Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Die Tarifvertragsparteien können die Zahlung einer tariflichen Überzeitzulage...

Die Tarifvertragsparteien können die Zahlung einer tariflichen Überzeitzulage bei einer Vollzeitkraft davon abhängig machen, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte Jahresarbeitszeit überschritten wird. Es verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, wenn Zeiten von Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung bei der Ermittlung der zulagenpflichtigen Überzeit nicht berücksichtigt werden.


Metadaten

Gericht ArbG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 22.04.2021
Aktenzeichen 3 Ca 876/20 ECLI ECLI:DE:ARBGCOT:2021:0422.3CA876.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 611a BGB, § 4 TzBfG, Art 3 GG, Art 9 GG, § 38 Basis-TV, § 18 FGr 1-TV, § 39 Basis-TV, § 41 Basis-TV

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 1.416,38 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine tarifliche Überzeitzulage.

Die Beklagte betreibt in Cottbus ein Fahrzeuginstandhaltungswerk der D.. Sie beschäftigt den Kläger seit dem 01. Januar 2001 als Prüfungstechniker/Messfahrten. Er erhält ein Tarifentgelt auf Grundlage der tariflichen Entgeltstufe 7 in Höhe von 3.390,81 Euro brutto. Zwischen den Parteien ist arbeitsvertraglich eine individuelle regelmäßige Jahresarbeitszeit von 2.036 Stunden vereinbart. Für ihn gilt das Wahlmodell Arbeitszeit: „Entgelterhöhung 13-er Auszahlmodell mit Urlaubsgeld“.

Auf das Arbeitsverhältnis finden die auf den Betrieb des Klägers anwendbaren Tarifverträge der Beklagten in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Regelungen zur Arbeitszeit und Entgelt sind insbesondere in dem „Basistarifvertrag zu den funktionsgruppenspezifischen Tarifverträgen und funktionsspezifischen Tarifverträgen verschiedener Unternehmen des DB Konzerns“ (Basis TV), der „Tarifvertrag für Tätigkeiten der Funktionsgruppe 1 – Anlagen- und Fahrzeuginstandhaltung – verschiedener Unternehmen des DB Konzerns“ (FGr1-TV) sowie der „Tarifvertrag zur Einführung eines Jahrestabellenentgeltes im FGr 1 bis 3, 5 und 6-TV“ (EinfTV JTE FGr-TV) geregelt.

Der FGr1-TV enthält auszugsweise folgende Regelung:

„§ 18 

Überzeitzulage

(1) Arbeitnehmer erhalten für Überzeit eine Überzeitzulage in Höhe von 4,27 EUR (ab 01. Juli 2020 in Höhe von 4,38 EUR) je Stunde.

(2) Die Überzeitzulage wird bei der Berechnung der Fortzahlungsentgelte nicht berücksichtigt.“

Der Basis TV enthält auszugsweise folgende Regelungen:

„§ 37 

Individuelles regelmäßiges Jahresarbeitszeit-Soll

(1) Als Vollzeitarbeit gilt eine – auf der Basis beidseitiger Freiwilligkeit – individuell vereinbarte Arbeitszeit von 1.827 bis 2.088 Stunden (individuelles regelmäßiges Jahresarbeitszeit-Soll) ausschließlich der gesetzlichen Ruhepausen im Kalenderjahr (Abrechnungszeitraum). Als Teilzeitarbeit gilt ein – auf der Basis beidseitiger Freiwilligkeit – individuell vereinbartes regelmäßiges Jahresarbeitszeit-Soll von weniger als 1.827 Stunden im Abrechnungszeitraum.

Protokollnotiz:

Ist in einem zwischen dem 01. Januar 2005 und dem 28. Februar 2011 abgeschlossenen Arbeitsvertrag auf eine „derzeit“ tarifvertraglich höchstmögliche Jahresarbeitszeit von 2.088 Stunden abgestellt worden, so ist diese Vereinbarung ab dem 01. März 2011, sofern nicht ausdrücklich abweichende Absprachen bestehen, unbeschadet Abs. 1 so auszulegen, dass die ab dem 01. März 2011 maßgebende Referenzarbeitszeit von 2.036 Stunden gemeint ist.

