Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 21. Kammer | Entscheidungsdatum | 20.05.2021 | |
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Aktenzeichen | 21 Sa 638/20 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2021:0520.21SA638.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 Abs 1 MiLoG, § 3 MiLoG, § 779 BGB |
Die Vorschrift des § 3 Satz 1 MiLoG, wonach eine Vereinbarung, durch die der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wird, insoweit unwirksam ist, gilt auch für außergerichtliche Vergleiche, durch die ein Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Entgeltanspruchs ausgeräumt wird (sogenannter Tatsachenvergleich).
I. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 25. Februar 2020 - 2 Ca 723/19 - teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.863,89 Euro brutto nebst Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Oktober 2019 zu zahlen.
II. Die Kosten der I. Instanz haben der Kläger zu 90,51 % und die Beklagte zu 9,49 % zu tragen. Die Kosten der Berufung haben der Kläger zu 83,36 % und die Beklagte zu 16,64 % zu tragen.
III. Die Revision wird für die Beklagte hinsichtlich der weiteren Vergütung für den Monat September 2018 zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf weiteres Arbeitsentgelt.
Der am …. 1998 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 1. April 2018 bis zum 31. März 2019 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 22. April 2018 als Landwirt mit 40 Wochenstunden beschäftigt. Als monatliche Vergütung waren zunächst 1.900,00 Euro brutto und ab dem 1. Oktober 2018 2.046,93 Euro brutto vereinbart. Ferner enthält der Arbeitsvertrag vom 22. April 2018 auszugsweise folgende Regelungen:
„§ 7 Urlaub
Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen gesetzlichen Mindesturlaub von derzeit 24 Arbeitstagen im Kalenderjahr - ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche. Der gesetzliche Urlaub verfällt in diesem Fall erst 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres.
Bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte, wird der Urlaub gezwölftelt, wobei die Kürzung allerdings nur insoweit erfolgt, als dadurch nicht der gesetzlich vorgeschriebene Mindesturlaub unterschritten wird.
…
…
§ 13 Verfall-/Ausschlussfristen
Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden und im Falle der Ablehnung durch den Vertragspartner innerhalb von drei Monaten eingeklagt werden. Hiervon unberührt bleiben Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen.
Die Ausschlussfrist gilt nicht für den Anspruch des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohn. Über den Mindestlohn hinausgehende Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unterliegen hingegen der vereinbarten Ausschlussfrist.“
Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf dessen Ablichtung (Blatt 34 ff. (fortfolgende) der Akten) verwiesen.
Die Beklagte zahlte dem Kläger die vereinbarte monatliche Vergütung, wobei sie vom Nettoentgelt monatlich 15,00 Euro für Arbeitskleidung einbehielt. Während des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger insgesamt 16 Arbeitstage Urlaub.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2019 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2019. Mit einem weiteren Schreiben vom 26. Februar 2019 rügte er, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung in Anbetracht der von ihm tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liege und daher sittenwidrig sei. Er berechnete Vergütung für 2.373 Stunden in Höhe von 29.662,50 Euro, wovon er nur 20,000,00 Euro erhalten habe. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsanspruch, Auswärtsvergütung/Auslöse (Verpflegungsmehraufwand u.a.), Überstunden-, Sonn- und Feiertagszuschläge seien dabei noch gar nicht berücksichtigt. Außerdem forderte er die Auszahlung der von seinem Nettolohn jeweils einbehaltenen 15,00 Euro. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf dessen Ablichtung (Blatt 37 der Akten) verwiesen.
Am 28. März 2019 rief der Betriebsleiter der Beklagten Herr A den Kläger während dessen Urlaubs an und fragte, ob der nicht vorbeikommen wolle, um über seine Lohnforderungen zu verhandeln. Der Kläger erschien und brachte eine Stundenaufstellung mit. Schließlich einigte man sich auf die Zahlung eines weiteren Bruttomonatsentgelts und schloss hierüber eine schriftliche Vereinbarung mit auszugsweise folgendem Inhalt:
„Herr B bekommt einen zusätzlichen Bruttomonatslohn von 2.046,93 € ausgezahlt. Hiermit sind sämtliche wechselseitigen Verbindlichkeiten, gleich ob bekannt oder nicht, erledigt.“
Wegen des weiteren Inhalts der Vereinbarung wird auf deren Ablichtung (Blatt 83 der Akten) verwiesen. Mit Schreiben von demselben Tag widerrief der Kläger „die sittenwidrig erzwungene Abfindungserklärung“ bzw. focht diese an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Schreibens vom 28. März 2019 (Blatt 84 der Akten) verwiesen.
Mit am 20. August 2019 beim Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel eingegangenen Antrag hat der Kläger den Erlass eines Mahnbescheids gegen die Beklagte über 9.662,50 Euro „entgangener Lohn/Mindestlohn aus Dienstvertrag gem. Schreiben vom 27.2.2019 Bruttoarbeitslohn 12,50 zzgl. unberechtigter Einbehalt 15 € monatlich vom Nettoarbeitslohn“ nebst Zinsen und Nebenforderungen beantragt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Mahnbescheid vom 10. September 2019 (Blatt 19 der Akten) verwiesen. Mit Schriftsatz vom 19. September 2019 hat die Beklagte gegen den ihr am 13. September 2019 zugestellten Mahnbescheid Widerspruch eingelegt. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 26. September 2019 folgende Ansprüche geltend gemacht:
2.997,96 Euro Mindestlohn für 2018,
9.179,80 Euro weiteren Lohn für 2018,
180,00 Euro Nettolohneinbehalt für 12 Monate,
1.125,52 Euro Urlaubsabgeltung und
6.158,77 Euro Vergütung für Überstunden, Feiertags- und Sonntagsarbeit und auswärtige Beschäftigung.
