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Entscheidung OVG 5 B 32.19


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5 . Senat Entscheidungsdatum 21.05.2021
Aktenzeichen OVG 5 B 32.19 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0521.OVG5B32.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

Zum Anspruch von Mädchen auf Aufnahme in einen Knabenchor (Konzertchor).

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts

Berlin vom 16. August 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die 11-jährige Klägerin begehrt die Aufnahme in den Konzertchor des Staats- und Domchors Berlin - im Folgenden Staats- und Domchor -. Die Beklagte ist eine Hochschule des Landes Berlin. Sie ist Trägerin des Staats- und Domchors. Der derzeitige Chorleiter Professor J .... ist zugleich Inhaber einer Professur an der

Beklagten.

Der Staats- und Domchor ist eine der ältesten musikalischen Einrichtungen Berlins und ermöglicht insbesondere stimmlich begabten Jungen eine kostenlose musikalische und sängerische Grundausbildung. Er besteht heute aus sieben verschiedenen Chorgruppen, in denen gegenwärtig insgesamt ca. 250 Jungen und Männer singen. Der Konzertchor ist dabei die Chorgruppe der höchsten Exzellenz. Er gibt Konzerte im In- und Ausland und gestaltet Gottesdienste im Berliner Dom musikalisch mit. In ihm singen Knaben und Männer zusammen.

Die Klägerin sang bis Januar 2018 im Kinderchor der Komischen Oper Berlin und von Februar 2018 bis August 2018 in der Domsingschule in Frankfurt am Main.' Sie erhält regelmäßigen Stimmbildungsunterricht und spielt Bratsche.

Im April 2016 wandte sich die Mutter der Klägerin erstmals an die Beklagte und teilte mit, dass ihre Tochter den Flyer für das Vorsingen für den Staats- und Domchor gesehen habe und mitsingen wolle. Der Flyer richte sich aber ausschließlich an Berliner Jungs. Sie könne ihrer Tochter nicht recht erklären, warum sie gerade und allein wegen ihres Geschlechts nicht mitsingen/vorsingen dürfe, und erbitte dazu eine Begründung. Der Chorleiter verwies die Klägerin daraufhin auf den Mädchenchor der Sing-Akademie zu Berlin e.V. - im Folgenden Sing-Akademie -.

Am 28. November 2018 bat die Mutter der Klägerin um Aufnahme der Klägerin in den Staats- und Domchor. Der Chorleiter teilte der Mutter der Klägerin mit, dass der Staats- und Domchor seit Jahren mit dem Mädchenchor der Sing-Akademie organisatorisch, infrastrukturell und finanziell eine programmatische Einheit bilde. Der Mädchenchor sei eigens zum Zwecke einer den Jungen gleichwertigen Förderung gegründet worden. Der Knaben- und der Mädchenchor probten zwar getrennt, gestalteten aber mehrere gemeinsame Konzerte und Gottesdienste im Jahr. Die Ausbildung bei den Mädchen sei der Ausbildung bei den Jungen adäquat. Auf die Bitte der Mutter der Klägerin um förmliche Bescheidung des Aufnahmeantrags erwiderte der Chorleiter mit E-Mail vom 4. Dezember 2018, dass Bescheide grundsätzlich nicht erteilt, sondern nur Empfehlungen gegeben würden, wie eine Ausbildung sinnvoll aussehen könne.

Mit E-Mail vom 10. Dezember 2018 antwortete der Dekan der Fakultät Musik der Beklagten, Professor S .... , der Mutter der Klägerin u.a. wie folgt:

„Ihr Wunsch ist aussichtslos - .... niemals .... kann .... ein Mädchen .... in .... einem

Knabenchor mitsingen. So, wie .... niemals .... ein*e Klarinettisten .... in .... einem

Streichquartett wird mitspielen können. Ein solches Recht kann man sich auch nicht juristisch erstreiten, denn die Möglichkeiten, auf einem solchen Niveau zu arbeiten, haben dennoch beide: Das Mädchen in einem Mädchen- oder Kinderchor, der/die Klarinettist* in ei nem Bläserquintett.“

Die Mutter der Klägerin erinnerte die Beklagte im Januar 2019 an das Aufnahmegesuch und bat um förmlichen Bescheid durch die zuständige Stelle.

Hierauf antwortete die Beklagte, dass das Antragsgesuch nunmehr von ihrem Justiziariat bearbeitet werde und es zu der Entscheidung des Chorleiters einen Bescheid im Februar 2019 geben würde.

Auf Anfrage der Evangelischen Presseagentur teilte die Presseabteilung der

Beklagten dieser am 27. Januar 2019 Folgendes mit:

„Es gab bisher die Bewerbung eines Mädchens, das nicht aufgenommen werden konnte, weil der Staats- und Domchor gemäß Satzung ein Knaben- und Männerchor ist.“

Der Chorleiter lud die Klägerin mit Schreiben vom 21. Februar 2019 zu einem „Kennenlernen“ ein, wobei ihr ein Vorsingen, ei ne Gehörsprüfung und ein Gespräch angekündigt wurden. Das Anschreiben enthielt neben dem Logo der Beklagten dasjenige des Staats- und Domchors und des Mädchenchors der SingAkademie.

Am 26. Februar 2019 erhob die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht auf

Aufnahme in den Staats- und Domchor.

Die Klägerin sang am 11. März 2019 in den Räumen des Staats- und Domchors vor dem Chorleiter, der Leiterin des Mädchenchors der Sing-Akademie, Frau Professor S .... , und der leitenden Stimmbildnerin der beiden Ensembles, Frau

R .... .

Nachfolgend übermittelte der Chorleiter der Mutter der Klägerin ein Gutachten mit einer auf die Klägerin bezogenen Einschätzung, datierend vom 12. bzw. 19. März 2019, das auch von Frau Professor S ....  .... und Frau R ....  .... unterschrieben

worden ist und in dem es u.a. heißt:

„Vorbemerkung: [...] Nach eingehender Beratung haben die Leitungen des Staats- und Domchores und des Mädchenchores der Sing-Akademie zu Berlin entschieden, dass es für solche Fälle (ein Mädchen möchte in einem Knabenchor singen / ein Junge im Mädchenchor / usw.) in jedem Fall zu einer Einladung und Vorstellung kommt, um die Motivation des Kindes und der Eltern zu erfragen.“

Unter der Überschrift „Befund“ stellte das Gutachten fest, dass die Motivation der Klägerin für einen Einstieg in den Staats- und Domchor nicht genüge. Es sei auch diskutiert worden, ob das Zeitfenster vor der zu erwartenden Mutation für ein Erreichen des Niveaus nicht zu klein sei. Darüber hinaus sehe die Kommission keine Grundlage für eine Ausbildung der Klägerin innerhalb des Staats- und Domchors oder des Mädchenchors der Sing-Akademie. Insbesondere der Umstand, dass die Mutter nach erfolgter Einladung zur Vorstellung Klage erhoben habe, lasse erheblich daran zweifeln, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern stattfinden könne, was wiederum Grundlage für die persönliche Ausbildung einer Kinderstimme sei.

Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 25. März 2019 Widerspruch ein.

Ihre Klage hat die Klägerin im Wesentlichen darauf gestützt, dass ihre Nichtaufnahme in den Staats- und Domchor eine Verletzung ihres Anspruchs auf gleiche Teilhabe an staatlichen Leistungen und an staatlicher Förderung darstelle, der aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG sowie Art. 10 Abs. 1 und 2 VvB folge. Die Zugangsbeschränkung auf Jungen diskriminiere sie in unzulässiger Weise. Für den generellen Ausschluss von Mädchen von der von der Beklagten angebotenen musikalischen Ausbildung seien keine zwingenden Gründe erkennbar. Die traditionelle Bedeutung des Knabenchors rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht. Weibliche und männliche Kinderstimmen unterschieden sich vor dem Stimmbruch nicht fundamental. Es gebe auch keine geschlechtsbezogenen, anatomischen Unterschiede von Mädchen und Jungen vor dem Stimmbruch, die Mädchen grundsätzlich nicht befähigten, dem von der Beklagten angestrebten Klangziel zu entsprechen. In der musik- und gesangswissenschaftlichen Fachwelt werde durchaus die Auffassung vertreten, dass sich die Stimmen von Mädchen und Jungen in der Regel hörbar voneinander unterschieden. Die Gesangspädagogik habe überragenden Einfluss gegenüber den anatomischen Unterschieden. Die Beklagte könne sich auch nicht auf einen künstlerischen Beurteilungsspielraum berufen. Die Entscheidung, eine musikalische Auswahl auf ein biologisches Geschlecht zu begrenzen, stelle noch keinen schöpferischen Akt im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG dar. Schließlich habe die Beklagte die Aufnahme der Klägerin in eines ihrer Ensembles nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihrer Mutter nicht möglich sei.