(…)     

§ 38   

Überzeit

(1) Überzeit ist die Zeit, die vom Arbeitnehmer auf Anordnung über das individuelle regelmäßige Jahresarbeitszeit-Soll abzüglich des Vortrages nach § 39 Abs. 5 – mindestens jedoch über 1.827 Stunden – geleistet wurde, einschließlich der Zeit, die nach den tarifvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen zu verrechnen bzw. anzurechnen ist.

(2) Bei einer kollektivrechtlichen Vereinbarung zur Reduzierung der Arbeitszeit bleibt die Regelung nach Abs. 1 unberührt.

Bis einschließlich 29. Dezember 2017 gilt Abs. 3 in folgender Fassung:

(3) Wünscht der Arbeitnehmer statt der Überzeitzulage (§18) eine Zeitgutschrift, werden für jede Stunde Überzeit am Ende des Abrechnungszeitraums 15 Minuten in das Arbeitszeitkonto des folgenden Abrechnungszeitraums sollreduzierend verbucht und führen in diesem Abrechnungszeitraum nicht zur Überzeit.

Die Überzeitzulage ist bereits vor dem Ende des Jahresabrechnungszeitraums am nächstmöglichen Zahltag zu zahlen.

Ab 30. Dezember 2017 gilt Abs. 3 in folgender Fassung:

(3) Wünscht der Arbeitnehmer statt der Überzeitzulage (§18) eine Zeitgutschrift, werden für jede Stunde Überzeit am Ende des Abrechnungszeitraums 15 Minuten in das Langzeitkonto des Arbeitnehmers übertragen. Die Überzeitzulage ist bereits vor dem Ende des Jahresabrechnungszeitraums am nächstmöglichen Zahltag zu zahlen.

(4) Für den Arbeitnehmer, der seine Arbeitszeit in einem vorgegebenen betrieblichen Rahmen selbst einteilt, entsteht keine Über- bzw. Minderzeit, wenn der Abrechnungszeitraum endet und er den vorgegebenen betrieblichen Rahmen zu diesem Zeitpunkt weder über- noch unterschritten hat. Erst bei angeordneter Überschreitung des betrieblichen Rahmens gelten die Bestimmungen des Abs. 1.

§ 39   

Arbeitszeitkonto

(1) Für Arbeitnehmer wird ein Arbeitszeitkonto geführt, in dem die geleisteten Zeiten und die nach den tarifvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen zu verrechnenden bzw. anzurechnenden Zeiten fortlaufend erfasst werden. Das Arbeitszeitkonto dient auch als arbeitszeitrechtliche Grundlage für das Entgelt.

(2) Arbeitszeiten, die sich von einem auf den anderen Kalendertag erstrecken, zählen zum ersten Kalendertag.

(3) Der Einsatz der Arbeitnehmer soll mit dem Ziel eines ausgeglichenen Kontostandes am Ende eines Abrechnungszeitraumes geregelt werden.

(4) Der Arbeitnehmer soll auf seinen Antrag hin nicht zur Arbeit eingeteilt werden. Dieser Antrag darf nur bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe abgelehnt werden. Darüber hinaus kann der Antrag nur abgelehnt werden, wenn erkennbar ist, dass das Arbeitszeitkonto nicht gem. Abs. 3 ausgeglichen werden kann. Antragsfristen, Fristen und Form der Beantwortung (Ablehnung) des Antrags sind in einer Betriebsvereinbarung zu regeln.

(5) Bei Überschreiten des individuellen Jahresarbeitszeit-Solls am Ende des Abrechnungszeitraums werden 50 v.H. der Überschreitung auf den folgenden Abrechnungszeitraum vorgetragen. Für die verbleibenden Zeiten der Überschreitung können Arbeitnehmer eine vollständige ober auch teilweise Übertragung voller Sunden inklusive eines möglichen auf diese Stunden entfallenden Zeitzuschlags nach § 38 Abs. 3 in das Langzeitkonto beantragen. Die nicht in das Langzeitkonto übertragenen Zeiten werden ebenfalls auf den folgenden Abrechnungszeitraum vorgetragen. Der Antrag für die Übertragung ins Langzeitkonto muss vom Arbeitnehmer einen Monat vor Ende des Abrechnungszeitraums, in dem die Stunden entstehen, gestellt werden. Der Vortrag in das Arbeitszeitkonto führt zur Reduzierung des individuellen Jahresarbeitszeit-Solls im folgenden Abrechnungszeitraum.“