Der Schriftsatz ist der Beklagten am 1. Oktober 2019 zugestellt worden.
In der Folgezeit hat der Kläger die Klage teilweise nochmals erweitert und mehrmals teilweise zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 27. November 2019 hat er folgende Ansprüche geltend gemacht:
2.557,85 Euro brutto Mindestlohn für 2018,
2.046,40 Euro brutto Urlaubsabgeltung für 20 Urlaubstage,
9.029,74 Euro brutto Mehrarbeitsvergütung für 2018,
4.044,24 Euro brutto Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie für Überstunden für 2018 und
180,00 Euro netto Lohneinbehalt für 12 Monate,
und mit Schriftsatz vom 10. Januar 2020 folgende Ansprüche:
7.140,44 Euro brutto Vergütung für April bis einschließlich September 2018,
1.440,82 Euro brutto Vergütung für Oktober bis einschließlich Dezember 2018,
755,84 Euro brutto Urlaubsabgeltung für 8 Urlaubstage,
3.729,36 Euro brutto Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie für Überstunden für 2018 und
180,00 Euro netto Lohneinbehalt für 12 Monate.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe im Jahr 2018 über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus - auch an Sonn- und Feiertagen - zahlreiche Überstunden geleistet und in der Regel selbst während der Mahlzeiten durchgearbeitet. Da er einen Großteil der Arbeitsstunden bei externen Auftraggebern geleistet habe, ließen sich die Stunden durch die entsprechenden Leistungsnachweise (Stundenzettel), von denen die Beklagte die Originale und er jeweils eine Durchschrift habe, nachweisen. Angeordnet worden seien die Überstunden vom Betriebsleiter Herrn A, dem leitenden Angestellten mit Weisungsrechts vom Betriebsleiter Herrn G, dem Mitarbeiter mit Weisungsrechts vom Betriebsleiter Herrn C, dem freien Mitarbeiter mit Weisungsrecht vom Betriebsleiter Herrn D, dem Geschäftsführer der Beklagten Herrn Nils E und dem zeitweiligen Mitarbeiter mit Weisungsrecht vom Betriebsleiter Herrn F. Wegen der Einzelheiten verweist der Kläger auf die zuletzt mit Schriftsatz vom 10. Januar 2020 eingereichte tabellarische Aufstellung der von ihm geleisteten Arbeitsstunden (Blatt 129 ff. der Akten), eine tabellarische Aufstellung der externen Leistungsnachweise, soweit mehr als acht Stunden angefallen seien (Blatt 186 f. (folgende) der Akten), die in der mündlichen Verhandlung vorzulegenden nicht kopierfähigen Durchschriften der externen Leistungsnachweise sowie den Ausdruck des am Pfingstsonntag im unternehmensinternen WhatsApp-Chat mit dem Geschäftsführer der Beklagten Erwin E ausgetauschten Nachrichten nebst Foto (Blatt 182 f. und 185 der Akten). Das von ihm an dem besagten Tag aufgenommene und gepostete Foto werde sogar auf der Facebookseite der Beklagten verwendet, was unstreitig ist. Soweit die Arbeit durch Mahlzeiten unterbrochen worden sei, sei dies in der tabellarischen Stundenaufstellung vermerkt. Am 26., 29. und 30. Oktober 2018 habe er, gleichwohl er arbeitsunfähig krank gewesen sei, auf Anweisung von Herrn A gearbeitet.
Der Kläger hat gemeint, der Arbeitsvertrag vom 22. April 2018 sei nichtig, da die Beklagte seine Unerfahrenheit dergestalt ausgenutzt habe, dass Leistung und Gegenleistung in keinem angemessenen Verhältnis zueinander gestanden hätten. Er könne deshalb für sämtliche Stunden den üblichen Lohn verlangen. Die „Abfindungsvereinbarung“ vom 28. März 2019 sei ebenfalls unwirksam, zumindest aber anfechtbar, da damit nicht einmal der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt sei. Ferner hat der Kläger behauptet, er sei bei der Vereinbarung vom 28. März 2019 ganz erheblich unter Druck gesetzt worden. Es sei ihm keine Überlegungsfrist eingeräumt worden. Auch sei die Atmosphäre keineswegs entspannt gewesen. Zeitweise habe er sich sogar mehreren Personen gegenüber gesehen, die ihn gedrängt hätten, das Angebot doch besser anzunehmen. Hinzu komme, dass der Betriebsleiter selbst in Eile gewesen sei und wegen weiterer Termine gedrängt habe. Zeitweise habe dieser sogar den Besprechungsraum verlassen. Während dessen habe dann ein anderer im Raum verbliebener Mitarbeiter zur Annahme des Angebots „dringend“ geraten. Im Nachhinein schätze er die Situation so ein, dass dieses Zusammenwirken geplant gewesen sei.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
an den Kläger 11.019,53 Euro brutto und weitere 180,00 Euro netto nebst Zinsen auf 11.019,53 Euro in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger könne am Ostermontag, dem 2. April 2018, nicht gearbeitet haben, da der Betrieb an diesem Tag geruht habe. Sein erster Arbeitstag sei der 3. April 2018 gewesen. Gleiches gelte für den 1. Mai 2018. Auch an diesem Tag sei der Kläger nicht im Betrieb gewesen. An Christi Himmelfahrt, dem 10. Mai 2018, und Pfingstsonntag, dem 20. Mai 2018, habe er ebenfalls nicht gearbeitet. Vom 26. Oktober bis zum 4. November 2018 sei der Kläger krankgeschrieben gewesen, was unstreitig ist. Außerdem habe er den Arbeitsweg von zu Hause zum Betrieb bzw. zum Werkplatz und zurück in die Berechnung seiner Arbeitsstunden einbezogen. Es sei auch unzutreffend, dass in der Regel keine Pausen gemacht worden seien. Mittags sei ein warmes Mittagessen gereicht und über eine Stunde Pause gemacht worden. Außerdem sei gefrühstückt und abends gevespert worden. Überstunden hätten nur Herr A und Herr Nils E anordnen können, nicht hingegen Herr G, Herr C, Herr D oder Herr F. Herr G, Herr C und Herr D seien Mitarbeiter auf derselben Hierarchieebene wie der Kläger. Herr F sei Aushilfsarbeiter während der Saison und nicht in die betrieblichen Strukturen eingebunden.
