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Asylrecht; sicherer-Drittstaat-Verfahren; Bulgarien


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 10. Kammer Entscheidungsdatum 18.06.2021
Aktenzeichen 10 K 1228/20.A ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2021:0618.10K1228.20.A.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 29 Abs 1 Nr 2 AsylVfG 1992

Leitsatz

erwerbsfähige international Schutzberechtigte unterliegen in Bulgarien keinen systemischen Mängeln der dortigen Aufnahmebedingungen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens;

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der nach unbelegten Angaben 1997 geborene und aus Syrien stammende Kläger wurde am 17. März 2020 an der deutsch-österreichischen Grenze von der deutschen Polizei nach Österreich zurückgewiesen. Am 2. Juli 2020 reiste er ins Bundesgebiet ein und meldete er sich am 8. Juli 2020 in Berlin als Asylsuchender. Ein Eurodac-Treffer vom 15. Juli 2020 ergab, dass der Kläger am 7. November 2019 in Bulgarien einen Asylantrag gestellt, dort am 27. Januar 2020 internationalen Schutz zuerkannt erhalten sowie am 24. März 2020 in Österreich wiederum einen weiteren Asylantrag gestellt hatte.

Am 24. Juli 2020 brachte der Kläger bei der Außenstelle Eisenhüttenstadt des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen weiteren Asylantrag an. In einem Fragebogen führte er hierzu aus, dass er zwei Verwandte in Deutschland habe; er sei 2011 aus Syrien ausgereist und unter anderem über Bulgarien nach Deutschland gelangt. An anderer Stelle gab er an, am 1. Juni 2019 aus Syrien ausgereist zu sein.

Bei seiner Anhörung gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt am 27. August 2020 an, dass er in Bulgarien internationalen Schutz erhalten habe; er sei sechs Monate lang in Bulgarien geblieben, wo er eine Anhörung gehabt und Ausweisdokumente erhalten habe, darunter eine Aufenthaltserlaubnis gültig für drei Jahre. Seine Unterlagen habe er in Österreich verloren. In Bulgarien habe er sich vier Monate lang in einem Camp aufgehalten, anschließend einen Monat bei einem Freund. In Bulgarien habe es nichts gegeben; es sei schwer gewesen, eine Wohnung zu finden. Bei der Einreise sei er von der Polizei geschlagen und zu einer Bewährungsstrafe von drei Monaten verurteilt worden.

Das Bundesamt lehnte den Asylantrag des Klägers mit am 1. September 2020 zugestelltem Bescheid vom 28. August 2020 als unzulässig ab (Ziffer 1); ferner versagte es die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes (Ziffer 2), forderte es den Kläger unter Androhung einer Abschiebung nach Bulgarien zur Ausreise innerhalb einer Woche auf, wobei er nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfe (Ziffer 3), verfügte es ein auf 30 Monate befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 4) und setzte es die Vollziehung der Abschiebungsandrohung aus (Ziffer 5). Auf den Bescheid wird Bezug genommen.

Am 3. September 2020 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er mit am 12. Oktober 2020 eingegangenem Schreiben anführt, dass er in Bulgarien zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt worden sei. Nach seiner Flüchtlingsanerkennung habe man ihn auf die Straße gesetzt. Er habe keine Wohnung gefunden, da er keine Sozialhilfe bekommen habe; daher habe er sich nicht arbeitssuchend melden können. Im Übrigen herrsche in Bulgarien Ausländern gegenüber Rassismus vor. Eine Überstellung nach Bulgarien sei wegen systemischer Schwachstellen nicht zulässig.

Der in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehörte Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. August 2020 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm internationalen Schutz zuzuerkennen,

hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des genannten Bescheides zu verpflichten, ihm nationalen Abschiebungsschutz hinsichtlich Bulgariens zuzuerkennen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angegriffenen Bundesamtsbescheid,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 29. Oktober 2020 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des vorgelegten Bundesamtsvorganges Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht verhandelt und entscheidet in Ansehung des entsprechenden Hinweises in der Ladungsverfügung auch in Abwesenheit von Vertretern der Beklagten (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die Klage, die der Kläger ausweislich seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung mit anwaltlicher Unterstützung erhoben hat, ist in Bezug auf die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des angegriffenen Bundesamtsbescheides nur als Anfechtungsklage statthaft, in Bezug auf ein hilfsweise beanspruchtes nationales Abschiebungsverbot als Verpflichtungsklage, so dass eine Zuerkennung nationalen oder internationalen (Asyl-) Schutzes im vorliegenden Klageverfahren von vornherein nicht erzielt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 - juris Rn. 16).