Im Jahr 2018 kam die Beklagte in Anwendung der tariflichen Vorschriften zu dem Ergebnis, dass der Kläger Anspruch auf eine Überzeitzulage für 95 Stunden und 23 Minuten hat. Entsprechend rechnete sie einen Betrag in Höhe von 393,92 Euro brutto ab und zahlte diesen an den Kläger aus. Nach Berechnungen des Klägers besteht ein Anspruch auf Zahlung weiterer Überzeitzulagen für das Jahr 2018 in Höhe von 1.416, 38 Euro brutto. Der Grund für die Berechnungsdifferenz ist die zwischen den Parteien streitige Frage, wie der Krankengeldbezug des Klägers in der Zeit vom 20. August 2018 bis zum 19. Oktober 2018 zu berücksichtigen ist.

Mit Schreiben vom 23. März 2019 machte der Kläger die aus seiner Sicht zu Unrecht nicht gezahlte Überzeitzulage geltend (Anlage K3, Blatt 45 der Akte). Mit Schreiben vom 29. Mai 2019 lehnte die Beklagte die Zahlung einer weiteren Überzeitzulage ab (Anlage K4, Blatt 46 bis 48 der Akte).

Mit der am 24. August 2020 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrt der Kläger die Zahlung weiterer Überzeitzulagen in Höhe von 1.416,38 Euro brutto nebst Zinsen. Der Kläger trägt vor, alle von ihm geleisteten Überstunden im Jahr seien mit den tariflichen Überzeitzulagen zu vergüten. Das für die Berechnung der Überzeitzulagen zugrunde zu legende Jahresarbeitszeit-Soll sei aufgrund des Krankengeldbezuges zu reduzieren. Eine tarifvertragliche Regelung, nach der ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge erst besteht, wenn die für eine Vollzeittätigkeit maßgebliche Stundenzahlt überschritten werde, sei nach § 4 Satz 1 TzBfG unwirksam. Durch Mehrarbeitszuschläge werde der individuelle Freizeitbereich der Arbeitnehmer geschützt. Der Zweck, die Einbuße an Freizeit zu belohnen, könne nur dann erreicht werden, wenn jegliche Mehrarbeit zusätzlich vergütet werde. Durch die tariflichen Regelungen würden folgende Gruppen von Vollzeitarbeitnehmern benachteiligt:

1. Arbeitnehmer aufgrund des Vortrages von mehr als (in der Regel) 209 Überstunden abgesenktem individuellen Jahresarbeitszeit-Soll,

2. Neueingestellte Vollzeitarbeitnehmer, mit einem aufgrund einer nicht drei ganzjährigen Beschäftigung anteilig abgesenktem individuellen Jahresarbeitszeit-Soll,

3. Arbeitnehmer, die aufgrund von Freistellungstatbeständen einen niedrigeren Ist-Kontostand haben und trotz Mehrarbeit in den Arbeitsphasen individuelle Arbeitszeitschwelle nicht erreichen.

Dem Kläger sei es aufgrund von längeren Phasen ohne Arbeit (Arbeitsunfähigkeit über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus) nicht möglich gewesen, das Jahresarbeitszeitkonto zu füllen und so trotz Mehrarbeit während der Arbeitsphasen die Überzeitschwelle nicht bzw. nicht in vollem Umfang erreicht und überschritten zu haben. Der Kläger habe aufgrund der geleisteten Mehrarbeit nicht über seine Freizeit verfügen können. Im Vergleich zu einem Arbeitnehmer in Vollzeit bekomme er nicht für die erste Stunde Mehrarbeit den tarifvertraglich vorgesehenen Überzeitzuschlag. Eine derartige Ungleichbehandlung sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt.

