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Entscheidung OVG 4 B 9/21


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 29.07.2021
Aktenzeichen OVG 4 B 9/21 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0729.OVG4B9.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 44a S 1 VwGO, § 71 DRiG, § 14 Abs 4 S 2 BeamtStG, § 9 RiG BB 2011, Art 9 GFOBGerErStVtrG BB

Leitsatz

Wird ein Brandenburger Richter für die Zeit der Abordnung zu einem Bundesgericht durch dessen Präsidenten "dienstlich beurteilt", handelt es sich um einen Beurteilungsbeitrag nach brandenburgischem Dienstrecht.
Ein solcher Beurteilungsbeitrag ist gemäß § 44a VwGO nicht selbständig angreifbar.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das dem Kläger am 2. Februar 2019 und der Beklagten am 11. Februar 2019 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam, soweit die Berufung zugelassen worden ist, geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge und des Beschwerdeverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Richter am Sozialgericht im Dienst des Landes Brandenburg. Dieses ordnete ihn vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2015 an das Bundessozialgericht ab, wo er als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Der Kläger begehrt die erneute dienstliche Beurteilung dieser Tätigkeit durch den Präsidenten des Bundessozialgerichts.

Dieser erteilte dem Kläger am 6. Januar 2016 eine von ihm sogenannte dienstliche Beurteilung, zu deren Erstellung er sich an der von ihm selbst stammenden Richtlinie „Beurteilung wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Senaten“ orientierte. Der Kläger beanstandete diese Beurteilung und legte nach Erhalt eines abschlägigen Schreibens des Präsidenten des Bundessozialgerichts vom 10. März 2016 Widerspruch dagegen ein, den der Präsident des Bundessozialgerichts mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2016 zurückwies.

Der Kläger hat am 5. Mai 2016 bei dem Verwaltungsgericht Potsdam Klage erhoben mit dem Ziel einer Neubeurteilung. Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens hob die Beklagte auf gerichtlichen Hinweis die „dienstliche Beurteilung“ vom 6. Januar 2016 samt den ergangenen Bescheiden auf und eröffnete dem Kläger nach Anhörung die „dienstliche Beurteilung“ vom 2. August 2017. Der Kläger hat diese Beurteilung in seine rechtshängige Klage einbezogen.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung unter dem Datum „18. Januar 2018“ (richtigerweise: 18. Januar 2019) die Beklagte „verurteilt, die dienstliche Beurteilung vom 2. August 2017 aufzuheben und den Kläger für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.“ Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Verwaltungsgericht führt in den Entscheidungsgründen aus, die Klage sei unzulässig, soweit sie weiterhin gegen die von der Beklagten aufgehobene „dienstliche Beurteilung“ vom 6. Januar 2016 gerichtet sei. Die Klage sei hingegen begründet in Bezug auf die nachfolgend erteilte „dienstliche Beurteilung“. Das betreffe indes nicht die vom Kläger angebrachten Rügen, sondern ergebe sich nur aus dem Umstand, dass die Beurteilungsbeiträge der drei Senatsvorsitzenden, für deren Senate der Kläger tätig gewesen sei, nicht im Einklang mit der Beurteilungsrichtlinie des Präsidenten des Bundessozialgerichts stünden. Sie ließen dort vorgesehene Beurteilungsaspekte offen. Das bewirke einen teilweisen Beurteilungsausfall, der sich auf die Gesamtbeurteilung erstrecke.

Das Oberverwaltungsgericht hat auf Antrag der Beklagten die Berufung durch Beschluss vom 21. Mai 2019 insoweit zugelassen, als die Beklagte verurteilt worden ist, „die dienstliche Beurteilung vom 2. August 2017 aufzuheben und den Kläger für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen“. Die Beklagte hat die Berufung am 18. Juni 2019 samt Antragstellung durch Wiederholung ihres Vorbringens zum Berufungszulassungsantrag begründet.

