Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 3 O 167/20, 3 O 168/20


Metadaten

Gericht LG Cottbus 3. Zivilkammer Entscheidungsdatum 07.10.2020
Aktenzeichen 3 O 167/20, 3 O 168/20 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2020:1007.3O167.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Antragsgegner zu 2 (...) wird verurteilt, es zu unterlassen, die Handynummer (...) und die E-Mail-Adresse (...) des Antragsstellers in sozialen Medien zu veröffentlichen oder weiterverbreiten, wie geschehen am 27.07.2020 auf Facebook. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

2. Dem Antragsgegner zu 2 (...) wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 dieses Urteils die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis sechs Monate angedroht.

3. Von den Gerichtskosten haben der Antragsteller 5/6 und der Antragsgegner zu 2) 1/6 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Antragsstellers hat der Antragsgegner zu 2) 1/6 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 1) hat der Antragsteller vollständig und die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 2) zu 2/3 zu tragen.

4. Das Urteil ist in der Hauptsache kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbar.

Hinsichtlich der Kostenlast des Antragstellers ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Dem Antragsteller wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Antragsgegner abzuwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der jeweilige Antragsgegner vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Verfahren der Aktenzeichen 3 O 167/20 (im Folgenden Antragsgegner zu 1)) und 3 O 168/20 (im Folgenden Antragsgegner zu 1)) wurden gem. §147 ZPO im allseitigen Einverständnis durch Beschluss miteinander verbunden. Das Aktenzeichen 3 O 167/20 ist führend.

Der Antragssteller nimmt die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Veröffentlichung von nicht für die allgemeine Öffentlichkeit bestimmte Korrespondenzbeiträge des Antragsstellers im digitalen Raum in Anspruch.

Dem einstweiligen Verfügungsverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Antragssteller ist Mitglied der Stadtverordnetenversammlung der Stadt ... . Die Antragsgegner betreiben jeweils unter ihrem Namen (Antragsgegner zu 1)) bzw. unter dem Namen „...“ (Antragsgegner zu 2)) einen Facebook-Account.

Am 12.08.2019 verfasste und versendete der Antragssteller eine E-Mail von seiner privaten E-Mail-Adresse an andere Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung, welche ihm allesamt persönlich bekannt waren.

Inhalt der E-Mail war zum einen ein Entwurf über einen Antrag an die Kommunalaufsichtsbehörde auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Bürgermeister der Stadt ... im Zusammenhang mit einer von diesem auf den Weg gebrachten Klageerhebung gegen eine Kreisumlage. Zum anderen enthielt die E-Mail einen vom Antragssteller verfassten Begleittext, in dem er - zusammengefasst - u.a. zunächst über Gespräche mit der Kommunalaufsicht berichtete, in denen diese „wegen der Kreisumlage ausreichend Anhaltspunkte für gleich mehrere Dienstvergehen“ des Verfügungsbeklagten gesehen hätte, dem sich die Bitte des Verfügungsklägers anschloss, den Antragstext mit den (jeweiligen) Fraktionen zu besprechen und dann (bis zum Abend des nächsten Tages) mitzuteilen, ob sie den Antrag unterstützen würden. Dazu und auch für etwaige Rückfragen teilte der Verfügungskläger in der Mail seine private Handynummer mit und bat zudem im letzten Satz darum, dieses Vorhaben ansonsten vertraulich zu behandeln und daher dieses auch nicht in der Sitzung des Hauptausschusses am Abend des 12.08.2019 zu thematisieren. Wegen des Wortlauts und des gesamten Inhalts dieser Begleitmail des Antragsstellers vom 12.08.2019 wird auf den in der Anlage ASt 3 zur Antragsschrift im Verfahren 3 O 167/20 vom 24.08.2020 mit eingereichten Ausdruck der Mail Bezug genommen (Bl. 39 d. A.).

Der Antragssteller beabsichtigte mit der Email, im Vorfeld der Abstimmung die Mehrheitsverhältnisse hinsichtlich des geplanten Antrages zu eruieren.

