Gericht | SG Neuruppin 26. Kammer | Entscheidungsdatum | 05.05.2021 | |
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Aktenzeichen | S 26 AS 1130/18 | ECLI | ECLI:DE:SGNEURU:2021:0505.S26AS1130.18.00 | |
Dokumententyp | Gerichtsbescheid | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die Höhe der im Zeitraum vom 01. Februar 2017 bis zum 31. Juli 2017 zu Gunsten der Kläger endgültig festzusetzenden passiven Grundsicherungsleistungsansprüche für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 1 (dort unter „I.“) bis Seite 2 (dort bis vor „II.“) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 07. Juni 2018, mit dem dieser den Widerspruch der Kläger vom 11. April 2018 gegen die endgültigen sozialverwaltungsbehördlichen Festsetzungsentscheidungen des Beklagten vom 12. März 2018 als unzulässig zurückwies. Wegen der Begründung des Beklagten verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 2 (dort ab „II.“) bis Seite 3 (dort bis zu dem Wort „Rechtsbehelfsbelehrung“) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11. Juni 2018.
Mit Schriftsatz vom 04. Juli 2018 haben die anwaltlich vertretenen Kläger bei dem Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben, mit der sie ihr auf endgültige Festsetzung von höheren passiven Grundsicherungsleistungsansprüchen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des SGB II gerichtetes Begehren weiter verfolgen. Sie meinen im Wesentlichen, die Einkommensanrechnung sei unzutreffend und die Berücksichtigung des Mehrbedarfes für die Warmwasseraufbereitung sei in zu geringem Umfang erfolgt.
Die Kläger beantragen (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
den Beklagten unter Abänderung der mit dem Bescheid vom 12. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Juni 2018 verlautbarten endgültigen Festsetzungsverfügungen zu verpflichten, zu Gunsten der Kläger für den Zeitraum vom 01. Februar 2017 bis zum 31. Juli 2017 höhere endgültige passive Grundsicherungsleistungsansprüche für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des SGB II festzusetzen und ihnen die entsprechenden Leistungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage unter Hinweis auf die Regelung des § 17 Abs 1 S 2 GVG bereits für unzulässig. Es fehle aufgrund anderweitiger Rechtshängigkeit an einer elementaren Zulässigkeitsvoraussetzung. Die hier streitgegenständlichen endgültigen Festsetzungsentscheidungen seien bereits Gegenstand des gegen die den Zeitraum vom 01. Februar 2017 bis zum 31. Juli 2017 betreffenden vorläufigen Festsetzungsentscheidungen vom 27. Januar 2017 / 15. März 2017 / 19. Juli 2017 in der Fassung der endgültigen Festsetzungsentscheidung vom 12. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Juni 2018 geführten sozialgerichtlichen Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen S 26 AS 1142/18.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügungen vom 09. April 2021 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte sowie die die Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Die Klagen haben keinen Erfolg.
1. Über die Klagen konnte die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten gemäß § 105 Abs 1 S 2 SGG zuvor mit gerichtlicher Verfügung vom 09. April 2021 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu – entgegen der Auffassung der Kläger – nicht erforderlich ist und weil das Gericht vor seiner Entscheidung – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl hierzu Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23).
2. Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Klageverfahrens – mithin der aus einem bestimmten Sachverhalt abgeleitete Anspruch des Klägers auf Verurteilung des Beklagten zu der begehrten Leistung (vgl § 123 SGG), der dem auch im Zivilprozessrecht herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff entspricht (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 26. März 2014 – B 10 EG 2/13 R, RdNr 9 mwN) – sind die Ansprüche der Kläger auf abschließende Festsetzung eines höheren Anspruches auf passive Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für jeden einzelnen Monat des streitigen Zeitraumes vom 01. Februar 2017 bis zum 31. Juli 2017 (vgl zum sog Monatsprinzip die Regelungen des § 11 Abs 2 S 1 SGB II>, § 11 Abs 3 S 1 SGB II, § 20 Abs 1 S 3 SGB II, § 37 Abs S 2 SGB II sowie § 41 Abs 1 S 2 SGB II; vgl dazu auch Bundessozialgericht, Urteil vom 30. März 2017 – B 14 AS 18/16 R, RdNr 18 sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Juli 2008 – B 14 AS 26/07 R, RdNr 28). Gegenstand des Klageverfahrens sind dementsprechend die in der Antragstellung genannten Verfügungen des Beklagten, mit denen der Beklagte den Klägern endgültig passive Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des SGB II gewährte.