Weiter hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die am 28. März 2018 geschlossene Vereinbarung sei wirksam. Die Vereinbarung sei weder widerrufbar, noch gebe es Anfechtungsgründe. Der Kläger sei auch nicht überrumpelt worden. Die Atmosphäre sei völlig entspannt gewesen. Man habe sich zusammengesetzt, der Kläger habe zur Untermauerung seiner mit Schreiben vom 26. Februar 2019 geltend machten Ansprüche eine Tabelle vorgelegt und Herr A habe seinen Standpunkt kundgetan. Schließlich habe man sich auf einen weiteren Monatslohn geeinigt. Diese Vereinbarung habe dann von der Mitarbeiterin Frau H in Schriftform gegossen werden sollen. Gleichzeitig habe Herr A eine Nachricht erhalten, er solle in die Werkstatt kommen, um die Bestellung von teuren Teilen abzusegnen. Während dessen sei Frau H in dem Besprechungsraum verblieben, habe den Kläger aber in keiner Weise dazu bewegt, den Vergleich abzuschließen. Es sei auch kein anderer (männlicher) Mitarbeiter anwesend gewesen, der den Kläger beschwatzt haben könnte. Während Herr A in der Werkstatt gewesen sei, habe der Kläger ganz in Ruhe nachdenken können, seinen Vater oder einen Rechtsanwalt anrufen oder auch einfach wegfahren können. Der Kläger habe die Zeit jedoch nur dazu genutzt, die Betriebswäsche aus seinem Auto zu holen und zurückzugeben sowie mit anderen Mitarbeitern zu plauschen. Anschließend hätten beide, nachdem Herr A aus der Werkstatt zurückgekehrt sei, die Vereinbarung unterzeichnet.
Mit Urteil vom 25. Februar 2020, auf dessen Tatbestand (Blatt 192- 195 der Akten) wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, den Klageforderungen stehe die Vereinbarung vom 28. März 2019 entgegen. Anfechtungsgründe habe der Kläger weder inhaltlich noch zeitlich substantiiert dargelegt. Eine Irrtum im Sinne des § 119 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) trage der Kläger nicht vor. Anhaltspunkte, dass er von der Beklagten getäuscht oder widerrechtlich bedroht worden sei, seien nicht gegeben. Es sei auch nicht nachvollziehbar, mit was die Beklagte ihn hätte unter Druck setzen sollen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 196 - 199 der Akten) verwiesen.
Gegen dieses dem Kläger am 26. März 2020 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. April 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des Klägers, welche er mit am 25. Mai 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.
Der Kläger setzt sich - unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens - mit dem angefochtenen Urteil auseinander. Das Arbeitsgericht habe sich weder mit der mehrfach vorgetragenen Einrede der Sittenwidrigkeit befasst, noch damit, dass die Beklagte seine Unerfahrenheit, Naivität und Arglosigkeit in Bezug auf den Umgang mit Überstunden, deren Dokumentation und Abgeltung sittenwidrig ausgenutzt habe. Er meint, die Abfindungsvereinbarung sei wegen Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns sittenwidrig und damit insgesamt unwirksam. Daher komme es auf den Inhalt und den Verlauf des Gesprächs am 28. März 2019 nicht an. Die Ausschlussfristenregelung in § 13 des Arbeitsvertrages sei unwirksam, da eine strengere Form als die Textform gefordert werde.
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 25. Februar 2020 - 2 Ca 723/19 - teilweise abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.354,26 Euro brutto und weitere 180,00 Euro netto nebst Zinsen auf 6.534,26 Euro in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte meint, der geltend gemachte Zahlungsanspruch stehe dem Kläger unter keinem Gesichtspunkt zu. Bei der Vereinbarung vom 28. März 2019 handele es sich um einen Tatsachenvergleich. Zwischen ihr und dem Kläger habe Streit über die Anzahl der vom Kläger geleisteten Stunden gegeben. Dieser sei durch den Vergleich ausgeräumt worden. Die vom Kläger zuletzt vorgetragenen Stunden würden ebenso wie deren Anordnung bestritten. Die Ausschlussfristenregelung im Arbeitsvertrag sei Standard und deshalb unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten nach § 310 Absatz 4 Satz 2 BGB wirksam.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien, wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 25. Mai 2020 (Blatt 211 - 213 der Akten), 15. Juli 2020 (Blatt 226 f. der Akten) und 30. November 2020 (Blatt 245 - 247 der Akten), die Schriftsätze der Beklagten vom 3. Juli 2020 (Blatt 224 f. der Akten), 28. September 2020 (Blatt 237 der Akten) und 28. Januar 2021 (Blatt 252 f. der Akten) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 20. Mai 2021 (Blatt 259 f. der Akten) verwiesen.