Die Klage ist hinsichtlich des nicht statthaften Umfangs als unzulässig abzuweisen; im Übrigen ist sie zulässig, namentlich fristgerecht erhoben worden; sie hat indes in der Sache keinen Erfolg: der angegriffene Bundesamtsbescheid erweist sich im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. AsylG) als rechtmäßig und verletzt den Kläger auch sonst nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheides unterliegt angesichts des dem Kläger unzweifelhaft in Bulgarien zuerkannten internationalen Schutzes keinen rechtlichen Bedenken; ein nationales Abschiebungsschutzbedürfnis - allein bezogen auf Bulgarien - steht dem Kläger nicht zur Seite (betr. Ziffer 2); die im Rahmen der Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheides enthaltenen Rechtsmängel (dazu vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - juris) verletzen den Kläger angesichts der Vollzugsaussetzung in Ziffer 5 des Bescheides nicht in seinen Rechten, wobei der Kläger durch das Verbot einer Abschiebung nach Syrien ohnehin nicht beschwert ist, und das Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffer 4 des Bescheides erweist sich ebenfalls als rechtsfehlerfrei.

Die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 ist zu Recht auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützt, weil der Kläger bereits in Bulgarien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt erhalten hat, weshalb er nach dem asylrechtlichen Subsidiaritätsprinzip keinen (weitergehenden) Schutzbedarf (mehr) hat. Dies bestreitet der Kläger im vorliegenden Klageverfahren der Sache nach auch gar nicht; er macht vielmehr angebliche systemische Schwachstellen der bulgarischen Aufnahmeverhältnisse für international Schutzberechtigte geltend und verweist inhaltlich im Wesentlichen darauf, dass er Familienangehörige in Deutschland habe. Mit diesem Vortrag kann der Kläger nicht durchdringen, da die behaupteten systemischen Schwachstellen auch nach der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg jedenfalls regelmäßig nicht festzustellen sind und es auf den Schutzstatus anderweitiger Familienangehöriger nicht ankommt, solange der Kläger - was hier freilich nicht erkennbar ist - auf diese nicht angewiesen, sondern darauf zu verweisen ist, sich seinen Lebensunterhalt selbstständig erwirtschaften zu können. In der Rechtsprechung der Kammer ist geklärt, dass grundsätzlich keine systemischen Mängel des bulgarischen Aufnahmesystems zu Tage liegen (Beschluss der Kammer vom 17. Juni 2021 - VG 10 K 181/21.A -).

Im Einzelnen:

Gegen eine Verletzung von Art. 4 GRch in Gestalt systemischer Schwachstellen des Aufnahmesystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union - hier: Bulgariens - streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen und zuerkannt erhalten, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - juris Rn. 85).

Die zur Widerlegung dieser Vermutung besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 - juris Rn. 90). Daher ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Ent-scheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzu-lässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antrag-steller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits interna-tionalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber be-stimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 - juris Rn. 88).

Dem Gericht liegen keine objektiven Erkenntnisse vor, dass infolge Gleichgültigkeit bulgarischer Behörden eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, die unionsrechtliche Vermutung im vorliegenden Falle also widerlegt wäre.

Die individuellen Erlebnisse eines Betroffenen sind in diesem Zusammenhang keine Grundlage für die Widerlegung der Vermutung. Sie stellen schon keine objektiven Angaben im oben genannten Sinne dar. Ferner kommt ihnen, zumal wenn sie wie hier mehrere Jahre zurückliegen, nur in begrenztem Umfang Erkenntniswert zu, kei-nesfalls führen sie zur einer Beweislastumkehr (BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 - Buchholz 402.25 § 27a AsylVfG Nr. 2). Dies gilt im Falle des Klägers vor dem Hintergrund erst recht, dass er sich widersprechende Angaben zur angeblichen Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe gemacht hat; außerdem kommt es für die Frage systemischer Mängel nicht (mehr) darauf an, unter welchen Bedingungen der Kläger überhaupt Zugang zum bulgarischen Asylverfahren erhalten hat, weil es feststeht, dass ihm dieser Zugang - mit Erfolg - gewährt worden war. Auch kann es dahingestellt bleiben, dass der Kläger in Bulgarien angeblich „nichts“ erhalten habe; immerhin sind ihm die von Unionsrechts wegen auszustellenden Personaldokumente erteilt worden, die er aus verfahrenstaktischen Gründen „verloren“ haben will und mit welchen ihm in Bulgarien alle erforderlichen (Eigen-) Anstrengungen zur Erlangung eines auskömmlichen Aufenthalts ermöglicht worden sind.

Einer Überstellung nach Bulgarien stehen ebenso wenig Stellungnahmen des UN-HCR entgegen. Der Hohe Flüchtlingskommissar hat seine im Januar 2014 erhobene Forderung nach einem generellen Abschiebestopp bereits im April 2014 aufgegeben und nur für besonders vulnerable Personen von einer Abschiebung abgeraten. An-sonsten empfiehlt der UNHCR eine Einzelfallprüfung (vgl. Stellungnahme vom 6. und 7. November 2014).

