschaft für ihn anzuerkennen.
Zudem könnte auf eine Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung hindeuten, dass Herr M...bereits 13 Jahre alt war, als er den Kläger kennenlernte. Dies entspricht üblicherweise nicht mehr dem Alter, in dem erstmals eine Vater-Kind-Beziehung begründet wird (vgl. Balzer, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Stand: 1. November 2019, § 1597a BGB Rn. 77). Hinzu kommt, dass die Beziehung zwischen dem Kläger und der Kindesmutter zu keinem Zeitpunkt unabhängig von ihren jeweiligen Bindungen zu Herrn M...bestand. Auch dieser Umstand kann ein Indiz für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft darstellen (vgl. BT-Drs. 18/12415, S. 17). Dem ist hier jedoch entgegenzuhalten, dass dem Alter des Herrn M... kein ausschlaggebendes Gewicht für die Annahme einer Missbräuchlichkeit zukommt. Als er den Kläger kennenlernte, befand er sich einerseits bereits in einem Alter, in dem er selbstständig und unabhängig von seiner Mutter Kontakte zu Dritten aufbauen konnte, und er war andererseits noch jung genug für eine einer Vater-Kind-Beziehung ähnelnden Bindung.
Schließlich können sich gewisse Zweifel an den redlichen Absichten des Klägers ergeben, weil die Beklagte die bei der Beantragung eines Schengenvisums für Herrn M...vorgelegte Geburtsurkunde Nr. 2...nach der Überprüfung durch eine Vertrauensanwältin als unecht angesehen hat (vgl. zum Gesichtspunkt unredlichen Vorverhaltens Balzer, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Stand: 1. November 2019, § 1597a BGB Rn. 78 f.).
Die für eine Missbräuchlichkeit sprechenden Anhaltspunkte werden jedoch durch gewichtige Umstände entkräftet, sodass zur Überzeugung des Senats nicht angenommen werden kann, der Kläger habe die Vaterschaft allein aus aufenthaltsrechtlichen Motiven anerkannt. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass zwischen Herrn M... und dem Kläger weit reichende persönliche Bindungen bestehen, die der Kläger als für sich verbindlich und von Dauer ansieht. So stand Herrn M... bereits während des Aufenthaltes des Klägers in J...in dessen Dienstwohnung ein eigenes Zimmer zur Verfügung, worin er - unregelmäßig - übernachtet hat. Auch während seiner Aufenthalte im Bundesgebiet im Dezember 2018/Januar 2019 und im Juni 2019 hat er in der Wohnung des Klägers gewohnt und war in die häusliche Gemeinschaft mit den beiden dort lebenden Kindern des Klägers und deren Mutter eingebunden. Der Kläger hält für Herrn M... weiterhin ein Zimmer in seiner Wohnung bereit. Ferner werden persönliche Bindungen zwischen dem Kläger und Herrn M... durch die Schilderung gemeinsamer Freizeitaktivitäten in K...belegt. Zudem erbringt der Kläger seinen Angaben zufolge seit längerer Zeit die für ein Eltern-Kind-Verhältnis typischen Unterhaltsleistungen, indem er Herrn M... regelmäßig Geldzahlungen zukommen lässt. Sie belaufen sich nach den in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben auf derzeit 100,- Euro im Monat. Daneben hat Herr M... weitere materielle Zuwendungen - wie etwa Laptop und Mobiltelefon – erhalten und der Kläger hat ihm ... Unterricht in der englischen Sprache finanziert. Der Senat hat keinen Anlass, diese – u.a. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat persönlich wiedergegebenen – Angaben des Klägers in Frage zu stellen. Etwaige Zweifel hat auch die Beklagte nicht geltend gemacht. Schließlich besteht zwischen dem Kläger und Herrn M... eine kontinuierliche Kommunikation per WhatsApp. Da der Senat die Angaben als glaubhaft ansieht, hat er es nicht für erforderlich gehalten, dem Angebot des Klägers zu folgen und sich Chatprotokolle vorliegen zu lassen, wovon der Kläger zunächst mit dem Hinweis auf deren persönlichen Inhalt abgesehen hatte. Auch die Beklagte hat die Glaubhaftigkeit der Angaben nicht in Frage gestellt und keine Vorlage der Protokolle gefordert. Auf den wenig intensiven E-Mail-Kontakt kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.