Den Beschluss des Senats nach § 130a VwGO vom 9. Juni 2020 (– OVG 4 B 8.19 –) hat das Bundesverwaltungsgericht auf die in der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs mit Beschluss vom 21. Dezember 2020 (– 2 B 63.20 –) aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Beklagte beruft sich auf die vom Senat im Berufungsverfahren unterbreitete Rechtsauffassung, § 44a VwGO stehe der Zulässigkeit der Klage entgegen, da es sich bei der „dienstlichen Beurteilung“ um einen Beurteilungsbeitrag handele. Es sei nicht die Intention des Präsidenten des Bundessozialgerichts gewesen, eine dienstliche Beurteilung im technischen Sinn an die Stelle der dienstlichen Beurteilung des Landes Brandenburg zu setzen. Sollte die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gesetzesvorbehalt im Beurteilungsrecht für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens ausschlaggebend sein, müssten die einschlägigen Beurteilungsrichtlinien jedenfalls vorübergehend weiter Anwendung finden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam insoweit abzuändern, als sie verurteilt worden ist, die dienstliche Beurteilung des Klägers vom 2. August 2017 aufzuheben und den Kläger für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen, und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger, der im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt hat, verteidigt schriftsätzlich das angegriffene Urteil. Er macht im Wesentlichen geltend, es liege eine dienstliche Beurteilung des Präsidenten des Bundessozialgerichts vor und keineswegs nur ein Beurteilungsbeitrag. Diese Rechtsauffassung habe auch das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg, das die in Rede stehenden Beurteilungsrichtlinien erlassen habe, in einem vom Kläger geführten Konkurrentenstreitverfahren vertreten. Die um amtliche Auskunft gebetenen Obergerichtspräsidenten seien für die Auslegung der Beurteilungsrichtlinien nicht zuständig. Die defizitäre Ausgestaltung der Rechtslage durch bloße Verwaltungsvorschriften sei sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für einen Übergangszeitraum hinzunehmen.

Zur Ermittlung der Beurteilungspraxis bei Abordnungen von Landesrichtern an Bundesgerichte hat der erkennende Senat amtliche Auskünfte der Präsidenten der gemeinsamen Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf Bl. 459 bis 462 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beteiligten sind in der Terminsladung darauf hingewiesen worden, dass im Falle ihres Ausbleibens ohne sie verhandelt und entschieden werden könne. Der Kläger hat vorab rechtsanwaltlich mitgeteilt, dass er im Termin nicht vertreten sein werde. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Band Personalakte, 1 Sonderheft „Widerspruch Beurteilung 01/2016“) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat hat gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch ohne den Kläger verhandeln und entscheiden dürfen. Die zulässige Berufung ist begründet. Die auf die Erteilung einer neuen Beurteilung durch den Präsidenten des Bundessozialgerichts gerichtete Klage ist, soweit sie zulässig ist, nicht begründet.

Die allgemeine Leistungsklage ist zulässig, soweit der Kläger erstmals nach der Zurückverweisung gemäß § 67 Abs. 4 VwGO damit zu hören ist, es handele sich bei der streitbefangenen Beurteilung um eine dienstliche Beurteilung im engen „technischen“ dienstrechtlichen Sinn, und eine solche neue dienstliche Beurteilung durch den Präsidenten des Bundessozialgerichts begehrt. Der Kläger macht damit nach § 42 Abs. 2 VwGO analog geltend, dass die Unterlassung einer dienstlichen Beurteilung ihn in seinen Rechten verletze.

Die Klage ist insoweit jedoch unbegründet, da weder Bundes- noch Landesrecht vorsehen, dass der Präsident des Bundessozialgerichts eine dienstliche Beurteilung für einen im Dienst des Landes Brandenburg stehenden Richter erteilt (1.). Bei der streitbefangenen Beurteilung handelt es sich vielmehr um einen Beurteilungsbeitrag, den der Kläger wegen § 44a VwGO nicht isoliert zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung stellen kann (2.).