Unabhängig davon, dass dem Gericht keine objektiven, zuverlässigen, genauen und gebührend aktualisierten Angaben vorliegen, die die unionsrechtliche Vermutung entkräften, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im Falle des Klägers nicht zu besorgen ist, dass er extremer materieller Not anheimfiele, die es ihm verwehrte, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, er also gezwungen sein würde, ohne Zugang zu sanitären Einrichtungen oder Nahrungsmitteln auf der Straße zu leben. Denn extreme Not begründet nur dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK, wenn der Betroffene ihr unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen ausgesetzt ist (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 - juris Rn. 90).

Für international Schutzberechtigte, die - wie der Kläger - gesund und arbeitsfähig sind und die keine besondere Verletzlichkeit aufweisen, besteht in Bulgarien keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sind (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. März 2020 - OVG 3 N 54.17 - juris Rn. 8 für eine Frau mit Schlafstörung, Appetitmangel, Unruhe und erhöhter Spannung; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2019 - OVG 3 B 8.17 - juris m. w. N. für einen gesunden Mann; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Oktober 2019 - A 4 S 2476/19 - juris Rn. 16ff. für eine Flüchtlingsfamilie).

Rückkehrer nach Bulgarien haben die Möglichkeit, extreme Not durch eigene Erwerbstätigkeit abzuwenden, sei es auch als ungelernte Arbeitskräfte (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2019 - OVG 3 B 8.17 - juris Rn. 57ff.). So heißt es etwa in der Auskunft der Botschaft Sofia an das Auswärtige Amt vom 1. März 2018 zur bulgarischen Integrationsverordnung, dass auf dem Land häufig Mitarbeiter für einfache Tätigkeiten in der Landwirtschaft und Gastronomie, auch ohne besondere Ausbildung und bulgarische Sprachkenntnisse, gesucht würden, auf der anderen Seite aber kaum Bereitschaft der Betroffenen bestehe, sich in der Provinz niederzulassen. Auch infolge des Rückgangs der Bevölkerung in der bulgarischen Provinz erkundigten sich Unternehmen bei der Flüchtlingsagentur, wie sie auf Grund der mittlerweile geschaffenen Integrationsverordnung Flüchtlinge vor Ort aufnehmen könnten (Botschaft Sofia, Auskunft an das Auswärtige Amt vom 1. März 2018). Auch das Auswärtige Amt berichtet davon, dass sich Unternehmer in der jüngsten Vergangenheit zunehmend danach erkundigten, wie sie Flüchtlinge beschäftigen könnten, wobei auch Unterkunftsmöglichkeiten, insbesondere auf dem Land, angeboten würden (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018). Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist das mit einigen dieser Tätigkeiten erzielte Einkommen auskömmlich, um den Lebensbedarf und eine Unterkunft zu finanzieren (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018). Eine feste Meldeanschrift spielt für die Arbeitsaufnahme keine entscheidende Rolle (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018).

Ebenso ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass international Schutzberechtigte in Bulgarien obdachlos werden (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2019 - OVG 3 B 8.17 - juris Rn. 37; VG Freiburg [Breisgau], Urteil vom 12. März 2019 - A 5 K 1829/16 - juris Rn. 31; VG Karlsruhe, Urteil vom 30. Oktober 2018 - A 13 K 3922/18 - juris Rn. 32; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Mai 2019 - A 4 S 1329/19 - juris Rn. 20). Zunächst liegen keine Erkenntnisse vor, dass international Schutzberechtigte im Allgemeinen obdachlos oder insoweit besonders gefährdet sind (zuletzt: Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2019; Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Potsdam vom 16. Januar 2019; Auswärtiges Amt, Auskunft an OVG Niedersachsen vom 18. Juli 2017). Unabhängig von der Möglichkeit, Wohnraum selbst zu finanzieren und anzumieten, gewähren die Aufnahmezentren für Asylbewerber bei freien Kapazitäten auch international Schutzberechtigten für sechs Monate Unterkunft. Das ergibt sich aus verschiedenen Erkenntnismitteln, die aus voneinander unabhängigen Quellen stammen (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Bulgarien vom 13. Dezember 2017, S. 19; Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Trier vom 26. April 2018; AIDA, Country Report: Bulgaria, Update 2018, Stand 31.Dezember 2018, S. 76 zit. nach VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Mai 2019 a.a.O.). Auf die Aufnahme in einem Aufnahmezentrum besteht zwar kein Rechtsanspruch. Allerdings verfügen die Aufnahmezentren nach übereinstimmender Auskunftslage der vorgenannten Erkenntnismittel mittlerweile über deutliche Überkapazitäten, die international Schutzberechtigten zur Verfügung gestellt werden. Zum 1. April 2018 waren die staatlichen Flüchtlingsunterkünfte nur zu 17% ausgelastet (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 26. April 2018). Des Weiteren gibt es landesweit zwölf „Zentren für temporäre Unterbringung“, die laut Bundesamt für maximal drei Monate im Jahr unterkunftsbedürftigen international Schutzberechtigten bis zu 607 Plätze (BAMF, Länderinformation: Bulgarien vom 1. April 2018, S. 9) zur Verfügung stellen. Schließlich werden international Schutzberechtigte durch bulgarische wie internationale Nichtregierungsorganisationen (Bulgarisches Rotes Kreuz, Caritas, UNHCR) im Rahmen vielfältiger Programme u.a. auch bei der Wohnungssuche unterstützt (Auswärtiges Amt, Auskunft an OVG Thüringen vom 18. Juli 2018). Diese Erkenntnisse zur Unterbringungssituation anerkannter Flüchtlinge werden in den Auskünften des Auswärtigen Amtes vom Januar und vom März 2019 erneut bestätigt. Danach sorgt die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen – gepaart mit einer niedrigen Anzahl von in Bulgarien verweilenden Flüchtlingen – dafür, dass es kaum obdachlose Flüchtlinge gibt (Auswärtiges, Auskunft an VG Potsdam vom 16. Januar 2019; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2019).