Das Verwaltungsgericht hat die auf Verpflichtung der Beklagten gerichtete Klage, die Klägerin in den Konzertchor des Staats- und Domchors aufzunehmen, durch Urteil vom 16. August 2019 abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet.

Für die Klage sei der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet. Die mit der Klage beabsichtigte Aufnahme in den Staats- und Domchor falle nicht in den Bereich der innerkirchlichen Selbstverwaltung, was zur Folg e hätte, dass die Klage wegen des Selbstverwaltungsrechts der Religionsgesellschaften gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung nicht der staatlichen Gerichtsbarkeit unterläge, sondern vor den kirchlichen Gerichten anhängig zu machen und vom Verwaltungsgericht als unzulässig abzuweisen wäre. Der Staats- und Domchor sei, anders als der Namensteil „Domchor“ andeuten möge, keine Einrichtung in der Trägerschaft einer Kirche, sondern der Beklagten.

Darüber hinaus sei der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Dem geltend gemachten Anspruch auf Aufnahme in den Staats- und Domchor liege eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art zu Grunde. Streitentscheidende Normen seien solche des öffentlichen Rechts. Denn der Staats- und Domchor sei eine öffentliche Einrichtung, deren Zugangsvoraussetzungen öffentlich-rechtlich geregelt seien. Unter einer öffentlichen Einrichtung sei dabei ganz allgemein jede Zusammenfassung von Personen und Sachen zu verstehen, die im Rahmen übertragener staatlicher Aufgaben geschaffen werde und dem von dem Widmungszweck erfassten Personenkreis nach allgemeiner und gleicher Regelung zur Benutzung offenstehe. Durch den Widmungsakt, der nicht an eine bestimmte Rechtsform gebunden sei, werde eine Einrichtung öffentlich, was auch konkludent erfolgen könne. Als solcher Widmungsakt sei hier die Satzung für den Staats- und Domchor in Berlin des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 28. August 1923 anzusehen, weil aus dieser hervorgehe, welchem Zweck der Staats- und Domchor Berlin dienen solle und welchem Personenkreis er offenstehe. Mit dieser Satzung habe der Preußische Minister den Staats- und Domchor als staatliche Einrichtung geschaffen, die in der historischen Tradition des ehemals königlichen Hof- und Domchores kulturelle Veranstaltungen in Form von Konzerten selbst durchführe, die aber andererseits auch die musikalische Erziehung und Förderung zum Gegenstand habe. Damit biete der Chor letztlich auch Leistungen an.

Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf die beantragte Aufnahme in den Konzertchor des Staats- und Domchors noch könne sie eine erneute Entscheidung über ihre Aufnahme verlangen.

Als Anspruchsgrundlage der Klägerin für die Aufnahme in den Konzertchor des Staats- und Domchors komme einzig ihr aus Art. 3 Abs. 1 GG bzw. Art. 10 Abs. 1 VvB begründetes Recht auf gleiche Teilhabe an einer öffentlichen Einrichtung in Verbindung mit der Satzung des Staats- und Domchors in Betracht.

Aus dem in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Gleichheitsrecht folge als abgeleitetem Teilhaberecht ein Anspruch auf Zugang zu öffentlichen Einrichtungen, und zwar im Rahmen gleichheitsgerechter Allgemeinzugänglichkeit. Das Teilhaberecht gehe dabei nicht so weit, dass es den Staat verpflichten könne, bestimmte Einrichtungen zu schaffen. Es setze vielmehr deren Bestehen voraus, wobei der Einzelne .... keinen .... Mitgestaltungsanspruch .... bei .... den .... staatlichen

Planungsentscheidungen habe. Insofern sei der in der Satzung des Staats- und Domchors angelegte Widmungszweck der Einrichtung maßgeblich, aus dem auch der Personenkreis hervorgehe, dem der Chor offenstehe. Dieser schließe es nicht von vornherein aus, die Klägerin aufzunehmen. Darüber hinaus lege der Chorleiter selbst - ausgehend von seiner zuletzt getroffenen Entscheidung, die Klägerin zu einem persönlichen Vorsingen einzuladen, sowie nach seiner Schilderung in der mündlichen Verhandlung - ein solches Verständnis nicht zu Grunde. Vielmehr gehe er davon aus, dass der Staats- und Domchor auf einen bestimmten Klangraum, nämlich den eines Knaben- bzw. Männerchores, ausgerichtet sei, der nicht zwingend das männliche Geschlecht voraussetze.

Nach der Satzung .... des Preußischen .... Ministers für Wissenschaft, .... Kunst .... und

Volksbildung vom .... 28. August 1923 .... entscheide .... der Chorleiter .... über .... alle

künstlerischen Einzelfragen des Chores (§ 5 Satz 3), insbesondere obliege ihm die Entscheidung über die Aufnahme der Singenden (§ 5 Satz 4 lit. d). Insoweit komme ihm bei der Entscheidung, wen er in den Staats- und Domchor Berlin aufnehme, ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Das Gericht könne dementsprechend nur prüfen, ob der Chorleiter seiner Entscheidung sachfremde Erwägungen zu Grunde gelegt, willkürlich entschieden oder Grundrechte verletzt habe. Das sei nicht der Fall.

Der Chorleiter habe die Aufnahme der Klägerin in den Konzertchor des Staatsund Domchors mit der Begründung ablehnen dürfen, sie sei nicht in der Lage, das von ihm angestrebte Klangbild eines Knabenchores zu erzeugen.

Die Aufnahmevoraussetzung für den Konzertchor, eine Stimme zu haben, die dem Knabenchorklang entspreche, dürfte allerdings dazu führen, dass die Aufnahmewahrscheinlichkeit für Bewerber männlichen Geschlechts ungleich höher liege als diejenige für Bewerberinnen weiblichen Geschlechts. Die darin liegende faktische oder so genannte mittelbare Ungleichbehandlung weiblicher Bewerberinnen aufgrund des Geschlechts sei jedoch nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz mit Blick auf die Kunstfreiheit der Beklagten und ihres Chorleiters aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gerechtfertigt, weil bei einer Aufnahme der Klägerin in den Konzertchor der von dem Chorleiter als ästhetisches Ergebnis angestrebte Klangraum eines Knabenchores, der bestimmte Stimmen voraussetze, nicht erreicht und seine Kunstfreiheit vollständig leerlaufen würde. Durch dieses Abwägungsergebnis werde die Klägerin als Mädchen weder faktisch von der Teilhabe an einem bestimmten Bereich gesellschaftlicher Betätigung ausgeschlossen noch werde ihr die grundsätzliche Möglichkeit genommen, in anderen Chören zu singen und in Gesangseinrichtungen eine musikalische Ausbildung mit vergleichbarem Niveau zu erhalten.

Unabhängig davon habe der Chorleiter der Klägerin auch deshalb die Aufnahme in den Konzertchor versagen dürfen, weil er sie für persönlich nicht geeignet halte. Der Konzertchor stelle die höchste Chorklasse des Staats- und Domchors dar. Dabei sei es weder sachfremd noch erscheine es willkürlich, für die Aufnahme in diese Konzertklasse ein bestimmtes gesangliches Niveau, ein besonderes Maß an Motivation und eine außergewöhnlich hohe Identifikation mit der Arbeit und der Gruppe vorauszusetzen. Ausgehend von diesen hohen Maßstäben habe der Chorleiter nachvollziehbar dargelegt, dass das stimmliche Niveau der Klägerin .... - unabhängig davon, dass ihre Stimme keinen

Knabenklang aufweise - für die Aufnahme in den Konzertchor nicht ausreichend sei und auch ihre Motivation nicht genüge.