Die Berufung hat, auch soweit der Kläger sie nicht zurückgenommen hat, nur teilweise Erfolg. Im Übrigen hat sie keinen Erfolg.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Absatz 1 und 2 Buchstabe b ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Absatz 1 und 3 ZPO (Zivilprozessordnung) eingelegt und begründet worden.
II. Die Berufung ist jedoch nur im Umfang von 1.863,89 Euro brutto nebst Prozesszinsen begründet. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf weiteres Arbeitsentgelt für den Monat September 2018 in Höhe von 1.108,13 Euro brutto sowie einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung in der zuletzt geltend gemachten Höhe von 755,76 Euro brutto. Darüber hinausgehende Ansprüche auf weiteres Arbeitsentgelt bestehen nicht.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf weiteres Arbeitsentgelt für den Monat September 2018 in Höhe von 1.108,13 Euro brutto. Der Anspruch ergibt sich aus § 1 Absatz 1 in Verbindung mit § 3 Satz 1 MiLoG (Mindestlohngesetz). Für die übrigen Monate des Jahres 2018 besteht kein Anspruch auf weiteres Arbeitsentgelt.
a) Nach § 611a Absatz 2, § 612 Absatz 1 und 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag der Parteien hat der Kläger einen Anspruch auf Vergütung für die zuletzt im Schriftsatz vom 30. November 2020 nach einzelnen Kalendermonaten aufgeschlüsselten Stunden in Höhe des sich aus der arbeitsvertraglichen Vergütungsabrede ergebenden Stundensatzes erworben. Davon ausgenommen sind lediglich zwölf Stunden am 2. April 2018, jeweils zehn Stunden am 1. und 10. Mai 2018 sowie ein Teil der Stunden im Oktober 2018. Auf die genaue Anzahl der im Oktober 2018 abzuziehenden Stunden kommt es - wie weiter unten ausgeführt wird - nicht an.
aa) Nach § 611a Absatz 2 BGB ist der oder die Arbeitgeber*in zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien einen bestimmten Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Erbringt der oder die Arbeitnehmer*in Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der oder die Arbeitgeber*in, sofern im Arbeitsvertrag die Vergütung von Überstunden nicht geregelt ist, nach § 612 Absatz 1 BGB verpflichtet, diese zusätzlich zu vergüten, wenn - wie bei Arbeitnehmer*innen wie dem Kläger - die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist (vergleiche BAG (Bundesarbeitsgericht) 21. Dezember 2016 - 5 AZR 362/16 - Rn. (Randnummer) 13 ff.) und der oder die Arbeitgeber*in die Leistung der Überstunden veranlasst hat oder sie ihm oder ihr zumindest zuzurechnen ist (näher dazu BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 13 f. (folgende)).
bb) Machen Arbeitnehmer*innen Vergütung für Überstunden geltend, müssen sie darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass sie über die vereinbarte Normalarbeitszeit hinaus gearbeitet haben und dass die Leistung von Überstunden von dem oder der Arbeitgeberin veranlasst worden oder ihm oder ihr zumindest zuzurechnen ist. Dabei genügt der oder die Arbeitnehmer*in seiner oder ihrer Darlegungslast auf der ersten Stufe, wenn er oder sie vorträgt, an welchen Tagen er oder sie von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des oder der Arbeitgeber*in zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der oder die Arbeitgeber*in im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er oder sie dem oder der Arbeitnehmer*in zugewiesen hat und an welchen Tagen der oder die Arbeitnehmer*in von wann bis wann diesen Weisungen (nicht) nachgekommen ist. Lässt er oder sie sich nicht substantiiert ein, gilt der Sachvortrag des oder der Arbeitnehmer*in nach § 138 Absatz 3 ZPO als zugestanden (vergleiche BAG 21. Dezember 2016 - 5 AZR 362/16 - Rn. 21 und 23 mwN (mit weiteren Nachweisen)).
cc) In Anwendung dieser Grundsätze war die Beklagte grundsätzlich verpflichtet, dem Kläger die im Schriftsatz vom 30. November 2020 ausgelisteten Arbeitsstunden mit Ausnahme von zwölf Stunden am 2. April 2018 und jeweils zehn Stunden am 1. und 10. Mai 2018 und einem Teil der Stunden im Oktober 2018 mit vertraglich vereinbarten Stundensatz zu vergüten.