Der Zugang zum Gesundheitssystem ist ebenfalls sichergestellt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2019 - OVG 3 B 8.17 - juris Rn. 68). Die Versicherung im nationalen Gesundheitssystem ist grundsätzlich auch für international Schutzberechtigte zugänglich. Voraussetzung ist - wie bei bulgarischen Staatsangehörigen - die Zahlung eines monatlichen Beitrags. Im Übrigen ist nach den vorliegenden Erkenntnissen auch beim Fehlen einer Krankenversicherung die gemäß Art. 3 EMRK gebotene medizinische Notfallversorgung gegeben (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 14. November 2016 - 12 K 5984/16.A - juris Rn. 41). Auch ohne eine Versicherung - etwa auf Grund von Arbeitslosigkeit - besteht - wie für bulgarische Staatsangehörige - Zugang zu einer Notfallversorgung (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018).

Soweit eine mangelnde Umsetzung der EU-Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/05/EU) zur Begründung einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch den bulgarischen Staat angeführt wird (vgl. z.B., VGH Kassel, Urteil vom 4. November 2016 - 3 A 1292/16.A -: VG Göttingen, Beschluss vom 3. November 2016 - 2 B 361/16 -, jeweils nach juris), geht dies fehl. Ob der Betroffene eine Situation vorfindet, die auch den sekundärrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts entspricht, insbesondere ihn dort Integrationsprogramme erwarten, ist rechtlich irrelevant. Verstöße gegen Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und damit etwa gegen Art. 27 (Zugang zu Bildung) oder Art. 34 (Zugang zu Integrationsmaßnahmen) der Anerkennungsrichtlinie, die nicht zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen, hindern die Mitgliedstaaten nicht daran, ihre durch Art. 33 Abs. 2 Buchstabe a der Verfahrensrichtlinie eingeräumte Befugnis auszuüben (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 - juris Rn. 92; vgl. zur Abschiebung auf Grund der VO [EU] Nr. 604/2013: BVerwG, Beschluss vom 20. September 2018 - 1 B 69.18, 1 PKH 58.18 - juris Rn. 3).

An dieser Einschätzung ist auch im Lichte aktueller Erkenntnisse festzuhalten. Insbesondere bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die allgemeine und wirtschaftliche Lage in Bulgarien im Zuge der COVID-19-/Corona-Pandemie seit März 2020 in einer Weise verschlechtert hätte, die bei gesunden und arbeitsfähigen international Schutzberechtigten im Fall einer Rückkehr nach Bulgarien nunmehr zu einem „Automatismus der Verelendung“ führen würde (ebenso OVG Bautzen, Urteil vom 15. Juni 2020 - 5 A 382/18 - juris Rn. 43 ff.). Es lässt sich weder mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit feststellen, dass international Schutzberechtigte in Bulgarien keine ausreichende Arbeit finden können, die das nach Art. 4 GRCh gebotene Existenzminium zu sichern vermag, noch liegen belastbare Hinweise darauf vor, dass sich die Verhältnisse für international Schutzberechtigte in Bulgarien zwischenzeitlich sonst in wesentlicher Hinsicht verschlechtert haben könnten (vgl. zum Ganzen: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2020 - OVG 3 B 33.19 - juris Rn. 47 - 49).