Gegen dieses am 27. September 2019 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer durch das Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung vom 28. Oktober 2019 (Montag), zu deren Begründung sie innerhalb der gewährten Fristverlängerung im Wesentlichen ausführt: Das angegriffene Urteil verkenne, dass der Klägerin die Ausbildung in dem von der Beklagten getragenen Staats- und Domchor einzig und allein wegen ihres weiblichen Geschlechts verwehrt worden sei. Dies stelle eine nicht zu rechtfertigende unmittelbar geschlechtsbezogene Diskriminierung dar. Die Voraussetzungen für eine fachlich neutrale und vorbehaltsfreie Bewertung der Klägerin durch den Chorleiter hätten schon auf Grund seiner voreingenommenen Haltung, die in seinen Äußerungen sichtbar werde, nicht vorgelegen. Darüber hinaus sei der Chorleiter durch die ablehnenden Äußerungen von Repräsentanten der Beklagten beeinflusst gewesen, mit denen er sich im laufenden Verfahren identifiziert habe. Grund der Ablehnung sei allein das weibliche Geschlecht der Klägerin gewesen.

Schon der Internetauftritt des Staats- und Domchores - nach wie vor mit dem Titel „Berliner Jungs singen“ - wende sich nur an Jungen. Die Klägerin habe bereits im Jahr 2016 ein Aufnahmegesuch an den Chorleiter und die Beklagte gerichtet. Der Chorleiter habe dieses mit der Begründung abgelehnt, Mädchen würden generell nicht aufgenommen. Die Beklagte habe diesen Standpunkt seinerzeit erkennbar geteilt.

Dem erneuten Aufnahmegesuch im Jahr 2018 hätten der Chorleiter und die Beklagte ebenfalls von vornherein ablehnend gegenübergestanden. Das zeige sich daran, dass der Chorleiter E-Mails der Klägerin nicht oder nur ausweichend beantwortet habe, sich der Chorleiter und die Beklagte weder von dem Inhalt der E-Mail des Dekans der Fakultät Musik vom 10. Dezember 2018 noch von der Mitteilung der Presseabteilung vom 27. Januar 2019 distanziert hätten und spätestens im Zeitpunkt der Mitteilung der Beklagten im Januar 2019, wonach es einen Bescheid im Februar 2019 geben werde, die Meinungsbildung der Beklagten zu Lasten der Klägerin abgeschlossen gewesen sei, wofür auch die aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlichen dienstlichen Vermerke und die Äußerungen des Justiziars der Beklagten sprächen. Die Einladung zu einem „Kennenlernen“ habe vor diesem Hintergrund allein dem Zweck gedient, ein Aufnahmeverfahren vorzuspiegeln.

Der Chorleiter habe im Vorstellungstermin am 11. März 2019 sichtlich aufgebracht und verärgert reagiert, als er von der zugestellten Klagschrift erfahren habe.

Auf der Sitzung des Fördervereins des Staats- und Domchors am 18. März 2019, an der u.a. der Chorleiter und die Mutter der Klägerin teilgenommen hätten, habe der Chorleiter auf die Frage eines anwesenden Vereinsmitglieds, ob nicht doch eine Mitwirkung von Mädchen in einigen Klassen möglich wäre, klar und unmissverständlich geantwortet, dass er dies nicht vorhabe und nicht vorgehabt habe und dass der Chor genauso bestehen bleiben solle, wie er sei, nämlich männlich.

Der Inhalt des anlässlich des Vorsingens der Klägerin erstellten Gutachtens sei ausweislich des internen Vermerks vom 12. März 2019 ersichtlich mit dem Justiziariat des Beklagten abgestimmt worden. Zudem sei in dem Gutachten nicht nur die allein beantragte Aufnahme in den Staats- und Domchor, sondern auch diejenige in einen Chor der Sing-Akademie ausgeschlossen worden. Für diese „überschießende“ Nichtaufnahme habe es keinerlei sachbezogenen Grund oder Anlass gegeben. Ungeachtet dessen stehe die Ablehnung in unerklärlichem Widerspruch dazu, dass die Klägerin tatsächlich zwei Monate in einem Chor der Sing-Akademie mitgesungen und unter Professorin S ....  .... eine Aufführung

gehabt habe. Kritische Bemerkungen zu ihrer Eignung oder Leistung habe es seinerzeit nicht gegeben. Ausschlaggebend für die Entscheidung, nicht weiter im Mädchenchor mitzuwirken, sei die Beitragszahlung gewesen. Die Mutter der Klägerin habe als Alleinverdienerin die Kosten im Griff behalten und zusätzlich für den Instrumentenunterricht aufkommen müssen.

Die Hilfserwägung des Verwaltungsgerichts, wonach die Nichtaufnahme der Klägerin jedenfalls deshalb rechtmäßig gewesen sei, weil der Chorleiter sie für persönlich ungeeignet befunden habe, gehe ins Leere. Vielmehr wäre die Klägerin wegen dessen Voreingenommenheit in jedem Fall abgelehnt worden.

Die angegriffene Entscheidung könne auch nicht mit der Begründung Bestand haben, dass nach dem Widmungszweck nur Sänger in den Staats- und Domchor aufgenommen würden, die in der Lage seien, den vom Chorleiter angestrebten Klangraum eines Knabenchors zu erzeugen. Das Verwaltungsgericht vermute ohne ausreichende eigene Sachkunde, dass die Aufnahme der Klägerin zu einer für den angestrebten Gesamtklang des Chors nachteiligen Veränderung führen würde. Bei einer Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Untersuchungen wäre es zu der Auffassung gelangt, dass die Fähigkeit, ein angestrebtes Klangbild zu erzeugen, nicht maßgeblich vom Geschlecht, sondern von der spezifischen Gesangsausbildung und dem Repertoire geprägt werde. Kinder im Alter der Klägerin hätten ein besonders ausgeprägtes Veränderungsund Imitationspotential, sich stimmlich einem im Chor vorherrschenden Klangbild anzupassen.

Das Verwaltungsgericht lege fehlerhaft zu Grunde, dass die Belange der Kunstfreiheit vorgehen müssten, sofern noch nicht abschließend empirisch geklärt sei, wie sich die Aufnahme der Klägerin auf das Klangbild des Chores auswirken würde. Ferner habe es sich mit der bloßen Plausibilität der Einschätzung des Chorleiters begnügt, dass nachteilige Auswirkungen bei der Aufnahme der Klägerin in den Chor auf dessen Klangbild jedenfalls nicht gänzlich und von vornherein auszuschließen seien. Diese Bewertung stehe und falle von vornherein mit der Annahme, dass der Chorleiter seine Eindrücke aus dem Vorsingen offen und unvoreingenommen dargestellt habe. Das sei, wie bereits ausgeführt, nicht der Fall. Unbeschadet dessen komme es auch darauf an, ob die Einschätzung des Chorleiters über eine ausreichende empirische Grundlage verfüge, dass die Klägerin sich das von ihm angestrebte Klangbild nicht binnen angemessener Zeit aneignen könnte.

Der Teilhabeanspruch der Klägerin müsse auch nicht hinter der Kunstfreiheit des Chorleiters oder der Beklagten zurückstehen, selbst wenn als zutreffend unterstellt werde, dass das vom Chorleiter angestrebte Klangbild für die Klägerin wegen ihres Geschlechts schwerer erreichbar sei als für Jungen. Bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen habe das Verwaltungsgericht .... die .... Bedeutung .... des .... spezifischen

Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 3 GG grundlegend verkannt. Das Verwaltungsgericht habe die Frage nicht beantwortet, ob die Aufnahme von Mädchen zu einer wahrnehmbaren Veränderung des Klangbildes insgesamt führe, sondern dem künstlerischen Empfinden des Chorleiters auch für den Fall Vorrang eingeräumt, dass sich die Mitwirkung der Klägerin nicht oder nur mit einer geringfügigen Veränderung auf das angestrebte Gesamtbild auswirke. Damit würden die widerstreitenden Grundrechtspositionen nicht zu einem schonenden Ausgleich gebracht. Denn der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Diskriminierungsfreiheit der Klägerin stehe keine gleichermaßen schwerwiegende Beeinträchtigung der Kunstfreiheit der Beklagten gegenüber. Das Verwaltungsgericht könne eine geringfügige Beeinträchtigung der Diskriminierungsfreiheit der Klägerin nicht damit begründen, dass der Klägerin durch die Nichtaufnahme in den Chor nicht die Möglichkeit genommen werde, in anderen Chören zu singen oder in anderen Gesangseinrichtungen eine musikalische Ausbildung mit vergleichbarem Niveau zu erhalten. Das Verwaltungsgericht übersehe, dass mit Blick auf die Ausrichtung des Chors, der den Zugang von Kindern weiblichen Geschlechts rechtlich und tatsächlich ausschließe und diese unmittelbar diskriminiere, der Anspruch der Klägerin auf Zugang zu der in Rede stehenden öffentlichen Einrichtung, die eine qualitativ hochwertige und besonders intensive Ausbildung ermögliche, insgesamt leerlaufe, weil kein gleichwertiges Angebot für Mädchen bestehe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. August 2019 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 28. November 2018 über die Aufnahme in den Staats- und Domchor Berlin in den Konzertchor unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend führt sie aus, dass der Chorleiter die Klägerin anlässlich des Aufnahmegesuchs im Jahr 2016 auf den kooperierenden Mädchenchor der Sing-Akademie hingewiesen habe. Dort habe diese sich erfolgreich beworben, sodass für den Chorleiter und die Beklagte kein Anlass bestanden habe, sich weiterhin mit dem Aufnahmegesuch zu beschäftigen. Die Klägerin habe bereits kurz nach Beginn der Probezeit im Mädchenchor nicht mehr an den Proben teilgenommen, die Probezeit damit vorzeitig selbst beendet und im Ergebnis nicht bestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Vorgelegen haben und deren Inhalt - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist zwar zulässig. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet sei, ist für den Senat nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG bindend. Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage in Gestalt der Bescheidungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Der Umstand, dass vor Erhebung der Klage kein Vorverfahren gemäß §§ 68 ff. VwGO durchgeführt worden ist, lässt die Zulässigkeit der Klage unberührt. Ungeachtet des Umstandes, dass ein Widerspruchsverfahren nach § .... 26 Abs. 2 Satz 1 AZG in

Hochschulangelegenheiten nicht gegeben ist, würde sich ein solches als entbehrlich erweisen, weil sich die Beklagte insofern rügelos auf die Klage sachlich eingelassen hat. Eine Klagebefugnis aus § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben, weil nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Klägerin durch die ablehnende Entscheidung der Beklagten in ihrem Recht auf Teilhabe an einer öffentlichen Einrichtung verletzt ist.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Ablehnung der Aufnahme der Klägerin in den Konzertchor des Staats- und Domchors ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Neubescheidung, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.

Anders als das Verwaltungsgericht annimmt, kommt als Anspruchsgrundlage für die Aufnahme in den Konzertchor des Staats- und Domchors nicht einzig ihr aus Art. 3 Abs. 1 GG bzw. Art. 10 Abs. 1 VvB begründetes Recht auf gleiche Teilhabe an einer öffentlichen Einrichtung in Betracht. Da der Staats- und Domchor nach seinem in § 2 lit. c) der Satzung des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 28. August 1923 festgelegten Widmungszweck u.a. dazu bestimmt ist, Konzertaufführungen und Übungen im allgemeinen erzieherischen und unterrichtlichen Interesse der Hochschule für Musik zu veranstalten, kommt diesem der Charakter einer öffentlichen Bildungseinrichtung zu, die der Klägerin ein normiertes Zugangsrecht nach Art. 20 Abs. 1 VvB eröffnet. Danach hat jeder Mensch ein Recht auf Bildung und ermöglicht und fördert das Land nach Maßgabe der Gesetze den Zugang eines jeden Menschen zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen.

Die Ausbildung der Knaben- und jungen Männerstimmen im Staats- und Domchor Berlin erfolgt in sieben unterschiedlichen Chorgruppen, wobei sich die Ausbildungsprofile der unterschiedlichen Gruppen an den altersentsprechenden Fähigkeiten der Sänger orientieren. Die sieben Gruppen stellen sich wie folgt dar (vgl. https://www. udk-berlin.de/universitaet/fakultaet-musik/staats-und-domchor-berlin/ „Ausbildung“):

DoMinis

4-6 Jahre

„Die musikalische Früherziehung beginnt bereits im Vorschulalter. Spielerischführen wir unsere Jüngsten an Geräusche, Töne, Klänge und Rhythmen heran.“

Chorschule

6- .... 8 Jahre

„In den nächsten anderthalb Jahren werden die Stimmen herangebildet,Grundlagen der Musiklehre we rden spielerisch vermittelt.“

Kurrenden

7- .... 10 Jahre

„In den Kurrenden wird das bewusste Singen und Hören in der Gruppe geschult.Die Kinder erproben sich im mehrstimmigen Singen und Grundlagen desBlattsingens werden vermittelt.“

Kapellchor ab 9 Jahren„In dieser Ausbildungsgruppe singen die Knaben erstmals mit Männerstimmengemeinsam und lernen so das gemischtstimmige Repertoire kennen.“

Konzertchor ab 10 Jahren„Im Konzertchor singen ca. 60 Knaben- und 30 Männerstimmen. Der Konzertchorist verantwortlich für die musikalische Gestaltung der Domgottesdienste und gibtKonzerte im In- und Ausland.“

Voices in Spe

13-16 Jahre

„Während des Stimmwechsels erwerben die Jugendlichen vermehrt theoretischeKenntnisse. Die Stimmen werden auf dem Weg zur neuen Stimmlage imMännerregister gesangspädagogisch begleitet.“

Männerchor

„Der Männerchor des Staats - und Domchores profilierte sich in den letzten Jahrenzu einem eigenen Klangkörper. Je nach Anlass bildet sich aus den Gruppen dabeiein Chor von 20 bis 60 Sängern heraus.“

Soweit der Staats- und Domchor nach § 2 lit. a) der Satzung des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 28. August 1923 als „Musterchor für Chorgesang“ dienen soll, wird dieser Zweck in erster Linie durch den von der Klägerin angestrebten Konzertchor verwirklicht, der Konzerte im In- und Ausland gibt und Gottesdienste gestaltet. Dementsprechend verfügen die Knaben im Konzertchor nach den Ausführungen des Chorleiters in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts über „bereits voll ausgebildete Knabenstimmen“. Hier steht nicht mehr wie in den unteren Chorgruppen die Ausbildung, sondern die Konzert- und Ausführungstätigkeit im Vordergrund. Diese setzt im Unterschied zu den unteren Chorgruppen das höchste gesangliche Niveau voraus, was sich auch daran zeigt, dass die im Konzertchor Singenden für ihre Gesangstätigkeit eine Aufwandsentschädigung erhalten (vgl. die 1. Änderung der Satzung über die Honorierung von Mitgliedern des Staats- und Domchores vom 1. Juni 2011, UdK-Anzeiger 6/2011 vom 9. September 2011, S. 25 f.). Indes erfordert auch die Pflege und Erhaltung dieses Niveaus von jedem Chormitglied ein beständiges Üben sowie die Erweiterung des Repertoires, sodass der Konzertchor nicht nur organisatorisch, sondern auch nach seinem Wesen Bestandteil der Bildungseinrichtung ist, dessen Zugang die Klägerin grundsätzlich nach Art. 20 Abs. 1 VvB beanspruchen kann. Die Beklagte ist allerdings als Trägerin des Staats- und Domchors befugt, „im Rahmen der Gesetze“ die Zugangsvoraussetzungen und die Benutzungsbedingungen für die öffentliche Einrichtung selbständig zu regeln. Die Grenzen dieser Befugnis ergeben sich insbesondere aus dem Widmungszweck der öffentlichen Bildungseinrichtung, aus dem Verfassungsauftrag des Art. 20 Abs. 2 VvB, das kulturelle Leben zu schützen und zu fördern, aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG und Art. 10 VvB sowie aus dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Nach seinem aus der Satzung des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 28. August 1923 ersichtlichen Widmungszweck soll der Staatsund Domchor Berlin als „Musterchor für Chorgesang [...] dienen“, den „Chorgesang bei Gottesdiensten und liturgischen Andachten und bei besonderen feierlichen Anlässen der Domkirche aus[...]führen“, „Konzertaufführungen und Übungen im allgemein erzieherischen und unterrichtlichen Interesse der Hochschule für Musik [,..]veranstalten“ und „auf Anordnung des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung bei feierlichen Staatshandlungen mit[...]wirken“ (§ 2 der Satzung). Die Zusammensetzung des Chors gibt § 3 der Satzung vor, wonach der Chor aus einem Männerchor, einer Knabenhauptklasse und einer Knabenvorklasse besteht. Der damit verbundene Ausschluss eines Mädchenchores ist mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 10 Abs. 2 VvB, wonach niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden darf, vereinbar. Die Beklagte kann sich insoweit zur Rechtfertigung auf die Verfassungsnorm des Art. 20 Abs. 2 VvB berufen, die es dem Land auferlegt, das kulturelle Leben zu schützen und zu fördern. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Preußische Minister mit dem Staats- und Domchor Berlin eine öffentliche Einrichtung geschaffen, die in der historischen Tradition des ehemals königlichen Hof- und Domchors steht und kulturelle Veranstaltungen in Form von Chorgesang und Konzertaufführungen durchführt und hierzu auch ausbildet. Der im Staats- und Domchor verankerte Knabenchor ist die älteste musikalische Einrichtung Berlins. Sie geht auf Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg zurück, der im Jahr 1465 für die Musik in der „Dhumkerke“ fünf Singeknaben einstellte. Die Herausbildung von Knabenchören in der europäischen Sakralmusik hat einen religiösen Grund. Nach Auffassung des Apostels Paulus sollen wie in allen Gemeinden der Heiligen die Frauen in den Gemeindeversammlungen schweigen (1. Brief an die Korinther, Kap. 14 Vers 33 - 35). Das heutige Repertoire der über die Jahrhunderte als reiner Knaben- bzw. Männerchor betriebenen Einrichtung umfasst die großen Werke der abendländischen Chorkultur. Der Knabenchor ist fester kultureller Bestandteil des Landes Berlin und bereichert das Berliner Musikleben u.a. durch Auftritte in Produktionen der Opernhäuser und Mitwirkungen bei Konzerten in der Berliner

