Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung S 26 AS 573/16


Metadaten

Gericht SG Neuruppin 26. Kammer Entscheidungsdatum 03.05.2021
Aktenzeichen S 26 AS 573/16 ECLI
Dokumententyp Gerichtsbescheid Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die mit dem Bescheid über die endgültige Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vom 01. März 2021 verlautbarten sozialverwaltungsbehördlichen Bewilligungsverfügungen des Beklagten werden aufgehoben, soweit mit ihnen der Zeitraum vom 01. April 2016 bis zum 31. Mai 2016 geregelt wird.

Darüber hinaus wird auch die mit dem Bescheid über die Erstattung von Leistungen vom 01. März 2016 verlautbarte sozialverwaltungsbehördliche Erstattungsverfügung des Beklagten aufgehoben.

Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die endgültige Gewährung von passiven Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach Maßgabe der Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Dezember 2015 bis zum 31. Mai 2016, nachdem der Beklagte dem Kläger zunächst vorläufig Leistungen gewährt hatte. Hierneben streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, die Differenz zwischen denen ihm zuvor vorläufig gewährten und den endgültig festgesetzten Leistungen für den genannten Zeitraum zu erstatten.

Auf seinen entsprechenden Fortzahlungsantrag vom 24. November 2015 gewährte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Dezember 2015 bis zum 31. Mai 2016 mit Bewilligungsverfügungen vom 11. Januar 2016 vorläufig passive Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des SGB II und berücksichtigte wegen der Miteigentümergemeinschaft mit seiner geschiedenen Ehefrau hinsichtlich der von dem Kläger und seinem Sohn bewohnten Eigentumswohnung sowie wegen der Zugehörigkeit seines Sohnes zur Haushaltsgemeinschaft, der seinen Bedarf aus eigenem Einkommen decken konnte, Kosten der Unterkunft und Heizung nur anteilig.

Gegen die vorläufigen Bewilligungsverfügungen vom 11. Januar 2016 erhob der anwaltlich vertretene Kläger mit Schreiben vom 09. Februar 2016 – bei dem Beklagten eingegangen am gleichen Tage – Widerspruch, mit dem er sich gegen einen zu niedrigen Bedarf für die Kosten der Unterkunft und Heizung und gegen die Anrechnung von Kindergeld wandte und darüber hinaus ua ausführte: „[…] Der Bescheid ist zwar vorläufig, u. a., weil die Kosten für Unterkunft und Heizung noch nicht feststünden. Dies ist jedoch nicht richtig. Mein Mandant hat Ihnen sowohl die Nebenkostenabrechnung und Heizungsvorauszahlung vom 11.05.2015 vorgelegt, als auch den Kontoauszug der DKB. […]“. Mit Veränderungsmitteilung vom 09. Februar 2016 – bei dem Beklagten eingegangen am gleichen Tage – teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass sein Sohn zum 01. Februar 2016 ausgezogen sei.

Mit Verfügungen vom 23. Februar 2016 vollzog der Beklagte den Auszug des Sohnes des Klägers leistungsrechtlich und weiterhin vorläufig nach und änderte seine bewilligenden vorläufigen Verfügungen für den Zeitraum vom 01. Februar 2016 bis zum 31. Mai 2016 zu Gunsten des Klägers ab.

Den bereits gegen die vorläufigen Bewilligungsverfügungen vom 11. Januar 2016 erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte unter Einbeziehung der vorläufigen Änderungsverfügungen vom 23. Februar 2016 mit Widerspruchsbescheid vom 03. März 2016 als unbegründet zurück. Zur Begründung seiner Entscheidung führte er im Wesentlichen aus, die vorläufige Leistungsgewährung sei rechtmäßig, weil mit Blick auf die Vermögenswerte des Klägers, die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung sowie das Einkommen dessen Sohnes die Bestimmung der Höhe des Leistungsanspruches und der tatsächlichen Leistungsberechtigung zum Zeitpunkt des Erlasses der bewilligenden Verfügungen noch nicht möglich gewesen sei. Auch die Höhe der vorläufig gewährten Leistungen sei nicht zu beanstanden.