Die bulgarische Wirtschaft hat sich jedenfalls bis Ende 2019 positiv entwickelt. Dadurch konnten sich auch die Beschäftigungschancen für international Schutzberechtigte zunehmend verbessern (s. für die wirtschaftliche Entwicklung zwischen 2012 und 2018 etwa CATRO/UNHCR, Bulgarian labour market needs as key to refugee employment, 2018, S. 15 ff.; ebenso OVG Koblenz, Beschluss vom 17. März 2020 - 7 A 10903/18 - juris Rn. 62 ff.; VGH Mannheim, Beschluss vom 23. April 2020 - A 4 S 721/20 - juris Rn. 7; Beschluss vom 22. Oktober 2019 - A 4 S 2476/19 - juris Rn. 16). Lag die Arbeitslosenquote im Jahr 2016 noch bei 7,6 % (vgl. UNHCR, Where there is a Will, there is a Way, 26. April 2017, S. 13), wird sie für 2017 mit 6,2 % und für 2018 mit 5,3 % beziffert (vgl. BTI 2020 Country Report Bulgaria, S. 16; CATRO/UNHCR, Bulgarian labour market needs as key to refugee employment, 2018, S. 43). Im Jahr 2019 hat sich dieser Trend weiter fortgesetzt mit der Folge, dass die Arbeitslosenquote mit lediglich 4,2 % angegeben wird (vgl. Europäische Kommission, European Economic Forecast Spring 2020, Institutional Paper 125, Mai 2020, S. 120 f.). Im Dezember 2019 belief sich die Arbeitslosenquote in Bulgarien (saisonbereinigt) auf nur 3,7 %, so dass das Land einer der EU-Mitgliedstaaten mit dem stärksten Rückgang innerhalb eines Jahres war (vgl. Eurostat, Pressemitteilung vom 9. Januar 2020). Daran anknüpfend wird berichtet, dass sich die Arbeitslosigkeit in Bulgarien auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der statistischen Erhebung im Jahr 1995 befindet. Demnach nimmt Bulgarien gemessen an der Arbeitslosigkeit EU-weit einen hinteren Platz ein und ist eines von 17 EU-Ländern mit einer Arbeitslosenquote unter dem EU-Durchschnitt von 6,3 % (vgl. bnr - Radio Bulgaria, Arbeitslosigkeit in Bulgarien auf Rekordtief, 9. Januar 2020, www.bnr.bg/de/post/101213095/arbeitslosigkeit-in-bulgarien-auf-rekordtief; für 2020 betrug die Quote 5,1 %, vgl. www.de.statista.com).

 Diese Entwicklung ist durch die COVID-19-/Corona-Pandemie allerdings unterbrochen worden. So erwartete die Europäische Kommission in ihrer Frühjahrsprognose 2020 für Bulgarien einen Anstieg der Arbeitslosenquote auf bis zu 7 %, ehe für 2021 wieder mit einem Absinken auf 5,8 % gerechnet wird. Zugleich betont die Kommission, dass es Bulgarien vor dem Hintergrund seiner zuletzt relativ starken Wirtschaft gelingen sollte, sich von dem durch die Pandemie bedingten wirtschaftlichen Schock alsbald zu erholen (vgl. Europäische Kommission, European Economic Forecast Spring 2020, Institutional Paper 125, Mai 2020, S. 120 f.). In ihrer im Juli 2020 vorgelegten Sommerprognose führt die Kommission zunächst allgemein aus, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für ganz Europa schwerwiegender gewesen seien als zunächst gedacht. Hatte die Frühjahrsprognose für 2020 noch einen Rückgang der Wirtschaftsleistung innerhalb der Europäischen Union von 7,4 % erwartet, so prognostiziert die Kommission nunmehr einen Abschwung von 8,3 %. Zugleich rechnet die Kommission indes damit, dass die Wirtschaft EU-weit bereits 2021 wieder um 5,8 % wachsen wird (Frühjahrsprognose: 6,1 %). Ungeachtet der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sei die Arbeitslosenquote EU-weit gleichwohl nur geringfügig gestiegen, nämlich von 6,4 % auf 6,6 %. Speziell für Bulgarien erwartet die Kommission über das gesamte Jahr 2020 ein Absinken der Wirtschaftskraft um rund 7 % (nach einem Plus von 3,4 % in 2019), ehe die Wirtschaft 2021 voraussichtlich wieder um 5,3 % wachsen werde (vgl. Europäische Kommission, European Economic Forecast Summer 2020 [Interim], Institutional Paper 132, Juli 2020, S. 1, 11 und 32). Auch wenn die Arbeitslosenquote in Bulgarien aktuell (wieder) leicht anzusteigen scheint (vgl. bnr - Radio Bulgaria, Covid-19 in Bulgarien: Tag 185, 8. September 2020, https://bnr.bg/de/post/ 101337712/covid-19-in-bulgarien-tag-185), bewegt sie sich nach den letzten Zahlen dennoch weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Danach lag die Arbeitslosigkeit in Bulgarien saisonbereinigt im April 2020 bei 4,8 %, im Mai 2020 bei 4,6 %, im Juni 2020 bei 4,4 % und im Juli 2020 bei 4,4 %, während für die gesamte EU die Quote für Juli 2020 mit 7,2 % angegeben wird (vgl. Eurostat, Pressemitteilung vom 1. September 2020). Laut aktueller Statistik liegt die bulgarische Arbeitslosenquote im April 2021 mit 4,7 % wiederum vergleichsweise (EU-Durchschnitt: 7,3 %) sehr niedrig (www.de.statista.com arbeitslostenquote-in-den-eu-laendern).