Philharmonie (vgl. https://www.wikipedia.de/“Staats- und Domchor Berlin“). Angesichts der kulturellen Bedeutung des Knabenchores ist die Beklagte von Verfassungs wegen gehalten, diesen zu schützen und zu fördern. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht zu beanstanden, dass sich der Internetauftritt des Staats- und Domchores in erster Linie an die Jungen richtet.

Eine unverhältnismäßige Benachteiligung von Mädchen, die ihre stimmliche Ausbildung in einem Chor anstreben, ergibt sich daraus nicht. Ihnen ist u.a. die Möglichkeit eröffnet, in den Mädchenchor der Sing-Akademie aufgenommen zu werden. Der im Jahr 2006 gegründete Mädchenchor gibt Mädchen und jungen Frauen zwischen fünf und 20 Jahren die Möglichkeit, anspruchsvolle Literatur für gleiche Stimmen zu erarbeiten und eine musikalische Ausbildung zu erhalten. Die Mädchen erlernen Grundlagen der Musiktheorie, des Blattsingens und erhalten Einzelstimmbildung (vgl. https://www.sing-akademie.de/176-0-Ueber-uns.html). Die Ausbildungen im Staats- und Domchor Berlin und im Mädchenchor der SingAkademie sind vergleichbar, was sich auch daran zeigt, dass beide Chöre beim Chorwettbewerb in Freiburg im Jahr 2018 die gleichen Punkte erzielt haben. Der Umstand, dass die stimmliche Ausbildung im Mädchenchor nicht kostenlos ist, sondern den Beitritt zur Sing-Akademie erfordert und einen Mitgliedsbeitrag von monatlich 20,00 EUR abverlangt (vgl. https://www.sing-akademie.de/190-0-Hauptchor. html), stellt den aus Art. 20 Abs. 2 VvB folgenden staatlichen Schutz- und Förderauftrag zu Gunsten des Staats- und Domchors nicht grundlegend in Frage und vermittelt der Klägerin jedenfalls kein subjektives Recht auf eine kostenfreie Aufnahme in den Knabenchor des Staats- und Domchors. Für den Senat hat daher keine Veranlassung bestanden, der Anregung der Klägerin zu folgen, zum Beweis der Tatsache, dass eine mit der musikalischen Ausbildung im Staats- und Domchor vergleichbare und gleichwertige Ausbildung in einer anderen Gesangseinrichtung in Berlin nicht zu erhalten sei, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob ein exklusiv den Knaben und Männern eröffneter Konzertchor mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 10 Abs. 2 VvB vereinbar wäre. Denn diese Exklusivität ist nicht (mehr) das Aufnahmekriterium der Beklagten. Dieses zielt vielmehr darauf ab, einen bestimmten Klang zu erzeugen, wobei für einen Knabenchor der Klang eines Knabenchores charakteristisch ist. Dass dieser besondere Klang einen Knabenchor prägt und durch die Öffentlichkeit auch als solcher wahrgenommen wird, verdeutlicht insbesondere der Umstand, dass die Deutsche UNESCO-Kommission die Sächsischen Knabenchöre gerade mit Blick auf den „spezifischen Klang des Knabenchores“ in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen hat (vgl. https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/knabenchoere-sachsen).

Der Annahme, dass maßgebliches Kriterium für die Aufnahme in den Staats- und Domchor nicht das Geschlecht, sondern die stimmliche Fähigkeit eines Bewerbers oder einer Bewerberin ist, einen Knabenchorklang zu erzeugen, steht bei einer Auslegung im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch nicht der in der Satzung des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 28. August 1923 niedergelegte Widmungszweck entgegen. Zwar spricht die in § .... 3 der

Satzung vorgesehene Einteilung der Chorklassen in einen „Männerchor“, eine „Knabenhauptklasse“ und eine „Knabenvorklasse“ dafür, dass nur das männlich Geschlecht zum Chorgesang zugelassen ist. Indes hat bereits das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die im Jahre 1923 getroffene Wortwahl dem historischen Entstehungskontext der Satzung und insbesondere dem Umstand geschuldet ist, dass der Preußische Minister den allein aus männlichen Sängern bestehenden königlichen Hof- und Domchor als Vorgängerinstitution vor Augen gehabt hat. Der Staats- und Domchor hält mittlerweile auch nicht mehr an den in der Satzung ursprünglich vorgesehenen Chorklassen fest. Die neutrale Bezeichnung „Konzertchor“ lässt auch in Verbindung mit der Erläuterung auf der Internetseite der Beklagten, wonach darin „60 Knaben- und 30 Männerstimmen“ singen, keinen zwingenden Ausschluss des weiblichen Geschlechts zu.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass auch der Chorleiter selbst den Zugang zu dem Knabenchor nicht vom jeweiligen Geschlecht abhängig macht. Nach seinem Verständnis des Widmungszwecks ist der Staats- und Domchor auf einen bestimmten Klangraum, nämlich den eines Knaben- bzw. Männerchors, ausgerichtet. Eine zwingende Verknüpfung zwischen derjenigen menschlichen Stimme, die diesen Klangraum erzeugt, und dem männlichen Geschlecht sieht er darin nicht. Das zeigt sich insbesondere daran, dass er zusammen mit der Leiterin des Mädchenchors der Sing-Akademie und der Stimmbildnerin der beiden Ensembles bereits im Gutachten vom März 2019 betreffend die Klägerin schriftlich festgehalten hat, dass nach „eingehender Beratung“ entschieden worden sei, ein Mädchen, das im Knabenchor singen wolle (und umgekehrt einen Jungen, der im Mädchenchor singen möchte), in jedem Fall zur Vorstellung einzuladen. Tatsächlich hat der Chorleiter die Klägerin eingeladen und sie vorsingen und -sprechen lassen. Die Art und Weise der Vorstellung hat nach seinen plausiblen und unwidersprochen gebliebenen Darlegungen dem üblichen Verfahren entsprochen, dem sich in der Regel alle Bewerber, die zuvor nicht bereits in einer anderen Chorklasse des Staats- und Domchors gesungen haben (so genannte Quereinsteiger), unterziehen müssten. Schließlich hat er in der mündlichen Verhandlung die Frage des Verwaltungsgerichts, ob er ein Mädchen, das seinem Klangideal entspreche und in den Klangraum eines Knabenchores passe, in den Staats- und Domchor aufnehmen würde, ausdrücklich bejaht. In diesem Rahmen hat er deutlich gemacht, dass nach seinen Erfahrungen das biologische Geschlecht in Berlin generell keine ausschlaggebende Bedeutung hat; so gehört es beispielsweise zur selbstverständlichen Realität, dass einzelne männliche Chormitglieder mit Rock und langen Haaren zu den Proben erschienen.