Nachdem der anwaltlich vertretene Kläger mit Schriftsatz vom 18. März 2016 – bei dem Sozialgericht Neuruppin eingegangen am 22. März 2016 – bei dem erkennenden Gericht hiergegen Klagen erhoben hatte, setzte der Beklagte mit endgültigen Verfügungen vom 01. März 2021 die Leistungsansprüche des Klägers für den Zeitraum vom 01. Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2015 in größerem Umfang als ursprünglich vorläufig, für den Zeitraum vom 01. Januar 2016 bis zum 31. März 2016 in gleichem Umfang wie ursprünglich vorläufig und schließlich für den Zeitraum vom 01. April 2016 bis zum 31. Mai 2016 in geringerem Umfang als ursprünglich vorläufig fest und machte mit Verfügung vom gleichen Tage Erstattung gegen den Kläger im Umfang der Differenz zwischen vorläufig gewährten und endgültig festgesetzten Leistungen und unter Anrechnung des sich für den Zeitraum 01. Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2015 ergebenden höheren Anspruches geltend.

Zur Begründung seiner nunmehr auf Aufhebung der endgültigen Verfügungen sowie auf Aufhebung der Erstattungsverfügung gerichteten Begehren weist er im Wesentlichen darauf hin, dass die vorläufig festgesetzten Leistungsansprüche wegen der Übergangsregelung des § 80 Abs 2 Nr 1 SGB II seit dem 01. August 2017 als festgesetzt gelten würden, so dass der Beklagte nicht befugt sei, die Leistungen erneut endgültig festzusetzen. Die Endgültigkeitsfiktion sei auch nicht durch § 41a Abs 5 S 2 SGB II ausgeschlossen. Weder im Widerspruch noch in der Klage sei die Vorläufigkeit der angegriffenen Verfügungen thematisiert oder gar bemängelt worden. Einwände gegen die Leistungsberechnung in den als endgültig festgesetzt geltenden Verfügungen hat der Kläger – mit Ausnahme des Monats Dezember 2015 – zuletzt nicht mehr geltend gemacht.

Der anwaltlich vertretene Kläger beantragt (nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),

die mit dem Bescheid über die endgültige Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vom 01. März 2021 verlautbarten sozialverwaltungsbehördlichen Bewilligungsverfügungen des Beklagten aufzuheben, soweit mit ihnen der Zeitraum vom 01. April 2016 bis zum 31. Mai 2016 geregelt wird,

sowie

darüber hinaus auch die mit dem Bescheid über die Erstattung von Leistungen vom 01. März 2016 verlautbarte sozialverwaltungsbehördliche Erstattungsverfügung des Beklagten aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages verweist er zuletzt darauf, die Endgültigkeitsfiktion sei nicht eingetreten. In dem Widerspruchsschreiben des Klägers vom 09. Februar 2016 sei ein Antrag auf endgültige Festsetzung zu sehen, weil sich der Widerspruch ausdrücklich (auch) gegen die Vorläufigkeit gerichtet habe. Deshalb sei der Beklagte auch befugt gewesen, die Ansprüche nunmehr endgültig festzusetzen und eine hierauf basierende Erstattung geltend zu machen.

Das Gericht hat die Beteiligten zuletzt mit Verfügung vom 25. März 2021 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

Die Klagen haben im tenorierten Umfang Erfolg.

1. Über die Klagen konnte die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten gemäß § 105 Abs 1 S 2 SGG zuvor mit der gerichtlichen Verfügung vom 25. März 2021 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu nicht erforderlich ist und weil das Gericht vor seiner Entscheidung – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23).

2. a) Gegenstand des Klageverfahrens sind die in der Antragstellung genannten Verfügungen, mit denen der Beklagte dem Kläger im Vergleich zu seiner vorläufigen Gewährung für den Zeitraum vom 01. April 2016 bis zum 31. Mai 2016 geringere, für den Zeitraum vom 01. Januar 2016 bis zum 31. März 2016 identische und für den Zeitraum vom 01. Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2015 endgültig höhere Leistungsansprüche festgesetzt hat. Die endgültigen Festsetzungsverfügungen sind gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil sie die zuvor ergangenen vorläufigen Festsetzungsentscheidungen des Beklagten, die sich mit Erlass der hier streitbefangenen endgültigen Festsetzungsverfügungen auf sonstige Weise erledigt haben <§ 39 Abs 2 Regelung 5 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X); vgl hierzu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 08. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 R, RdNr 9 unter Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R, RdNr 13> ersetzten. Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt, weil sie sie für überzeugend hält, auch für die Erstattungsverfügung des Beklagten (vgl zur Einbeziehung auch der Erstattungsverwaltungsakte: Bundessozialgericht, Urteil vom 28. August 2018 – B 8 SO 31/16 R, RdNr 12 ff sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 03. September 2020 – B 14 AS 55/19 R, RdNr 9 ff).