(1) Der Kläger hat vorgetragen, wie viele Arbeitsstunden er in den einzelnen Monaten auf Anweisung der Beklagten geleistet hat, und sein Vorbringen durch die mit Schriftsatz vom 10. Januar 2020 eingereichte Stundenaufstellung tageweise konkretisiert. Die Beklagte hat dieses Vorbringen bis auf die am 2. April 2018, am 1., 10. und 20. Mai 2018 und am 26., 29. und 30. Oktober 2018 geleisteten Stunden lediglich pauschal bestritten. Sie hat weder vorgetragen, von wann bis wann der Kläger an den jeweiligen Tagen arbeiten sollte, noch welche Zeiten für die Frühstückspause, die Mittagspause und die Vesperpause konkret bestimmt waren, noch welche Fahrzeiten ihrer Ansicht nach in die Arbeitszeit fielen und welche nicht. Soweit sie vorgetragen hat, am Pfingstsonntag, dem 20. Mai 2018, habe der Kläger nicht gearbeitet, hat der Kläger durch das an diesem Tag geposteten Foto und die mit dem Geschäftsführer der Beklagten im unternehmensinternen WhatsApp-Chat getauschten Nachrichten das Gegenteil bewiesen. Hinsichtlich der übrigen im April und Mai 2018 konkret bestrittenen Tage, ist der Kläger beweisfällig geblieben, weshalb die für diese Tage aufgelisteten Stunden abzuziehen sind. Auf die im Oktober 2018 konkret bestrittenen Tage kommt es - wie bereits oben erwähnt - nicht an.
(2) Die Stunden sind der Beklagten auch zuzurechnen. Zwar hat sie bestritten, dass Herr G, Herr C, Herr D und Herr F weisungsberechtigt waren und dazu nähere Ausführungen gemacht. Es fehlt aber jegliches Vorbringen, welche weisungsberechtigte Person dem Kläger an den einzelnen Tagen von wann bis wann Arbeit zugewiesen hat und ob dies jeweils persönlich erfolgt ist oder ob die weisungsberechtigte Person die Befugnis teilweise auf andere Arbeitnehmer*innen übertragen oder sich dieser als Boten bedient hat. Damit ist das Vorbringen des Klägers jedenfalls insoweit nach § 138 Absatz 3 ZPO zugestanden, als die Beklagte die Erbringung der Arbeitsstunden durch den Kläger zumindest geduldet hat.
b) Jedoch hat der Kläger, indem er mit der Beklagten am 28. März 2019 eine Vereinbarung über die Zahlung eines weiteren Bruttomonatslohns in Höhe von 2.046,93 Euro zum Ausgleich sämtlicher wechselseitiger Verbindlichkeiten geschlossen hat, auf weitere Vergütung für die über seine Normalarbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden verzichtet. Die Vereinbarung ist auch wirksam, soweit dadurch der Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschritten worden ist.
aa) Nach § 1 Absatz 1 MiLoG haben alle Arbeitnehmer*innen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns nach § 1 Absatz 1 MiLoG in Verbindung mit der jeweils gültigen Rechtsverordnung. Vereinbarungen, die den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit nach § 3 Satz 1 MiLoG unwirksam. Dies gilt grundsätzlich auch für außergerichtlich abgeschlossene Vergleiche wie die von den Parteien am 28. März 2019 getroffene Vereinbarung. Nach § 3 Satz 2 MiLoG können Arbeitnehmer*innen auf einen entstandenen Anspruch auf Mindestlohn nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten. Ein Verzicht durch einen außergerichtlichen Vergleich ist ausgeschlossen. Im Übrigen wird die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen durch das Mindestlohngesetz nicht berührt (vergleiche BAG 25 Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22).
bb) Höchstrichterlich noch nicht entschieden und in der Literatur umstritten ist, ob sich § 3 Satz 2 MiLoG - ebenso wie § 4 Absatz 4 TVG (Tarifvertragsgesetz) - ausschließlich auf Rechtsverzichte oder auch auf Tatsachenvergleiche bezieht, durch die der gesetzliche Mindestlohn nur mittelbar unterschritten wird. Zum Teil wird vertreten, bei einem Streit über die tatsächlichen Grundlagen des Anspruchs gehe das Bedürfnis nach einer gütlichen Einigung dem Schutzbedürfnis des oder der Arbeitnehmer*in vor, weshalb die Vorschrift auf Tatsachenvergleiche keine Anwendung finde (siehe z.B. Riechert/Nimmerjahn, MiLoG 2. Auflage Rn. 47). Andere wenden dagegen ein, es mache, was den Schutzzweck des § 3 Satz 2 MiLoG angehe, letztlich keinen Unterschied, ob der Mindestlohn durch den gezahlten Monatslohn unterschritten werde oder die geleisteten Stunden entsprechend reduziert würden
(HK-ArbR (Handkommentar Arbeitsrecht)/Däubler, 4. Auflage § 3 MiLoG Rn. 17). Berücksichtigt man, dass Arbeitnehmer*innen, die als Vergütung nur den gesetzlichen Mindestlohn erhalten, typischerweise schutzbedürftiger und letztlich auch verletzlicher sind als Arbeitnehmer*innen, auf deren Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit oder aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG normativ Anwendung findet, ist davon auszugehen, dass § 3 Satz 2 MiLoG auch für Tatsachenvergleiche gilt. Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber - anders als bei § 4 Absatz 4 TVG - gerichtliche Vergleiche von dem Verzichtsverbot ausgenommen und dies damit begründet hat, bei einem vor einem Gericht geschlossenen Vergleich sei ein ausreichender Schutz der Arbeitnehmer*innen vor einem ungerechtfertigten Verlust des Mindestlohnanspruchs sichergestellt (BT-Drs. (Bundestagsdrucksache) 18/1558 S. (Seite) 35).
cc) Die Vereinbarung vom 28. März 2019 ist auch nicht aus anderen Gründen insgesamt unwirksam.
