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Entscheidung 26 Sa 1106/20


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer Entscheidungsdatum 17.06.2021
Aktenzeichen 26 Sa 1106/20 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2021:0617.26SA1106.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 45 GKG, § 63 GKG, § 4 KSchG, § 307 ZPO, § 308 ZPO

Leitsatz

1) Wird letztinstanzlich einem Hauptantrag stattgegeben, richten sich idR auch die vorinstanzlichen Gebührenstreitwerte nach den Hauptanträgen, und zwar unabhängig davon, ob erstinstanzlich über die - von der Entscheidung über den Hauptantrag (auflösend) abhängigen - Hilfsanträge entschieden worden war, weil eine Vorinstanz den Hauptantrag abschlägig beschieden hatte.
2) § 63 Abs. 3 GKG sieht für den Fall, dass das Arbeitsgericht bereits eine Entscheidung über den Gebührenstreitwert getroffen hat, für die Rechtsmittelinstanz die Möglichkeit einer Korrektur vor.
Durch § 63 Abs. 3 GKG soll das Rechtsmittelgericht es sicherstellen können, dass nicht aufgrund einer von seiner Auffassung abweichenden Festsetzung des Streitwerts seitens der unteren Instanz eine andere Verteilung der Kostenlast herbeigeführt wird, als sie sich bei einer abweichenden Rechtsauffassung hinsichtlich des Streitwerts durch das Rechtsmittelgericht ergibt.
3) Die rechtskräftige Kostengrundentscheidung des Rechtsmittelgerichts ist nach späterer abweichender Entscheidung über den Streitwert durch die Vorinstanzen nicht mehr abänderbar (ständ. Rspr., vgl. nur BGH 17. November 2015 – II ZB 20/14, Rn. 15). .
4) Keine Berücksichtigung eines allgemeinen Feststellungsantrags im Rahmen der Kostenquote, wenn er vor der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgenommen wird (anders im Fall einer Entscheidung über den allgemeinen Feststellungsantrag: LAG Berlin-Brandenburg 14. Juni 2021 - 26 Sa 603/19 (Bewertung mit 5 vH), ähnlich wie beim Auflösungsantrag.

Tenor

I. Auf die Berufung der klagenden Partei wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2018 – 24 Ca 2044/18 – im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als das Arbeitsgericht den Kündigungsschutzantrag abgewiesen hat. Es wird insgesamt klarstellend wie folgt gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27. Januar 2018 nicht aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Beklagte 86 vH und die klagende Partei 14 vH, die Kosten zweiter Instanz hat der Beklagte zu tragen.

III. Der erstinstanzliche Gebührenstreitwert wird auf 12.794,36 Euro herabgesetzt, der zweitinstanzliche Gebührenstreitwert wird auf 10.966,59 Euro festgesetzt.

IV. Revision und Rechtsbeschwerde werden nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien haben erst- und zweitinstanzlich mit einem Hauptantrag über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Den erstinstanzlich angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag hat die klagende Partei vor der Entscheidung zurückgenommen und auch in der Berufungsinstanz nicht mehr gestellt. Mit einem weiteren Hauptantrag hat sie in erster Instanz Auskunft darüber begehrt, welchem Betriebsteil sie zugeordnet gewesen und auf wen dieser Betriebsteil übergegangen sei.

Daneben hat die klagende Partei für den Fall der Abweisung des Kündigungsschutzantrags sowohl in erster wie in zweiter Instanz ausschließlich Hilfsanträge gestellt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich sämtlicher Anträge abgewiesen.

Der Beklagte hat in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag in der Berufungsinstanz ein Anerkenntnis abgegeben.

Erstinstanzlichen hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 8. Januar 2020 den Gebührenstreitwert auf 21.263,75 Euro festgesetzt. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen der klagenden Partei betrug 3.655,53 Euro.

Von einer weiteren Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist begründet. Aufgrund des Anerkenntnisses des Beklagten ist dieser dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen, § 307 Satz 1 ZPO.

III. Die Kostenentscheidung war entsprechend dem Anerkenntnis zu treffen. Dabei war über die Hilfsanträge nicht zu entscheiden (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG). Daher waren die Gebührenstreitwerte für die Vorinstanzen neu festzusetzen und auf der Grundlage dieser Werte die Kostenquoten für die Instanzen zu ermitteln.

1) In der Berufungsinstanz ist der Beklagte hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags unterlegen. Insoweit hat er die Kosten zu tragen. Die klagende Partei hat keine Kosten zu tragen, da über die Hilfsanträge nicht zu entscheiden war.