Der Kläger stellt folgenden Antrag:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Überzeitzuschläge für das Jahr 2018 in Höhe von 1.416,38 Euro brutto zu zahlen nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2019, hilfsweise seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe keinen tarifvertraglichen Anspruch auf die Vergütung von Überzeitzulagen für weitere Stunden. Die Beklagte habe die dem Kläger zustehenden Überzeitzuschläge zutreffend berechnet und ausgezahlt. Ausgangspunkt der Berechnung sei die individuelle nach dem Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit in Höhe von 2.036 Stunden. Abzüglich der nach § 39 Absatz 5 Basis TV zu übertragenen Zeiten in Höhe von 53,07 Stunden ergebe sich ein Jahresarbeitszeit-Soll in Höhe von 1.982 Stunden und 53 Minuten. Tatsächlich seien beim Kläger 2.078 Stunden und 16 Minuten als tatsächlich geleistete Stunden zu berücksichtigen. Dies ergebe eine zuschlagspflichtige Überarbeit von 95 Stunden und 23 Minuten. Bei dieser Berechnung seien nach § 41 Basis TV Zeiten des Krankengeldbezuges nicht gesondert zu berücksichtigen. Nach den tarifvertraglichen Regelungen haben diese Zeiten keinen Einfluss auf die für die Berechnung von Überzeiten maßgebliche individuelle regelmäßige Jahresarbeitszeit. Die tarifvertraglichen Regelungen verstoßen insoweit auch nicht gegen das Verbot von Teilzeitdiskriminierung oder den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 06. Oktober 2020 und 22. April 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zahlung einer weiteren Überzeitzulage nach § 611a Absatz 2 BGB, § 18 FGr1-TV i.V.m. §§ 38 Absatz 1, 39 Absatz 5, 41 Absatz 6 Basis TV. Die Beklagte hat die dem Kläger zustehende Überzeitzulage zutreffend berechnet und ausgezahlt. Weitergehende Ansprüche des Klägers bestehen nicht.

1.

Nach den tariflichen Regelungen wird eine Überzeitzulage bei Vorliegen folgender Voraussetzungen gezahlt. Nach § 18 Absatz 1 FGr1-TV erhalten Arbeitnehmer im Jahr 2018 für Überzeit eine Überzeitzulage in Höhe von 4,27 Euro. Dabei ist nach § 38 Basis TV Überzeit die Zeit, die vom Arbeitnehmer auf Anordnung über das individuelle regelmäßige Jahresarbeitszeit-Soll abzüglich des Vortrages nach § 39 Absatz 5 Basis TV – mindestens jedoch über 1.827 – geleistet wurde, einschließlich der Zeit, die nach den tarifvertraglichen gesetzlichen Bestimmungen zu verrechnen bzw. anzurechnen ist. Nach § 39 Absatz 5 Basis TV werden bei Überschreiten des individuellen Jahresarbeitszeit-Solls am Ende des Abrechnungszeitraumes 50 Prozent der Überschreitung auf den folgenden Abrechnungszeitraum vorgetragen. Für die verbleibenden Zeiten der Überschreitung können Arbeitnehmer eine vollständige oder teilweise Übertragung voller Stunden inklusive eines möglichen auf diese Stunden entfallenden Zeitzuschlags nach § 38 Absatz 3 Basis TV in das Langzeitkonto beantragen. Die nicht in das Langzeitkonto übertragenen Zeiten werden ebenfalls auf den folgenden Abrechnungszeitraum vorgetragen. Der Vortrag in das Arbeitszeitkonto führt zur Reduzierung des individuellen Jahresarbeitszeit-Solls im folgenden Abrechnungszeitraum. § 41 Basis TV regelt die Arbeitszeitbewertung verschiedener Arbeitsbefreiungstatbestände. Nach § 41 Absatz 6 Basis TV wird bei Versäumnis von Arbeitszeit ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung und bei Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung des Entgeltes das individuelle Jahresarbeitszeit-Soll um die entsprechende Arbeitszeit verringert.

2.

