Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 07.06.2021 | |
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Aktenzeichen | 1 U 52/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0607.1U52.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 30. Juni 2020 – 31 O 315/19 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.587,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.926,96 € für die Zeit ab 21.2.2020 bis 8.6.2020, aus 7.428,11 € für die Zeit ab 9.6.2020 bis 16.5.2021 und aus 6.587,43 € für die Zeit ab 17.5.2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Tiguan mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer W....
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.100,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 13.12.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin zu 39 % und die Beklagte zu 61 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abgewendet werden, wenn nicht die die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz vor dem Hintergrund des sogenannten VW-Abgasskandals in Anspruch.
Die Klägerin erwarb am 23.12.2013 ein Fahrzeug des Typs VW Tiguan zum Preis von 16.800 €. Das Fahrzeug wies zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von 41.507 km auf. Es war mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA-189 ausgerüstet. Dessen Steuerungssoftware verfügte über zwei Betriebsmodi zur Abgasrückführung. Beim Durchfahren des für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugemissionen maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus wurde automatisch ein Modus mit einer höheren Abgasrückführung aktiviert, wodurch die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten wurden; im normalen Fahrbetrieb wurde ein anderer Betriebsmodus aktiviert, der bei einer geringeren Abgasrückführung zu einem höheren Stickoxidausstoß führte.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 5.12.2019 forderte die Klägerin die Beklagte zur Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs auf und setzte dafür eine Frist von zwei Wochen.
Am 17.5.2021 hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von 168.248 km.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass für ihr Fahrzeug eine Gesamtlaufleistung von mindestens 350.000 km zu erwarten sei.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.800 € nebst Zinsen in Höhe von 4.039,47 € und weiteren Zinsen in Höhe von 4 % aus 16.800 € für die Zeit ab 9.12.2019, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Tiguan mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer W... und gegen Zahlung einer angemessenen Nutzungsentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht mehr als 5.990,03 €, zu zahlen;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs VW Tiguan mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer W... seit spätestens 13.12.2019 in Annahmeverzug befindet
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.680,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 13.12.2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und dazu behauptet, die Klägerin habe bereits 2015 Kenntnis von der in ihrem Fahrzeug verbauten Umschaltlogik sowie aller anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt.
Die Klägerin hat die Klageschrift vom 8.12.2019 am 10.12.2019 beim Landgericht eingereicht. Unter dem 15.1.2020 ist sie zur Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert worden, den sie am 4.2.2020 entrichtet hat. Sodann ist am 10.2.2020 die Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens verfügt worden. Die Klage ist am 21.2.2020 zugestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 30.6.2020 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB verjährt seien. Der Lauf der Verjährung habe gemäß § 199 Abs. 1 BGB bereits vor dem 1.1.2016 begonnen, da vor dem Hintergrund der Ad-hoc-Mitteilung und der Presseerklärung der Beklagten vom 22.9.2015 sowie der Medienberichterstattung ab September 2015 eine grob fahrlässige Unkenntnis der Beklagten im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gegeben sei.
Das Urteil ist der Klägerin am 3.7.2020 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 3.8.2020 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 2.11.2020 an diesem Tag begründet.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 30.6.2020 abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.800 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 19.12.2019, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Tiguan mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer W... und gegen Zahlung einer angemessenen Nutzungsentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht mehr als 5.990,03 €, zu zahlen;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs VW Tiguan mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer W... seit spätestens 13.12.2019 in Annahmeverzug befindet
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.680,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 13.12.2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
1.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 826 BGB auf die Zahlung von 6.587,43 €, Zug um Zug gegen die Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Die Beklagte haftet der Klägerin wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus §§ 826, 31 BGB analog. Zur Begründung wird auf die grundsätzliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.5.2020 (VI ZR 252/19, zitiert nach juris), der sich der Senat (Urteil vom 8.6.2020, 1 U 52/19; Urteil vom 17.2.2020, 1 U 24/19; Urteil vom 17.2.2020, 1 U 12/19) in ständiger Rechtsprechung anschließt, verwiesen.
Die Haftung der Beklagten führt dazu, dass sie im Wege der Naturalrestitution nach § 249 BGB die Rückgängigmachung der Folgen des von der Klägerin geschlossenen Vertrags über den Fahrzeugerwerb schuldet, wobei im Wege der Vorteilsausgleichung die Erstattung Zug um Zug gegen die Herausgabe der von der Klägerin erlangten Vorteile zu erfolgen hat (vgl. BGH a. a. O.; Senat a. a. O.). Insoweit besteht ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des von ihr entrichteten Kaufpreises in Höhe von 16.800 €.
