Gericht | VG Potsdam 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 27.05.2021 | |
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Aktenzeichen | 2 K 3028/18.A | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2021:0527.2K3028.18.A.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 3 AsylVfG 1992, § 4 AsylVfG 1992, § 60 AufenthG |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. die Anerkennung als Asylberechtigter, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes sowie weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten.
Der Kläger ist georgischer Staatsbürger. Er reiste nach eigenen Angaben am 4. Juli 2018 über den Landweg nach Deutschland ein und stellte am 30. Juli 2018 einen Antrag, mit dem er die Anerkennung als Flüchtling bzw. Asylberechtigter bzw. subsidiären Schutz beantragte.
Die persönliche Anhörung des Klägers bei dem für die Beklagte handelnden Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) erfolgte am 2. August 2018. Dort trug der Kläger vor, dass er aufgrund seiner Homosexualität Anfeindungen in Georgien erlebt habe. Er sei – auch von seiner Familie – verbal beleidigt worden und habe mehrfach aufgrund seiner Homosexualität die Arbeit verloren. Er habe an einer Demonstration teilgenommen und sei daraufhin von seinem Arbeitgeber entlassen worden, da dieser ihn im Fernsehen erkannt habe. Zudem sei er am HI-Virus erkrankt und befinde sich in ärztlicher Behandlung.
Das Bundesamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22. August 2018 hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der Asylanerkennung sowie der Zuerkennung subsidiären Schutzes ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen. Zugleich forderte die Beklagte den Kläger zur Ausreise binnen 30 Tagen auf, bei Klageerhebung binnen 30 Tagen ab unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens, und drohte die Abschiebung an. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung festgesetzt.
Zur Begründung führte das Bundesamt aus: Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Asyl bzw. als Flüchtling oder subsidiären Schutzes lägen nicht vor. Die Homosexualität des Klägers führe nicht zu einer Anerkennung als Flüchtling. Homosexualität sei in Georgien seit dem Jahr 2000 entkriminalisiert und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung im Jahr 2012 unter Strafe gestellt worden. Der Staat sei in der Lage und willens, homosexuellen Menschen Schutz zu gewähren. Die vom Kläger vorgetragenen Diskriminierungen durch nichtstaatliche Akteure erreichten nicht das Maß der Intensität, das zu einer Anerkennung als Flüchtling führe. Dem Kläger könne es außerdem zugemutet werden, sich in einem sicheren Landesteil aufzuhalten. Auch Abschiebungsverbote bestünden nicht, da dem Kläger keine erniedrigende Behandlung drohe und ihm das Erreichen des Existenzminimums möglich sei. Die HIV-Erkrankung des Klägers sei in Georgien ausreichend behandelbar.
Der Kläger hat am 25. September 2018 Klage erhoben. Unter Berufung auf ein ärztliches Attest trägt er ergänzend vor, dass er an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leide und Suizidgedanken habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. August 2018,
die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten bzw. Flüchtling anzuerkennen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihn als subsidiär Schutzberechtigte anzuerkennen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und tritt der Klage mit dem bisherigen Vorbringen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die eingeführten Erkenntnismittel sowie die Feststellungen aus der Akte des Bundesamtes ergänzend Bezug genommen, § 77 Abs. 2 des Asylgesetzes (AsylG), § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Kammer entscheidet gem. § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Denn der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG noch auf Asylanerkennung. Auch ist ihm der subsidiäre Schutzstatus nach § 4 AsylG nicht zuzusprechen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 22. August 2018 ist deshalb rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Nach § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt.
Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft dann nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG). Dabei ist sowohl bei der Prüfung des Flüchtlingsschutzes (§ 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 Abs. 1 AsylG) als auch des subsidiären Schutzes durch die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote als Prognosemaßstab einheitlich der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen.
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG). Danach besteht bei vorverfolgt Ausgereisten die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung;
BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 23.
Es obliegt dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt.
VGH BW, Urteil vom 27. August 2013 - A 12 S 2023/11 -, juris Rn. 35; HessVGH, Urteil vom 4. September 2014 - 8 A 2434/11.A -, juris Rn. 15.
Eine Verfolgung wegen der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale liegt in der Person des Klägers nicht vor. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger – wie die Kammer aufgrund der Schilderungen des Klägers beim Bundesamt auch annimmt – homosexuell ist, führt nicht dazu, dass ihm der Status als Flüchtling anzuerkennen ist.
Eine Verfolgung geht erkennbar nicht von staatlichen Stellen i.S.v. § 3c Nr. 1 AsylG aus. Homosexualität ist in Georgien seit dem Jahr 2000 entkriminalisiert. Zudem steht die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung seit dem Jahr 2012 unter Strafe. Übergriffen auf Homosexuelle wird mit den Mitteln der Strafverfolgung begegnet. Es existieren ausweislich des Berichts des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: November 2020) keine Hinweise auf offene, wiederholte oder Gesundheit und Leben gefährdende Diskriminierungen von Personen oder Personengruppen aufgrund ihrer sexuellen Identität durch staatliche Organe (S. 9). Der Kläger gab während seiner Anhörung durch das Bundesamt selbst an, keine Diskriminierung oder Übergriffe durch staatlichen Stellen erlitten zu haben.
Es existiert auch keine für die Anerkennung als Flüchtling genügende Verfolgung von Homosexuellen durch nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3 AsylG). So liegen nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnismitteln bereits keine nach § 3a Abs. 1, Abs. 2 AsylG genügenden Verfolgungshandlungen durch nichtstaatliche Akteure vor (1.). Darüber hinaus sind staatliche Stellen i.S.v. § 3d AsylG in der Lage und willens, Schutz vor Verfolgung zu bieten (2.). Des Weiteren bestehen für den Kläger innerstaatliche Fluchtalternativen (3.).
