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Entscheidung S 26 AS 1133/20


Metadaten

Gericht SG Neuruppin 26. Kammer Entscheidungsdatum 19.04.2021
Aktenzeichen S 26 AS 1133/20 ECLI ECLI:DE:SGNEURU:2021:0419.S26AS1133.20.00
Dokumententyp Gerichtsbescheid Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob der Beklagte auf der Grundlage der Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu Recht mit Leistungsansprüchen des Klägers aufgerechnet hat.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 2 (dort von dem dritten Absatz bis zu dem achten Absatz unter dem Wort „Begründung“) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 17. November 2020, mit dem der Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 18. August 2020 gegen dessen sozialverwaltungsbehördliche Aufrechnungsverfügung vom 05. August 2020 als unbegründet zurückwies. Wegen der Begründung des Beklagten verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 2 (dort von dem neunten Absatz unter dem Wort „Begründung“) bis Seite 4 (dort bis zu dem Wort „Rechtsbehelfsbelehrung“) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 17. November 2020.

Nachdem sich der Kläger mit eMail-Nachrichten vom 24. November 2020 und 28. November 2020 an den Beklagten gewandt und die „Überprüfung“ des Widerspruchsbescheides beantragt hatte, leitete der Beklagte die genannten eMail-Nachrichten in Papierform mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2020 – eingegangen am gleichen Tage – an das Sozialgericht Neuruppin weiter. Einen Klageantrag hat der Kläger nicht gestellt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, die Klage sei unzulässig und unbegründet.

Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 19. März 2021 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Die Prozessakte und die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird ergänzend auf den Inhalt der Prozess- und der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klagen haben keinen Erfolg.

1. Über die Klagen konnte die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten gemäß § 105 Abs 1 S 2 SGG zuvor mit gerichtlicher Verfügung vom 19. März 2021 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu nicht erforderlich ist und weil das Gericht schließlich vor seiner Entscheidung – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23).

2. a) Die Klagen sind nicht wirksam erhoben worden. Eine Erhebung von Klagen ist insbesondere nicht darin zu erblicken, dass der Kläger mit bei dem erkennenden Gericht unter dem 18. Dezember 2020 eingegangenen und entsprechend der Regelung des § 91 Abs 2 SGG von dem Beklagten in Papierform übersandten eMail-Nachrichten gegenüber diesem die „Überprüfung“ des Widerspruchsbescheides begehrt hatte. Allein die Klage und nicht ein Überprüfungsantrag wäre jedoch statthafter Rechtsbehelf gewesen, worauf der Kläger in der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 17. November 2020 expressis verbis hingewiesen worden ist. Der ausdrücklich angestrebte Überprüfungsantrag hinsichtlich des Widerspruchsbescheides ist demgegenüber von vornherein unstatthaft und vermag daher an der fehlenden wirksamen Klageerhebung nichts zu ändern (vgl zu diesen Fragen insbesondere Bundessozialgericht, Beschluss vom 15. November 2018 – B 5 R 12/18 R, RdNr 3).

Auch eine Auslegung oder Umdeutung der eMail-Nachrichten des Klägers dahingehend, dass er den allein zulässigen Rechtsbehelf der Klage hatte einlegen wollen, ist nicht möglich. Eine Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn die abgegebene Erklärung mehrdeutig und damit auslegungsfähig ist. Das ist hier nicht der Fall, weil ausdrücklich und allein die Überprüfung des Widerspruchsbescheides gegenüber dem Beklagten begehrt worden ist. Angesichts des von dem Kläger gewählten Adressaten seiner Nachrichten und deren Wortlautes kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger den beabsichtigten Rechtsbehelf nur unzulänglich formuliert hat und er die Einreichung seiner Schreiben in Wahrheit auf den statthaften Rechtsbehelf der Klage beziehen wollte. Auch wurde die Klage als der einzulegende Rechtsbehelf in der Rechtsbehelfsbelehrung ausdrücklich genannt. Durch diese Belehrung sind Irrtümer oder Verwechslungen bei der Bezeichnung des Rechtsbehelfs weitgehend ausgeschlossen. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob ein Kläger rechtskundig vertreten ist oder nicht (vgl zu diesen Fragen insbesondere Bundessozialgericht, Beschluss vom 15. November 2018 – B 5 R 12/18 R, RdNr 4ff mwN).

b) Selbst wenn man das Begehren des Klägers als Erhebung von Klagen verstünde, wären sie gleichwohl unzulässig, da sie nicht formgerecht erhoben worden wären. Gemäß § 90 SGG sind Klagen bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Gemäß § 91 Abs 1 SGG gilt die Frist für die Erhebung der Klage auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland eingegangen ist. Anstelle der Kommunikation durch Schriftform ist auch die Einlegung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen durch elektronische Kommunikation mit dem Gericht möglich. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige, in § 65a SGG von dem Gesetzgeber eröffnete Form, die kein Unterfall der Schriftform ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 14. März 2013 – B 13 R 19/12 R, RdNr 18). Zur Wahrung der elektronischen Form muss das übersandte elektronische Dokument den Anforderungen des § 65a SGG oder – im Fall des § 91 Abs 1 SGG – den Anforderungen des § 36a des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) entsprechen.

Die Erhebung von Klagen durch eine einfache eMail-Nachricht entspricht indes weder den Anforderungen des § 65a SGG noch den Anforderungen des § 36a SGB I, weil es den eMail-Nachrichten des Klägers jedenfalls an einer qualifizierten elektronischen Signatur fehlt (vgl § 65a Abs 3 S 1 SGG sowie § 36a Abs 2 S 2 SGB I).

3. Ob die erhobenen Klagen zulässig und begründet sind, durfte die Kammer bei dieser Sachlage dagegen nicht prüfen, da die Befugnisse des gesetzlichen Richters nur so weit reichen wie die Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben sind.

4. Nur der Vollständigkeit halber wird abschließend darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu prüfen haben wird, ob die eMail-Nachrichten des Klägers als Überprüfungsanträge im Sinne des § 44 Abs 1 S 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) hinsichtlich seiner sozialverwaltungsbehördlichen Aufrechnungsverfügung vom 05. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2020 auszulegen und zu behandeln sein könnten.

5. a) Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 193 Abs 1 S 1 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens, in dem der Kläger vollumfänglich unterlag.

b) Die Aufwendungen der Beklagten sind schon von Gesetzes wegen nicht erstattungsfähig (vgl § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 193 Abs 4 SGG iVm § 184 Abs 1 SGG).

6. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 183 S 1 SGG).