Diesem Schadensersatzanspruch steht als Vorteil zunächst der Besitz und das Eigentum an dem von ihr erworbenen Kraftfahrzeug gegenüber mit der Folge, dass das Fahrzeug an die Beklagte herauszugeben und zu übereignen ist (vgl. BGH a. a. O.; Senat a. a. O.).
Darüber hinaus hat die Klägerin – ebenfalls im Wege des Vorteilsausgleichs – eine Entschädigung für die von ihr gezogenen Nutzungen zu entrichten, die sich nach dem anteiligen Verhältnis des von ihr entrichteten Preises des Fahrzeugerwerbs zur erwartbaren Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs einerseits und den tatsächlich gefahrenen Kilometern andererseits richtet (BGH a. a. O.; Urteil vom 30.7.2020, VI ZR 397/19, zitiert nach juris; Senat a. a. O.). Die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 17.5.2021 steht mit 168.248 km zwischen den Parteien außer Streit; von dieser Laufleistung waren beim Erwerb des Fahrzeugs durch die Klägerin bereits 41.507 km erreicht, weshalb der Klägerin lediglich (168.248 km – 41.507 =) 126.741 km anzurechnen sind. Zur erwartbaren Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs geht der Senat im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO von erreichbaren 250.000 km aus (vgl. BGH BeckRS 2015, 1267; Senat a. a. O.; OLG München, Urteile vom 15.1.2020, 20 U 3247/18 und 20 U 3219/18, jeweils zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.11.2019, 17 U 146/19, zitiert nach juris), wovon auf die Zeit der Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin (250.000 km – 41.507 km =) 208.493 km entfallen. Damit beläuft sich die von der Klägerin zu entrichtende Nutzungsentschädigung auf (16.800 € : 208.493 km × 126.741 km =) 10.212,57 € und ist in dieser Höhe im Wege der Saldierung vom Kaufpreis für das Fahrzeug abzuziehen.
Demgemäß berechnet sich der von der Beklagten an die Klägerin zu leistende Zahlbetrag auf (16.800 € - 10.212,57 € =) 6.587,43 €.
Dem Anspruch steht nicht gemäß § 214 Abs. 1 BGB die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Der Anspruch aus § 826 ZPO unterliegt der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren nach §§ 195, 199 BGB (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, zitiert nach juris; Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl., § 195, Rn. 4). Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB. Eine hinreichende Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände liegt vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (BGH a. a. O.). Dafür ist weder erforderlich, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (BGH a. a. O.). Auch kommt es grundsätzlich nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an (BGH a. a. O.; Urteil vom 8.5.2014, I ZR 217/12, zitiert nach juris). Die erforderliche Kenntnis ist indes nicht schon dann gegeben, wenn der Geschädigte lediglich von Anknüpfungstatsachen weiß sie liegt erst dann vor, wenn die dem Geschädigten bekannten Anknüpfungstatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners naheliegend und eine Klageerhebung zumutbar erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, zitiert nach juris), was der Fall ist, wenn dem Geschädigten der Abgasskandal in Allgemeinen und die konkrete Betroffenheit seines Fahrzeugs zur Kenntnis gelangt sind (BGH a. a. O.). Die Darlegungs- und Beweislast für den Beginn und den Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Geschädigten trägt der Schuldner (BGH, Versäumnisurteil vom 17.6.2016, V ZR 34/15, zitiert nach juris; Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 199, Rn. 12).
Nach diesen Grundsätzen lässt sich eine den Beginn der Verjährung auslösende Kenntnis der Klägerin für das Jahr 2015 nicht feststellen. Es ist nicht dargetan, dass die Klägerin etwa noch 2015 eine Benachrichtigung der Beklagten über die konkrete Betroffenheit ihres Fahrzeugs erhalten habe; die Klägerin selbst hat dazu in der mündlichen Verhandlung geäußert, dass eine solche Benachrichtigung erst im Januar 2017 erfolgt sei, ohne dass die Beklagte dem entgegengetreten ist. Die Behauptung der Beklagten, dass die Klägerin bereits 2015 verjährungsrelevante Kenntnisse erlangt habe, ist durch die persönliche Anhörung der Klägerin durch den Senat in der mündlichen Verhandlung nicht bestätigt worden. Die Klägerin hat dazu angegeben, dass sie zwar das Aufkommen des Abgasskandals in den USA in den Medien verfolgt, aber bis zum Erhalt des Schreibens der Beklagten im Januar 2017 die Betroffenheit ihres Fahrzeugs nicht wahrgenommen habe; sie habe weder die Typenbezeichnung des in ihrem Fahrzeug verbauten Motors gekannt noch von der Möglichkeit der Feststellung der Betroffenheit des Fahrzeugs durch eine Internetabfrage gewusst. Damit sind die Angaben der Klägerin bereits nicht ergiebig im Sinne der – gegenteiligen – Behauptung der Beklagten, sodass aus ihnen ein Beweis für deren Richtigkeit nicht hergeleitet werden kann. Von der Durchführung einer förmlichen Parteivernehmung hat der Senat absehen können, nachdem die Beklagte ihren diesbezüglichen erstinstanzlichen Beweisantritt in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten hat.