1. Für die Anerkennung als Flüchtling fehlt es bereits an genügenden Verfolgungshandlungen nach § 3a Abs. 1, Abs. 2 AsylG durch nichtstaatliche Akteure.
Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die entweder auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist, oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG kann als Verfolgung im Sinne des Abs. 1 unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt gelten.
Der Begriff der Verfolgungshandlung setzt nicht nur voraus, dass ein bestimmtes Verhalten des potentiellen Verfolgers für die schwerwiegende Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts oder eine vergleichbar schwere Rechtsverletzung durch Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b RL 2004/83/EG) ursächlich ist, sondern erfordert auch ein auf die Verletzung eines derart geschützten Rechtsguts zielendes Verhalten. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur asylerheblichen Verfolgung, wonach eine gezielte Rechtsverletzung, d.h. ein gezielter Eingriff in ein asylrechtlich geschütztes Rechtsgut erforderlich ist. Die Zielgerichtetheit bezieht sich nicht nur auf die asylerheblichen Merkmale, sondern auch auf die durch die Handlung bewirkte Rechtsgutsverletzung selbst;
BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 -, juris Rn. 22 m.w.N.
Dabei stellt hinsichtlich des Verfolgungsgrundes die sexuelle Ausrichtung einer Person ein Merkmal dar, das so bedeutsam für ihre Identität ist, dass sie nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Je nach den Gegebenheiten im Herkunftsland kann als eine soziale Gruppe auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Ausrichtung gründet;
EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-199/12 bis C-201/12 -, juris Rn. 46.
Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. c RL 2004/83/EG ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dahin auszulegen, dass der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher keine Verfolgungshandlung darstellt. Dagegen ist eine Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht sind und die im Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird, als unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung zu betrachten und stellt somit eine Verfolgungshandlung dar;
EuGH, a.a.O., juris Rn. 61.
Insoweit widerspricht es der Anerkennung eines für die Identität so bedeutsamen Merkmals, dass die Betroffenen nicht gezwungen werden sollten, darauf zu verzichten, wenn von den Mitgliedern einer sozialen Gruppe, die die gleiche sexuelle Ausrichtung haben, verlangt wird, dass sie diese Ausrichtung geheim halten. Daher muss dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 13 RL 2004/83/EG zuerkannt werden, wenn nachgewiesen ist, dass nach seiner Rückkehr in sein Herkunftsland seine Homosexualität ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 RL 2004/83/EG aussetzt. Dass er die Gefahr dadurch vermeiden könnte, dass er beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung größere Zurückhaltung übt als eine heterosexuelle Person, ist insoweit unbeachtlich;
EuGH, a.a.O., juris Rn. 70 ff.
Die Voraussetzung einer Verfolgung ist im Hinblick auf Homosexuelle in Georgien gemessen an diesen Maßstäben nicht erfüllt. Denn den der Kammer zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln lässt sich zwar eine – mitunter weit verbreitete und intensive – gesellschaftliche Ablehnung gegenüber homosexuellen Menschen in Georgien entnehmen;
vgl. ausführlich VG Berlin, Urteil vom 21. November 2019 - 38 K 170.19 A -, juris Rn. 38 ff.
Gleichwohl erreicht diese gesellschaftliche Ablehnung nicht das für eine Verfolgung im tatbestandlichen Sinne notwendige Maß.
So ist zwar einerseits nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: November 2020) festzuhalten, dass die Situation von sexuellen Minderheiten weiterhin sehr schwierig ist und im gesellschaftlichen und beruflichen Leben entsprechende Personen mit ungleicher Behandlung und Anfeindungen rechnen müssen. Die öffentliche Meinung ist stark geprägt von den konservativen Werten der gesellschaftlich tief verankerten orthodoxen Kirche. Zudem gab es Angriffe am Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie (IDAHOT) im Jahr 2012; 2013 griffen gewaltbereite Gegendemonstrationen unter Anführerschaft von georgisch-orthodoxen Priestern eine Demonstration sexueller Minderheiten an. Veranstaltungen im 2019 konnten nur vereinzelt stattfinden (S. 12).
Gleichwohl ist dem Bericht auch zu entnehmen, dass Gewaltanwendungen lediglich vereinzelt stattfinden. Die öffentliche Meinung hinsichtlich sexueller Minderheiten ist stark polarisiert (S. 12), sodass nicht von einer einheitlichen Ablehnung gegenüber Homosexuellen auszugehen ist, sondern vielmehr eine gesellschaftliche Spaltung mit einer nicht nur unerheblichen Anzahl von Menschen, die gegenüber Lebensformen jenseits heterosexueller Beziehungen ablehnend gegenüberstehen, existiert. Dieser Spaltung (und nicht einhelligen Ablehnung) entspricht auch die im Artikel „Ausdruck äußerster Verzweiflung“ aus der Tageszeitung taz vom 1. Mai 2020 zitierte Umfrage eines Tifliser Instituts, nach der „fast die Hälfte der Befragten der Meinung (sei), dass die Rechte von LGBT-Menschen keines besonderen Schutzes“ bedürften, wobei diese Ansicht bei jüngeren Menschen weniger Unterstützter findet. Der zitierte Bericht des Auswärtigen Amts führt darüber hinaus aus (S. 12), dass nach gewalttätigen Angriffen am IDAHOT 2012 in den Jahren 2017 und 2018 am IDAHOT in Tiflis Veranstaltungen unter Polizeischutz stattfinden konnten. Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Georgien (Stand: 2. Dezember 2020) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) lässt sich – neben Einschränkungen sexueller Minderheiten – auch entnehmen, dass im Juni 2019 die Veranstaltung „Pride Week“ schließlich in geschlossenen Räumen stattfinden konnte, nachdem die Veranstaltung im Freien als zu riskant bewertet worden war.