1. Die dienstliche Beurteilung der im öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehenden Beschäftigten obliegt dem jeweiligen Dienstherrn (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 31). Sie erfolgt aus dem Dienstverhältnis heraus und ist auf dieses bezogen. Sie ist Grundlage für Personalentscheidungen des Dienstherrn. Sie dient der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes, Beamte bzw. Richter nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen und zu befördern (Art. 33 Abs. 2 GG). Ihr Ziel ist es, die den Umständen nach optimale Verwendung des Beamten bzw. Richters zu gewährleisten und so die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung hoheitlicher Aufgaben bestmöglich zu sichern. Zugleich dient die dienstliche Beurteilung dem berechtigten Anliegen des Beamten bzw. Richters, entsprechend seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung voranzukommen. Die dienstliche Beurteilung soll den Vergleich mehrerer Beamter bzw. Richter miteinander ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 – 2 A 4.15 – juris Rn. 14). Sowohl Auswahlentscheidung als auch dienstliche Beurteilung sind grundsätzlich auf das Statusamt bezogen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. März 2021 – 2 VR 5.20 – juris Rn. 24).

Die Richterinnen und Richter stehen im Dienst des Bundes oder eines Landes, wie § 3 DRiG unter der Überschrift „Dienstherr“ festlegt. Alleiniger Dienstherr des Klägers ist und war auch während der Zeit der Abordnung an das Bundessozialgericht das Land Brandenburg (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2020 – 2 B 63.20 – juris Rn. 9). Der Bund darf einem Land für dessen Richterinnen und Richter grundsätzlich nicht eine dienstliche Beurteilung als solche aufdrängen.

Bundesrecht verhält sich dementsprechend nicht zur dienstlichen Beurteilung von Landesrichtern. Der erste Teil des Deutschen Richtergesetzes, der allgemeine Regelungen zum Richteramt in Bund und Ländern trifft, enthält keine diesbezügliche Bestimmung. Auch im dritten Teil „Richter im Landesdienst“ findet sich keine solche, insbesondere auch nicht in den über § 71 DRiG entsprechend anwendbaren Regelungen des Beamtenstatusgesetzes.

§ 14 BeamtStG regelt die dienstherrenübergreifende Abordnung aus dem Bereich eines Landes zu einem Dienstherrn in einem anderen Land oder beim Bund. Nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG sind, soweit zwischen dem abgebenden und dem aufnehmenden Dienstherrn nichts anderes vereinbart ist, die im Bereich des aufnehmenden Dienstherrn geltenden Vorschriften über die Pflichten und Rechte der Beamten bzw. Richter entsprechend anzuwenden. Ausgenommen hiervon sind die Regelungen über Diensteid, Amtsbezeichnung, Zahlung von Bezügen, Krankenfürsorgeleistungen und Versorgung. Die in § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG vorgesehen Ausnahmen verdeutlichen die Normvorstellung, dass die Abordnung die rechtliche Zuordnung zum abordnenden Dienstherrn und das statusrechtliche Amt nicht berührt. Hinsichtlich solcher Entscheidungen, die den Status des abgeordneten Beamten bzw. Richters betreffen oder die über den Abordnungszeitraum hinausreichen, soll es bei der Zuständigkeit des abordnenden Dienstherrn verbleiben. Hierzu gehört auch die dienstliche Beurteilung (vgl. Burkholz in: v.Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand Juli 2021, § 14 Rn. 98), die keine „Entscheidung“ im eigentlichen Sinne, sondern wie ausgeführt nur „Hilfsmittel“ für eine dem Dienstherrn obliegende sachgerechte Personalsteuerung und -auslese ist (vgl. Bodanowitz in: Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, 70. Aktualisierung 4/2021, Rn. 267). So ist die dienstliche Beurteilung auch nicht Gegenstand des 6. Abschnitts des Bundesbeamtengesetzes, auf den das Begriffspaar „Pflichten und Rechte“ in § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG verweist (Schollendorf in: BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 1. April 2020, BeamtStG § 14 Rn. 38), sondern mit § 21 BBG im Zusammenhang mit den Regelungen zum Laufbahnrecht im 3. Abschnitt des Bundesbeamtengesetzes normativ verortet. Eine abweichende Vereinbarung zwischen dem Land Brandenburg und dem Bund im Sinne von § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG für die Beurteilung der an ein Bundesgericht abgeordneten Brandenburger Richter besteht nicht, wie auch die vom Senat eingeholten amtlichen Auskünfte der Präsidenten der gemeinsamen Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg bestätigen.

