Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 1 Ws 43/21 (S)


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Strafsenat Entscheidungsdatum 15.06.2021
Aktenzeichen 1 Ws 43/21 (S) ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0615.1WS43.21S.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 9. Dezember 2020 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 9. Dezember 2020, mit dem die Fortdauer der durch das Landgericht Bonn mit Urteil vom 22. Mai 2009 (23 KLs 220 Js 944/07-6/09) i.V.m. dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2008 (2 StR 481/08) i.V.m. dem Urteil des Landgerichts Bonn vom 18. Juni 2008 (21 Kls 10/08) erkannten Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet wurde.

Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:

1. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts Bonn vom 22. Mai 2009 in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2008 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Bonn vom 18. Juni 2008 wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Des Weiteren wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Untergebrachte hatte am … 2007, etwa zwei Monate nach seiner Entlassung aus 16 Jahre andauernder Haft wegen dreier einschlägiger Vorverurteilungen, dabei auch Mord zur Verdeckung einer Vergewaltigung, den B… Straßenstrich aufgesucht, um mit einer Prostituierten zu verkehren. Dort traf er auf die spätere Geschädigte und vereinbarte mit ihr, ihre Dienste gegen Bezahlung in Anspruch zu nehmen. Entgegen dieser Behauptung war der Untergebrachte jedoch entschlossen, die Durchführung des Geschlechtsverkehrs nicht zu bezahlen und diesen notfalls auch gegen den Willen der Geschädigten durchzuführen. Er nahm die Geschädigte in seinem Fahrzeug mit, um einen abgelegenen Ort zu finden. Als die Geschädigte unterwegs misstrauisch wurde und den Untergebrachten bat, anzuhalten, damit sie aussteigen könne, begann während der Fahrt ein Gerangel. Die Geschädigte griff dem Untergebrachten ins Lenkrad, wodurch dieser gezwungen war, am Seitenrand der Fahrbahn anzuhalten. Die Geschädigte konnte aus dem Fahrzeug flüchten. Der Untergebrachte lief hinter ihr her, warf sie zu Boden und versuchte, sie unter anderem an den Haaren zurück in das Fahrzeug zu zerren. Als ein vorbeifahrendes Fahrzeug anhielt und der Fahrer ausstieg, ließ der Untergebrachte von der Geschädigten ab und fuhr davon. Der Untergebrachte hatte am Vortag der Tat Alkohol und verschiedene Betäubungsmittel konsumiert. Einen Einfluss des Konsums auf die Einsichtsfähigkeit des Untergebrachten hat das erkennende Gericht insbesondere vor dem Hintergrund für ausgeschlossen gehalten, als dass er in der Lage war, in der Tatnacht den PKW auch unter kritischen Fahrbedingungen (Dunkelheit, Auseinandersetzung mit der Geschädigten) sicher zu steuern.

In dem Anlassverfahren wurde ein Gutachten der Sachverständigen Professor Dr. R... zur Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung eingeholt. Die Sachverständige hat ausweislich der Urteilsfeststellungen ausgeführt, dass bei dem Untergebrachten eine über viele Jahre erworbene, ausgeprägte Persönlichkeitsstörung festzustellen sei. Dies zeige sich insbesondere in seiner dissozialen Persönlichkeit mit narzisstischen Zügen und einer starken Neigung zur Externalisierung von Problemen bei geringer Frustrationstoleranz. Auf Grundlage der fortbestehenden Persönlichkeitsstörung neige der Untergebrachte in von ihm empfundenen Stresssituationen zu gleichartigen Sexualstraftaten, die sich dadurch auszeichneten, dass er ahnungslose Frauen zunächst in sein Kraftfahrzeug locke, um dann mit ihnen an einen abgelegenen Ort zu fahren, um dort sexuelle Handlungen zu erzwingen. Es gehe dem Untergebrachten dabei um die Machtausübung gegen einen Menschen, speziell gegenüber einer Frau. Dies zeige auch auffällige Parallelen zu den Gewaltdelikten in den Jahren 1990 und 1991. Das Tatmuster sei ähnlich. Der Untergebrachte habe in allen Fällen relativ wahllos ihm vorher unbekannte Tatopfer ausgesucht. Die vorhandenen dissozialen Tendenzen des Untergebrachten hätten sich in der Haft noch weiter vertieft und verstärkt. Der Untergebrachte zeige ein starkes Bedürfnis, sich über Regeln hinwegzusetzen und sein Umfeld nach seinem Willen zu gestalten. Die Tendenz zur Externalisierung könne auch daran festgemacht werden, dass der Untergebrachte die konflikthafte Situation der Geschädigten zuschreibe. Der Untergebrachte habe nicht die Fähigkeit, sein eigenes delinquentes Verhalten selbstkritisch zu sehen. Er zeige keine Empathie für das Tatopfer. Stattdessen stünde das eigene Ich im Vordergrund. Die Gefährlichkeit des Untergebrachten ergebe sich auch daraus, dass er trotz 16-jähriger Haft nicht gelernt habe, mit der eigenen Dynamik derart umzugehen, dass es nicht zu erneuten Straftaten komme. Er habe bereits zwei Monate nach seiner letzten Haftentlassung das sexuelle Zusammentreffen mit seinem erneuten Opfer bewusst gesucht. Die vorliegende Persönlichkeitsstörung sei letztlich nach Einschätzung der Sachverständigen Professor Dr. R... nur äußerst schwierig behandelbar.