Schließlich stellt der Bericht „A Gay Film Sent an Entire Nation Into a Frenzy“ der Organisation Human Rights Watch vom 17. Dezember dar, dass es im Zusammenhang mit der Aufführung des Films „Als wir tanzten“ (Original: „And Then We Danced“), der sich mit einem homosexuellen Mann im georgischen Nationalballett auseinandersetzt, im Herbst 2019 zu einer Demonstration kam, woraufhin das Innenministerium Polizei zu dem Kino schickte, um die Aufführung des Films zu sichern. Zudem brachte die Polizisten Aktivisten in Sicherheit.
Auch dem Bericht der Tageszeitung taz „Khachapuri im Darkroom“ vom 24. November 2019 lässt sich – neben der geringen gesellschaftlichen Akzeptanz von Homosexualität in Georgien – entnehmen, dass die „LGTBI-Szene in Tiflis“ Georgiens Hauptstadt „zum queeren Paradies des Kaukasus“ macht. Es existiere in der Stadt ein Technoclub, der als „Berghain des Kaukasus“ gefeiert werde und in dem die „größte queere Party der Region“ gefeiert werde. Es gebe eine Tanzfläche mit Dragshows „inklusive BDSM-Areal“. Je nach Party seien auch Darkrooms geöffnet. Auch aus den Nachbarländern kämen immer mehr Partytouristen nach Tiflis. Auch Männer aus Aserbaidschan, Tschetschenien und Dagestan „träumten von Tiflis“. Ein homosexueller Mann wird in dem Artikel mit dem Satz zitiert: „Für die ist es hier fast wie im Paradies.“ Auch aus Westeuropa reisten immer Männer auf der Suche nach einem „kaukasischen Abenteuer“ in die georgische Hauptstadt.
Folgt demnach aus den Erkenntnismitteln, dass Homosexuelle in Georgien einer – durchaus verbreiteten – gesellschaftlichen Ablehnung begegnen, aktive (und vereinzelt auch gewalttätige) Maßnahmen gegenüber Homosexuellen aber vorrangig aus Anlass bestimmter öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen entstehen, genügt dies nicht für eine Verfolgung. Die angeführten Vorkommnisse bleiben nämlich punktuell auf Situationen beschränkt, in denen Homosexuelle erkennbar als solche auftreten. So gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass entsprechende Personen oder Institutionen flächendeckend und systematisch gezielt Homosexuelle verfolgen. Die Nachweise belegen nicht in der erforderlichen Dichte eine tatsächliche Verfolgung Homosexueller im ganzen Land, die den Schluss auf eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung zulassen würde. Stellt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher keine Verfolgungshandlung dar, sind an Handlungen nichtstaatlicher Akteure Anforderungen zu stellen, die durch eine verbreitete – aber keinesfalls einhellige – Ablehnung gegenüber entsprechender Lebensformen nicht erfüllt sind. Andernfalls führte die in der Gesellschaft breit geäußerte Ablehnung homosexueller Lebensformen zur Annahme von Verfolgungshandlungen.
2. Schließlich sind staatliche Stellen in Georgien grundsätzlich in der Lage und willens, Homosexuellen Schutz vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure zu bieten.
Nach § 3d Abs. 2 AsylG muss der Schutz vor Verfolgung wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz demnach gewährleistet, wenn die zum Schutz berufenen Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
Verfolgungen durch Dritte sind dem jeweiligen Staat zuzurechnen, wenn er nicht mit den ihm an sich zur Verfügung stehenden Kräften Schutz gewährt. Die Intensität dieses Schutzes muss dem Grad der Bedrängnis entsprechen, in der die Gruppe sich befindet. Es ist daher die Aufgabe des erkennenden Gerichts, staatliche Schutzvorkehrungen daraufhin zu überprüfen, ob es sich um Reaktionen handelt, die der Schwere der Übergriffe entsprechen; in diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, ob und in welchem Ausmaß die betroffene Gruppe schon in der Vergangenheit politischer Verfolgung ausgesetzt war. Staatliche Schutzbereitschaft kann nicht schon deshalb bejaht werden, weil die zum Handeln verpflichteten Organe erklären, ihren diesbezüglichen Pflichten genügen zu wollen. Gerade der die Ausschreitungen Dritter innerlich billigende Staat wird sich oft – schon aus außenpolitischen Gründen – von diesen distanzieren und sie – etwa unter Hinweis auf bestehende Rechtsvorschriften – nach außen hin missbilligen. Schutzbereitschaft lässt sich also nicht schon mit dem bloßen Hinweis auf bestehendes Verfassungs- oder Gesetzesrecht des Heimatstaates als gegeben unterstellen; erforderlich ist vielmehr, dass sie konkret belegbar ist. Auf eine staatliche Schutzunwilligkeit kann es hindeuten, wenn der Staat landesweit oder in der betreffenden Region zum Schutze anderer Gruppen oder zur Wahrung seiner eigenen Interessen mit deutlich effektiveren Mitteln und im Ergebnis deutlich erfolgreicher einschreitet. Freilich ist auch hier mit zu bedenken, dass es keiner staatlichen Ordnungsmacht möglich ist, einen lückenlosen Schutz vor Unrecht und Gewalt zu garantieren;
BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85 -, juris Rn. 43 f. m.w.N.
Einzelne geschilderte Übergriffe belegen dabei nicht die grundsätzliche Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit des Staates;
BayVGH, Beschluss vom 23. November 2017 - 9 ZB 17.30302 -, juris Rn. 4.