Nach diesen tariflichen Vorschriften bestehen keine weitergehenden Ansprüche des Klägers. Die Beklagte geht zutreffend davon aus, dass Ausgangspunkt der Berechnungen die arbeitsvertraglich vereinbarte Jahresarbeitszeit des Klägers ist. § 38 Absatz 1 Basis TV spricht insoweit über das „individuelle regelmäßige Jahresarbeitszeit-Soll“. Durch das Wort „regelmäßig“ bringen die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, dass hiermit die vertraglich vereinbarte Jahresarbeitszeit gemeint ist und nicht eine aufgrund von besonderen Tatbeständen ausnahmsweise reduzierte Jahresarbeitszeit. Diese individuell regelmäßige Jahresarbeitszeit beträgt für das Jahr 2018 unstreitig 2.036 Stunden. Von diesem Wert ist zur Berechnung der zuschlagspflichtigen Überzeit der Vortrag nach § 39 Absatz 5 Basis TV in Abzug zu bringen. Dieser Abzug beträgt unstreitig 53,07 Stunden, so dass der Ausgangswert für die Berechnung der Überzeit 1.982 Stunden und 53 Minuten im Jahr 2018 gewesen ist. Die zuschlagspflichtige Überzeit ist die Zeit, die vom Kläger über diesen Wert hinaus geleistet worden ist. Hierbei sind entgegen der Auffassung des Klägers die Zeiten, in denen der Kläger Krankengeld bezogen hat, nicht zu berücksichtigen. § 41 Absatz 6 Basis TV regelt, wie versäumte Arbeitszeiten ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen sind. Sie führen zu einer Verringerung des individuellen Jahresarbeitszeit-Solls um die entsprechende Arbeitszeit. Zweck dieser Regelung ist es, dass die Arbeitnehmer für die Zeiten der Krankengeldzahlung keine Arbeitszeitschuld aufbauen, die sie später zum Nachholen der versäumten Arbeitszeit verpflichten würde. Anders als Arbeitsunfähigkeitszeiten mit Entgeltfortzahlung (§ 41 Absatz 4 Basis TV) wird die geplante Arbeitszeit des Arbeitnehmers nicht als geleistete Arbeitszeit bewertet. Krankheitszeiten ohne Entgeltzahlung haben danach keinen Einfluss auf das nach § 38 Absatz 1 Basis TV maßgebliche individuelle regelmäßige Arbeitszeitsoll und auf die zu berücksichtigten geleisteten Arbeitsstunden. Die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ohne einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung sind aus diesem Grunde nicht als tatsächlich geleistete Stunden zu berücksichtigen, so dass es bei 2.078 Stunden und 16 Minuten tatsächlich geleisteter Stunden verbleibt und nur Überzeiten von 95 Stunden und 23 Minuten mit dem Überzeitzuschlag zu vergüten sind. Für diese Zeit hat die Beklagte unstreitig die sich hieraus ergebenen Überzeitzuschläge abgerechnet und an den Kläger ausgezahlt.

3.

Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes keine hiervon abweichende Anwendung der tarifvertraglichen Vorschriften. Insbesondere verstößt diese Auslegung der tarifvertraglichen Vorschriften und die in diesem Sinne jahrelang praktizierte Abrechnungspraxis der Beklagten nicht gegen höherrangiges Recht.

a)

Dabei geht die Kammer davon aus, dass Tarifnormen grundsätzlich so auszulegen sind, dass sie nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht stehen. Die Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel Regelungen treffen, die mit dem höherrangigen Recht übereinstimmen. Lässt eine Tarifnorm eine Auslegung zu, die zu einem mit höherrangigem Recht zu vereinbarenden Ergebnis führt, ist sie in diesem Sinne anzuwenden (vgl. BAG, Urteil vom 19. Dezember 2018 - 10 AZR 231/18 -, Rn. 45; BAG, Urteil vom 23. März 2017 - 6 AZR 161/16 -, Rn. 42 mit weiteren Nachweisen).

b)

Die Nichtberücksichtigung von Zeiten von Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung bei der Ermittlung der zuschlagpflichtigen Überzeit verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Ein solcher Verstoß ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 19. Dezember 2018 – 10 AZR 231/18. In dieser Entscheidung hatte das Bundesarbeitsgericht eine tarifvertragliche Bestimmung auszulegen, nach der für Teilzeitkräfte ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge erst besteht, wenn die für eine Vollzeittätigkeit maßgebliche Stundenzahl überschritten wird. Das Bundesarbeitsgericht ist in dieser Entscheidung zum Ergebnis gekommen, dass eine solche tarifvertragliche Bestimmung gegen § 4 Absatz 1 Satz 1 TzBfG verstoße, da Teilzeitbeschäftigte hierdurch schlechter behandelt würden als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte, ohne dass dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Eine geringere Arbeitszeit dürfe grundsätzlich nur quantitativ, nicht qualitativ anders vergütet werden als Vollzeitarbeit (vgl. BAG, Urteil vom 19. Dezember 2018 - 10 AZR 231/18 -, Rn. 49). Die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Unstreitig handelt es sich bei dem Kläger nicht um eine Teilzeitkraft, sondern um eine Vollzeitkraft. Es ist insoweit rechtlich ohne weiteres zulässig, dass für den Kläger als Vollzeitkraft die Grenze für Überzeit entsprechend der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit als Vollzeitkraft zugrunde gelegt wurde. Der Anwendungsbereich von § 4 Absatz 1 Satz 1 TzBfG ist bei einem Vergleich von Vollzeitkräften mit Vollzeitkräften nicht eröffnet.