Ebenso kann das Vorliegen einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin im Sinne der vorstehend dargestellten Grundsätze nicht angenommen werden. Das Merkmal der groben Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus und liegt nur vor, wenn dem Geschädigten die Kenntnis fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen; insoweit muss dem Geschädigten ein schwerer Obliegenheitsverstoß in der eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, mithin ein besonders schweres Verschulden gegen sich selbst, vorgeworfen werden können (BGH, Urteil vom 10.11.2009, VI ZR 247/08, zitiert nach juris). Dabei besteht keine generelle Obliegenheit des Geschädigten, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährung eine Initiative zur Klärung des Schadenshergangs oder der Person des Schädigers zu entfalten (BGH a. a. O.). Ein Unterlassen von Nachforschungen ist gleichwohl als grob fahrlässig einzustufen, wenn besondere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschädigten als unverständlich erscheinen lassen; dafür müssen dem Geschädigten konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein und sich ihm der Verdacht einer möglichen Schädigung aufdrängen (BGH a. a. O.).
Nach diesen Maßstäben kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht bereits 2015 Erkundigungen über die konkrete Betroffenheit ihres Fahrzeugs angestellt hat. Wenn auch der Abgasskandal bereits ab Herbst 2015, beginnend mit Pressemitteilungen der Beklagten im September und Oktober 2015, in der Medienberichterstattung omnipräsent war und die Möglichkeit bestand, die Betroffenheit von Fahrzeugen im Wege einer Internetabfrage durch die Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer auf einer Website festzustellen, kann der Klägerin im Lichte des von ihr im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat dargestellten Medienverhaltens ein besonderes grobes Verschulden gegen sich selbst nicht zur Last gelegt werden. Die bloße Möglichkeit, sich über allgemein zugängliche Quellen Informationen zu beschaffen, reicht dafür nicht aus (4. Zivilsenat, Urteil vom 24.6.2020, 4 U 147/19, zitiert nach juris; 12. Zivilsenat, Urteil vom 14.1.2021, 12 U 104/20, zitiert nach juris; 3. Zivilsenat, Urteil vom 17.3.2020, 3 U 85/19, zitiert nach juris 2. Zivilsenat, Urteil vom 13.4.2021, 2 U 108/20, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, BeckRS 2020, 17311 OLG Oldenburg, BeckRS 2020, 17311 OLG Stuttgart, Urteil vom 30.4.2020, 7 U 470/19, zitiert nach juris). Soweit in Teilen der Rechtsprechung (OLG Koblenz, BeckRS 2020, 17311OLG Stuttgart, Urteil vom 7.4.2020, 10 U 455/19, zitiert nach juris OLG Köln, Beschluss vom 4.3.2020, 26 U 73/19, zitiert nach juris; OLG München, Beschlüsse vom 5.2.2020, 3 U 7392/19, vom 2.6.2020, 3 U 7229/19, und vom 20.7.2020, 3 U 3018/20, jeweils zitiert nach juris) im Blick auf die eingehende Medienberichterstattung zum Abgasskandal etwas anderes vertreten wird, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Beklagte hat, wie sie in der Klageerwiderung vorgetragen hat, in ihrer Presseerklärung vom 15.10.2015 auch mitgeteilt, dass im Januar 2016 ein Rückruf zur Überarbeitung der betroffenen Fahrzeuge starten solle. Im Lichte dieser Ankündigung ist es aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen und bedacht handelnden Geschädigten in der damaligen Lage verständlich gewesen, wenn er sich zunächst auf diese Ankündigung verlassen und auf die konkrete Information durch die Beklagte vertraut und gewartet hat, die im vorliegenden Fall, wenn auch erst im Januar 2017, auch tatsächlich erfolgt ist (vgl. 12. Zivilsenat a. a. O.; 2. Zivilsenat a. a. O.).
Die damit nicht vor dem Ablauf des 31.12.2016 beginnende Verjährung ist rechtzeitig durch die Erhebung der Klage nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden. Denn die Zustellung der Klageschrift am 21.2.2020 wirkt gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt ihrer Einreichung am 10.12.2019 zurück, da sie „demnächst“ im Sinne dieser Vorschrift erfolgt ist.