Dieselbe Email wurde bereits im Jahr 2019 vom Bürgermeister der Stadt ...auf dessen privat betriebenem Facebook-Account veröffentlicht. Hiergegen ist der Antragssteller ebenfalls vorgegangen und erwirkte ein Verfügungsurteil des Landgerichts Cottbus (1 O 251/19), mit welchem dem dortigen Verfügungsbeklagten die weitere Veröffentlichung der streitgegenständlichen Email untersagt wurde.

Am 28.07.2020 (Antragsgegner zu 1; Bl. 38 d.A. 3 O 167/20) bzw. am 27.07.2020 (Antragsgegner zu 2; Bl. 48 d.A. 3 O 168/20) veröffentlichten die Antragsgegner die E-Mail in Form eines Fotos der ausgedruckten Email auf den von ihnen betriebenen öffentlichen Facebook-Accounts. Die Beiträge hatten die von den jeweiligen Antragsgegnern zugefügten Text „Ist das die Demokratie der Zukunft für dieses Land“ sowie „Was sind unsere Stimmen wert?“ (Antragsgegner zu 1) ; Bl.38 d.A. 3 O 167/20)und „Hier die Rundmail, die an die Personen ging, die an der Absetzung des BM Ennullat Interesse hatten und haben. In einem späteren Beitrag hinterfrage ich die wirtschaftlichen Interessen und Vernetzungen.“ (Antragsgegner zu 2; Bl. 48 d.A. 3 O 168/20).

Mit anwaltlichen Schreiben vom 31.07.2020 (Bl. 40 d.A. 3 O 167/20) - hier wurde zunächst der Account versehentlich falsch bezeichnet - und vom 10.08.2020 (Bl. 47 d.A. 3 O 167/20) wurde der Antragsgegner zu 1) abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung aufgefordert. Dem kam der Antragsgegner zu 1) nicht nach.

Mit E-Mail vom 27.07.2020 (Bl.50 d.A. 3 O 168/20) forderte der Antragssteller den Antragsgegner zu 2) direkt auf, die E-Mail vom 12.08.2019 von dem von ihm betriebenen Account zu entfernen. Hierauf reagierte der Antragsgegner zu 2) mit E-Mail vom selben Tag (Bl. 50 d.A. 3 O 168/20 oben) und löschte den gesamten Beitrag.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 31.07.2020 (Bl. 56 d.A. 3 O 168/20) wurde der Antragsgegner zu 2) abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung aufgefordert. Dem kam der Antragsgegner zu 2) nicht nach.

Offenbar war die E-Mail des Antragsstellers vom 12.08.2019 seit geraumer Zeit als Anlage zu einer auf den offiziellen Webseiten der Stadt ...veröffentlichten Beschlussvorlage öffentlich zugänglich.

Der Antragssteller behauptet, dass er die in der E-Mail vom 12.08.2019 genannte E-Mail-Adresse nur zu privaten Zwecken nutze.

Der Antragssteller meint, er sei durch die Veröffentlichung seiner E-Mail in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Dies vor allem soweit seine private E-Mail-Adresse und Handynummer nicht geschwärzt wurde. Ein überwiegendes Informationsinteresse bestehe nicht.

Darüber hinaus hätte eine zitat- oder auszugsweise Veröffentlichung seiner E-Mail den Zwecken der Antragsgegner genügen und ihn selbst gleichzeitig weniger beeinträchtigen können.

Der Antragssteller beantragt:

1. Die Antragsgegner werden verurteilt, es zu unterlassen, schriftliche oder sonstige drucktechnisch erstellte sowie ausdruckbare Korrespondenzbeiträge und andere Äußerungen des Unterlassungsgläubigers, insbesondere im E-Mail-Verkehr, die erkennbar nicht für eine unbestimmte Anzahl von Dritten bestimmt sind, in sozialen Medien zu veröffentlichen oder weiterzuverbreiten, wie geschehen am 28.07.2020 (3 O 167/20), bzw. am 27.07.2020 (3 O 168/20).