Konkrete Erkenntnisse, wonach es nicht vulnerablen, gesunden und arbeitsfähigen international Schutzberechtigten unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Bulgarien nicht (mehr) möglich wäre, ihren Lebensunterhalt perspektivisch selbst zu erwirtschaften, bestehen nicht. Die zuvor genannten Zahlen deuten auch nicht auf einen so gravierenden Einbruch des Arbeitsmarktes und Wirtschaftslebens hin, dass die für die Zeit vor der Pandemie angenommenen Arbeitsmarktchancen international Schutzberechtigter als überholt angesehen werden müssten. Vielmehr stellt sich der bulgarische Arbeitsmarkt unbeschadet der pandemiebedingten Erschütterungen der Wirtschaft jedenfalls bislang offenbar als verhältnismäßig stabil dar.

Dieser Bewertung steht auch nicht entgegen, dass Arbeitsmöglichkeiten für international Schutzberechtigte vor der Pandemie vor allem in der Landwirtschaft und Gastronomie bestanden haben (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Trier vom 26. April 2018, S. 4; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2019 - OVG 3 B 8.17 - juris Rn. 64; ebenso OVG Koblenz, Beschluss vom 17. März 2020 - 7 A 10903/18 - juris Rn. 61; OVG Hamburg, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 1 Bf 132/17.A - juris Rn. 94; OVG Schleswig, Urteil vom 25. Juli 2019 - 4 LB 14/17 - juris Rn. 113). Zwar kann davon ausgegangen werden, dass sich durch die Pandemie insbesondere im gastronomischen Bereich die Arbeitsmarktchancen für anerkannte Schutzbedürftige - zumindest zeitweilig - verringert haben; teilweise wird auch ausdrücklich berichtet, dass in diesem Bereich im informellen Wirtschaftssektor („grey economy“) anerkannte Schutzberechtigte ihre Arbeit verloren hätten und sie deshalb in eine vulnerable Lage gelangt seien (vgl. Europäische Kommission, Impact of government measures related to COVID-19 on third-country nationals in Bulgaria, 11. Mai 2020, https://ec.europa.eu/migrant-integration/news/impact-of-government-measures-related-to-covid-19-on-third-country-nationals-in-bulgaria). Es liegen aber keine Anhaltspunkte vor, wonach sich die Situation für international Schutzberechtigte hierdurch über Einzelfälle hinaus derart verändert hätte, dass ihnen wegen des gänzlichen Fehlens von Erwerbsmöglichkeiten nunmehr systematisch und flächendeckend eine extreme materielle Not droht. Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass schon vor der Pandemie Beschäftigungsmöglichkeiten auch außerhalb der Landwirtschaft und Gastronomie vorhanden waren, so etwa auf Märkten, in größeren Unternehmen und bei Nichtregierungsorganisationen (vgl. Caritas Bulgaria, The Bulgarian Migration Paradox, Mai 2019, S. 7, 25 und 44; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2019 - OVG 3 B 8.17 - juris Rn. 64) sowie in Callcentern für die arabische Sprache und in der herstellenden Industrie (vgl. Dr. Valeria Ilareva, Auskunft an OVG Lüneburg vom 7. April 2017, S. 6; ebenso OVG Bautzen, Urteil vom 13. November 2019 - 4 A 947/17.A - juris Rn. 48; OVG Schleswig, Urteil vom 25. Juli 2019 - 4 LB 14/17 - juris Rn. 112).