2) Die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten beruht auf dem Unterliegen des Beklagten in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag und dem Unterliegen der klagenden Partei hinsichtlich des Auskunftsantrags, über den erstinstanzlich auch entschieden worden ist. Der allgemeine Feststellungsantrag hat den Streitwert nicht erhöht und ist angesichts der erstinstanzlichen Klagerücknahme auch nicht zur Entscheidung angefallen. Einer Quotenbildung bedurfte es daher insoweit nicht (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 15. Juni 2021 – 26 Sa 2529/18).

3) Die Kammer ist bei der Festlegung der Gebührenstreitwerte für die erste Instanz von einem Streitwert in Höhe von dreieinhalb und für die zweite Instanz in Höhe von drei Bruttoeinkommen ausgegangen. Der Streitwert für die erste Instanz wird entsprechend herabgesetzt (§ 63 Abs. 3 GKG), der für die zweite Instanz entsprechend festgesetzt, was in der Entscheidung zulässig ist, da die Entscheidung wegen des Anerkenntnisses durch den Vorsitzenden allein ergeht.

a) Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz beträgt drei durchschnittliche Bruttoeinkommen. Der Kündigungsschutzantrag war dabei mit einem Vierteljahreseinkommen zu bewerten. Die Hilfsanträge haben den Streitwert nicht erhöht, da über sie nicht entschieden worden ist (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 2. Juni 2020 - 26 Ta (Kost) 6036/20).

b) Der Gebührenstreitwert wird für die erste Instanz gem. § 63 Abs. 3 GKG herabgesetzt. § 63 Abs. 3 GKG sieht für den Fall, dass das Arbeitsgericht bereits eine Entscheidung über den Gebührenstreitwert getroffen hat, für die Rechtsmittelinstanz die Möglichkeit einer Korrektur vor. Durch § 63 Abs. 3 GKG soll das Rechtsmittelgericht es sicherstellen können, dass nicht aufgrund einer von seiner Auffassung abweichenden Festsetzung des Streitwerts seitens der unteren Instanz eine andere Verteilung der Kostenlast herbeigeführt wird, als sie sich bei einer abweichenden Rechtsauffassung hinsichtlich des Streitwerts durch das Rechtsmittelgericht ergibt. Die rechtskräftige Kostengrundentscheidung des Rechtsmittelgerichts ist nach späterer abweichender Entscheidung über den Streitwert durch die Vorinstanzen nicht mehr abänderbar (ständ. Rspr., vgl. nur BGH 17. November 2015 – II ZB 20/14, Rn. 15).

c) Entsprechend wird der Gebührenstreitwert für die Vorinstanz herabgesetzt. Auf der Grundlage dieses Streitwerts ist die Kostenquote ermittelt worden. Der Kündigungsschutzantrag war dabei mit einem Vierteljahreseinkommen zu berücksichtigen, der Auskunftsantrag mit einem halben Bruttoeinkommen, der allgemeine Feststellungsantrag hat den Streitwert nicht erhöht. Die Hilfsanträge waren bei der Berechnung des Streitwerts nicht zu berücksichtigen. Auf den erstinstanzlichen Gebührenstreitwert wirken sich die (echten) Hilfsanträge nicht aus. Die Gebührenstreitwerte richten sich auch insoweit nach den Hauptanträgen, und zwar unabhängig davon, dass erstinstanzlich auch über die Hilfsanträge entschieden worden ist. Die Frage ist allerdings umstritten (vgl. dazu ausführlich Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, S. 254 ff.). Sowohl das BAG (21. Januar 2021 – 6 AZR 126/20; 21. Januar 2021 – 6 AZR 121/20; 17. Dezember 2015 – 2 AZR 304/15, Rn. 30) als auch der BGH (13. September 2016 – VII ZR 17/14, Rn. 18, mwN) haben sich der auch hier vertretenen Auffassung angeschlossen, wonach es letztlich nicht entscheidend darauf ankommt, inwieweit in den Instanzen Arbeit aufgewandt worden ist, um zu einem (aus Sicht der letzten Instanz unrichtigen) Ergebnis zu gelangen. Maßgeblich ist das endgültige Unterliegen und Obsiegen der Parteien. Wie sich auch aus der Wertung des § 30 GKG ergibt, soll die durch die gerichtliche Entscheidung begründete Kostentragungspflicht erlöschen, soweit die Entscheidung durch eine andere gerichtliche Entscheidung aufgehoben oder abgeändert wird. Hat das Gericht „falsch“ entschieden, soll das bei den echten Hilfsanträgen nicht zu einer Kostenbelastung führen (zutreffend: Frank, aaO, S. 254 ff.; LAG Berlin-Brandenburg 31. Mai 2021 – 26 Ta (Kost) 6058/21).

IV. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision oder der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.