2. Der Antragsgegner zu 2) wird des Weitern verurteilt, es zu unterlassen, private personenbezogene Daten des Unterlassungsgläubigers, insbesondere die private Handynummer, in sozialen Medien zu veröffentlichen, wie geschehen am 27.07.2020 auf Facebook.

3. Den Antragsgegnern wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 und 2 ein Ordnungsgeld bis zu jeweils 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Die Antragsgegner beantragen,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner zu 1) behauptet, der Antragssteller habe – entgegen seiner eidesstattlichen Versicherungen vom 12.08.2020 (Bl. 25 d.A. 3 O 168/20) und vom 19.08.2020 (Bl. 15 d.A. 3 O 167/20) – auch vor der Veröffentlichung der E-Mail durch die Antragsgegner Kenntnis davon gehabt, dass seine E-Mail weiterhin öffentlich abrufbar war. Daher könne er nun nicht gegen die Fortsetzung der öffentlichen Diskussion und Wiedergabe durch bestimmte Einzelpersonen vorgehen.

Die Antragsgegner vertreten die Auffassung, dass die Verbreitung der E-Mail vom 12.08.2019 vom Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs.1 S.1 GG gedeckt ist.

Der Antragsgegner zu 2) weist darauf hin, dass der Antrag zu 2) in der Sache 3 O 168/20, d.h. der Antrag es zu unterlassen, private personenbezogene Daten des Unterlassungsgläubigers, insbesondere die private Telefonnummer, in sozialen Medien zu veröffentlichen, nicht begründet sein dürfte und eventuell schon unzulässig sein dürfte, weil es nicht nur um die Telefonnummer geht, sondern nach der konkreten Fassung des Antrages sämtliche private Daten erfasst wären.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Anträge des Antragsstellers sind teilweise begründet.

Das Landgericht Cottbus ist gem. §§ 937 I, 943 ZPO, §§ 23 Nr.1, 71 I GVG i.V.m. §§ 12, 13 ZPO sachlich und örtlich zuständig.

1. Der Antrag zu 1) ist unbegründet, weil es bereits an einem Verfügungsunterlassungsanspruch fehlt.

Die Kammer erkennt keinen Anspruch aus § 1004 I S.2 analog i.V.m. § 823 I BGB i.V.m. Art. 2 I, 1 I GG.

Indem die Antragsgegner am 27.08202, bzw. 28.07.2020 die E-Mail des Antragsstellers vom 12.08.2019 auf den von ihnen betriebenen Facebook-Profilen veröffentlichten, haben sie zwar in sein grundrechtlich geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen. Die Kammer bewertet diesen Eingriff jedoch im Ergebnis nicht als rechtswidrig.

Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht einer Person, insb. einer nicht in der Öffentlichkeit stehenden Person, gehören das Recht auf Anonymität und das Recht am gesprochenen/geschriebenen Wort. Diese Rechte folgen aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ermöglichen grds. einen Anspruch dagegen, dass persönliche Lebenssachverhalte gegen den Willen des Betroffenen offenbart werden, Kommunikationsinhalte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und seine Person so der Öffentlichkeit insb. durch Identifizierung und Namensnennung verfügbar gemacht wird. Das Selbstbestimmungsrecht erstreckt sich also auch auf die Auswahl der Personen, die unmittelbar Kenntnis von einem Gesprächsinhalt oder Schriftstück erhalten sollen. Danach kann der Einzelne grds. selbst darüber entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden (BVerfG NJW 2002, NJW Jahr 2002 Seite 3619, NJW Jahr 2002 Seite 3621 [= MMR 2003, MMR Jahr 2003 Seite 35] – Mitgehörtes Telefonat). Die nicht genehmigte Veröffentlichung einer für einen eingeschränkten Personenkreis bestimmten E-Mail berührt deshalb ebenso wie die Veröffentlichung eines Briefs das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, mithin des Antragsstellers. (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 24.11.2011 - 2 U 89/11 OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.06.2012 - 5 U 5/12-2 OLG Stuttgart,Urteil vom 10.11.2010 – 4 U 96/10; LG Cottbus, Urteil vom 08.11.2019 – 1 O 251/19 LG Köln, Urteil vom 28.05.2008, Az. 28 O 157/08 – insb. Rn. 26: Diese [E-Mail] ist vergleichbar mit einem verschlossenenBrief, der durch das Absenden ebenfalls nicht aus der Geheimsphäre entlassen wird und bei dem der Absender - anders als etwa im Falle einer offen versandten Postkarte - auch nicht damit rechnen muss, dass Dritte von seinem Inhalt Kenntnis nehmen.)