Das Fortbestehen vereinzelter Verfolgungshandlungen schließt die Wirksamkeit des Schutzes nicht aus, soweit diese effektiv geahndet werden;
VGH BW, Urteil vom 7. März 2013 - A 9 S 1873/12 -, juris Rn. 127.
Der georgische Staat bietet homosexuellen Menschen ein diese Anforderungen noch genügendes Mindestmaß an Schutz;
so auch VG Bayreuth, Urteil vom 23. April 2019 - B 1 K 17.32627 -, juris Rn. 24 ff.; VG Trier, Urteil vom 22. Juni 2018 - 1 K 1063/18.TR -, juris Rn. 33 ff. m.w.N.; VG Chemnitz, Urteil vom 1. November 2017 - 1 K 3325/16.A -, juris, S. 14 f.; VG Hannover, Urteil vom 18. Februar 2015 - 1 A 109/13 -, juris, S. 8 ff.; Bundesverwaltungsgericht (Österreich), Urteil vom 24. April 2017 - L 518 2149135-1/7E -; a.A. VG Berlin, Urteil vom 21. November 2019 - 38 K 170.19 A -, juris Rn. 36 ff.; VG Ansbach, Gerichtsbescheid vom 15. Januar 2018 - AN 4 K 17.33046 -, juris Rn. 24 ff.
Staatlicher Schutz wird in Georgien ausweislich der dargestellten Erkenntnismittel bereits durch die gesetzgebende Gewalt gewährt. So steht Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität seit 2012 unter Strafe, wodurch bereits zum Ausdruck kommt, dass der georgische Staat willens ist, gegen Diskriminierung sexueller Minderheiten vorzugehen.
Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden nach dem Bericht des Auswärtigen Amts (S. 5) vom georgischen Staat weitgehend geachtet und gestärkt. Die Lage der Menschenrechte haben sich weiter den internationalen Standards angenähert und in vielen Bereichen einen guten Stand erreicht. Flankiert werden diese Maßnahmen durch die Einsetzung einer Ombudsfrau, die sich der Stärkung der Menschenrechte und den Rechten von Minderheiten widmet und mit einem Stab von 162 Mitarbeitern (S. 7) sehr aktiv ist und problematische Vorfälle aufklärt.
Der Umstand allein, dass die staatlichen Organe trotz prinzipieller Schutzbereitschaft nicht immer in der Lage sind, die Betroffenen vor Übergriffen wirkungsvoll zu schützen, reicht für die Annahme des Gegenteils ebenfalls nicht aus. Kein Staat – auch der deutsche Staat,
vgl. etwa Tagesspiegel vom 15. Mai 2020: „So viele Übergriffe auf Homo- und Transsexuelle wie noch nie“ (abrufbar unter https://www.tagesspiegel.de/berlin/gewalt-in-berlin-so-viele-uebergriffe-auf-homo-und-transsexuelle-wie-noch-nie/25834512.html; zuletzt abgerufen am 23. Mai 2021), –
vermag einen schlechthin perfekten, lückenlosen Schutz zu gewähren und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen einschließlich sog. Amtswalterexzesse bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgabe der Wahrung des inneren Friedens nicht vorkommen. Deshalb lässt weder eine Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung noch eine im Einzelfall von den Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon die staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit im Normsinne des § 3c Nr. 3 AsylG entfallen. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates – wie hier im Falle Georgiens – zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten (Polizei-)Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind;
VG Trier, Urteil vom 22. Juni 2018 - 1 K 1063/18.TR -, juris Rn. 67 m.w.N.
Zu den genannten Fortschritten steht auch nicht in Widerspruch, dass es auf der Ebene der Durchsetzung jener Vorschriften noch mitunter Vollzugsdefizite geben kann. Schutzwilligkeit und Schutzbereitschaft setzen zunächst voraus, dass in einem Rechtssystem grundsätzlich (gesetzliche) Gleichstellungs- und Schutzmechanismen vorhanden sind. Erst wenn diese Mechanismen evident unzureichend umgesetzt werden oder Anhaltspunkte dafür existieren, dass es sich um formale Regelungen handelt, deren vorgegebener Zweck tatsächlich gar nicht erreicht werden soll, sind Zweifel am Willen und der Bereitschaft eines Staates zum Schutz vor etwaiger Verfolgung angebracht. Von staatlichen Stellen noch weiterreichende Bemühungen als die Setzung und Umsetzung von Normen zu verlangen, um damit in das gesellschaftliche Leben hineinzuwirken, überspannt die aus § 3d Abs. 2 AsylG gestellten Anforderungen. Die Norm selbst fordert nämlich lediglich, dass staatliche Stellen „geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat“;
a.A. VG Berlin, Urteil vom 21. November 2019 - 38 K 170.19 A -, juris Rn. 68.
Es kann auch nicht gefordert werden, dass die staatlicherseits eingeleiteten Schritte sofort und in allen Lebensbereichen in Bezug sämtliche Diskriminierungen von Homosexuellen vollumfänglich greifen. Ein Einstellungswandel in der georgischen Bevölkerung kann indes nicht allein durch gesetzliche Schutzvorschriften erreicht werden. Es bedarf eines noch länger andauernden Prozesses, was im Übrigen auch auf eine Vielzahl westeuropäischer Länder zutrifft, ohne dass die asylrechtlich erhebliche Schwelle überschritten wäre;
VG Bayreuth, Urteil vom 23. April 2019 - B 1 K 17.32627 -, juris Rn. 28.