(1) Die Zustimmung des Klägers zu der Vereinbarung ist weder widerrufbar, noch sind - wie das Arbeitsgericht im Einzelnen ausgeführt hat - Gründe für einen Anfechtung nach den §§ 119, 123 BGB gegeben. Dem schließt sich die Kammer an und sieht nach § 69 Absatz 2 ArbGG von einer rein wiederholenden Darstellung ab.
(2) Die Vereinbarung verstößt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht gegen die guten Sitten nach § 138 Absatz 1 BGB. Die Vereinbarung ist nicht schon deshalb sittenwidrig, weil sie zum Teil den Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Mindestlohn unterschreitet. Die Folgen einer solchen Unterschreitung ergeben sich vielmehr - wie oben ausgeführt worden ist - aus § 3 Satz 1 MiLoG.
(a) Nach § 138 Absatz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Dabei sind nicht nur der objektive Inhalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, und die von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen und nicht auf den Eintritt der Rechtswirkungen. In subjektiver Hinsicht genügt es, wenn die handelnde Partei die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, bzw. sich der Kenntnis bewusst verschließt oder entzieht. Ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit oder eine Schädigungsabsicht sind nicht erforderlich (BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 30 mwN). Bei einer für eine Partei sehr ungünstigen Vereinbarung, bei der Leistung und Gegenleistung in keinem angemessenen Verhältnis mehr zueinander stehen, kann Sittenwidrigkeit in Betracht kommen, wenn weitere der anderen Vertragspartei zurechenbare Umstände zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen. Ein solches Ungleichgewicht kann sich insbesondere daraus ergeben, dass eine Vertragspartei die Geschäftsunerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage der anderen Vertragspartei ausnutzt oder sie auf andere Weise in ihrer Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt (vergleiche BAG 21. April 2016 - 8 AZR 474/14 - Rn. 46 mwN).
(b) Vorliegend hat der Kläger schon nicht dargelegt, woraus sich die von ihm behauptete Unerfahrenheit, Naivität und Arglosigkeit im Umgang mit Überstunden, deren Dokumentation und Abgeltung ergeben soll. Er war beim Abschluss der Vereinbarung 21 Jahre alt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es sich um seine erste Arbeitsstelle handelte und er zuvor noch nie in Berührung mit Überstunden gekommen war. Der Kläger war auch nicht unvorbereitet in das Verhandlungsgespräch mit Herrn A geraten. Vielmehr hatte er seine Forderungen bereits etwa einen Monat zuvor mit Schreiben vom 26. Februar 2019 angemeldet, wusste, um was es bei dem Gespräch gegen sollte, und hatte seine Stundenauszeichnungen mitgebracht. Es ist auch nicht ersichtlich, in welcher Weise der Kläger von Herrn A oder einer anderen Person unangemessen bedrängt worden sein soll, die Vereinbarung zu unterzeichnen, und dass Herr A und die nicht näher bezeichnete weitere Person kollusiv zusammengewirkt haben, um ihn zu der Unterzeichnung der Vereinbarung zu bewegen. Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger um die Einräumung einer Überlegungsfrist gebeten und Herr A ihm diese Bitte abgeschlagen hat.
(3) Aus den gleichen Gründen scheidet auch eine Unwirksamkeit der Vereinbarung wegen Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns nach § 241 Absatz 2 BGB aus (näher dazu BAG 7. Februar 2019 - 6 AZR 75/18 - Rn. 30 ff.)
c) Unter Berücksichtigung der am 28. März 2019 vereinbarten Einmalzahlung in Höhe von 2.046,93 Euro brutto ist der gesetzliche Mindestlohn von 8,84 Euro brutto pro Stunde im Jahr 2018 nur im Monat September 2018 im Umfang von 1.108,13 Euro brutto unterschritten worden. In den Monaten April bis August 2018 ist die Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns durch die Anrechnung der Einmalzahlung auf die jeweils ältere Schuld nach § 366 Absatz 2 BGB kompensiert worden. In den Monaten Oktober bis Dezember 2018 ist der gesetzliche Mindestlohn mit der Zahlung der regelmäßigen Vergütung, unabhängig davon, ob von den vom Kläger für den Monat Oktober 2018 geltend gemachten Stunden einige Stunden abzuziehen sind, nicht unterschritten worden.
Dies ergibt sich aus folgender Berechnung:
Monat
Mindestlohn
Gesamt-betrag
gezahlte Vergütung
Differenz/
Anrechnung auf die Einmalzah-lungRestbetrag aus der Einmal-zahlung
4/18
216,00 Std. x 8,84
1.909,44
1.900,00
9,44
2.037,49
5/18
223,00 Std. x 8,84
1.971,32
1.900,00
71,32
1.966,17
6/18
253,50 Std. x 8,84
2.240,94
1.900,00
340,94
1.625,23
7/18
251,00 Std. x 8,84
2.218,84
1.900,00
318,84
1.306,39
8/18
354,50 Std. x 8,84
3.133,78
1.900,00
1.233,78
72,61
9/18
348,50 Std. x 8,84
3,080,74
1.900,00
1.180,74
- 1.108,13
10/18
214,00 Std. x 8,84
1,891,76
2,046,93
0,00
11/18
203,50 Std. x 8,84
1.798,94
2.046,93
0,00
12/18
189,50 Std. x 8,84
1,675,18
2.046,93
0,00
2. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Abgeltung von acht Urlaubstagen in Höhe von 755,76 Euro brutto. Der Anspruch ergibt sich aus § 7 Absatz 4 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz), wonach Urlaub, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten ist.