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die der Partei zuzurechnende Verzögerung der Zustellung einen hinnehmbaren Rahmen von bis zu 14 Tagen nicht übersteigt (BGH, Versäumnisurteil vom 25.9.2015, V ZR 203/14, zitiert nach juris; Urteil vom 10.2.2011, VII ZR 185/07, zitiert nach juris; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 167, Rn. 11). So liegt der Fall hier. Denn die Klägerin hat im Anschluss an die Einreichung der Klage zunächst die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses abwarten dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 3.9.2015, III ZR 66/14, zitiert nach juris; Zöller/Greger, a. a. O., § 167, Rn. 15) und hätte erst drei Wochen nach dem Ablauf der zu wahrenden Frist, mithin bis 22.1.2020, eine diesbezügliche Nachfrage halten müssen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 25.9.2015, V ZR 203/14, zitiert nach juris; Zöller/Greger a. a. O.). Diese Nachfrage hat sich erübrigt, nachdem zuvor bereits unter dem 15.1.2020 der Gerichtskostenvorschuss angefordert worden ist. Im Anschluss an die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses ist der zahlungspflichtigen Partei ein angemessener Erledigungszeitraum von jedenfalls einer Woche zuzubilligen, der sich, wenn – wie hier geschehen – die Gerichtskostenvorschussrechnung an den anwaltlichen Prozessbevollmächtigten versandt worden ist, angemessen und im allgemeinen um drei Werktage verlängert (BGH, Urteil vom 29.9.2017, V ZR 103/16, zitiert nach juris; Zöller/Greger a. a. O.). Demgemäß hätte die Klägerin auf die Gerichtskostenrechnung vom 15.1.2020 eine Zahlung jedenfalls nicht vor dem 25.1.2020 erbringen müssen. Von da an bis zur tatsächlichen Entrichtung des Gerichtskostenvorschusses am 4.2.2020 ist der noch unschädliche Verzögerungszeitraum von 14 Tagen nicht erreicht. Der weitere Verfahrensablauf bis zur Zustellung der Klage ist gerichtsinternen Gegebenheiten geschuldet der Klägerin daher nicht anzulasten.
2.
Die Zinsansprüche der Klägerin, die mit der Berufung nur noch im Umfang der Prozesszinsen verfolgt werden, bestehen gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Dabei beginnt der Zinszeitraum indes nicht mit der Einreichung der Klage im Dezember 2019, sondern erst mit ihrer Zustellung am 21.2.2020, da es für die Prozesszinsen auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit nach §§ 253, 261 ZPO ankommt und die bloße Anhängigkeit der Klage nicht ausreicht (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 291, Rn. 4; Staudinger/Feldmann, BGB, Neubearbeitung 2019, § 291, Rn. 15). Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs sich während des Rechtsstreits kontinuierlich erhöht und mithin der zu verzinsende Betrag bei Eintritt der Rechtshängigkeit den der Klägerin nunmehr zustehenden Zahlbetrag überstiegen hat (vgl. BGH, Urteil vom 30.7.2020, VI ZR 397/19, zitiert nach juris). Aus den für den 8.12.2019 und für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beim Landgericht am 9.6.2020 vorgetragenen Laufleistungen von 151.500 km und 157.815 km ergeben sich nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Grundsätze zur Bemessung der Nutzungsentschädigung Saldierungsbeträge in Höhe von 8.863,04 € und 9.371,89 €, die zu Ansprüchen der Klägerin in Höhe von 7.936,96 € und 7.428,11 € für diese Zeitpunkte führen.
3.
Für die Feststellung eines spätestens am 13.12.2019 eingetretenen Annahmeverzugs der Beklagten nach §§ 293, 295 Satz 1 BGB ist kein Raum, da im vorgerichtlichen Schreiben der Klägerin vom 5.12.2019 (Bl. 15 d. A.) die von ihr zu erbringende Nutzungsentschädigung nicht berücksichtigt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 25.5.2020, VI ZR 252/19, zitiert nach juris).
4.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 249 Abs. 1 BGB auf die Erstattung der ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach einer 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG (vgl. BGH a. a. O.). Dafür kommt es nicht darauf an, ob die vorgerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu einem Verzug der Beklagten geführt hat (vgl. BGH a. a. O.). Nach Maßgabe des Gegenstandswerts in Höhe von 16.800 stellt sich die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG auf 904,80 € und führt nach Addition der Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG und der Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG zu einer Summe in Höhe von 1.100,51 €.
5.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision erfolgt im Hinblick auf die dargestellte Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung zur Frage des Vorliegens einer groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.