Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung S 26 AS 1447/19


Metadaten

Gericht SG Neuruppin 26. Kammer Entscheidungsdatum 08.06.2021
Aktenzeichen S 26 AS 1447/19 ECLI ECLI:DE:SGNEURU:2021:0608.S26AS1447.19.00
Dokumententyp Gerichtsbescheid Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.

Tatbestand

Die Beteiligten darüber, ob es der Beklagte im Rahmen der auf der Grundlage des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) bestehenden Rechtsbeziehungen zu Recht abgelehnt hat, dem Kläger einen Bildungsgutschein zur Förderung einer beruflichen Weiterbildung zu erteilen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 1 (dort unter „I.“) bis Seite 2 (dort bis vor „II.“) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 16. Oktober 2019, mit dem dieser den Widerspruch des Klägers vom 04. August 2018 gegen die sozialverwaltungsbehördliche Entscheidung des Beklagten vom 18. Juli 2019, mit dem der Beklagte den Antrag des Klägers vom 12. Juli 2019 / 13. Juli 2019 auf Erteilung eines Bildungsgutscheines für die Förderung einer Ausbildung zum staatlich geprüften Masseur und medizinischen Bademeister abgelehnt hatte, als unbegründet zurückwies. Wegen der Begründung des Beklagten verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen des Beklagten auf Seite 2 (dort ab „II.“) bis Seite 3 (dort bis zu dem Wort „Rechtsbehelfsbelehrung“) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 16. Oktober 2019.

Hiergegen hat der Kläger bei dem Sozialgericht Neuruppin mit Schriftsatz vom 12. November 2019 – bei dem erkennenden Gericht eingegangen am 15. November 2019 – Klagen erhoben, mit der er sein auf die Erteilung eines Bildungsgutscheines nach Maßgabe der Bestimmungen des SGB II gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, angesichts seiner finanziellen Situation sei es ihm nicht möglich, die begehrte Ausbildung aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Eine andere Arbeit oder Ausbildung sei ihm bislang nicht möglich gewesen, da er mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu keinem Ausbildungsbetrieb in der Nähe gelangen könne, auch habe der Beklagte die finanzielle Unterstützung für den Erwerb eines Führerscheins abgelehnt. Er könne angesichts seines jungen Alters nicht akzeptieren, für den Rest seines Lebens von Leistungen nach den Bestimmungen des SGB II leben zu müssen.

Der Kläger beantragt (nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),

den Beklagten unter Aufhebung seiner mit dem Bescheid vom 18. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2019 verlautbarten Ablehnungsverfügung zu verurteilen, seinen Antrag auf Erteilung eines Bildungsgutscheines für die Förderung einer Ausbildung zum staatlich geprüften Masseur und medizinischen Bademeister vom 12. Juli 2019 / 13. Juli 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages vertieft er seine Erwägungen in seinem – auch – angegriffenen Widerspruchsbescheid. Er hebt hervor, die berufliche Weiterbildung des Klägers sei bereits nicht notwendig. Gemäß § 81 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB III a. F. werde die Notwendigkeit der Weiterbildung bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anerkannt, dienicht über einen Berufsabschluss verfügen, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist; Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne einen solchen Berufsabschluss, die noch nicht drei Jahre beruflich tätig gewesen sind, könnten nur gefördert werden, wenn eine Berufsausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Der Kläger sei bisher keine drei Jahre beruflich tätig gewesen, in der Person des Klägers liegende Gründe, die eine Berufsausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme nicht möglich oder nicht zumutbar erscheinen ließen, seien nicht vorgetragen oder ersichtlich. Der Kläger habe bis einschließlich zum 16. Juli 2015 die Schule besucht und sei seit dem 17. Juli 2015 arbeitslos bzw suche eine Ausbildung, eine Ausbildung habe der Kläger seither nicht begonnen.

Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 28. April 2021 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte sowie auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

Die Klagen haben keinen Erfolg.

1. Über die Klagen konnte die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten gemäß § 105 Abs 1 S 2 SGG zuvor mit gerichtlicher Verfügung vom 28. April 2021 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu nicht erforderlich ist und weil das Gericht vor seiner Entscheidung – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23).

2. Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens ist – nach dem interessengerecht ausgelegten Vorbringen des Klägers (vgl § 123 SGG) – angesichts der in das pflichtgemäße Ermessen des Beklagten <vgl § 39 Abs 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) sowie § 54 Abs 2 S 2 SGG> gestellten Förderung aus dem Vermittlungsbudget nach Maßgabe der Bestimmungen des § 16 Abs 1 S 2 Nr 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) iVm § 81 Abs 1 S 2 Nr 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) – jeweils in der Fassung, die die genannten Vorschriften vor dem streitbefangenen Zeitraum hatten, weil in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Zeiträume das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden ist (sog Geltungszeitraumprinzip, vgl dazu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 4 AS 8/20 R, RdNr 21 mwN), was auch für die weiteren zitierten Vorschriften gilt – allein die Verpflichtung des Beklagten zur (ermessensfehlerfreien) Neubescheidung des Antrags des Klägers auf Erteilung eines Bildungsgutscheines.