3. Die Kläger verfolgen ihr auf endgültige Festsetzung höherer Leistungen nach dem SGB II gerichtetes Begehren – in sinnentsprechender Auslegung ihres Vorbringens (vgl § 123 SGG) – zutreffend in Streitgenossenschaft (vgl § 74 SGG iVm § 59 der Zivilprozessordnung <ZPO> und § 60 ZPO) im Wege (kombinierter) Abänderungsanfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 2 SGG, § 54 Abs 1 S 1 Regelung 3 SGG, § 54 Abs 4 SGG und § 56 SGG). Durch die angegriffenen Verfügungen hat der Beklagte den Klägern endgültig Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gewährt. Mit den Klagen hiergegen beanspruchen die Kläger im Ergebnis eine Korrektur der Entscheidungen des Beklagten über die abschließend „festzusetzende Leistung“ im Sinne des § 41a Abs 3 S 1 SGB II. Demgemäß richtet sich das Klageziel neben der Änderung der endgültigen Leistungsverfügungen auch darauf, den Beklagten zu verpflichten auszusprechen, dass ihnen – den Klägern – abschließend höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustehen, als mit den angegriffenen Verfügungen festgesetzt worden sind (vgl hierzu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 08. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 R, RdNr 10f unter Hinweis auf die ähnliche ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Klage auf Zuschuss statt Darlehen: Bundessozialgericht, Urteil vom 13. November 2008 – B 14 AS 36/07 R, RdNr 13; Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 7/08 R, RdNr 10 sowie Urteil vom 06. August 2014 – B 4 AS 57/13 R, RdNr 12). Mit der Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs 4 SGG begehren sie schließlich die Gewährung von entsprechenden Leistungen.
4. Die so verstandenen statthaften Klagen erweisen sich jedoch als unzulässig.
a) Die in Streitgenossenschaft erhobenen Abänderungsanfechtungsklagen im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 2 SGG iVm § 56 SGG sowie § 74 SGG iVm § 59 ZPO und § 60 ZPO sind unzulässig, weil ihnen mit Blick auf das Verfahren mit dem gerichtlichen Aktenzeichen S 26 AS 1142/18 die Regelungen des § 202 S 1 SGG iVm § 17 Abs 1 S 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) entgegenstehen. Nach den genannten Regelungen kann eine Sache während der Rechtshängigkeit von keiner Partei – im sozialgerichtlichen Verfahren von keinem Beteiligten – anderweitig anhängig gemacht werden. Die Rechtshängigkeit entfaltet mithin für ein zweites und alle weiteren Verfahren über denselben Streitgegenstand Sperrwirkung. Die Sperrwirkung des § 17 Abs 1 S 2 GVG beginnt mit dem Eintritt der Rechtshängigkeit, hier der Klageerhebung (vgl § 94 SGG), und endet mit der Beendigung der Rechtshängigkeit, die ua mit dem Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung erfolgt.
Streitgegenstand des mit Klageschriftsatz vom 05. Juli 2018 – bei dem erkennenden Gericht eingegangen am 06. Juli 2018 – eingeleiteten Verfahrens zu dem gerichtlichen Aktenzeichen S 26 AS 1142/18 sind Ansprüche der Kläger auf endgültige Festsetzung von (höheren) passiven Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Februar 2017 bis zum 31. Juli 2017. Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens mit dem Aktenzeichen S 26 AS 1142/18 sind damit sämtliche Verfügungen des Beklagten, die diesen Zeitraum betreffen, soweit er Regelungen getroffen hat, die die Voraussetzungen der §§ 86, 96 Abs 1 SGG erfüllen, die mithin also die vorläufigen Festsetzungsverfügungen vom 27. Januar 2017 / 15. März 2017 / 19. Juli 2017, mit dem der Beklagte zu Gunsten der Kläger ursprünglich vorläufige bewilligende Verfügungen für den Zeitraum vom 01. Februar 2017 bis zum 31. Juli 2017 verlautbart hatte, abändern oder ersetzen.