Ein Mentalitätswechsel in der Bevölkerung kann auch nicht von einem Tag auf den anderen staatlicherseits erzwungen werden. Die angeführte Umfrage eines Tifliser Instituts lässt außerdem erkennen, dass in der jüngeren Bevölkerung weniger Vorbehalte gegenüber Homosexuellen existieren und demnach auch weiterhin mit einer Verbesserung der Situation zu rechnen ist. Die entsprechenden, vom georgischen Staat in Kraft gesetzten Schutzvorschriften gelten auch erst seit einigen Jahren und müssen ihre Wirksamkeit erst zunehmend entfalten;
a.A. offenbar VG Berlin, Urteil vom 21. November 2019 - 38 K 170.19 A -, juris Rn. 65, 72.
Es ist nach Auffassung des Gerichts bei den jedenfalls zu verzeichnenden staatlichen Anstrengungen demnach vielmehr die Frage entscheidend, ob einem wegen Homosexualität Schutzsuchenden gegenwärtig die Rückkehr zugemutet werden kann, was vorliegend aufgrund der angestellten Erwägungen der Fall ist;
VG Hannover, Urteil vom 18. Februar 2015 - 1 A 109/13 -, juris, S. 12.
Insoweit ist auch nicht erkennbar, dass staatliche Stellen entsprechende Vorschriften zum Schutz sexueller Minderheiten gänzlich unangewendet ließen oder gar flächendeckend systematisch sabotierten. Gerade in der Hauptstadt Tiflis ist davon auszugehen, dass die Polizei auch grundsätzlich bereit ist, bei Anhaltspunkten gegen Straftaten gegen Homosexuelle einzuschreiten, was der Kläger nach seinen Angaben vor seiner Ausreise nicht in Anspruch genommen hat. Fehlenden staatlichen Schutz zu beklagen, ohne jemals den Versuch unternommen zu haben, ihn in Anspruch zu nehmen, fällt im Regelfall nicht auf den jeweiligen Staat zurück. Dass mit Rücksicht auf familiäre Beziehungen von Seiten der Opfer keine Strafverfolgung beabsichtigt ist, wenn es – wie auch im Falle des Klägers – zu Anfeindungen innerhalb der eigenen Familie kommt, ist ebenfalls nicht dem georgischen Staat anzulasten;
s. dazu VG Bayreuth, Urteil vom 23. April 2019 - B 1 K 17.32627 -, juris Rn. 29.
So lässt sich auch dem Bericht der georgischen Ombudsfrau für das Jahr 2019 (S. 160) entnehmen, dass – ungeachtet des Umstands, dass die Strafverfolgung gegen Menschen, die die Rechte sexueller Minderheiten verletzen, mitunter schleppend erfolgt – nach den Zahlen der georgischen Staatsanwaltschaft im Jahr 2019 32 Strafverfahren gegen Personen im Zusammenhang mit Straftaten aufgrund von Intoleranz aufgrund der geschlechtlichen Identität eingeleitet wurden.
Auch die bereits angeführten Polizeieinsätze während des IDAHOT, der Filmaufführung und der Pride-Week lassen erkennen, dass die Polizei im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel Veranstaltungen Homosexueller schützt. Dass auch die Polizei nicht dazu in der Lage ist, Übergriffe zu verhindern, steht einer Schutzgewährung nicht entgegen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Polizei in Fällen anderer Kriminalität durchsetzungsfähigere Strategien nutzen würde und Homosexuellen ein höheres Schutzniveau demnach gezielt vorenthalten würde.
Die georgische Polizei ist aufgrund der dem erkennenden Gericht vorliegenden Erkenntnismittel auch grundsätzlich in der Lage, gegen strafbares Verhalten und demnach auch aufgrund von Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität vorzugehen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Polizei bzw. weitere staatliche Stellen aus sachfremden Motiven nicht gegen Unrecht einschreiten würden.
Aus dem Länderinformationsblatt Georgien des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Stand Dezember 2020, dort S. 17, ergibt sich, dass seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede ist. Seien bis 2012 Exekutivorgane, wie etwa die Polizei, auch als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtwidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehender Personen missbraucht worden, sind Bestechung und Bestechlichkeit von Polizisten allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden die Exekutivorgane öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen. Die Geheim- und Nachrichtendienste werden nicht als Repressionsinstrumente eingesetzt. Zudem hat das 2018 geschaffene Büro der staatlichen Inspektoren seine Arbeit am 1. Januar 2019 aufgenommen. Schließlich ist eine politisch motivierte Strafverfolgung bis zum Regierungswechsel 2012 erkennbar gewesen und in der Regel durch fingierte Vorwürfe erfolgt (vgl. S. 16). Seit 2012 laufende Ermittlungen werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen.
Diese Einschätzung wird durch den Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: November 2020, S. 8) bestätigt. Die politischen Freiheiten sind verfassungsrechtlich verankert und nach Einschätzung nationaler und internationaler Beobachter staatlicherseits auch gewährleistet. Die politische Opposition kann ungehindert agieren und die bestehende Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen. Die Meinungsfreiheit wird durch die Verfassung und die Gesetze Georgiens garantiert. Von der verfassungsrechtlich garantierten Versammlungsfreiheit wird aktiv Gebrauch gemacht. Seit 2012 laufende Ermittlungen sind auch nach Einschätzung des Auswärtigen Amts nicht als politisch motiviert einzuschätzen. Dass der Kläger im Nachgang einer Demonstration, auf der er von seinem damaligen Arbeitgeber erkannt worden sein will, Probleme bekam, steht dazu nicht in Widerspruch, da es sich nicht um das Verhalten staatlicher Stellen handelte.