Dabei handelt es sich um einen von den laufenden Leistungen der Grundsicherung abtrennbaren Streitgegenstand, der gesondert geltend gemacht werden kann (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 09. November 2010 – B 4 AS 7/10 R, RdNr 18). Gegenstand des sozialgerichtlichen Klageverfahrens ist dabei die Ablehnungsverfügung des Beklagten, die er mit seinem Bescheid vom 18. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2019 verlautbart hat.

3. a) Das so verstandene Begehren des Klägers müsste dieser mit einer insoweit statthaften Kombination aus Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG, § 54 Abs 1 S 2 Regelung 3 SGG sowie § 56 SGG) verfolgen. Dabei ist das Begehren des Klägers – in sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (vgl § 123 SGG) – darauf gerichtet, mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des – die Gewährung der begehrten Leistung ablehnenden – Verwaltungsakts des Beklagten vom 18. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2019 zu erreichen. Die Verpflichtungsklage – hier in Form der Verpflichtungsbescheidungsklage – ist darauf gerichtet, den Beklagten zu verpflichten, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

b) Die insoweit statthaften Klagen sind auch im Übrigen zulässig.

4. Die danach insgesamt zulässigen Klagen sind allerdings nicht begründet.

a) Die gegen die ablehnende Verfügung des Beklagten vom 18. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2019 erhobene zulässige Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG ist unbegründet, weil die angegriffene Verfügung rechtmäßig ist und der Kläger durch sie nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert ist (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG). Der Beklagte hat insoweit zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch nach Maßgabe der Bestimmungen § 16 Abs 1 S 2 Nr 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) iVm § 81 Abs 1 S 2 Nr 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) iVm § 81 Abs 4 SGB III zusteht.

aa) Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird insoweit gemäß § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 3 SGG auf die Ausführungen des Beklagten auf Seite 2 (dort ab dem fünften Absatz unter „II.“ bis zu dem drittletzten Absatz) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 16. Oktober 2019 sowie in entsprechender Anwendung der Regelungen des § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 3 SGG auf die Ausführungen des Beklagten in dessen Schriftsatz vom 27. Januar 2021 verwiesen. Den so in Bezug genommenen Erwägungen des Beklagten schließt sich die Kammer an, weil sie sie für überzeugend hält und deshalb auch zur Grundlage ihrer eigenen Entscheidung macht.

Diesen Erwägungen hat der Kläger auch im Klageverfahren nach Auffassung der Kammer nichts Entscheidungserhebliches entgegen gesetzt. Abgesehen davon, dass die Kammer schon Zweifel daran hat, dass es sich bei der von dem Kläger erstrebten Ausbildung überhaupt um eine Weiterbildung im Sinne der Regelungen des § 16 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB II iVm § 81 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB III handelt, hat der Beklagte jedenfalls zu Recht darauf abgestellt, dass die Notwendigkeit der Weiterbildung bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohne Berufsabschluss, die noch nicht drei Jahre beruflich tätig gewesen sind, nur dann besteht, wenn eine Berufsausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, und dass diese Voraussetzungen bei dem Kläger, der bisher keine drei Jahre beruflich tätig gewesen ist, nicht vorliegen und dass in der Person des Klägers liegende Gründe, die eine Berufsausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme nicht möglich oder nicht zumutbar erscheinen ließen, nicht ersichtlich sind.

bb) Wenn nach alledem also bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der maßgeblichen Anspruchsgrundlage nicht erfüllt sind, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Beklagte sein Ermessen (vgl erneut § 39 Abs 1 SGB I) pflichtgemäß ausgeübt hat oder nicht, weil es bei dieser Sachlage einer Ermessensausübung nicht bedurfte.

cc) Weil auch andere zu Gunsten des Klägers streitende Anspruchsgrundlagen nicht ersichtlich sind – insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 16 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB II iVm den Regelungen des Vierten Unterabschnittes des Dritten Abschnittes des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder der Regelungen des § 54a SGB III und des § 130 SGB III offenkundig nicht vor – muss der Anfechtungsklage insgesamt der Erfolg versagt bleiben.

b) Wenn sich danach die auf Aufhebung der dem Begehren des Klägers entgegen stehenden ablehnenden Verfügung des Beklagten vom 18. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2019 gerichtete Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG als unbegründet erweist, ist auch die auf die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung gerichtete Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 3 SGG iVm § 56 SGG unbegründet, weil diese aufgrund des der Kombination immanenten Stufenverhältnisses ihrerseits eine zulässige und begründete Anfechtungsklage voraussetzt und weil dem Kläger – wie dargelegt – ein entsprechender Anspruch gegen den Beklagten nicht zusteht.

5. a) Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben, weil der Kläger mit seinem Begehren vollumfänglich unterlegen ist.

b) Die Aufwendungen des Beklagten sind schon von Gesetzes wegen nicht erstattungsfähig (vgl § 193 Abs 4 SGG iVm § 184 Abs 1 SGG).

6. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 183 S 1 SGG).