a) Die Parteien hatten in § 7 Absatz 1 ihres Arbeitsvertrages einen Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen pro Kalenderjahr, bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche vereinbart. Dem steht in Anbetracht der ansonsten eindeutigen Regelung auch nicht entgegen, dass der Urlaub im Arbeitsvertrag als „gesetzlicher Mindesturlaub“ bezeichnet ist. Danach hat der Kläger während des Arbeitsverhältnisse mit der Beklagten unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen der §§ 4, 5 Absatz 1 Buchstabe c BUrlG, von denen in § 7 des Arbeitsvertrages nicht abgewichen wird, einen vertraglichen Anspruch auf Urlaub im Umfang von insgesamt dreißig Arbeitstagen erworben, 24 Urlaubstage für 2018 und sechs Urlaubstage für 2019. Davon entfielen auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach § 3 BUrlG für das Jahr 2018 zwanzig Urlaubstage und für das Jahr 2019 aufgerundet auf volle Urlaubstage nach § 5 Absatz 2 BUrlG fünf Urlaubstage (20 Urlaubstage : 12 Monate x 3 Monate). Während des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger unstreitig lediglich 16 Urlaubstage erhalten. Dementsprechend waren - unabhängig davon, ob man auf den vertraglich vereinbarten Urlaub oder den gesetzlichen Mindesturlaub abstellt - bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2019 noch mindestens acht Urlaubstage offen.
b) Soweit es sich hierbei um sogenannten Alturlaub aus dem Jahr 2018 handelte, ist dieser nach § 7 Absatz 3 BUrlG weder mit Ablauf des 31. Dezember 2018 noch mit Ablauf des 31. März 2019 verfallen. Zum einen hat die Beklagte nicht dargelegt, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen ist und den Kläger in die Lage versetzt hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen (näher dazu BAG 19. Februar 2019
- 9 AZR 423/16 - Rn. 39 ff.). Zum anderen enthält § 7 Absatz 1 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach der Urlaub erst 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfällt, eine für den Kläger gegenüber § 7 Absatz 3 BUrlG günstigere Regelung im Sinne des § 13 Absatz 1 Satz 3 BUrlG, die der gesetzlichen Regelung vorgeht.
c) Der Kläger hat auf den Anspruch auch nicht durch die Vereinbarung vom 28. März 2019 verzichtet. Die in der Vereinbarung enthaltene Ausgleichsklausel erfasst nicht den bei Abschluss der Vereinbarung bestehenden Urlaubs- und den daraus folgenden, mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Urlaubsabgeltungsanspruch. In der Klausel ist von „Verbindlichkeiten“ die Rede. Damit sind umgangssprachlich üblicherweise nur finanzielle Verbindlichkeiten gemeint und nicht der Urlaubsanspruch. Auch kann den Parteien nicht unterstellt werden, sie hätten zu diesem Sonderpunkt eine unwirksame Vereinbarung treffen wollen. Das steht einem bei anderem Verständnis mitgeregelten Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub entgegen.
Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach §§ 1, 3 BUrlG ist nämlich nach § 13 Absatz 1 Satz 3 BUrlG unverzichtbar. Von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes kann - abgesehen von § 7 Absatz 2 Satz 2 BUrlG - nicht zuungunsten der Arbeitnehmer*innen abgewichen werden. § 13 Absatz 1 Satz 3 BUrlG dient dem Schutz der Arbeitnehmer*innen. Die Vorschrift stellt sicher, dass Arbeitnehmer*innen im laufenden Arbeitsverhältnis Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub haben. Ferner sichert die Bestimmung den Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, den der oder die Arbeitgeber*in wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewähren kann. Der gesetzliche Schutzzweck würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte (BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 278/16 - Rn. 17; BAG 14. Mai 2013 - 9 AZR 844/11 - Rn. 13).
d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist auch nicht wegen der Nichteinhaltung der in § 13 des Arbeitsvertrages vom 22. April 2018 vereinbarten Ausschlussfristen erloschen.
Zwar war der Urlaubsabgeltungsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2019 entstanden und zugleich fällig geworden. Nach der Ausschlussfristenregelung in § 13 des Arbeitsvertrages hätte der Anspruch deshalb bis spätestens zum 30. Juni 2019 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht werden müssen (erste Stufe der Ausschlussfristen) und nach erfolgter Ablehnung innerhalb von weiteren drei Monaten eingeklagt werden müssen (zweite Stufe der Ausschlussfristen). Dass der Kläger den Anspruch innerhalb der ersten Stufe der Ausschlussfrist gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht hat, hat er nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unterliegt als reiner Geldanspruch - ebenso wie der Anspruch auf Arbeitsentgelt - den arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen (vergleiche BAG 17. Oktober 2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 11 mwN), da es nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des oben erwähnten Schutzes nicht mehr bedarf (BAG 14. Mai 2013 - 9 AZR 844/11 - Rn. 14). Bei dem Urlaubsabgeltungsanspruch handelt sich auch um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis (vergleiche BAG 18. September 2019 - 9 AZR 162/18 - Rn. 29). Jedoch ist die Ausschlussfristenregelung sowohl, was die erste Stufe betrifft, als auch, was die zweite Stufe betrifft, unwirksam. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob auch die zweite Stufe der Ausschlussfristen nicht gewahrt ist.