Das Brandenburger Landesrecht sieht eine Beurteilung an ein Bundesgericht abgeordneter Richter durch die Präsidenten der Bundesgerichte – sei es auf der Grundlage landesrechtlicher, sei es bundesrechtlicher Vorgaben – nicht vor.

Das Land Brandenburg hat in § 9 BbgRiG geregelt, dass Richterinnen und Richter regelmäßig sowie dann, wenn es die dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse erfordern, im Hinblick auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zu beurteilen sind. Es hat wie jeder Dienstherr die organisatorische Gestaltungsfreiheit zu bestimmen, durch wen es die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung wahrnimmt (BVerwG, Urteile vom 17. März 2016 – 2 A 4.15 – juris Rn. 19 und vom 1. März 2018 – 2 A 10.17 – juris Rn. 16). Dazu sieht § 9 Abs. 3 BbgRiG vor, dass die oberste Dienstbehörde in Beurteilungsrichtlinien nähere Bestimmungen treffen kann. Diese liegen mit der Gemeinsamen Allgemeinen Verfügung der Ministerin der Justiz und der Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie „Dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte“ (BeurtAV) vom 20. Juni 2005 (JMBl. Sondernummer I S. 4), zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 29. August 2011 (JMBl. S. 107), vor.

Diese Beurteilungsrichtlinien sind hier nicht von vornherein unbeachtlich, soweit sie Regelungen treffen, die in Anwendung der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem Gesetzesvorbehalt unterfallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2020 – 2 C 2.20 – juris Rn. 16 f.), zumal das Bundesverwaltungsgericht sich zu § 9 BbgRiG ausdrücklich noch keine abschließende Meinung gebildet hat (vgl. dessen Beschluss vom 21. Dezember 2020 – 2 B 63.20 – juris Rn. 24). Der erkennende Senat folgt der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht, solange sie nicht mit einer Begründung versehen und nachvollziehbar ist (siehe dazu den Beschluss des Senats vom 19. Mai 2021 – OVG 4 S 15/21 – juris mit eingehender Begründung; zu dem jüngsten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2021 zur Rechtslage in Rheinland-Pfalz liegt im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nur die auf der Homepage des Bundesverwaltungsgerichts veröffentlichte Pressemitteilung Nr. 46/2021 vom 7. Juli 2021 vor). Des Weiteren nimmt das Bundesverwaltungsgericht dieser Pressemitteilung zufolge die Regelung durch Beurteilungsrichtlinien für einen Übergangszeitraum hin, um einen der verfassungsgemäßen Ordnung noch „ferneren“ Zustand zu vermeiden. Der Senat, der diesen Weg bereits in seinem Beschluss vom 19. Mai 2021 aufgezeigt hat (a.a.O. Rn. 11 m.w.N.), würde sich bei Annahme eines Regelungsdefizits insoweit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anschließen.