2. Der Untergebrachte ist bereits einschlägig vorbestraft.

Das Landgericht Bonn verurteilte ihn mit Urteil vom 23. Juni 1993 wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung und Freiheitsberaubung zu einer Jugendstrafe von neun Jahren. Mit weiterem Urteil vom 12. Juli 1994 wurde er wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Aus dieser und einer weiteren Verurteilung wurde eine Gesamtstrafe von sieben Jahren gebildet. Hintergrund der oben genannten Taten war jeweils, dass der Untergebrachte zwischen Dezember 1990 und Juni 1991 insgesamt drei junge Frauen beziehungsweise Mädchen als Anhalterinnen mitnahm, um sie zu entlegenen Orten zu bringen und zu vergewaltigen. Das jüngste Opfer war 13 Jahre alt. Das erste Opfer tötete er im Anschluss an die Vergewaltigung zur Verdeckung der vorausgegangenen Tat. Während der Verbüßung der oben genannten Haftstrafen kam es 1994 zu einem versuchten Ausbruch des Untergebrachten aus der JVA (1), weswegen er vom Amtsgericht Rheinbach wegen gemeinschaftlich versuchter Gefangenenmeuterei in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer weiteren Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wurde.

Der Untergebrachte verbüßte die Strafen bis zum 10. September 2007 vollständig. Nur knapp zwei Monate nach seiner Haftentlassung beging er die Anlasstat.

3. Der Untergebrachte hatte die Strafe im Anlassverfahren am 13. April 2012 vollständig verbüßt. Mit Beschluss des Landgerichts Bochum vom 7. Februar 2012 wurde der Vollzug der Unterbringung angeordnet, die seit dem 14. April 2012 vollzogen wird. Das Landgericht Bochum hatte auf die Einholung eines Gutachtens verzichtet. In dem Beschluss wurde festgestellt, dass der Untergebrachte jeglichen Kontakt zum Sozialdienst und insbesondere zum psychologischen Dienst der Vollzugsanstalt abgelehnt hatte, obwohl ihm dies dringend angeraten worden sei. Solange eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit der Tat nicht erfolge, werde eine Erprobung des Untergebrachten außerhalb des Maßregelvollzuges nicht in Betracht gezogen. Mit Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 28. August 2013 wurde erstmals die bedingte Entlassung aus der Sicherungsverwahrung nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Ro... abgelehnt. Das Gutachten wurde nach Aktenlage erstattet, da der Untergebrachte eine Exploration ablehnte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen liege bei dem Untergebrachten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vor, die sich unter anderem durch einen Mangel an Empathie auszeichne. Im Vordergrund stehe dabei das multiform–kriminelle Verhalten des Untergebrachten mit andauernder Missachtung sozialer Normen und Regeln. Der Sachverständige Dr. Ro... hat ausgeführt, dass sich der Untergebrachte seit seinem 14. Lebensjahr normabweichend verhalte. Insbesondere aus den Sexualstraftaten sei abzuleiten, dass eine niedrige Schwelle für aggressives Verhalten bestehe. Es ergebe sich prognostisch insgesamt ein sehr ungünstiges Bild. Dies beruhe insbesondere auf der zufälligen Opferwahl, der zielgerichteten und bedenkenlosen Gewalt, die in den Taten zum Ausdruck gekommen sei, und auf der deutlich eingeschränkten sozialen Kompetenz des Untergebrachten. Er zeige keinerlei Einsicht in die Tatsache, dass bei ihm eine Persönlichkeitsstörung vorliege, und sei nicht bereit, einer durchgreifenden Psychotherapie zu folgen. Es bestehe ein sehr hohes Rückfallrisiko.