3. Schließlich ist der Kläger auch darauf zu verweisen, in einem Teil Georgiens zu leben und Schutz zu suchen, in dem die Akzeptanz gegenüber Homosexuellen größer ist (§ 3e AsylG). Eine landesweit drohende Verfolgung durch seine Familienangehörigen ist ebenso wenig ersichtlich wie Umstände, die ein Niederlassen in einem anderen Teil des Heimatlandes als unzumutbar erscheinen lassen. Das Auswärtige Amt führt in seinem Bericht (S. 13) aus, dass Intoleranz und ggf. Diskriminierung von Minderheiten und Andersdenkenden in der Gesellschaft verbreitet, aber nicht immer und überall anzutreffen seien. In den urbanen Zentren, insbesondere der Hauptstadt Tiflis, seien moderne, liberal geprägte Weltbilder und tolerante Verhaltensmuster stärker vorhanden als in den ländlichen und gebirgigen Landesteilen. Rechtliche Hindernisse gegen ein Umziehen zwecks Ausweichen etwaiger unmittelbar erfahrener Diskriminierung bestünden nicht. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen des taz-Artikels vom 24. November 2019, dass in Tiflis durchaus eine Szene für sexuelle Minderheiten vorhanden ist.
Es ist dem Kläger demnach zumutbar, nach seiner Rückkehr in eine der größeren Städte zu ziehen, insbesondere nach Tiflis, wo er unmittelbar vor seiner Ausreise offenbar bereits eine Zeit lang gelebt hat. Dass er dort von seiner Familie gefunden würde, ist angesichts der Größe Georgiens und der Hauptstadt nicht sonderlich wahrscheinlich. Im Übrigen ist es ihm auch zuzumuten, sich – anders als in der Vergangenheit – gegen mögliche Bedrohungen an die zuständigen Polizeistellen zu wenden und um Schutz nachzusuchen.
II. Da die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen ist, entfällt ebenso ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG. Denn eine Verfolgung kann in dem Vorbringen des Klägers nicht gesehen werden. Aus den zuvor dargestellten Gründen liegen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG nicht vor. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Georgien kein ernsthafter Schaden i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG. Insbesondere droht ihm – wie dargelegt – nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine von nichtstaatlichen Akteuren ausgehende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, wobei der georgische Staat nicht in der Lage oder willens sein müsste, den Klägern ausreichenden Schutz zu gewähren.
III. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg die Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten begehren. Aus den vorab angeführten Überlegungen zur Lage Homosexueller in Georgien folgt zugleich, dass für ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK kein Raum ist;
a.A. VG Berlin, Urteil vom 21. November 2019 - 38 K 148.19 A -, juris Rn. 54 ff.
Der Kläger hat auch weder aus § 60 Abs. 5 AufenthG (1.) noch aus § 60 Abs. 7 AufenthG (2.) einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots.
1. Ein Abschiebungsverbot folgt nicht aus § 60 Abs. 5 AufenthG. Demnach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Nach dem hier allein in Betracht kommenden Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Unter Berücksichtigung aller Umstände müssen ernsthafte Gründe für die Annahme nachgewiesen sein, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden;
vgl. EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - 8319/07 -, NVwZ 2012, 681, 682.
Die im Zielstaat der Abschiebung drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung muss ein Mindestmaß an Schwere erreichen. Die Lebensverhältnisse im Zielstaat der Abschiebung können Art. 3 EMRK widersprechen, wenn der betroffene Ausländer dort seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält;
vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. August 2018 - 1 B 25.18 -, juris Rn. 9 ff.
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn „eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre“;
EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 -, juris Rn. 90 m.w.N.
Nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln ist davon auszugehen, dass in Georgien ein gewisses Mindestmaß an sozialer Absicherung gewährleistet ist und die elementaren Bedürfnisse bzw. das Existenzminimum grundsätzlich gesichert sind;
vgl. SächsOVG, Urteil vom 20. November 2020 - 2 A 494/20.A -, juris Rn. 30 ff.
Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien mit Stand November 2020 können georgische Rückkehrer bei Bedürftigkeit die allgemeinen Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet, die staatliche Sozialhilfe liegt bei bis zu 220 GEL (ca. 55 Euro) im Monat. Internationale Organisationen und Projekte bieten Beratung und finanzielle Unterstützung für Rückkehrer zur Reintegration in Georgien an. Seit 2014 unterstützt die georgische Regierung Reintegrationsprojekte zivilgesellschaftlicher Organisationen. Die Zusammenarbeit mit den georgischen Behörden bei der Rückkehr (Empfangnahme, medizinische Betreuung) funktioniert effektiv und reibungslos. Das Ministerium für Binnenvertriebene, Arbeit, Gesundheit und Soziales koordiniert das staatliche Reintegrationsprogramm (State Reintegration Programme). Hier werden Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Reintegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbständigkeit) zur Verfügung gestellt, bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr zumindest elementare Bedürfnisse befriedigen kann. Der Kläger ist ausweislich seines Vorbringens beim Bundesamt arbeitsfähig und hat – ungeachtet der vorgetragenen Anfeindungen aufgrund seiner Homosexualität – mehrfach neue Arbeitsstellen gefunden, die ihn während seiner Zeit in Georgien in die Lage versetzt haben, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Schließlich erfüllt der georgische Staat aufgrund seiner sozialen Sicherung zumindest die elementaren Grundbedürfnisse.
2. Ein Abschiebungsverbot ergibt sich auch nicht aus § 60 Abs. 7 AufenthG. Nach Satz 1 soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Satz 3 konkretisiert für ein Abschiebungserbot eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen dergestalt, dass diese nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vorliegt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Nach Satz 4 ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 5).
Die existenziellen Gefahren müssen dem ausreisepflichtigen Ausländer im Zielstaat konkret und individuell drohen. Für die Annahme einer derartigen Gefahr genügt die bloße (entfernte oder theoretische) Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die Rechtsgüter Leib, Leben oder Freiheit zu werden, nicht. Vielmehr muss die Gefahr – gestützt auf stichhaltige Gründe – beachtlich wahrscheinlich sein;
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, juris Rn. 12.