Dieser gegen eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung sprechende Befund wird dadurch bestätigt, dass Herr M...seinerzeit von dem ihm am 15. Juli 2015 erteilten Schengenvisum keinen Gebrauch gemacht hat. Dieses Visum diente offensichtlich dazu, den Kläger ins Bundesgebiet zu begleiten oder ihn hier zu besuchen, so dass sich dieser Aufenthaltszweck erledigte, als der Kläger ab August 2015 in der Auslandsvertretung in J...tätig war. Dies verdeutlicht, dass es dem Kläger nicht primär um einen Aufenthalt des Herrn M...im Bundesgebiet, sondern um die Aufrechterhaltung der persönlichen Beziehung geht.
Schließlich spricht gegen eine rein aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung, dass die Begründung der rechtlichen Vaterschaft für den Kläger finanzielle Risiken birgt. Als rechtlicher Vater des Herrn M... ist er diesem nach §§ 1601 ff. BGB unterhaltspflichtig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 – juris Rn. 72; Langeheine, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 1601 Rn. 5). Der Kläger durfte nicht davon ausgehen, dass die Unterhaltspflicht mit Eintritt der Volljährigkeit des Herrn M... am 1...2019 endete. Sie besteht gemäß § 1610 Abs. 2 BGB für die Zeiten einer angemessenen schulischen oder beruflichen Ausbildung fort (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017 – XII ZB 415/16 – juris Rn. 11 f.; Langeheine, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 1610 Rn. 148). Es liegt kein hinreichend verlässlicher Anhaltspunkt vor, dass die Unterhaltspflicht mangels Leistungsfähigkeit des Klägers nicht durchsetzbar wäre, oder dass er die derzeitige finanzielle Unterstützung bei einer Einreise des Herrn M...in das Bundesgebiet einstellt. Der Kläger bezieht als Beamter im Dienst der Beklagten ein hinreichendes Einkommen und verfügt zudem über zwei Eigentumswohnungen. Angesichts dessen spricht auch nichts dafür, dass ihn eigene materielle Interessen zur Vaterschaftsanerkennung veranlasst haben (vgl. zu diesem „klassischen“ Fall einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung BT-Drs. 16/3291 S. 1 [zu § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB a.F.]; Wittkopp, in: jM 2018, 335; Sanders, in: FamRZ 2017, 1189, 1189 f.).
Soweit der angegriffene Bescheid die Missbräuchlichkeit damit begründet, die Mutter des Herrn M... sei nicht in der Lage gewesen, Fragen zu einer sozial-familiären Beziehung zwischen diesem und dem Kläger zu beantworten, lässt sich dies nicht nachvollziehen. Aus den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen ergibt sich weder, dass die Kindesmutter befragt worden ist, noch sind deren Angaben dokumentiert. Der Kläger hat dazu ausgeführt, mit der Kindesmutter sei in der Botschaft J...ein kurzes Gespräch geführt worden, ohne dass man ihr Vorhaltungen zur familiären Beziehung gemacht habe. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten und hat sich auch sonst nicht zu diesem in ihrer Sphäre liegenden Umstand geäußert.
Schließlich geht es nicht zu Lasten des Klägers, dass sich die Mutter des Herrn M... nicht selbst gegen die Feststellung gewandt hat, ihre Zustimmungserklärung sei missbräuchlich. Sie hat mit ihrer im gerichtlichen Verfahren eingereichten Vollmacht für den Kläger ausreichend zu erkennen gegeben, dass sie mit dessen Vorgehen einverstanden ist. Selbst wenn sie den angegriffenen Bescheid erhalten haben sollte, lässt dies hier nicht den Schluss zu, sie sei mit der Missbrauchsfeststellung einverstanden. Es ist nachvollziehbar, dass sie dem im Bundesgebiet ansässigen, der deutschen Sprache mächtigen und mit behördlichen Verfahren vertrauten Kläger die Anfechtung überlässt.
Nach alledem ist der Senat aufgrund einer Gesamtwürdigung der dargelegten Umstände davon überzeugt, dass der Kläger die Vaterschaft nicht gezielt gerade zu dem Zweck anerkannt hat, um die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Herrn M... im Bundesgebiet ... zu schaffen. Dies ergibt sich maßgeblich aus den beschriebenen persönlichen und emotionalen Bindungen, die aus der Sicht des Klägers zeitlich nicht begrenzt sind, sowie aus der Bereitschaft des Klägers, für Herrn M... Verantwortung zu übernehmen, indem er ihm eine Unterkunft in seiner Wohnung anbietet und – weiterhin - für seinen Lebensunterhalt aufkommen und ihm ein berufliches Fortkommen ermöglichen möchte. Dieser Zweck der Vaterschaftsanerkennung ist selbst dann, wenn damit keine umfassende Vater-Kind-Beziehung beabsichtigt ist, nicht missbräuchlich im Sinne von § 1597a Abs. 1 Satz 1 BGB.