b) Streitgegenstand ist vor diesem Hintergrund der Anspruch des Klägers auf abschließende Festsetzung eines höheren Anspruches auf passive Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für jeden einzelnen Monat des Streitzeitraumes vom 01. Dezember 2015 bis zum 31. Mai 2016 (vgl zum sog Monatsprinzip die Regelungen des § 11 Abs 2 S 1 SGB II>, § 11 Abs 3 S 1 SGB II, § 20 Abs 1 S 3 SGB II, § 37 Abs S 2 SGB II sowie § 41 Abs 1 S 2 SGB II; vgl dazu auch Bundessozialgericht, Urteil vom 30. März 2017 – B 14 AS 18/16 R, RdNr 18 sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Juli 2008 – B 14 AS 26/07 R, RdNr 28). Daneben ist Streitgegenstand auch die Rechtmäßigkeit der gegen den Kläger geltend gemachten Erstattungsforderung.

3. a) Das Begehren des – anwaltlich vertretenen – Klägers versteht die Kammer nach Maßgabe von § 123 SGG auch ohne entsprechend ausdrücklich gestellten Klageantrag – sinnentsprechend und großzügig ausgelegt – als gerichtet auf die Aufhebung der endgültigen Festsetzungsentscheidungen des Beklagten, soweit sie der Höhe nach hinter den vorläufigen Festsetzungsentscheidungen zurückbleiben, mithin soweit sie den Zeitraum vom 01. April 2016 bis zum 31. Mai 2016 betreffen, sowie auf die Aufhebung der Erstattungsverfügung.

b) Soweit der Beklagte mit seinen endgültigen Festsetzungsverfügungen vom 01. März 2021 im Vergleich zu den vorläufig festgesetzten Leistungsansprüchen identische (01. Januar 2016 bis zum 31. März 2016) sowie höhere Leistungsansprüche (01. Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2015) endgültig festgesetzt hat, wären hiergegen erhobene Klagen mangels Beschwer (vgl § 54 Abs 1 S 2 GG) jedenfalls unzulässig, weshalb die Kammer in sinnentsprechender Auslegung seines Begehrens (vgl erneut § 123 SGG) zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen ist, er beschränke sein Begehren auf diejenigen Zeiträume, in denen der Beklagte der Höhe nach hinter den vorläufig festgesetzten Ansprüchen zurückgeblieben ist.

c) Statthafte Klageart für die Aufhebung der endgültigen Festsetzungsentscheidungen – soweit sie der Höhe nach hinter den vorläufigen Festsetzungsentscheidungen des Beklagten zurückbleiben, mithin für den Zeitraum vom 01. April 2016 bis zum 31. Mai 2016 – sind für jeden Monat des genannten Zeitraumes jeweils (isolierte) Anfechtungsklagen (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG iVm § 56 SGG).

Die gegen diese endgültigen Festsetzungsentscheidungen des Beklagten gerichteten isolierten Anfechtungsklagen sind auch im Übrigen zulässig. Zwar hat der Beklagte durch die angegriffenen Verfügungen dem Kläger endgültig geringere Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als ursprünglich gewährt, weshalb der Kläger in Fällen der vorliegenden Art im Ergebnis eine Korrektur der Entscheidungen des Beklagten über die abschließend „festzustellende Leistung“ im Sinne des § 41a Abs 3 S 1 SGB II begehren müsste und sich deshalb das Klageziel neben der Aufhebung der Festsetzungsentscheidungen mit Anfechtungsklagen im Sinne von § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG auch darauf zu richten hätte, den Beklagten mit Verpflichtungsklagen im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 3 SGG zu verpflichten auszusprechen, dass ihm – dem Kläger – abschließend höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustehen, als mit den angegriffenen Verfügungen festgesetzt worden sind (vgl hierzu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 08. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 R, RdNr 10f unter Hinweis auf die ähnliche ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Klage auf Zuschuss statt Darlehen: Bundessozialgericht, Urteil vom 13. November 2008 – B 14 AS 36/07 R, RdNr 13; Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 7/08 R, RdNr 10 sowie Urteil vom 06. August 2014 – B 4 AS 57/13 R, RdNr 12), die für den Fall, dass noch höhere Leistungen begehrt werden, als ursprünglich vorläufig festgesetzt worden waren, noch mit Leistungsklagen im Sinne des § 54 Abs 4 SGG iVm § 56 SGG zu kombinieren wären.