Erforderlich aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht;
BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05 -, juris Rn. 15.
Solche zielstaatsbezogenen Umstände können zum einen darin liegen, dass die notwendigen Behandlungsmöglichkeiten für die betreffende Krankheit unzureichend oder überhaupt nicht verfügbar sind, zum anderen auch darin, dass der erkrankte Ausländer eine notwendige und an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen tatsächlich nicht erlangen kann;
vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 20.
Der medizinischen Versorgungslage im Zielland der Abschiebung kommt indessen nur bei akut behandlungsbedürftigen Erkrankungen oder in den Fällen Bedeutung zu, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-) Versorgung besteht;
BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 39.
Gemessen an diesen Voraussetzungen liegen aufgrund der dem Gericht vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot weder durch die HIV-Infektion des Klägers (a.) noch durch seine psychischen Probleme (b.) vor.
a. Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben in Georgien besteht nicht durch die HIV-Infektion des Klägers;
vgl. auch SächsOVG, Urteil vom 20. November 2020 - 2 A 494/20.A -, juris Rn. 26 f.; VG Oldenburg, Beschluss vom 1. Juli 2020 - 7 B 1685/20 -, juris Rn. 28 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 26. April 2016 - A 11 K 1750/16 -, juris S. 8; VG Würzburg, Urteil vom 5. Oktober 2015 - W 7 K 15.30563 -, juris S. 5 f.
Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand November 2020, S. 16 f.) ist die medizinische Versorgung für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care) sowie zusätzlich bestehende staatliche Gesundheitsprogramme für bestimmte Krankheitsbilder je nach sozialer Lage nämlich kostenlos oder mit Zuzahlungen gewährleistet. Mit einer privaten Krankenversicherung kann die Leistungsübernahme medizinischer Behandlungen beitragsabhängig erweitert werden. Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und weitgehend moderne Behandlungen an; staatliche Einrichtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung. Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus EU-Ländern. Viele der in Deutschland erhältlichen Medikamente, gegebenenfalls als Generika, sind daher auch in Georgien verfügbar.
Diese Informationen werden bestätigt und konkretisiert durch den Bericht der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 21. März 2018, Focus Georgien, Reform im Gesundheitswesen: Staatliche Gesundheitsprogramme und Krankenversicherung, welchem zu entnehmen ist (S. 14 ff.), dass im Rahmen der nationalen HIV/Aids Strategie in Georgien alle Infizierten seit 2004 kostenlos antiretrovirale Medikamente erhalten. Finanziert werden sie durch den georgischen Staat und dem Global Fund to Fight HIV/AIDS, Tuberculosis, and Malaria. Demnach haben alle HIV-infizierten georgischen Bürger Zugang zum Programm. Im Unterschied zur Mehrheit der Länder in der Region Osteuropa und Zentralasien kennt Georgien – den aktuellsten WHO-Empfehlungen folgend – keinen Schwellenwert der CD4-Zellzahl, der erreicht werden muss, damit jemand antiretrovirale Medikamente erhält. Infizierte haben in jedem Stadium Zugang zum Programm. Zu den kostenlosen ambulanten Dienstleistungen gehören Arzttermine in der Praxis und die Behandlung von opportunistischen Infektionen. Als kostenlose stationäre Dienstleistung steht u.a. die Behandlung von HIV-Infektionen sowie Begleiterscheinungen von AIDS kostenlos zur Verfügung. Das National AIDS Centre in Tiflis erstellt die Diagnose und regelt die Aufnahme in das staatliche Programm. Die antiretrovirale Therapie erfolgt in Kliniken sowie mittels mobilen Teams bei den Patienten zu Hause. Das Zentrum verfügt auch über eine von zivilgesellschaftlichen Organisationen geführte Beratungsstelle. Von den Personen, die für eine entsprechende Therapie in Frage kommen, erhalten 91 % eine antiretrovirale Therapie. Der Zugang dazu war seit 2004 ohne Unterbrechung gewährleistet. Die WHO kritisiert, dass Empfänger von antiretroviralen Therapien die Kliniken relativ häufig aufsuchen müssen, um Viruslast und CD4-Zahl zu messen, nämlich meistens alle zwei bis drei Monate. Das National AIDS Centre in Tiflis ist laut WHO für die notwendigen Messungen sowie für die Diagnose von opportunistischen Infektionen gut aufgestellt, was Personal und Equipment anbelangt. Dem Centre attestiert die WHO generell eine hohe Qualität bei der Behandlung von HIV/AIDS Patienten. Die gesellschaftliche Stigmatisierung von HIV/AIDS kann sich negativ auf den Zugang zu staatlichen Programmen auswirken, da die Krankheit primär mit Drogenabhängigkeit oder mit der LGBTI-Gemeinschaft in Verbindung gebracht wird. Staatliche und nichtstaatliche Organisationen haben sich zum Ziel gesetzt, dieser Stigmatisierung durch Informations- und Aufklärungsarbeit zum Thema HIV und AIDS entgegenzuwirken.
Bestätigt werden diese Informationen durch das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Georgien des BFA (Stand: 2. Dezember 2020; S. 43 ff., 48). Auch dieses stellt dar, dass Infizierte in jedem Stadium der Infektion, unabhängig von der CD4-Zellzahl, Zugang zum Universal Health Care Programm haben. Die Leistungen des Programms werden demnach vollständig finanziert und bedürfen keiner Zuzahlung seitens der Patienten.