Darüber hinaus bestehen keine Anhaltspunkte, dass allein die Zustimmungserklärung der Mutter des Herrn M... missbräuchlich im Sinne von § 1597a Abs. 1 BGB ist. Entsprechendes hat auch die Beklagte nicht geltend gemacht.
Soweit der Kläger über die Aufhebung des angegriffenen Bescheides hinaus die Einstellung des Verfahrens nach § 85a Abs. 1 AufenthG begehrt, ist dieser Antrag als Verpflichtungsklage zulässig und begründet, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Statthafte Klageart ist nicht die allgemeine Leistungsklage, sondern die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO), weil es sich bei der begehrten Verfahrenseinstellung nach § 85a Abs. 1 Satz 3 AufenthG um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG handelt (so auch Balzer, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Stand: 1. November 2019, § 1597a BGB Rn. 98). Sie lässt sich nicht lediglich als Mitteilung oder Information ohne Regelungscharakter ansehen, die z.B. ergeht, wenn sich das Verwaltungsverfahren erledigt hat oder sonst aus sonstigen Gründen zu beenden ist (so aber wohl Samel, in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl., § 85a AufenthG Rn. 20 unter Hinweis auf Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 9 Rn. 200). Ebenso wenig kommt der Einstellung der Charakter einer internen unselbständigen behördlichen Mitwirkungshandlung im Rahmen eines gestaffelten Verwaltungsverfahrens zu. Es handelt sich vielmehr um ein selbstständiges Zwischenverfahren, in dem die Ausländerbehörde gegenüber den Betroffenen und der beurkundenden Behörde mit der Einstellung verbindlich feststellt, dass die Anerkennung der Vaterschaft nicht missbräuchlich ist.
Der Kläger kann seinen Verpflichtungsantrag als klagebefugter Drittbetroffener des angegriffenen Verwaltungsaktes gemäß § 113 Abs. 4 VwGO schon vor der Rechtskraft der Anfechtungsklage stellen und ihn mit dieser verbinden. Bei der in § 113 Abs. 4 VwGO genannten Leistung kann es sich auch um einen Verwaltungsakt handeln (Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 113 Rn. 395).
Dem Erfolg der Verpflichtungsklage steht nicht entgegen, dass der Kläger die Verfahrenseinstellung vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht bei der Beklagten ausdrücklich beantragt hat. Dies ist zum einen deshalb nicht erforderlich, weil die Antragstellung bereits inzident in der Anfechtung der nach § 85a Abs. 1 Satz 3 AufenthG ergangenen Entscheidung über die Missbräuchlichkeit enthalten ist.
Schließlich kann dem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht entgegengehalten werden, umfassender Rechtsschutz werde bereits mit der gegen den Feststellungsbescheid gerichteten Anfechtungsklage gewährt, die Behörde werde nach deren Rechtskraft von sich aus die Verfahrenseinstellung verfügen. Der Wunsch des Klägers, das Beurkundungsverfahren möglichst zügig abzuschließen, stellt ein legitimes Interesse dar. Dies lässt sich durch die Verbindung der Anfechtungsklage mit der Verpflichtungsklage in demselben gerichtlichen Verfahren erreichen. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) muss es dem Kläger möglich sein, eine abschließende gerichtliche Entscheidung über das Missbrauchsfeststellungsverfahren herbeiführen zu können (so im Ergebnis auch Balzer, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Stand: 1. November 2019, § 1597a BGB Rn. 98).
Die Verpflichtungsklage ist begründet, weil der Kläger einen Anspruch auf Einstellung des Verfahrens durch die Beklagte hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dies ist gemäß § 85a Abs. 1 Satz 3 AufenthG der Fall, wenn die Prüfung nach § 85a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergibt, dass die Anerkennung der Vaterschaft – wie hier - nicht missbräuchlich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708, § 711 ZPO.
Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu, weil zu den hier entscheidungserheblichen und auslegungsbedürftigen Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit § 1597a BGB und § 85a AufenthG stellen, noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.