Auch sonst sind keine neueren Erkenntnismittel bekannt, aus denen sich ergibt, dass gesunde und arbeitsfähige international Schutzberechtigte in Bulgarien als Folge der durch die COVID-19-/Corona-Pandemie oder gegebenenfalls anderweitig veränderte Umstände dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu verelenden drohen. Seit dem 1. Januar 2020 beträgt der monatliche Mindestlohn in Bulgarien 610 Bulgarische Lew (BGN), umgerechnet rund 305 Euro (Mindeststundenlohn: 3,66 BGN, umgerechnet rund 1,87 Euro; vgl. EURES, Lebens- und Arbeitsbedingungen Bulgarien, Stand: 31. Juli 2020), während er zum 1. Januar 2017 noch rund 235 Euro betrug (vgl. UNHCR, Where there is a Will, there is a Way, 26. April 2017, S. 13); als monatlicher Durchschnittslohn werden für 2019 rund 500 Euro (vgl. EURES, Lebens- und Arbeitsbedingungen Bulgarien, Stand: 31. Juli 2020) bzw. für das Jahr 2017 bezogen nur auf die Hauptstadt Sofia rund 650 Euro (vgl. CATRO/UNHCR, Bulgarian labour market needs as key to refugee employment, 2018, S. 45) genannt. Zugleich sind die Lebenshaltungskosten niedriger als in anderen EU-Mitgliedstaaten (vgl. EURES, Lebens- und Arbeitsbedingungen Bulgarien, Stand: 31. Juli 2020; ebenso OVG Koblenz, Beschluss vom 17. März 2020 - 7 A 10903/18 - juris Rn. 62; OVG Hamburg, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 1 Bf 132/17.A - juris Rn. 98; VGH Mannheim, Beschluss vom 22. Oktober 2019 - A 4 S 2476/19 - juris Rn. 16). Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Lohn für geringfügig qualifizierte Tätigkeiten nicht zur Deckung des eigenen Existenzminimums eines erwerbsfähigen Schutzberechtigten einschließlich der Finanzierung einer Unterkunft ausreicht, bestehen nach wie vor nicht. Diese lassen sich insbesondere nicht den allgemein gehaltenen Verweisen auf Schwierigkeiten für international Schutzberechtigte entnehmen, eine einträgliche Arbeit zu finden, die ihnen auch die Finanzierung von Wohnraum erlaube (vgl. bordermonitoring.eu, Get Out! Zur Situation von Geflüchteten in Bulgarien, Juni 2020, S. 76 ff.). Entsprechend gibt es weiterhin auch keine konkreten Erkenntnisse über eine verbreitete Obdachlosigkeit. Das gilt auch für die Zeit einer etwaigen Quarantäne und für die Übergangszeit bis zur Erlangung eines Arbeitsplatzes (vgl. Europäische Kommission, Impact of government measures related to COVID-19 on third-country nationals in Bulgaria, 11. Mai 2020, https://ec.europa.eu/migrant-integration/news/impact-of-government-measures-related-to-covid-19-on-third-country-nationals-in-bulgaria; s. auch OVG Bautzen, Urteil vom 15. Juni 2020 - 5 A 382/18 - juris Rn. 44).

Die Einschätzung einer fehlenden beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verletzung von Art. 4 GRCh für gesunde und arbeitsfähige international Schutzberechtigte in Bulgarien wird - auch unter Berücksichtigung der COVID-19-/Corona-Pandemie - in der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung geteilt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2020 - OVG 3 B 33.19 - juris; OVG Bautzen, Urteil vom 15. Juni 2020 - 5 A 382/18 - juris Rn. 36 ff.; Urteil vom 13. November 2019 - 4 A 947/17.A - juris Rn. 50 ff.; VGH Mannheim, Beschluss vom 23. April 2020 - A 4 S 721/20 - juris Rn. 3 ff.; OVG Koblenz, Beschluss vom 17. März 2020 - 7 A 10903/18 - juris Rn. 35 ff.).

Diese Prognose gewinnt erheblich dadurch an Überzeugungskraft, dass die pandemiebedingten Erschwernisse des Wirtschaftslebens in absehbarer Zeit schwinden werden, nachdem die Impfkampagne auch in Bulgarien begonnen hat. Zudem gilt Bulgarien bereits seit dem 30. April 2021 nicht mehr als Hochinzidenzgebiet (vgl. RKI-Netzauftritt zur Ausweisung von Risikogebieten).

Im vorliegenden Fall ist auch nicht mit Blick darauf von einem Verstoß gegen Art, 4 GRCh auszugehen, dass der Kläger möglicherweise getrennt von seinen in Deutschland lebenden Angehörigen nach Bulgarien zurückkehren wird. Der Kläger hat weder das Verwandtschaftsverhältnis offengelegt noch Umstände vorgebracht, die darauf hindeuten könnten, dass und weshalb er auf einen Beistand dieser Angehörigen angewiesen sein könnte. Soweit er in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt hinsichtlich einzelner Syrer gleichen Namens bestätigt hat, dass es sich hierbei (auch) um solche Angehörige handele, unterliegen diese nach der entsprechenden Bescheidlage ebenfalls einer Ausreiseverpflichtung nach Bulgarien.