aa) Die Regelung zur ersten Stufe der Ausschlussfristen, wonach alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden müssen, ist nach § 309 Nr. 13 Buchstabe b BGB unwirksam, weil für die Geltendmachung eine strengere Form als die Textform nach § 126b BGB vorgesehen ist. § 309 Nr. 13 Buchstabe b BGB findet, da der Arbeitsvertrag der Parteien nach dem 30. September 2016 abgeschlossen worden war, nach der Überleitungsvorschrift des Artikels 229 § 37 EGBGB (Einführungsgesetz zum BGB) auch Anwendung (vergleiche BAG 22. Oktober 2019 - 9 AZR 532/18 - Rn. 34). Zumindest aber ist die Klausel, da deren Wortlaut nicht zu entnehmen ist, dass zur Geltendmachung auch die Textform nach § 126b BGB genügen soll, intransparent im Sinne des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB (vergleiche BAG 30. Oktober 2019 - 6 AZR 465/18 - Rn. 35) und deshalb nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem oder der Arbeitgeber*in eine strengere Form als die Textform nach § 126 b BGB auch nicht unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Absatz 4 Satz 2 BGB zulässig. Allein der Umstand, dass vor dem Inkrafttreten der Änderung des § 309 Nr. 13 BGB am 1. Oktober 2016 (BGBl. (Bundesgesetzblatt) I. S. 233) in arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelungen für die Geltendmachung von Ansprüchen häufig die Schriftform verlangt worden war, macht das Formerfordernis nach dem mit Ausschlussfristen verfolgten Zweck - anders beim Klageerfordernis der zweiten Stufe der Ausschlussfristen (dazu BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - Rn. 21) - noch nicht zu einer Besonderheit im Arbeitsrecht. Vielmehr wird dem Bedürfnis, im Arbeitsverhältnis schnell Klarheit über noch offene Ansprüche zu erhalten, (BAG 16. März 2016 - 4 AZR 421/15 - Rn. 37) auch durch die Textform des § 126b BGB genügt (vergleiche BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 88).
bb) Die Regelung zur zweiten Stufe der Ausschlussfristen, wonach im Falle der Ablehnung durch den oder die Vertragspartner*in die Ansprüche innerhalb von drei Monaten eingeklagt werden müssen, ist nach § 307 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 BGB ebenfalls unwirksam, weil sie nicht aus sich heraus klar und verständlich ist. Es ist unklar, unter welchen Voraussetzungen die Frist für die zweite Stufe der Ausschlussfristen zu laufen beginnt. Aus der Formulierung „im Falle der Ablehnung“ geht schon nicht hinreichend deutlich hervor, ob die Ablehnung an die schriftliche Geltendmachung anknüpfen muss und ebenfalls der Schriftform bedarf oder auch mündlich erfolgen kann. Sofern Letzteres ausreichend sein sollte, ist unklar, wie eindeutig die Ablehnung erfolgen muss, ob ein Gespräch, wie das, das Herr A mit dem Kläger am 28. März 2019 geführt hat, welches in der Vereinbarung mit Ausgleichsklausel mündete, als Ablehnung ausreichend ist.
e) Der Höhe nach beläuft sich der Abgeltungsanspruch nach § 11 Absatz 1 Satz 1 BUrlG auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung für acht Arbeitstage und damit auf 755,76 Euro brutto (8 Arbeitstage x 94,47 Euro brutto).
3. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Absatz 1 Satz 2, § 247 BGB in Verbindung mit § 253 Absatz 1, § 261 Absatz 1 ZPO. Die Ansprüche auf weitere Vergütung für September 2018 und auf Abgeltung von acht Urlaubstagen sind mit der Zustellung des Schriftsatzes des Klägers vom 26. September 2019 bei der Beklagten am 1. Oktober 2019 rechtshängig geworden. Daher stehen dem Kläger Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 187 Absatz 1 BGB ab dem 2. Oktober 2019 zu.
Auf die Zustellung des Mahnbescheides vom 10. September 2019 am 13. September 2019 kann nach § 696 Absatz 3 BGB nicht, auch nicht teilweise abgestellt werden, weil aus dem Mahnbescheid nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht, welche Ansprüche von dem Mahnbescheid erfasst sind, und dies auch nicht dem im Mahnbescheid in Bezug genommenen Schreiben vom 27. Februar 2019 zu nehmen ist. Der Kläger hatte die zuletzt noch aufrechterhaltenen Ansprüche gegenüber der Beklagten nicht mit Schreiben vom 27. Februar 2019, sondern mit Schreiben vom 26. Februar 2019 - teilweise - geltend gemacht
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Absatz 1 Satz 1, § 97 Absatz 1, § 269 Absatz 3 Satz 2, § 516 Absatz 3 Satz 1 ZPO. Danach haben die Parteien die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis ihres jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu tragen. Die Kosten der teilweisen Klagerücknahmen sowie der teilweisen Rücknahme der Berufung hat der Kläger zu tragen.
IV. Die Revision ist nach § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG für die Beklagte im Hinblick auf die weitere Vergütung für den Monat September 2018 wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Im Übrigen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Absatz 2 ArbGG nicht vor.