Im Hinblick auf die Grenzen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung i.R.d. APR ist jedoch zu differenzieren, ob es sich hierbei um eine private (dann Privatsphäre betroffen) oder geschäftliche (dann eher Sozialsphäre betroffen) E-Mail handelt. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich um eine E-Mail, die nicht mehr dem privaten Bereich zuzuordnen ist, da der Antragssteller die E-Mail im Rahmen seines ehrenamtlichen politischen Engagements versendete.

Die Privatsphäre umfasst hingegen lediglich den Bereich, zu dem andere nur Zugang haben, soweit es ihnen gestattet ist. Der Schutzbereich ist räumlich und thematisch bestimmt (BVerfG NJW 2000, NJW Jahr 2000 Seite 2194, NJW Jahr 2000 Seite 2195 sowie NJW 2000, NJW Jahr 2000 Seite 1021, NJW Jahr 2000 Seite 1022); zur Privatsphäre gehört insb. der häusliche und familiäre Bereich. Nicht hingegen gehören zur Privatsphäre Aktivitäten eines Menschen, die nach außen in Erscheinung getreten und von anderen Menschen wahrgenommen werden sollen. (OLG Braunschweig, Beschluss vom 24.11.2011 - 2 U 89/11)

Die E-Mail ist auch nicht deshalb schon dem privaten Bereich des Antragsstellers zuzuordnen, weil er sie von seiner privaten E-Mail-Adresse versendete. Denn dann hätte es jeder im Geschäftsverkehr in der Hand, eine Korrespondenz allein durch Wahl des verwendeten Absender-Accounts eine Interessenabwägung zugänglich zu machen oder zu entziehen. Darüber hinaus steht die Absender-Adresse auch nicht im direkten Zusammenhang mit dem Inhalt einer E-Mail und kann demnach nicht ausschlaggeben dafür sein, inwieweit dieser schutzbedürftig ist.

Auch der Umstand, dass der Antragssteller am Ende der E-Mail formulierte „Bitte behandelt dieses Vorhaben vertraulich und thematisiert dies auch nicht in der Sitzung des Hauptausschusses heute Abend.“ (Bl. 39 d.A. 3 O 167/20) führt nicht dazu, dass es sich um eine private E-Mail handelt oder der Inhalt anderweitig besonders geschützt ist. Der Satz ist vor allem dahingehend zu verstehen, dass der Antragssteller im Hinblick auf das von ihm geplante „Vorhaben“ um Diskretion bittet, um dieses nicht zu gefährden. Zur Zeit der Veröffentlichung der E-Mail durch die Antragsgegner war der Gegenstand der E-Mail bereits abgeschlossen und es handelte sich nicht mehr um ein „Vorhaben“. Genau in diesem Umstand liegt auch der wesentliche Unterschied gegenüber dem Verfahren 1 O 251/19 (hier wurde die E-Mail des Antragsstellers nur zwei Tage nach dem Versendenveröffentlicht, noch bevor der Antragssteller sein Vorhaben – Abstimmung über und Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Bürgermeister – in die Tat umsetzen konnte).