 Nachdem der Untergebrachte eine therapeutische Aufarbeitung, insbesondere die auch seitens der Justizvollzugsanstalt (2) als notwendig angesehene sozialtherapeutische Behandlung, zunächst jahrelang abgelehnt hatte, ist es Ende des Jahres 2015 zu einer Umorientierung des Untergebrachten gekommen. Im Jahre 2016 hat er – laut Stellungnahme der JVA (2) vom 25. Juli 2016 - zumeist motiviert und mit Engagement den deliktsunspezifischen Teil des Behandlungsprogramms für Sexualstraftäter (BPS) besucht. Der Untergebrachte hat bei einer externen Therapeutin eine Einzelpsychotherapie absolviert und regelmäßig Einzelgespräche mit der Leiterin des psychologischen Dienstes der JVA (2) geführt. Über fast ein Jahr unterzog er sich einer suchttherapeutischen Behandlung bei einem Suchttherapeuten. Des Weiteren hat er hat an Maßnahmen der deliktsunspezifischen Gruppe „Startblock“ sowie an einem „Skills-training“ teilgenommen.

Im Zuge der Behandlung kam es im Jahr 2018 zu einer Grenzüberschreitung gegenüber der behandelnden Psychologin. Es war dem Untergebrachten immer weniger gelungen, die Distanz zu seiner behandelnden Therapeuten zu wahren. Vor diesem Hintergrund wurde die Verlegung in eine andere Einrichtung empfohlen.

4. Am 8. November 2018 wurde der Untergebrachte in die Einrichtung Sicherungsverwahrung bei der Justizvollzugsanstalt (3) überstellt und nach Ablauf einer sechsmonatigen Erprobungszeit letztlich verlegt.

Aus der Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt (3) vom 5. März 2019 geht hervor, dass sich der Untergebrachte seit seiner Verlegung sehr aktiv und ideenreich gezeigt habe. Er habe energisch den Kontakt zu verschiedenen Mitarbeitern des Verhandlungsteams gesucht. Seine (vermeintliche) Unbekümmertheit führte zu einigen Konflikten in der Einrichtung. Der Untergebrachte habe Schwierigkeiten, Nähe und Distanz situationsangemessen zu regulieren, und es falle ihm nicht immer leicht, Persönlichkeitsgrenzen wahrzunehmen. Das Überschreiten dieser Grenzen bleibe zudem von dem Untergebrachten nicht selten unbemerkt. Im Gespräch mit dem Untergebrachten falle häufig eine drastische – aus psychologischer Sicht unter Umständen „traumanahe“ - Bildlichkeit auf, ebenso wie das fortgesetzte Bemühen, subjektives Erleben in der verallgemeinerten Form biblischer Vorlagen aufzufangen. Auf diese Weise sei wiederholt der Eindruck entstanden, dass dem Untergebrachten die Dinge (Erlebnisse ebenso wie eigene Handlungen) schlechterdings widerfahren, ohne dass er selbst Einfluss auf das jeweilige Geschehen nehmen könnte. Die mangelnde Differenzierung von Selbst– und Weltwahrnehmung erscheine vor diesem Hintergrund behandlungsbedürftig, damit „deliktspezifische Strategien“ (Risikoprävention im engeren Sinne) erfolgversprechend entwickelt und Eingang in das eigene Handlungsinventar finden könnten.

In Gesprächen mit dem psychologischen Dienst sei der Eindruck entstanden, dass der Untergebrachte ernsthaft für eine Auseinandersetzung mit seinem Verhalten und dessen Wirkungen auf andere aufgeschlossen sei. Der Untergebrachte nehme an wöchentlichen Sitzungen der Gruppenmaßnahme „Gemeinsam Leben“ und seit dem 21. Februar 2019 an der Maßnahme „Wie kommt der darauf, dass ich gefährlich bin“ teil.

5. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hatte zuletzt mit Beschluss vom 26. März 2019 die Aussetzung der weiteren Vollstreckung in der angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung abgelehnt. Die Kammer hat sich dabei auf die aus ihrer Sicht nach wie vor aktuellen, uneingeschränkt nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen D... in ihrem Gutachten vom 10. Februar 2018 gestützt. Die Sachverständige habe, in Übereinstimmung mit den Vorgutachten, eine dissoziale Persönlichkeitsstörung bei dem Untergebrachten diagnostiziert und überzeugend dargelegt, dass sich der Untergebrachte noch immer erst am Anfang einer erforderlichen und längerfristigen Behandlung befinde. Zunächst müssten noch wesentliche Teile der Deliktsbearbeitung unter therapeutischer Anleitung bewältigt werden, der Untergebrachte zeige immer noch deutliche kognitive Verzerrungen, Bagatellisierungen und Schuldzuweisungen an die Opfer. Auch die Frage einer sexuellen Präferenzstörung bzw. die Ausübung von Gewalt zum Zwecke der sexuellen Befriedigung sei bislang nicht therapeutisch bearbeitet worden, da sich der Untergebrachte diesbezüglich bislang kaum habe einlassen können. Ebenso sei noch nicht in die sowohl durch die Sachverständige als auch die Justizvollzugsanstalt als notwendig erachtete Traumatherapie, welche zur Reduzierung der Gefährlichkeit erforderlich sei, eingestiegen worden. Nach Ansicht der Kammer befinde sich der Untergebrachte jedoch auch jetzt noch in einem längerfristigen Behandlungsprozess, dessen Verlauf zunächst weiter abgewartet werden müsse. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Tatbearbeitung nach den Angaben der Leiterin der Justizvollzugsanstalt sehr zu einer emotionalen Belastung geführt habe. Zudem sei es seitens des Untergebrachten zu einer Grenzüberschreitung gegenüber der für ihn zuständigen Psychologin gekommen, indem er ihr in die Haare gegriffen, einen Schlag in die Magengegend angedeutet und später einen Liebesbrief an sie verfasst habe. Aus diesem Verhalten und dem von der Leiterin der Justizvollzugsanstalt (2) geschilderten Unmut des Untergebrachten über die Distanzierung seitens der Psychologin sei erkennbar, dass der Behandlungsprozess des Untergebrachten noch nicht abgeschlossen sei.

Auch aus der aktuellen Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt (3) ergebe sich, dass der Untergebrachte Schwierigkeiten habe, Nähe und Distanz situationsangemessen zu regulieren und persönliche Grenzen wahrzunehmen. Grenzüberschreitungen würde er zudem häufig nicht selbst erkennen. Das Verhalten des Untergebrachten sei vor diesem Hintergrund weiterhin behandlungsbedürftig.

6. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 5. September 2019 teilt der Leiter der Abteilung Sicherungsverwahrung bei der JVA (3) mit, dass der Untergebrachte nach anfänglichen Schwierigkeiten nunmehr den Eindruck vermittle, in der hiesigen Einrichtung „angekommen“ zu sein. Die anfänglichen Schwierigkeiten, Nähe und Distanz situationsangemessen zu regulieren, würden von den Mitarbeitern des Behandlungsteams deutlich weniger beobachtet. Die Behandlung sei zunächst darauf ausgerichtet, belastbare Arbeitsbeziehungen zu den Mitarbeitern des Behandlungsteams aufzubauen und dem Untergebrachten eine verlässliche und möglichst angstfreie Struktur anzubieten. Auf dieser Grundlage werde ressourcen- und risikoorientiert darauf hingearbeitet, dass der Untergebrachte einen besseren Zugang zum eigenen Erleben erlange und realistische mittel- und langfristige Lebensziele entwickle. Mit Blick auf die bisher dokumentierte delinquente und behandlerische Entwicklung ließen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus dortiger Perspektive keine Begründungsmuster entwickeln, die geeignet wären, eine Erledigung der Maßregel oder deren Aussetzung zur Bewährung überzeugend zu legitimieren.

7. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam hatte mit Beschluss vom 27. März 2020 Fortdauer der gegen den Untergebrachten angeordneten Sicherungsverwahrung angeordnet. Mit Beschluss vom 23. September 2020 hat der erkennende Senat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Kammer zurückverwiesen, weil diese den Untergebrachten nicht persönlich angehört hatte.

