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Entscheidung 11 U 59/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 05.05.2021
Aktenzeichen 11 U 59/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0505.11U59.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Beide Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 01.03.2021 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 11 O 263/20 - aus den nachfolgend dargestellten Gründen gem. § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

II. Für die Klägerin besteht Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Zurückweisung ihres Rechtsmittels binnen drei Wochen ab der Zustellung dieses Beschlusses zu äußern. Ihr bleibt anheimgestellt, die Berufung - aus Gründen der Kostenersparnis gemäß GKG-KV Nr. 1222 - vor dem Ablauf dieser Frist zurückzunehmen.

Gründe

Die im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache insgesamt keine Aussicht auf Erfolg; sie ist offensichtlich unbegründet. Darüber hinaus fehlt es der vorliegenden Rechtssache an grundsätzlicher Bedeutung. Auch zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Judikatur ist keine Entscheidung durch das Berufungsgericht im Urteilswege erforderlich und auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Eine Rechtsverletzung liegt nicht vor. Auch hat das Landgericht seiner Entscheidung keine unter Gehörsverletzung ermittelten Tatsachen zugrunde gelegt oder rechtsfehlerhaft von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts abgesehen.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

Der Schadensersatzanspruch in der Hauptsache folgt weder aus § 826 BGB noch aus § 311 Abs. 2, 3 BGB und auch nicht aus einem „Rückgewährschuldverhältnis“ oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. den unionsrechtlichen Vorschriften der VO 715/2007/EG bzw. der VO 692/2008/EG.

A. Für alle vorgenannten Anspruchsgrundlagen fehlt es im Streitfall bereits an einem (fortbestehenden) Schaden der Klägerin im geltend gemachten Sinne. Die Klägerin hat nicht dargetan, dass - nachdem sie das Fahrzeug unstreitig weiterverkauft hatte - aufgrund des Verkaufs keine vollständige Kompensation eingetreten ist.

1. Nach den schadensrechtlichen Grundsätzen des § 249 BGB ist der Schädiger verpflichtet, den Geschädigten so zu stellen, wie dieser ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses gestellt gewesen wäre. Maßgeblich ist insoweit der Grundsatz der Naturalrestitution. Dieser Grundsatz beinhaltet, dass der Geschädigte durch das schädigende Ereignis zwar nichts verlieren, aber auch nichts gewinnen soll (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, Rn. 65; Urt. v. 04.04.2014 – V ZR 275/12, NJW 2015, 468 Rn. 20). Für die Beurteilung eines Schadensanfalls im Sinne des § 249 BGB kommt es, wenn noch nicht vollständig erfüllt ist, auf den prozessual letztmöglichen Beurteilungszeitpunkt an, also regelmäßig auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung (vgl. BGH, Urt. v. 18.02.2020 – VI 115/19, NJW 2020, 1795 Rn. 11).

2. Gemessen daran geht die Annahme der Klägerin Berufungsbegründung fehl, wonach ihr im Streitfall ein Schaden durch Abschluss einer (etwaig) „ungewollten“ Verbindlichkeit entstanden sei. Die Argumentation der Klägerin würde nämlich dazu führen, dass sie - ein Anspruch dem Grunde nach zu ihren Gunsten unterstellt – auf der Rechtsfolgenseite in diesem Fall die Zahlung des Gebrauchtwagenkaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs abzüglich gezogener Nutzungen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, Rn. 66 ff.) verlangen könnte. Diese Art der Schadenskompensation ist hier - was das Landgericht zutreffend erkannt hat - angesichts des Umstandes, dass die Klägerin den Pkw bereits unstreitig weiterveräußert hat, in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr möglich. Insoweit besteht nach ständiger Rechtsprechung des Senats unter normativen Schadensgesichtspunkten mit Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt kein Schaden mehr, den sie nunmehr im Rahmen einer „deliktischen Rückabwicklung“ liquidieren könnte, denn sie hat den Pkw unstreitig während der Dauer ihres Eigentums und Besitzes ohne Einschränkungen vertragsgemäß genutzt (vgl. Urt. v. 21.04.2021 - 11 U 5/20; Beschlüsse in der Rs 11 U 113/20; zu vergleichbaren Umständen insoweit auch die Senatsbeschlüsse v. 30.09.2020 - 11 U 11/20 sowie v. 11 U 146/19; vgl. auch OLG Schleswig, Urt. v. 27.01.2020 – 18 U 9/19, BeckRS 2020, 6997; OLG Celle, Urt. v. 19.02.2020 – 7 U 424/18, BeckRS 2020, 6243 Rn. 10). Durch den Weiterverkauf des Pkw ist der Schaden der Klägerin, der - die Haftung der Beklagten nach § 826 BGB zu ihren Gunsten unterstellt - in der Belastung/Bemakelung mit einem ungewollten Kaufvertrag bestanden haben könnte, insgesamt entfallen, so dass der hier berechnete Schadensersatzanspruch nunmehr ins Leere gehen muss (Senat, Beschl. v. 24.3.2021 – 11 U 109/20, BeckRS 2021, 7530 Rn. 11 sowie v. 04.11.2020 - 11 U 11/20; OLG Celle, a.a.o., Rn. 10).

Auch ein nach der Differenzmethode zu berechnender, verbleibender finanzieller Schaden der Klägerin ist nicht dargetan, denn sie ist derzeit genauso gestellt, wie sie stünde, wenn sie ein (gebrauchtes) Auto mit einer nicht zu beanstandenden Abgasversorgung gekauft und später wieder veräußert hätte (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O. m.w.N.). Die Klägerin hat darüber hinaus auch in der insoweit gem. § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO maßgeblichen Berufungsbegründung nicht konkret dazu vorgetragen, dass ihr durch den Weiterverkauf ein schädigungsbedingter Nachteil entstanden sei, also etwa dadurch, dass der Weiterverkaufspreis angesichts des bemakelten (bestr.) Motors geringer ausgefallen sei als bei einem unbemakelten Motor, wovon auch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden kann (vgl. hierzu Senat, a.a.O., Riehm, Deliktischer Schadensersatz in den „Diesel-Abgas-Fällen“, NJW 2019, S. 1105). Durch die Entscheidung zur Veräußerung und deren Durchführung hat sich die Klägerin im Streitfall des ungewollten Erwerbs ohne weitere Nachteile entledigen können (vgl. Senat, a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urt. v. 27.01.2020 – 18 U 9/19, BeckRS 2020, 6997 Rn. 23 sowie Urt. v. 22.11.2019 - 17 U 70/19, BeckRS 2019, 29885 Rn. 22).

B. Darüber hinaus ist die Klägerin für die von ihr als unzulässig behauptete Abschalteinrichtung beweisfällig geblieben. Eine unzulässige Abschalteinrichtung an dem von der Beklagten hergestellten Fahrzeug ist von dieser schon in tatsächlicher Hinsicht in Abrede gestellt worden. Ob diese vorliegt, wäre im Streitfall ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufzuklären (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation Senatsurteil v. 21.04.2021 - 11 U 5/20). Hier ist indessen nicht ersichtlich, dass eine solche Aufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angesichts der Veräußerung des Pkw durch die Klägerin an einen kommerziellen Händler im März 2020 derzeit überhaupt noch möglich wäre. Steht das Fahrzeug jedoch zu Beweiszwecken nicht mehr zur Verfügung, geht dies im Bestreitensfall - wie hier - zu Lasten der Klägerin (vgl. Senatsurteil v. 21.04.2021, a.a.O.).