Zwar war der Empfängerkreis vorliegend durch den Antragssteller auf neun Empfänger begrenzt, gleichzeitig forderte er die Empfänger jedoch auf, den Inhalt der E-Mail innerhalb der Fraktionen zu besprechen. Auch wenn dies noch nicht als Einverständnis mit der Veröffentlichung zu werten ist, gegen welches auf die Nennung seiner Telefonnummer sprechen dürfte, so zeigt dies, dass der Inhalt keine „absolute“ Vertraulichkeit hatte.

Diese Einordnung führt zu einer Interessenabwägung zwischen dem Recht des Antragsstellers auf Anonymität und dem Recht am geschriebenen Wort als Ausfluss der informationellen Selbstbestimmung i.R.d. APR einerseits sowie dem Recht des Antragsgegners auf Presse- und Meinungsfreiheit, Art. 5 GG, andererseits.

In welchem Umfang der Einzelne berechtigterweise davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein, lässt sich aber nur unter Berücksichtigung der konkreten Situation und damit unter Einbeziehung des eigenen Verhaltens des Betroffenen beurteilen (BVerfG NJW 2006, NJW Jahr 2006 Seite 3406, NJW Jahr 2006 Seite 3408; BVerfGE 101, BVERFGE Jahr 101 Seite 361, BVERFGE Jahr 101 Seite 384 f.). Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme kann etwa dort entfallen oder zumindest i.R.d. vorzunehmenden Interessenabwägung zurücktreten, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden erklärt hat, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden (BVerfG NJW 2006, NJW Jahr 2006 Seite 3406, NJW Jahr 2006 Seite 3408; BVerfGE 101, BVERFGE Jahr 101 Seite 361, BVERFGE Jahr 101 Seite 385) oder wo er selbst an die Öffentlichkeit getreten ist. (OLG Stuttgart, Urteil vom 10.11.2010 - 4 U 96/10)

Diese Abwägung ist nach dem Dafürhalten der Kammer zu Gunsten der Antragsgegner zu entscheiden. Dafür spricht zunächst, dass hier keine privaten Themen behandelt werden, sondern die E-Mail politische Vorgänge/Pläne/Meinungsumfragen der Stadtverordnetenversammlung ... zum Gegenstand hat. In diesem Zusammenhang erfolgte die Veröffentlichung durch die Antragsgegner mit der Fragestellung „Ist das die Demokratie der Zukunft für dieses Land?“. Eine Veröffentlichung zur Auseinandersetzung der demokratischen Gesellschaftsverhältnisse ist ein berechtigtes Interesse, hinter dem der Schutz der Sozialsphäre zurück treten kann, wenn – wie hier – der Verfasser der E-Mail den vertrauenswürdigen Rahmen, in welchem er seine schriftlichen Äußerungen tätigt, selbst verlässt. Denn auch wenn der Inhalt einer E-Mail vergleichbar mit dem eines Briefes ist, so besteht nach Auffassung der Kammer eine „abgemilderter“ Vertrauensschutz insoweit, als dass bei E-Mails wegen der problemlos möglichen Weiterverbreitung an einen großen Empfängerkreis (nämlich durch wenige Mausklicks) mit einer Weiterleitung zu rechnen ist. (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10.11.2010 - 4 U 96/10)

Auch wenn die Begleitmail kein inhaltliches politisches Statement enthält, so gibt sie der Öffentlichkeit dennoch Einblick über – wohlbemerkt rechtlich nicht zu beanstandende – Abläufe, Instrumentarien und Gepflogenheiten innerhalb der (Kommunal-) Politik. Hieran besteht durchaus ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse.

Hinzukommt, dass das Verhalten des Antragsgegner eine im politischen Alltag nicht unübliche Handlung darstellt. Als politische Akteure in einem demokratischen Staat, müssen die jeweiligen Personen eine kritische Auseinandersetzung mit ihrem Verhalten und Auftreten im Rahmen ihres politischen Engagements, sei es beruflicher oder ehrenamtlicher Natur, im Interesse eines demokratisches Diskurses auch aushalten.