Nach alldem kann allenfalls eine faktische oder so genannte mittelbare Ungleichbehandlung weiblicher Bewerberinnen darin liegen, dass sich aus dem Aufnahmekriterium des Knabenchorklangs der Stimme eine wesentlich geringere Aufnahmewahrscheinlichkeit für Mädchen ergibt.

An das Geschlecht anknüpfende Ungleichbehandlungen sind mit Art. 3 Abs. 3 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind. Fehlt es an solchen Gründen für eine Ungleichbehandlung, lässt sich diese nur noch im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren (vgl. Bundeverfassungsgericht, Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. - juris Rn. 68).

Vorliegend rechtfertigt nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz nicht nur die Kunstfreiheit der Beklagten und ihres Chorleiters, sondern auch der aus Art.

20 Abs. 2 VvB folgende verfassungsrechtliche Auftrag zur Kulturpflege eine mittelbare Ungleichbehandlung weiblicher Bewerberinnen wie der Klägerin, die auf das Aufnahmekriterium des Knabenchorklangs zurückzuführen ist.

Dem Verwaltungsgericht ist darin zu folgen, dass die Beklagte Grundrechtsträgerin der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG ist und dem nicht deren Eigenschaft als staatliche Kunsthochschule und Universität im Sinne des § 1 Abs. 2 BerlHG entgegensteht. Zwar richtet sich die Kunstfreiheit wie alle Freiheitsrechte in erster Linie gegen den Staat; das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist aber zugleich eine objektive Entscheidung für die Freiheit der Kunst (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1783/05 - juris Rn. 61 ff. m.w.N.). Aus diesem Grund ist das Grundrecht der Kunstfreiheit umfassend zu verstehen und gewährleistet jedem, der im künstlerischen Bereich tätig ist, ein individuelles Freiheitsrecht. Soweit es zur Herstellung der Beziehungen zwischen Künstler und Publikum der publizistischen Medien bedarf, sind auch die diejenigen Personen durch die Kunstfreiheitsgarantie geschützt, die eine solche vermittelnde Tätigkeit ausüben. Eine kunstvermittelnde Tätigkeit kann auch eine staatliche Institution ausführen, wenn sie wie im Fall der Beklagten eine künstlerische Einrichtung betreibt und die Grundlage deren künstlerischer Betätigung schafft. Als Trägerin des Staats- und Domchors ist die Beklagte daher durch die Kunstfreiheit geschützt.

Ebenso trifft es zu, dass sich der Chorleiter selbst auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG berufen kann, da die Leitung des Chores eine künstlerische Betätigung darstellt. Dass der Chorleiter dabei zugleich für eine öffentliche Einrichtung tätig wird, ändert hieran nichts (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. März 1981 - BVerwG 6 P 27/79 - juris Rn. 31, betreffend die künstlerischen Mitglieder eines städtischen Theaters).

Zuzustimmen ist dem Verwaltungsgericht auch darin, dass der Lebensbereich „Kunst“ durch die vom Wesen der Kunst geprägten, ihr allein eigenen Strukturmerkmale zu bestimmen ist. Von ihnen hat die Auslegung des Kunstbegriffs der Verfassung auszugehen. Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Dabei schützt die Kunstfreiheit des Grundgesetzes einerseits die eigentliche künstlerische Betätigung, den so genannten Werkbereich des künstlerischen Schaffens, andererseits auch den „Wirkbereich“ der Darbietung und Verbreitung des Werks, in dem der Öffentlichkeit Zugang zu diesem verschafft wird (vgl. statt vieler Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. Februar 1971 - 1 BvR 435/68 - juris Rn. 47 ff.).

Nicht gefolgt werden kann dem Verwaltungsgericht allerdings in der Annahme, dass in den weit definierten Schutzbereich der Kunstfreiheit die künstlerische Ausrichtung des Staats- und Domchors auf den vom Chorleiter beschriebenen Klangraum eines Knabenchors fallen soll. Die Ausrichtung des Staats- und Domchors auf einen Chor mit Knabenchorklang steht nicht zur künstlerischen Disposition der Beklagten oder ihres Chorleiters, sondern ist durch den Widmungszweck der öffentlichen Einrichtung vorgegeben und unterfällt dem verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrag des Art. 20 Abs. 2 VvB. Auf die Kunstfreiheit können sich die Beklagte und ihr Chorleiter jedoch berufen, soweit es darum geht, das in der Widmung festgelegte Ziel eines Knabenchorklanges zu erreichen. Durch die Kunstfreiheit geschützt sind dabei sowohl der Werkbereich durch Auswahl, Ausbildung und Zusammenführung der einzelnen Chorstimmen zu dem angestrebten Knabenchorklang als auch der Wirkbereich durch die öffentliche Darbietung dieses künstlerischen Ergebnisses anlässlich von Konzerten und anderen öffentlichen Auftritten.

Was den Klang eines Knabenchors aus seiner künstlerischen Sicht ausmacht, hat der Chorleiter in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts nachvollziehbar dargelegt. Danach sei die Knabenstimme von ihrer Endlichkeit geprägt, weil sie mit der Stimmmutation ihr Ende finde und mit der sich im Anschluss entwickelnden Männerstimme nichts mehr zu tun habe. Ihren Höhepunkt finde die Knabenstimme kurz vor der Stimmmutation und könne dann gleichsam als „Gesang des sterbenden Schwanes“ bezeichnet werden. Nach seinem künstlerischen Empfinden gebe es drei entscheidende Faktoren, die den Klangraum des Knabenchores definierten. Zum einen bestimme maßgeblich die Stärke des Luftdrucks, wie eine Stimme klinge. Darüber hinaus sei entscheidend die Formung des Vokaltraktes, was mit dem Unterschied zwischen einer Geige und einem Cello zu vergleichen sei: Die Größe des Klangkörpers bestimme unter anderem den Klang. Der dritte Faktor sei die Klangfarbe. Ein und derselbe Ton klinge für die Zuhörenden je nach Klangfarbe unterschiedlich. Wenn ein Computer einen Sinuston erzeuge, sei dies gewissermaßen der Nukleus des Tons. Die bei einer (Sing-)Stimme hinzukommenden weiteren Klangnuancen würden durch Körperlichkeit bestimmt.

Ohne Erfolg hält die Klägerin dieser Einschätzung entgegen, dass es in der musik- und gesangswissenschaftlichen Fachwelt unterschiedliche Auffassungen darüber gebe, ob sich die Stimmen von Mädchen und Jungen in der Regel hörbar voneinander unterschieden oder ob dies, wie die Klägerin unter Bezugnahme auf entsprechende Fachliteratur meint, etwa bei gleichem Gesangstraining nicht der Fall sei. Zutreffend verweist das Verwaltungsgericht darauf, dass das vom Chorleiter beschriebene Klangbild eines Knabenchores nicht auf etwaige hörba re Unterschiede von Mädchen- und Jungenstimmen abstellt, sondern sich allein daran orientiert, ob diese das angestrebte Klangbild zu erzeugen vermögen. Der Einwand der Klägerin, der Klangraum des Knaben sei rein traditionell geprägt und bei bloßem Zuhören sei ein Unterschied zwischen einem reinen Mädchenchor und einem reinen Jungenchor nicht zu hören, übersieht, dass die traditionelle Prägung des hier in Rede stehenden Knabenchors dem verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrag des Art. 20 Abs. 2 VvB unterfällt und dem spezifischen Klang eines Knabenchors, wie die Aufnahme der Sächsischen Knabenchöre in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes durch die Deutsche UNESCO-Kommission zeigt, ein besonderer kultureller Wert zugemessen wird.