c)

Durch die tarifvertragliche Regelung wird auch nicht der allgemeine Gleichheitssatz verletzt.

aa)

Die Tarifvertragsparteien haben grundsätzlich den Gleichheitssatz bei der Schaffung tarifvertraglicher Regelungen zu beachten. Die Tarifvertragsparteien sind zwar bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierung führen und deshalb Artikel 3 Absatz 1 GG verletzen (vgl. BAG, Urteil vom 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 -, Rn. 29). Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz in der Regel verletzt, wenn eine Gruppe von Regelungsadressaten im Vergleich zu einer anderen unterschiedlich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07. Mai 2012 - 2 BVR 909/06 -, Rn. 73ff; BAG, Urteil vom 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 -, Rn. 31). Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständiger Grundrechtsträger aufgrund der durch Artikel 9 Absatz 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen und dem Zweck der Leistung ab. Dabei steht den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. BAG, Urteil vom 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 -, Rn. 31; BAG Urteil vom 15. Januar 2015 - 6 AZR 646/13 -, Rn. 32). Nach der Konzeption des Grundgesetzes ist die Festlegung der Höhe des Entgeltes, wie auch der weiteren, den tarifgebundenen Arbeitnehmern zufließenden Leistungen, grundsätzlich Sache der Tarifvertragsparteien, weil dies nach Überzeugung des Verfassungsgebers zu sachgerechteren Ergebnissen führt als eine staatlich beeinflusste Entgelt- und Leistungsfindung. Das schließt auch die Befugnis zur Vereinbarung von Regelungen ein, die dem Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen mögen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (vgl. BAG, Urteil vom 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 -, Rn. 32; BAG, Urteil vom 11. Dezember 2013 - 10 AZR 736/12 -, Rn. 14).

bb)

Nach diesen Grundsätzen liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch die getroffene tarifvertragliche Regelung vor. Die Tarifvertragsparteien sind nicht gezwungen, für Arbeitnehmer, die aufgrund von Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne Entgeltfortzahlung nicht in der Lage sind, die für die Annahme von Überzeit gesetzte Grenze zu erreichen, eine differenzierende Regelung zu schaffen. Die Tarifvertragsparteien wollten durch die getroffenen Regelungen erreichen, dass Überzeitzulagen erst dann anfallen, wenn die arbeitsvertraglich vereinbarte Jahresarbeitszeit im Jahr überschritten wird. Eine solche Regelung ist grundsätzlich sachlich vertretbar. Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, wenn Tarifvertragsparteien die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen davon abhängig machen, dass die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschritten wird. Dabei mussten die Tarifvertragsparteien nicht zwingend berücksichtigen, dass aufgrund einer fehlenden Arbeitsverpflichtung in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltzahlung und der Nichtberücksichtigung dieser Zeiten in den Arbeitsphasen geleistete Mehrarbeit nicht vergütet wird. Die Tarifvertragsparteien sind innerhalb der Grenzen ihrer Regelungsmacht, wenn sie die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit als Bezugspunkt für die Bezahlung von Mehrarbeitszuschlägen nehmen. Es ist insoweit nicht unzulässig, dass Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, für die Krankengeld gezahlt wird, zu einer Minderung von Arbeitsentgelt führen. So sind Arbeitgeber nach den gesetzlichen Regelungen nur für die Dauer von sechs Wochen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet. Für darüberhinausgehende Zeiten entfällt die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers. Arbeitgeber sollen nach dem Willen des Gesetzgebers durch langfristige Erkrankungen finanziell nicht zusätzlich belastet werden. Es liegt insoweit zumindest ein sachlich vertretbarer Grund vor, wenn die Tarifvertragsparteien diese Zeiten auch bei der Frage, ob am Ende des Jahres Überzeitzulagen zu zahlen sind oder nicht, nicht berücksichtigen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Absatz 2 ArbGG, 91 Absatz 1 ZPO. Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III.

Die Entscheidung über die Höhe des Streitwertes folgt aus § 61 Absatz 1 ArbGG. Der Streitwert entspricht der geltend gemachten Forderung.