Auch dem Einwand des Antragsstellers, dass eine zitat- oder auszugsweise Wiedergabe seiner Nachricht eine mildere Form der Beeinträchtigung dargestellt hätte, welche den Interessen der Antragsgegner aber hätte genügen können, folgt die Kammer – zumindest soweit es nicht die persönlichen Daten des Antragsstellers betrifft - nicht. Denn zum einen hätten die Antragsgegner demnach auch den vollständigen Text zitatweise veröffentlichen können, was nach Auffassung des Gerichts keinen geringeren Eingriff darstellen würde. Insbesondere liefe aber nicht nur derjenige, der auf diesem Wege einen Text eines anderen veröffentlicht, Gefahr sich wegen kleinster Zitierfehler angreifbar zu machen, vor allem aber bestünde für den Verfasser des Textes eine viel größere Gefahr, dass seine Aussagen aus dem Kontext dargestellt und interpretiert würden.

Auch einen urheberrechtlichen Verfügungsanspruch vermag die Kammer nicht zu erkennen, da der sachliche Schutzbereich nach § 2 UrhG schon nicht eröffnet ist. So meint § 2 I Nr.1 UrhG nicht jegliche Verschriftlichungen, sondern lediglich solche, welche nach § 2 II UrhG eine gewisse Schöpfungshöhe i.S.e. persönlichen geistigen Schöpfung aufweisen (vgl.BeckOK UrhR/Ahlberg, 28. Ed. 20.4.2018, UrhG § 2 Rn. 7; Dreier/Schulze/Specht, 6. Aufl. 2018, UrhG § 97 Rn. 11 OLG Stuttgart, Urteil vom 10.11.2010 - 4 U 96/10).

2. Der Antrag zu 2) gegen den Antragsgegner zu 2) ist hingegen begründet, war im Tenor jedoch auf die konkrete mit der E-Mail des Antragsstellers veröffentlichte E-Mail-Adresse und Handynummer zu beschränken, da nur insoweit auch ein Verfügungsanspruch und –grund besteht.

Anders als für die E-Mail im Übrigen ergibt die Abwägung zwischen dem aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, ferner dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, und dem Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit ein eindeutiges Überwiegen der Interessen des Antragsstellers, da es für die Veröffentlichung von privaten, personenbezogenen Daten kein überwiegendes Informationsinteresse geben kann.

Ein Verfügungsgrund, wie er für den Erlass einer einstweiligen Verfügung vorliegen muss (§§ 935, 940 ZPO) ist auch gegeben.

Nicht nur dient jede Verfügung, die zur Verhinderung künftiger rechtswidriger „unerlaubter Handlungen“ im Sinne von § 823 BGB begehrt wird, letzten Endes auch der „Verhinderung einer drohenden Gewalt“ im weiten Sinne nach § 940 ZPO (Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Auflage 2018, § 940 Rdn. 4) und ist schon von daher gerechtfertigt. Eine Wiederholungsgefahr ist auch deshalb zu erkennen, weil der Antragsgegner zu 2) sowohl vorgerichtlich, als auch in der mündlichen Verhandlung nicht bereit war, eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben.

3. Die Androhung der Verhängung eines Ordnungsgeldes bzw ersatzweise einer Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverfügung folgt zudem aus § 890 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO.

4. Die Entscheidung über die Kosten und über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 91 I ZPO.

5. Soweit der Vollständigkeit halber die erlassene einstweilige Verfügung für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt wird, erfolgt dieser Ausspruch nur deklaratorisch, da es an sich eines Ausspruchs über die Vollziehbarkeit einer stattgebenden einstweiligen Verfügung nicht bedarf. Soweit darüber hinaus das Urteil im Hinblick auf die Kostenlast des Antragsstellers für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung mit Abwendungsbefugnis erklärt wird, beruht dies auf § 708 Nr. 6 i. V. m. § 711 ZPO.