Die Abwägung der widerstreitenden verfassungsrechtlichen Interessen, namentlich der nach Art. 20 Abs. 2 VvB gebotenen Kulturpflege sowie der Kunstfreiheit der Beklagten und ihres Chorleiters aus Art. 5 Abs. 3 GG einerseits und dem Gleichbehandlungsrecht der Klägerin aus Art. 3 Abs. 3 GG andererseits geht zu Lasten der Klägerin aus. Bei der nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz vorzunehmenden Abwägung sind die widerstreitenden Positionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu einem schonenden Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. jüngst Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28. Januar 2019 .... - .... 1 BvR

1738/16 - juris Rn. 23, .... 26 ff. m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend

darauf hingewiesen, dass das Ergebnis eines spezifischen Knabenchorklangs bei Aufnahme der Klägerin vollständig verfehlt würde. Die Erzeugung des Knabenchorklangs setzt bestimmte Stimmen voraus. Diese Voraussetzung knüpft nicht an das biologische Geschlecht an, wenngleich zu vermuten ist, dass ungleich mehr Jungen als Mädchen eine solche Stimme haben. Es ließe sich aber weder mit der gebotenen Kulturpflege noch mit der Kunstfreiheit vereinbaren, als Konsequenz der damit einhergehenden faktischen Benachteiligung zu verlangen, auch solche Mädchen in den Konzertchor des Staats- und Domchors aufzunehmen, die keine dem Klangraum des Knabenchors entsprechende Stimme haben. Denn dann würde der Chor nach dem insoweit maßgeblichen künstlerischen Empfinden des Chorleiters insgesamt nicht mehr diesen Klangraum erzeugen. Der Chorleiter wäre in der Folge gezwungen, ein anderes als das von ihm angestrebte Klangbild hinzunehmen, was dem Widmungszweck des Staats- und Domchors und damit der nach Art. 20 Abs. 2 VvB aufgegebenen Kulturpflege widerspräche. Demgegenüber muss das Gleichbehandlungsinteresse der Klägerin, das hier zunächst allein in einer statistisch niedrigeren Aufnahmewahrscheinlichkeit in den Konzertchor besteht, zurücktreten. Durch dieses Abwägungsergebnis wird die Klägerin als Mädchen weder faktisch von der Teilhabe an einem bestimmten Bereich gesellschaftlicher Betätigung ausgeschlossen noch wird ihr die grundsätzliche Möglichkeit genommen, in anderen Chören wie etwa der Sing-Akademie zu singen und in Gesangseinrichtungen eine musikalische Ausbildung mit vergleichbarem Niveau zu erhalten.

Anders als die Klägerin meint, ist die Einschätzung des Chorleiters, die Klägerin sei weder im Zeitpunkt ihres Aufnahmebegehrens noch in angemessener Zeit stimmlich in der Lage, das Klangbild des Konzertchores zu erzeugen, frei von Rechtsfehlern und rechtfertigt keine Neubescheidung.

Ob eine Bewerberin bzw. ein Bewerber die stimmlichen Anforderungen für die Aufnahme in den angestrebten Chor erfüllt, lässt sich nicht an Hand objektiv messbarer Kriterien bestimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass künstlerische Leistungen und Begabungen prinzipiell anders bewertet werden als wissenschaftliche Leistungen. So wie die Beurteilung der Begabung eines angehenden Kunsthochschülers und die prognostische Einschätzung seiner persönlichen Entwicklung während des Studiums in besonderem Maß von Subjektivität geprägt sind (vgl. Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 12. Juli 2013 - Vf. 9-VII-12 - juris Rn. 100), muss es der Einschätzung des Chorleiters vorbehalten bleiben, ob eine Gesangsstimme für die Aufnahme in den Konzertchor genügt. Dementsprechend ist dem künstlerischen Leiter des Staatsund Domchors Berlin bereits in der Satzung des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 28. August 1923 das Recht eingeräumt worden, in allen künstlerischen Einzelfragen selbständig zu entscheiden und die von ihm für richtig gehaltenen Maßnahmen zu treffen (vgl. § 5 Satz 2); ihm obliegt es allein, über die Aufnahme der Sänger in den Knaben- und Männerchor zu entscheiden (vgl. § 5 Satz 3 lit. d)).

Bei der hier im Raum stehenden Auswahlentscheidung hat der Chorleiter ein künstlerisch-pädagogisches Werturteil getroffen, das sich inhaltlich einer Überprüfung und Korrektur durch das Gericht entzieht. Dem Chorleiter steht insoweit ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu mit der Folge, dass das Gericht weder seine eigene noch die Einschätzung (sachverständiger) Dritter an die Stelle der Beurteilung durch den Chorleiter setzen darf. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich vielmehr auf die Prüfung, ob die Entscheidung ausreichend begründet worden ist, Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, von zutreffenden Tatsachen ausgegangen worden ist, keine sachfremden Erwägungen angestellt worden sind, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet worden sind und ein richtiges Normverständnis zu Grunde gelegt worden ist. Anhaltspunkte für Verstöße gegen diese Vorgaben sind hier nicht ersichtlich.

Der Chorleiter hat seine Ablehnungsentscheidung ausreichend begründet. In dem anlässlich des Vorsingens der Klägerin im März 2019 erstellten Gutachten heißt es u.a.:

„F .... hat eine für ihr Alter normal entwickelte Stimme. Ihr Liedvortrag ,Es geht

über den Main‘ war intonationssicher und klangschön... Ihr Blattsingen ist ausbaufähig, Grundkenntnisse sind vorhanden. Ihre Stimme hat derzeit einen geringen Kopfanteil, was die Modulationsfähigkeit in Dynamik, Ambitus und der daraus resultierenden Farbenvielfalt einschränkt. Ihr rhythmisches Vermögen ist solide.

Bei Quereinsteigern muss die Chorleitung darauf achten, dass Motivation und Leistungsvermögen mit der entsprechenden Stufe, die in der Regel schon eine mehrjährige Ausbildung absolviert hat, möglichst kongruent ist. F .... ist im Alter

der Stufe „Kapellchor“ (bzw. Mädchenchor II), der mit drei Proben wöchentlich und einem gewissen Auftrittspensum eine hohe Eigenmotivation und Unterstützung durch das Elternhaus erfordert.

Die Kommission befand, dass die Motivation für einen Einstieg in eine konzentrierte, leistungsorientierte Ausbildung im Staats- und Domchor nicht genügt; auch wurde diskutiert, ob das Zeitfenster vor der zu erwartenden Mutation für ein Erreichen des Niveaus nicht zu klein ist.

Darüber hinaus ist die Grundlage für eine stimmliche, d.h. immer auch persönliche Ausbildung einer Kinder- und Jugendstimme, ein Vertrauensverhältnis zwischen Ausbildenden und Eltern. Aufgrund der durch die Mutter - nach erfolgter Einladung - eingereichte Klage gegen die Universität der Künste Berlin (u.a. mit dem Inhalt der Beendigung einer getrenntgeschlechtlichen Ausbildung) hat die Kommission erhebliche Zweifel daran, dass die Ausbildung der Tochter auf einer vertrauensvollen Basis stattfinden könnte.“

Dem Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2019 lässt sich folgende vertiefende Begründung des Chorleiters für seine Ablehnungsentscheidung entnehmen:

„Auf Frage, ob er (Anm.: der Chorleiter) beschreiben könne, weshalb die Stimme der Klägerin nicht seinen Vorstellungen entsprochen habe:

Die Stimme reichte vom Volumen und von der Klangkraft her nicht an diejenige der Jungen des Konzertchores heran. Ich hatte bei der Vorstellung der Klägerin die 8. Symphonie von Gustav Mahler im Blick, die am 30. August zur Aufführung kommen wird und habe mich gefragt, ob die Klägerin dort mitsingen könne. Ich bin zu der Einschätzung gekommen, dass dies nicht der Fall ist und dass sie auch nicht an dieses Niveau herangeführt werden könnte, damit meine ich insgesamt (und nicht innerhalb der wenigen zur Verfügung stehenden Tage) nicht herangeführt“.

Diese schlüssige Begründung trägt die Ablehnungsentscheidung des Chorleiters. Ihr ist nicht nur zu entnehmen, dass der Stimme der Klägerin nach deren Entwicklungstand im Zeitpunkt des Vorsingens am 11. März 2019 die Eignung gefehlt hat, den angestrebten Knabenchorklang zu erzeugen. Darüber hinaus enthält sie die Feststellung des Chorleiters, dass die Stimme der Klägerin weder nach ihrem Volumen noch nach ihrer Klangkraft an die Stimmen der Knaben im Konzertchor heranreicht und die Klägerin auch nicht an dieses Niveau herangeführt werden kann. Bei dem Konzertchor, in den die Klägerin aufgenommen werden möchte, handelt es sich um einen solchen mit höchster Exzellenz. Dieser dient in erster Linie als Musterchor, indem er Konzerte im In- und Ausland gibt und Gottesdienste gestaltet. Um dieses Ziel zu erreichen, verfügen die Knaben im Konzertchor über „bereits voll ausgebildete Knabenstimmen“. Ein entsprechendes stimmliches Niveau weist die Kl ägerin nach Einschätzung des Chorleiters nicht auf, sodass dessen Entscheidung, die Klägerin nicht in den Konzertchor aufzunehmen, unabhängig davon, dass die Stimme der Klägerin keinen Knabenchorklang aufweist, gerechtfertigt ist und keine geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung erkennen lässt.