 8. Im vorliegenden Überprüfungsverfahren hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam den Untergebrachten am 9. Dezember 2020 persönlich angehört. Während der Anhörung hat die Leiterin für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bei der Justizvollzugsanstalt (3) über die Situation des Untergebrachten in der Einrichtung Bericht erstattet. Danach habe sich der Untergebrachte in der Einrichtung inzwischen ganz gut eingelebt. Das Modul „Lebensgeschichte“ sei mittlerweile abgeschlossen. Die von den Vorgutachtern empfohlene Traumatherapie sei aber bisher lediglich angefangen worden. Auch das BSP sei noch nicht erfolgreich abgeschlossen. Zwar habe der Untergebrachte dieses bereits durchlaufen, aber nicht hinreichend davon profitiert. Der Untergebrachte müsse ein besseres Verständnis für sich erreichen, insbesondere hinsichtlich seiner Risikofaktoren. Dazu fehle es noch an einem Plan, welcher aber wiederum erforderlich sei, um eine Entlassung anzustreben.

Mit Beschluss vom 9. Dezember 2020 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam die Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung beschlossen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass weiterhin wesentliche Teile der Deliktsbearbeitung unter therapeutischer Anleitung ausstünden und sich an der Gefährlichkeit des Untergebrachten im Überprüfungszeitraum nichts geändert habe. Gegenwärtig sei daher weiterhin davon auszugehen, dass von dem Untergebrachten im Falle einer Entlassung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche rechtswidrige Straftaten – im Sinne der Anlassverurteilung - zu erwarten seien. Die Einholung eines externen Gutachtens hat die Strafvollstreckungskammer abgelehnt.

Der Beschluss ist dem Verteidiger des Verurteilten am 23. Februar 2021 zugestellt worden. Mit dem bei Gericht am 24. Februar 2021 angebrachten Anwaltsschriftsatz hat der Untergebrachte gegen den Fortdauerbeschluss des Landgerichts Potsdam sofortige Beschwerde eingelegt und den Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot bestmöglicher Sachaufklärung gerügt. Er vertritt die Auffassung, es hätte ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werden müssen.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat mit Stellungnahme vom 13. April 2021 beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen. Der Untergebrachte hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 6. Mai 2021 dazu Stellung genommen.

II.

Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg.

1. Die gegen die Fortdauer der Sicherungsverwahrung gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten ist gemäß §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft und gemäß §§ 306, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.

2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Die Strafvollstreckungskammer hat im Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB u.a. zu prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist.

aa) Die weitere Vollstreckung der Unterbringung ist weder nach Maßgabe des § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB noch gemäß § 67d Abs. 2 Satz 2 StGB zur Bewährung auszusetzen.

(1.) Die Maßregel ist nach § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB dann zur Bewährung auszusetzen, wenn dem Verurteilten eine günstige Täterprognose gestellt werden kann. In die Entscheidung über die Aussetzungsreife ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen und zu erwägen, welche Art von Straftaten mit welcher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. OLG München NStZ-RR 2014, 230). Die Fortdauer der Unterbringung hängt in Fällen, in denen die Anlasstat – wie hier – vor dem 1. Juni 2013 begangen worden ist, gemäß Art. 316e Abs. 1 Satz 3, 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB iVm. § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB idF. vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 160) unter Beachtung des nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 2011 (BVerfGE 128, 326, 405 f.) geltenden Maßstabs „strikter Verhältnismäßigkeit“ davon ab, ob eine Gefahr schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (vgl. BGH NStZ 2013, 524, 525; BGH NStZ-RR 2014, 43; OLG Dresden, Beschluss vom 4. April 2019, 2 Ws 75/18, zit. nach juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 26. April 2016, 2 Ws 204/16, zit. nach juris, dort Rn. 12 f.), wobei unter einer Gefahr im vorgenannten Sinne von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur eine „qualifizierte Gefahr“ verstanden wird (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2019, 1 Ws 110/19, zit. n. juris, dort Rn. 20; Senatsbeschluss vom 2. Januar 2014, 1 Ws 165/13, zit. nach juris, dort Rn 14; OLG Dresden, Beschluss vom 4. April 2013, 2 Ws 75/19, zit. nach juris, dort Rn. 12; KG Beschluss vom 19. Februar 2015, 2 Ws 24/15, 141 AR 30/15, zit. nach juris, dort Rn 8; zum Grad der Gefahr siehe auch OLG Naumburg, BGH, Beschluss vom 18. Juli 2012, 2 StR 605/11, zit. nach juris, Rn. 23).