Der Kläger kann sein Klageziel – die Festsetzung seiner Leistungsansprüche in Höhe der ursprünglich vorläufig gewährten Leistungen – jedoch bereits allein durch die Aufhebung der endgültigen Festsetzungsentscheidungen des Beklagten erreichen, soweit diese der Höhe nach hinter den vorläufig gewährten Leistungen zurückbleiben. Denn die vorläufig gewährten Leistungen gelten – entgegen der Auffassung des Beklagten – als endgültig festgesetzt, weshalb dem Festsetzungsbegehren des Klägers schon allein durch die Aufhebung der entgegen stehenden endgültigen Festsetzungsentscheidungen Genüge getan ist.

Gemäß § 41a Abs 5 S 1 SGB II gelten die vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt, wenn innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums keine abschließende Entscheidung nach § 41a Abs 3 SGB II ergeht, wobei die Jahresfrist gemäß § 80 Abs 2 Nr 1 SGB II für die abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche für Bewilligungszeiträume, die – wie hier – vor dem 01. August 2016 beendet waren, mit dem 01. August 2016 beginnt. Weil der Beklagte die Leistungsansprüche des Klägers indes erst nach dem 31. Juli 2017 (vgl zur Fristberechnung § 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches <BGB> iVm § 187 Abs 2 S 1 BGB) endgültig festsetzte, gelten die zunächst vorläufig festgesetzten Leistungsansprüche als endgültig festgesetzt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten folgt auch nichts Gegenteiliges aus der Regelung des § 41a Abs 5 S 2 SGB II, wonach § 41a Abs 5 S 1 SGB II nicht gilt, wenn die leistungsberechtigte Person innerhalb der Frist nach Satz 1 eine abschließende Entscheidung beantragt (§ 41a Abs 5 S 2 Nr 1 SGB II) oder der Leistungsanspruch aus einem anderen als dem nach Absatz 2 Satz 1 anzugebenden Grund nicht oder nur in geringerer Höhe als die vorläufigen Leistungen besteht und der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den Leistungsanspruch innerhalb eines Jahres seit Kenntnis von diesen Tatsachen, spätestens aber nach Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der vorläufigen Entscheidung, abschließend entscheidet (§ 41a Abs 5 S 2 Nr 2 SGB II). Abgesehen davon das für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der zuletzt genannten Ausnahmeregelung nichts ersichtlich ist, ist die Regelung des § 41a Abs 5 S 2 SGB II schon von vornherein nicht anwendbar. Denn die hier maßgebliche – bereits zitierte – Übergangsregelung des § 80 Abs 2 Nr 1 SGB II verweist ausschließlich auf § 41a Abs 5 S 1 SGB II, so dass sich angesichts des Umstandes, dass Übergangs- und Ausnahmeregelungen eng auszulegen sind, die von dem Beklagten zur Stützung seiner Auffassung vorgenommene erweiternde Auslegung auch auf die Regelung des § 41a Abs 5 S 2 SGB II von vornherein verbietet, zumal der von dem Beklagten auch als Antrag auf abschließende Festsetzung der Leistungsansprüche verstandene Widerspruch des Klägers gegen die vorläufigen Bewilligungsverfügungen zu einem Zeitpunkt eingelegt worden ist, zu dem die Regelungen des § 41a SGB II und des § 80 SGB II noch gar nicht in Kraft getreten waren und sich der Kläger dementsprechend der Reichweite eines entsprechenden Antrages auch noch nicht bewusst gewesen sein konnte.

Die fingierten endgültigen Festsetzungsentscheidungen sind auch nicht später erloschen. Auch fingierte Festsetzungsentscheidungen bleiben wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sind (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 20/18 R, RdNr 29 mwN). Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer sozialverwaltungsbehördlichen Entscheidung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 20/18 R, RdNr 29 mwN). In diesem Sinne ist eine Sozialverwaltungsbehörde auch nach Fristablauf nicht mit allen Einwendungen gegen die fingierte Festsetzungsentscheidung ausgeschlossen. Die fingierte Festsetzungsentscheidung schützt den Adressaten dadurch, dass sie ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Aufhebung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verliert (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 20/18 R, RdNr 29).