Da der Beklagte seine bislang vorläufige Leistungsgewährung mit den im vorliegenden Verfahren angegriffenen endgültigen Festsetzungsverfügungen vom 12. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Juni 2018 für den insoweit maßgeblichen Zeitraum vom 01. Februar 2017 bis zum 31. Juli 2017 ersetzt hat, sind diese endgültigen Festsetzungsverfügungen wegen der Regelung des § 96 Abs 1 SGG bereits Gegenstand des Klageverfahrens zu dem gerichtlichen Aktenzeichen S 26 AS 1142/18 geworden. Nur in dem Verfahren mit dem gerichtlichen Aktenzeichen S 26 AS 1142/18 ist daher über die Rechtmäßigkeit der endgültigen Leistungsbewilligungen des Beklagten für den Zeitraum vom 01. Februar 2017 bis zum 31. Juli 2017 abschließend zu entscheiden (vgl hierzu auch Bundessozialgericht, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 15/10 R, RdNr 23 mwN). Deshalb entfaltet die seit dem 06. Juli 2018 bestehende Rechtshängigkeit (vgl § 94 S 1 SGG) der sozialgerichtlichen Klagen zu dem Aktenzeichen S 26 AS 1142/18 Sperrwirkung gegenüber den Klagen im vorliegenden Verfahren, weshalb für das vorliegende Verfahren ein Prozesshindernis besteht, worauf der Beklagte bereits zu Recht hingewiesen hat.
b) Wenn nach alledem die Abänderungsanfechtungsklagen unzulässig sind, gilt Gleiches auch für die mit ihnen in Streitgenossenschaft kombinierten Verpflichtungsklagen im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 3 SGG iVm § 56 SGG sowie § 74 SGG iVm § 59 ZPO und § 60 ZPO, weil in Verfahren der vorliegenden Art zulässige Verpflichtungsklagen wegen des der Kombination immanenten Stufenverhältnisses ihrerseits zulässige Abänderungsanfechtungsklagen voraussetzen und die Kläger mit diesen nicht durchdringen konnten.
c) Damit erweisen sich auch die mit den Abänderungsanfechtungs- und Verpflichtungsklagen in Streitgenossenschaft kombinierten Leistungsklagen im Sinne des Sinne des § 54 Abs 4 SGG iVm § 56 SGG sowie § 74 SGG iVm § 59 ZPO und § 60 ZPO denknotwendig ebenfalls als unzulässig, weil in Verfahren der vorliegenden Art zulässige Leistungsklagen wegen des der Kombination immanenten Stufenverhältnisses ihrerseits zulässige Abänderungsanfechtungsklagen sowie zulässige Verpflichtungsklagen voraussetzen und die Kläger mit ihren Abänderungsanfechtungs- und Verpflichtungsklagen nicht durchdringen konnten.
d) Ob die genannten Klagen begründet oder unbegründet sind, durfte die Kammer dagegen nicht prüfen, weil die Befugnisse des gesetzlichen Richters nur so weit reichen, wie die Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind.
5. a) Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass die Beteiligten insgesamt einander keine Kosten zu erstatten haben, weil die Kläger mit ihren Begehren im Klageverfahren vollumfänglich unterlagen.
b) Die Aufwendungen des Beklagten sind schon von Gesetzes wegen nicht erstattungsfähig (vgl § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 193 Abs 4 SGG iVm § 184 Abs 1 SGG).
6. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 183 S 1 SGG).