Auch die individuellen finanziellen Möglichkeiten des Klägers stehen dem nicht entgegen. So lässt sich den zitierten Erkenntnismitteln entnehmen, dass ein Großteil der Behandlungen kostenlos ist. Auch eine etwaige Stigmatisierung von HIV-Kranken begründet kein Abschiebungsverbot. Mag der Zugang zu medizinisch notwendigen Behandlungen auch faktisch durch eine mitunter geringe Akzeptanz und fehlendes Verständnis in der Bevölkerung für die Krankheit des Klägers schwieriger sein, ändert dies nichts an den Zugangsmöglichkeiten des Klägers zu den medizinischen Behandlungsmöglichkeiten in Georgien. So wäre es dem Kläger etwa auch möglich, künftig im Großraum Tiflis zu leben und sich damit einen direkten Zugang zu den Behandlungsmöglichkeiten in Tiflis zu sichern.
b. Auch die psychischen Probleme des Klägers begründen kein Abschiebungsverbot. Es kann dahinstehen, ob das Attest vom 4. August 2020 eines Facharztes für Allgemeinmedizin den gesetzlichen Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2, 3 AufenthG genügt. Insoweit sind indes erhebliche Zweifel angebracht, da das Attest, das im Übrigen auch keine Klassifizierungen nach ICD-10 enthält, zwar einerseits eine PTBS in der Diagnose im Briefkopf erwähnt, in der Beschreibung dann aber im Wesentlichen allgemein nur Suizidgedanken des Klägers ausführt, ohne sich mi dem Krankheitsbild einer PTBS auseinanderzusetzen.
Aber selbst unterstellt, der Kläger leide an den psychischen Krankheiten, lässt sich den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass diese auch in Georgien ausreichend zu behandeln sind,
so auch SächsOVG, Urteil vom 2. Juli 2019 - 2 A 334/15.A -, juris Rn. 31 f., VG Würzburg, Beschluss vom 2. Januar 2018 - W 7 S 17.33934 -, juris Rn. 26 m.w.N.; VG Regensburg, Urteil vom 10. Februar 2017 - RO 9 K 16.33416 -, juris Rn. 24; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. Mai 2016 - 6a L 1070/16.A -, juris Rn. 13 ff.,
zumal der Kläger der georgischen Sprache mächtig ist;
vgl. VG München, Urteil vom 22. März 2017 - M 16 K 15.30079 -, juris Rn. 25.
In Ergänzung zu den vorab dargestellten generellen Behandlungsmöglichkeiten von Krankheiten aus dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand November 2020, S. 16 f.) sind nämlich auch psychische Probleme, wie die von dem Kläger vorgetragenen Krankheiten, in Georgien behandelbar.
Dem Bericht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Focus Georgien, Reform im Gesundheitswesen: Staatliche Gesundheitsprogramme und Krankenversicherung, vom 21. März 2018, ist zu entnehmen (S. 19), dass das staatliche Programm für psychische Krankheiten eine Vielzahl von Dienstleistungen umfasst, u.a. die ambulante Behandlung durch einen Psychiater, Therapeuten oder Neurologen, eine psychosoziale Rehabilitation, eine kurzfristige Krisenintervention, stationäre Kurz- und Landzeitbehandlung in der psychiatrischen Institution u.a. von Tiflis sowie Heimaufenthalte. Der Staat übernimmt die Kosten für alle psychischen Erkrankungen vollständig, die als Psychose bezeichnet werden, wozu eine Reihe psychischer Störungen gehört. Sofern diese durch einen Suchmittelmissbrauch verursacht worden ist, übernimmt der Staat 70 % der Kosten. Das Programm steht allen georgischen Bürgern offen, zur Registrierung wendet man sich an eine psychiatrische Institution.
Diese Erkenntnisse werden durch das Länderinformationsblatt des BFA (Stand: 2. Dezember 2020, S. 49 ff.) bestätigt. So existiert das staatliche Programm „Psychische Gesundheit“, das sich auf eine Erhöhung der geografischen und finanziellen Verfügbarkeit psychiatrischer Dienste für die georgische Bevölkerung bezieht und eine Vielzahl von ambulanten Diensten zur Versorgung von Patienten vorsieht, wobei die Leistungen des Programms (mit Ausnahme der stationären Betreuung von psychischen Störungen und Verhaltensstörungen, die durch psychoaktive Substanzen verursacht werden) vollständig vom Staat finanziert werden.
Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wären auch die psychischen Erkrankungen des Klägers in Georgien behandelbar. Auch insoweit sind die Behandlungsmöglichkeiten in Tiflis offenbar besser als in ländlichen Gegenden des Landes. Anhand der vorab aufgestellten Maßstäbe ist dem Kläger einerseits ein Leben im Großraum Tiflis zumutbar. Entsprechende Hilfsangebote sind dem Kläger auch finanziell tragbar, da nichts dafür ersichtlich ist, dass die psychischen Probleme auf einen Suchtmittelmissbrauch durch den Kläger rückführbar sind.
Die in dem Attest vom 4. August 2020 ebenfalls diagnostizierte Tuberkulose der Lymphknoten steht einer Abschiebung ebenfalls nicht entgegen. So ist dem Attest bereits nicht einmal im Ansatz zu entnehmen, ob und inwieweit der Kläger weiterhin an dieser Erkrankung leidet. Aufgrund der dargestellten Grundsätze über das georgische Gesundheitssystem sind aber auch keine Anhaltspunkte für eine fehlende Behandelbarkeit im Heimatland des Klägers ersichtlich.
IV. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch schließlich hinsichtlich der Ziffer 5, wonach der Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert worden ist, keinen Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich.
Die Entscheidung des Bundesamts, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate zu befristen, ist, soweit sie das Gericht am Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO überprüfen kann, ebenfalls nicht zu beanstanden.
V. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO. Eine Zulassung der Berufung durch die Kammer kommt nicht in Betracht, da die Berufung nur durch das Oberverwaltungsgericht zugelassen werden kann (§ 78 Abs. 2 AsylG).