Wie ausgeführt, ist für nicht vulnerable, gesunde und arbeitsfähige international Schutzberechtigte in Bulgarien eine Sicherung des Lebensunterhalts und die Finanzierung einer Unterkunft mangels ausreichender staatlicher Unterstützungsleistungen allein durch eigene Erwerbstätigkeit möglich, aber auch erreichbar. Ist der Schutzberechtigte aber - sei es infolge Krankheit oder Behinderung oder sei es infolge des Alters - nicht in der Lage, zur Existenzsicherung einer Beschäftigung nachzugehen und steht auch eine familiäre Unterstützung nicht zur Verfügung, fehlt es an der Grundlage für die Annahme, der Schutzberechtigte könne eine Verelendung und damit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung abwenden (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 5. Mai 2020 - 11 A 35/17.A - juris Rn. 31 ff.; OVG Bautzen, Beschluss vom 18. Mai 2020 - 5 A 389/18.A - juris Rn. 24 ff.). Handelt es sich bei den Schutzberechtigten nicht allein um arbeitsfähige Personen, sondern handelt es sich um einen Familienverband mit minderjährigen Kindern, divergiert die obergerichtliche Rechtsprechung bei der Frage, ob eine ausreichende Existenzsicherung nur anzunehmen ist, wenn beide Elternteile einer Erwerbstätigkeit nachgehen können (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2020 - OVG 3 B 33.19 - juris Rn. 47 einerseits und Sächsisches OVG, Urteil vom 15. Juni 2020 - 5 A 382/18 - juris Rn. 48 unter Hinweis auf karitative Hilfswerke und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. April 2020 - A 4 S 721/20 - juris Rn. 22 andererseits).

Vorliegend kann diese Frage indes auf sich beruhen, weil der offensichtlich von Unterhaltsverpflichtungen freie Kläger einem Erwerb nachgehen kann.

Dabei kann man von den bereits genannten Einkommensverhältnissen in Bulgarien bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von rund 500 Euro ausgehen, wobei angesichts einer Erwerbstätigkeit von Schutzberechtigten vor allem in geringfügigen oder unqualifizierten Tätigkeiten in der Landwirtschaft und der Gastronomie eher ein Einkommen am unteren Rand der Skala zu erwarten ist (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an OVG Lüneburg vom 18. Juli 2017, S. 6; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2019 - OVG 3 B 8.17 - juris Rn. 65; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2020 - OVG 3 B 33.19 - juris). Nach Angaben bulgarischer Gewerkschaften betragen die monatlichen Lebenshaltungskosten - offenbar unter Einschluss von Unterkunftskosten - im Landesschnitt 305 Euro, in Sofia sogar 397 Euro (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Potsdam vom 16. Januar 2019, S. 3; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2019 - OVG 3 B 8.17 - juris Rn. 65). Auch wenn man den Einkommensmöglichkeiten die durchschnittlichen Kosten für die Miete einer Dreizimmerwohnung außerhalb des Zentrums von rund 350 Euro gegenüberstellt, auf die der VGH Mannheim verweist (Beschluss vom 22. Oktober 2019 - A 4 S 2476/19 - juris Rn. 16), wird deutlich, dass bei einem Alleinverdienereinkommen der Lebensunterhalt einer dreiköpfigen Familie selbst bei den günstigen Lebenshaltungskosten in Bulgarien von dem verbleibenden Betrag von rund 150 Euro nicht hinreichend zu decken und eine solche Familie somit nicht vor einer Situation extremer materieller Not zu bewahren sein wird. Selbst wenn man zugrunde legt, dass Rückkehrer zunächst in einer Aufnahmeeinrichtung unterkommen und die gesetzlich vorgesehene staatliche finanzielle Unterstützung für eine Unterkunft erhalten können, ergibt sich angesichts der zeitlichen Begrenzung dieser Möglichkeiten (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Potsdam vom 16. Januar 2019, S. 2) absehbar die Notwendigkeit zur eigenständigen Finanzierung einer Wohnung, die zudem gefunden werden muss.

Hält man zur Sicherung des Lebensunterhalts eine Erwerbstätigkeit des Klägers für erforderlich, ist sie grundsätzlich möglich. Denn auch für international schutzberechtigte Frauen besteht in Bulgarien eine Chance, durch eigene Erwerbstätigkeit zur Existenzsicherung beizutragen (vgl. ausführlich Caritas Sofia, Refugee Women and the labour market in Bulgaria, 2019, passim). Für den Kläger sollte dies erst recht gelten.

Es ist schließlich davon auszugehen, dass der Kläger keinen gesundheitlichen Einschränkungen unterliegt, die seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt schmälern oder ihn gar an der Erwerbstätigkeit hindern würden, zumal er hierzu innerhalb der Klagebegründungsfrist und danach nichts vorgibt oder gar glaubhaft macht (dazu vgl. § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG).

Ebenso wenig greift ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG ein. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das normative Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG umfasst auch solche Gefährdungen; einer Prüfung bedarf es deshalb vor einer Aufenthaltsbeendigung in sichere Drittstaaten, wozu auch Bulgarien als Mitglied der EU gehört, auch insoweit nicht (vgl. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 - BVerfGE 94, 49-114, Rn. 186).

Hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 4 des Bundesamtsbescheides) hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht, worin zu einer abweichenden Entscheidung zwingend veranlassende besondere Integrationsleistungen oder schutzwürdige Bindungen begründet sein sollten, die bei dem u.a. auch auf die Verhinderung einer wiederholten illegalen Sekundärmigration gerichteten Verbot zu berücksichtigen sein sollten.

Die Kostenfolgen beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.