Das Landgericht Potsdam stützte seine negative Legalprognose insbesondere auf die oben dargelegte mündliche Stellungnahme der Leiterin der Einrichtung für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bei der Justizvollzugsanstalt (3) vom 9. Dezember 2020, auf deren schriftliche Stellungnahmen vom 5. März 2019 und 5. September 2019 sowie auf die externen Sachverständigengutachten, was mangels Therapiefortschritte auch zulässig ist.

Im Ergebnis zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, dass dem Beschwerdeführer keine günstige Legalprognose gestellt werden kann. Die Aussetzung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung kommt auch unter Berücksichtigung eines strengen Prüfungsmaßstabs nicht in Betracht, da die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr der Begehung erheblicher Sexualstraftaten nach wie vor so hoch ist, dass sie den mit der Sicherungsverwahrung verbundenen schweren Eingriff in seine Freiheitsrechte rechtfertigt.

Der Untergebrachte hat seit 1990 wiederholt schwerwiegende Straftaten begangen, wobei in einem Fall sein Opfer erst 13 Jahre alt war und er in einem Fall sein Opfer zur Verdeckung seiner Sexualstraftat ermordet hat. Die Verbüßung einer langjährigen Haftstrafe von 16 Jahren hatte keine nachhaltige Wirkung im Sinne einer Besserung auf den Untergebrachten gehabt. Im Gegenteil: Bereits zwei Monate nach seiner Haftentlassung beging er die Anlasstat nach demselben Muster wie die zuvor begangenen Taten, indem er wiederum eine Frau in seinen PKW lockte, um mit ihr an einen abgelegenen Ort zu fahren, um sie zu vergewaltigen.

Auch die Entwicklung des Untergebrachten im Vollzug der Maßregel erlaubt zum jetzigen Zeitpunkt keine günstige Beurteilung seiner Gefährlichkeit. Der Untergebrachte hat sich weder ausreichend mit seinen Straftaten auseinandergesetzt, noch ist es zu einer ausreichenden Bearbeitung der bestehenden Risikofaktoren sowohl hinsichtlich seiner Persönlichkeitsstörungen als auch seiner sexuellen Präferenzstruktur gekommen. Die von den Sachverständigen und der Vollzugsleitung empfohlene Traumatherapie konnte bisher nicht begonnen werden. Die Tataufarbeitung hatte bei dem Untergebrachten zunächst zu einer solchen emotionalen Belastung geführt, dass es zu dem oben beschrieben Distanzverlust gegenüber seiner Therapeutin gekommen ist, der die Verlegung aus der Justizvollzugsanstalt (2) zur Folge hatte.

Nach seiner Überstellung nach (3) im November 2018 hat sich der Untergebrachte zunächst in der neuen Einrichtung einleben und Vertrauen zu den dortigen Therapeuten fassen müssen. Seitens des Untergebrachten besteht die Bereitschaft, an weiteren Therapiemaßnahmen zur Erreichung der Vollzugsziele mitzuwirken. Der Untergebrachte befindet sich nach den Ausführungen der Leiterin der Einrichtung bei seiner richterlichen Anhörung am 9. Dezember 2020 noch in einem längerfristigen Behandlungsprozess, dessen Verlauf zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch weiter abgewartet werden muss.

Insgesamt ist daher mangels einer Tataufarbeitung und einer Auseinandersetzung mit den bestehenden Risikofaktoren weiterhin mit einem Rückfall in alte Verhaltens- und Reaktionsmuster und damit zugleich mit einem Rückfall in die Begehung erheblicher Sexual- und Gewaltdelikte, insbesondere mit erneuten Vergewaltigungen von jugendlichen Mädchen und jungen Frauen zu rechnen.

(2.) Die Vollstreckung der Unterbringung ist auch nicht nach § 67d Abs. 2 Satz 2 StGB zur Bewährung auszusetzen, weil die weitere Vollstreckung aufgrund von Defiziten im Vollzug der Maßregel unverhältnismäßig wäre.