Vor diesem Hintergrund gehen die Beweisanregungen der Klägerin, zur „stimmliche[n] Anpassungsfähigkeit“ sowie zur „stimmliche[n] Anpassung“ der Klägerin jeweils Sachverständigengutachten einzuholen, ins Leere, weil die von der Klägerin angestrebte Aufnahme in den Konzertchor bereits voll ausgebildete Knabenchorklangstimmen mit entsprechender stimmlicher Qualität voraussetzt. Gleiches gilt im Ergebnis für die Beweisanregung der Klägerin, zum „spezifische[n] Jungenklangbild, ... den nur Jungen erzeugen können“, ein Sachverständigengutachten einzuholen, da der Chorleiter ausdrücklich einräumt, auch Mädchen in den Knabenchor aufzunehmen, wenn ihre Stimme einen Knabenchorklang zu erzeugen vermag, und im Übrigen die Klägerin nicht hieran, sondern an der fehlenden Qualität ihrer Stimme für die Aufnahme in den Konzertchor gescheitert ist.

Anders als die Klägerin meint, lässt der Umgang des Chorleiters mit ihrem Aufnahmegesuch im Jahr 2016 nicht auf seine generelle Ablehnung gegenüber Mädchen im Staats- und Domchor und damit auf eine Befangenheit schließen. Dass der Chorleiter der Klägerin mit Blick auf den von ihm angestrebten Knabenchorklang ein Mitsingen im kooperierenden Mädchenchor der SingAkademie empfohlen hat, ist mit Blick darauf, dass der Staats- und Domchor keinen gemischten Chor betreibt und die Klägerin daraufhin auch im Mädchenchor der Sing-Akademie mitgesungen hat, nicht zu beanstanden. Gegen eine generelle Ablehnung von Mädchen durch den Chorleiter spricht zudem, dass dieser die Klägerin auf ihr Aufnahmegesuch im November 2018 hin tatsächlich zu einem Vorsingen eingeladen hat.

Der Vorwurf der Klägerin, der Chorleiter habe auch ihrem Aufnahmegesuch vom November 2018 wegen ihres Geschlechts von Anfang an ablehnend gegenübergestanden und mit dem Justiziariat, der Kanzlerin und dem Dekan der Beklagten zu ihrem Nachteil zusammengewirkt, verfängt ebenso wenig wie die Beweisanregung der Klägerin, zu der aus ihrer Sicht vorliegenden „Inszenierung“ Zeugenbeweis zu erheben. Dem E-Mail-Verkehr zwischen der Mutter der Klägerin und dem Chorleiter lässt sich zwar ein zurückhaltender Umgang mit dem Aufnahmegesuch der Klägerin, jedoch an keiner Stelle eine Ablehnung der Klägerin wegen ihres Geschlechts entnehmen. Das Verhalten des Chorleiters ist vielmehr damit zu erklären, dass die Klägerin die erste weibliche Bewerberin war, die um Aufnahme in den Knabenchor ersuchte. Das monierte Zusammenwirken mit weiteren Personen der Beklagten ist darauf zurückzuführen, dass die Mutter der Klägerin bereits kurz nach Anbringung ihres Aufnahmegesuchs auf eine förmliche Bescheidung desselben gedrängt und dies der Verfahrenspraxis des Chorleiters widersprochen hat, den vorsingenden Kindern lediglich eine Empfehlung zu geben. Vor diesem Hintergrund wird das beanstandete Zusammenwirken, bei dem es nach den aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlichen E-Mails, dienstlichen Vermerken und Äußerungen des Justiziars um das Verfahren und die Form, jedoch nicht um den Inhalt der Entscheidung über das Aufnahmegesuch ging, verständlich. Da der Chorleiter zu dieser Entscheidung schon nach § .... 5 Satz 3 lit. d) der Satzung des Ministers für

Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 28. August 1923 allein berufen war und diese nach dem Vorsingen der Klägerin auch selbständig getroffen hat, kommt es weder auf die ablehnende Äußerung des an dem Aufnahmeverfahren nicht beteiligten Dekans der Fakultät Musik der Beklagten in dessen E-Mail vom 10. .... Dezember .... 2018 noch auf .... die .... Verlautbarung der .... Presseabteilung der

Beklagten vom 27. Februar 2019 an.

Die .... Gestaltung .... und der Ablauf .... des .... Vorstellungstermins .... am 11. März 2019

einschließlich des erstellten Gutachtens geben ebenfalls keinen Anlass, von einer Befangenheit des Chorleiters auszugehen. Die Klägerin dürfte insoweit mit ihren Rügen schon deshalb ausgeschlossen sein, weil sie diese zum einen nicht unverzüglich erhoben hat und sich damit zum anderen in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzt, indem sie sich auf die Ausgestaltung des Vorsingtermins eingelassen hat und diese nunmehr beanstandet (vgl. zur Rügeobliegenheit im Prüfungsverfahren Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 216 ff.). Ungeachtet dessen sind die Rügen auch inhaltlich unbegründet. Dass neben dem Chorleiter auch die Leiterin des Mädchenchors der Sing-Akademie bei dem Termin zugegen war und die Aufnahme der Klägerin in den Mädchenchor abgelehnt hat, ist nachvollziehbar darauf zurückzuführen, dass die Bewerbung eines Mädchens bisher nicht vorgekommen war und der Chorleiter an seiner Praxis, eine positive Empfehlung für die weitere musikalische Förderung des Kindes zu geben, festhalten wollte. Der Vorwurf der Klägerin, sie sei von der Leiterin des Mädchenchors abgelehnt worden, obwohl sie gar keinen hierauf bezogenen Aufnahmeantrag gestellt habe, lässt die selbständig getroffene Ablehnungsentscheidung des Chorleiters hinsichtlich der Aufnahme der Klägerin in den Knabenchor des Staats- und Domchors unberührt. Dem Einwand der Klägerin, dass im Vorstellungstermin am 11. März 2019 die Aufnahme in eine bestimmte Chorgruppe des Staats- und Domchors nicht thematisiert worden sei, fehlt es angesichts ihres ausdrücklichen Klagebegehrens, in den Konzertchor aufgenommen zu werden, bereits an der Entscheidungserheblichkeit, sodass auch der diesbezüglichen Beweisanregung der Klägerin nicht nachzugehen war.

Eine Befangenheit des Chorleiters lässt sich auch nicht aus seinem von der Klägerin gerügten Auftreten in der Versammlung des Fördervereins am 18. März 2019 entnehmen. Dass er auf die Frage eines Vereinsmitgliedes, ob nicht doch eine Mitwirkung von Mädchen in einigen Chorklassen möglich wäre, klar und unmissverständlich geantwortet haben soll, dass er dies nicht vorhabe und auch nicht vorgehabt habe, vielmehr der Chor genauso bestehen bleiben solle, wie er sei, nämlich männlich, ist angesichts der aus dem Versammlungsprotokoll vom 18. März 2019 unter TOP 6 ersichtlichen „Idee für einen gemischten Chor mit Mädchen mit eigenem Format“ sowie des in der Frage enthaltenen Ansinnens, auch Mädchenstimmen bzw. einen gemischten Chor im Staats- und Domchor zuzulassen, durch den Widmungszweck des Staats- und Domchores, der auf den Klangraum eines Knabenchors gerichtet ist, gedeckt. Der Beweisanregung der Klägerin, über die Äußerung des Chorleiters in der in Rede stehenden Versammlung Zeugenbeweis zu erheben, war daher mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachzukommen.

Ob der Chorleiter der Klägerin die Aufnahme in den Konzertchor im Übrigen auch deshalb versagen durfte, weil er sie für persönlich nicht geeignet hält, kann nach alldem dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, wäre angesichts der unzureichenden Qualität ihrer Gesangsstimme eine Aufnahme in den Konzertchor ausgeschlossen, sodass es hierauf nicht entscheidungserheblich ankommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.