Der Beklagte regelte mit der endgültigen Festsetzung der Leistung weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme, eine Aufhebung oder einen Widerruf (vgl §§ 45, 47, 48 SGB X) der fingierten Festsetzungsentscheidungen (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 20/18 R, RdNr 30 mwN). Geänderte Umstände, die die Festsetzungsentscheidungen durch Eintritt eines erledigenden Ereignisses entfallen lassen könnten, sind im Übrigen auch sonst nicht ersichtlich.

b) Statthafte Klageart für die Aufhebung der Erstattungsverfügung ist ebenfalls eine (isolierte) Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG); diese ist auch im Übrigen zulässig.

4. Die so verstandenen Klagen sind auch begründet.

a) Die gegen die endgültigen – den Zeitraum vom 01. April 2016 bis zum 31. Mai 2016 betreffenden – Festsetzungsentscheidungen des Beklagten gerichteten Anfechtungsklagen im Sinne von § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG iVm § 56 SGG sind begründet, weil die angegriffenen Verfügungen des Beklagten rechtswidrig sind und der Kläger durch sie in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert ist (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG).

Die endgültigen Festsetzungsentscheidungen des Beklagten sind rechtswidrig, weil sie den – wie bereits dargelegt – wirksamen, nicht zurückgenommenen, nicht widerrufenen, nicht anderweitig aufgehobenen oder nicht durch Zeitablauf oder nicht auf andere Weise erledigten (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 20/18 R, RdNr 29 mwN) fingierten endgültigen Festsetzungsentscheidungen für den Zeitraum vom 01. April 2016 bis zum 31. Mai 2016 diametral widersprechen und den Kläger deshalb in seinen sich aus eben diesen fingierten endgültigen Festsetzungsentscheidungen ergebenden Leistungsansprüchen verletzen (vgl zu dieser Folge: Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 20/18 R, RdNr 31).

b) Wenn danach die den Zeitraum vom 01. April 2016 bis zum 31. Mai 2016 betreffenden endgültigen Festsetzungsentscheidungen des Beklagten rechtswidrig sind, erweist sich auch die gegen die Erstattungsverfügung des Beklagten gerichtete weitere erhobene Anfechtungsklage im Sinne von § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG iVm § 56 SGG als begründet. Denn auch die Erstattungsverfügung ist rechtswidrig und der Kläger wird durch sie in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG).

Gemäß § 41a Abs 6 SGB II sind die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen anzurechnen (Satz 1). Soweit im Bewilligungszeitraum in einzelnen Kalendermonaten vorläufig zu hohe Leistungen erbracht wurden, sind die sich daraus ergebenden Überzahlungen auf die abschließend bewilligten Leistungen anzurechnen, die für andere Kalendermonate dieses Bewilligungszeitraums nachzuzahlen wären (Satz 2). Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen, sind zu erstatten (Satz 3). Die Voraussetzungen des § 41a Abs 6 S 3 SGB II sind nach der gerichtlichen Aufhebung der endgültigen Festsetzungsentscheidungen des Beklagten nicht mehr erfüllt; durch die fingierten endgültigen Festsetzungsentscheidungen in Höhe der vorläufigen Festsetzungsentscheidungen ist die Grundlage der Erstattungsverfügung entfallen, weshalb auch diese aufzuheben war. Hieraus folgt zugleich, dass der Beklagte den von ihm endgültig festgesetzten höheren Leistungsanspruch für den Zeitraum vom 01. Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2015, den er auf den Erstattungsanspruch angerechnet hat, an den Kläger auszuzahlen hat.

5. a) Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass der Beklagte dem Kläger dem Grunde nach die Hälfte der ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens, welches das Vorverfahren einschließt, zu erstatten hat. Angesichts des im Ergebnis nur für die Zeiträume vom 01. Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2015 sowie vom 01. April 2016 bis zum 31. Mai 2016 erfolgreichen Klageverfahrens hielt die Kammer eine noch höhere Kostenquote zu Lasten des Beklagten nicht für gerechtfertigt.

b) Die Aufwendungen des Beklagten sind schon von Gesetzes wegen nicht erstattungsfähig (vgl § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 193 Abs 4 SGG iVm § 184 Abs 1 SGG).

6. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 183 S 1 SGG).