Nach dieser Vorschrift ist die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB angeboten worden ist. An einer derartigen Fristsetzung fehlt es hier bislang, so dass eine Aussetzung zur Bewährung schon deshalb nicht in Betracht kommt (vgl. KG NStZ 2014, 273). Zudem sind aktuell Betreuungsdefizite nicht ersichtlich und von dem Untergebrachten auch nicht vorgetragen worden.

Insbesondere die Verlegung des Untergebrachten in die Einrichtung Sicherungsverwahrung bei der Justizvollzugsanstalt (3) kann mit einem Neuanfang in der therapeutischen Einwirkung auf den Untergebrachten, der sich nach eigenen Angaben in der deutlich kleineren Einrichtung mit individuelleren Betreuungsmöglichkeiten sehr wohl fühlt, einhergehen. Der Untergebrachte hat sich bereit erklärt, mit der im Vollzugsplan vorgesehenen Traumatherapie zu beginnen und an der Verwirklichung der Therapieziele aktiv mitzuarbeiten.

bb) Aus den vorgenannten Gründen ist auch die Erledigung der Maßregel nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Bei dem Untergebrachen besteht – wie oben dargelegt – weiterhin die Gefahr der Begehung erheblicher Sexualstraftaten gegenüber jugendlichen Mädchen und jungen Frauen.

c) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist auch die Einholung eines externen Gutachtens gegenwärtig nicht geboten.

Der Senat vertritt in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung die Auffassung, dass für eine Entscheidung nach 67d Abs. 2 StGB, also vor Erreichen der in § 67d Abs. 3 StGB normierten 10-Jahresgrenze der Maßregelvollstreckung, ein Sachverständiger zwingend nur dann heranzuziehen ist, wenn das Vollstreckungsgericht die Aussetzung der Sicherungsverwahrung erwägt oder zu erwägen Veranlassung haben musste (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2019, 1 Ws 110/19, zit. n. juris, dort Rn. 22; OLG Naumburg, Beschluss vom 17. November 2017, 1 Ws 328/17, zit. nach juris, dort Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Mai 2012, 3 Ws 422/12, in: NStZ-RR 2013, 27; KG Berlin, Beschluss vom 12. Mai 2014, 2 Ws 112/14, zit. nach juris, dort Rn. 9, jeweils m.w.N.), wobei sich diese Auslegung mit dem Wortlaut des § 454 Abs. 2 StPO, auf den § 463 Abs. 3 Satz 3 StPO verweist, deckt.

Darüber hinaus kann die Einholung eines externen Gutachtens im Rahmen der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) veranlasst sein, insbesondere dann, wenn neuere Entwicklungen in der Person des Verurteilten oder sonstige Gründe die Gefahrenprognose beeinflussen können. Dies ergibt sich auch aus dem Gebot bestmöglicher Sachaufklärung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. März 2014, 2 BvR 1020/13, zit. nach juris, dort Rn. 40 f.), wobei von Bedeutung sein kann, der Gefahr einer Routinebeurteilung durch die Leitung des Maßregelvollzugs entgegenzuwirken (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Mai 2012, 3 Ws 422/12, NStZ-RR 2013, 27, 28; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 67d, Rn. 27a).

Ob bzw. innerhalb welcher Abstände noch vor Ablauf der Zehnjahresfrist auch bei negativer Prognose der Anstalt ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, lässt sich nicht allgemein festlegen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 17. November 2017, 1 Ws 328/17, zit. nach juris, dort Rn. 12).

Im vorliegenden Fall ist maßgeblich von Bedeutung, dass nach der letzten externen Begutachtung durch die Sachverständige D... vom 10. Februar 2018, die zu einer vollständig negativen Prognose gelangt ist, noch keine bedeutsamen Behandlungsfortschritte erkennbar sind (vgl. dazu OLG Koblenz NStZ-RR 2005, 30). Auch die Verlegung des Untergebrachten nach Brandenburg zwingt nicht zur Einholung eines externen Gutachtens. Zwar nimmt der Untergebrachte nach anfänglichen Schwierigkeiten an den angebotenen Therapiemaßnahmen teil, jedoch ist die Zeitspanne ersichtlich noch zu kurz, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen. Auch die von den bisherigen Sachverständigen übereinstimmend empfohlene Traumatherapie steht noch am Anfang.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.