Die Beurteilungsrichtlinie sieht ihrem Wortlaut nach eine dienstliche Beurteilung von Landesrichtern aus Anlass einer Abordnung an eine Dienststelle außerhalb ihres Geltungsbereichs durch diese Dienststelle nicht vor (a.). Es besteht keine dessen ungeachtet hierauf führende tatsächliche Verwaltungspraxis (b.).

a. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BeurtAV sind Richter auf Lebenszeit alle fünf Jahre dienstlich zu beurteilen, was nach der Legaldefinition eine Regelbeurteilung ist. Von der Regelbeurteilung ist abzusehen, wenn der Richter zu dem Zeitpunkt, zu dem die Regelbeurteilung zu erstellen wäre, keine richterlichen Aufgaben wahrnimmt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BeurtAV); sie ist nach Wiederaufnahme der richterlichen Aufgaben unverzüglich nachzuholen (§ 2 Abs. 1 Satz 5 BeurtAV). Richter auf Lebenszeit sind nach § 2 Abs. 4 Satz 1 BeurtAV ferner zu beurteilen, wenn dies aus konkretem Anlass erforderlich ist. Die Anlässe benennt § 2 Abs. 4 Satz 2 BeurtAV. Im Zusammenhang mit einer Abordnung ist nach Buchstabe c eine Anlassbeurteilung vor einer Abordnung erforderlich, wenn die letzte Beurteilung länger als sechs Monate zurück liegt sowie nach Buchstabe d bei Beendigung der Abordnung, wenn die tatsächliche Abordnungsdauer mindestens sechs Monate betragen hat und die Abordnung im Geltungsbereich der Beurteilungsrichtlinie erfolgt ist. Seit der letzten Regelbeurteilung erstellte Anlassbeurteilungen haben keine Auswirkungen auf den Regelbeurteilungszeitraum; solche Anlassbeurteilungen sind in die Regelbeurteilung einzubeziehen, sie behalten jedoch für den erfassten Zeitraum ihre Bedeutung (§ 2 Abs. 3 BeurtAV).

Nach § 5 Abs. 1 BeurtAV erfolgt die dienstliche Beurteilung durch den jeweiligen unmittelbaren Dienstvorgesetzten. Für den Fall der Abordnung enthält § 5 Abs. 2 BeurtAV besondere Bestimmungen. Danach wird eine Anlassbeurteilung etwa bei der Bewerbung um ein anderes Amt (§ 2 Abs. 4 Satz 2 Buchst. a BeurtAV) oder auf Antrag des Richters (§ 2 Abs. 4 Satz 2 Buchst. e BeurtAV) bei einer Abordnung ab sechs Monaten durch den unmittelbaren Dienstvorgesetzten erstellt, an dessen Dienststelle die Abordnung erfolgt ist; die Zuständigkeit für die Erstellung von Anlassbeurteilungen verbleibt aber bei dem Leiter der Stammdienststelle, wenn die Abordnung an eine Dienststelle außerhalb des Geltungsbereichs der Beurteilungsrichtlinien erfolgt ist.

Die Beurteilungsrichtlinien sehen nicht vor, dass während einer Abordnung erbrachte dienstliche Leistungen unbeurteilt bleiben. Das lässt sich aus § 2 Abs. 3 BeurtAV schließen. Deckt die Regelbeurteilung im regelmäßigen Turnus Zeiträume ab, für die bereits eine Anlassbeurteilung besteht, muss mit ihr erst recht eine dienstliche Tätigkeit während einer Abordnung beurteilt werden, für die wegen § 2 Abs. 4 Satz 2 und § 5 Abs. 2 BeurtAV nicht mehr als ein Beurteilungsbeitrag vorliegt. Die Beurteilung hat gemäß § 6 Satz 1 BeurtAV auf einer möglichst breiten Erkenntnisgrundlage zu erfolgen (siehe auch BVerwG, Urteil vom 1. März 2018 – 2 A 10.17 – juris Rn. 22). Ist die Tätigkeit während einer Abordnung an ein Bundesgericht zu beurteilen, hat die Beurteilerin bzw. der Beurteiler nach § 6 Satz 2 BeurtAV schriftliche Beurteilungsbeiträge einzuholen. Diese Funktion erfüllt die „dienstliche Beurteilung“ des Präsidenten des Bundessozialgerichts.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekräftigt, dass der Präsident des Bundessozialgerichts bei Abfassung der streitbefangenen Beurteilung dem Kläger nicht eine dem Land Brandenburg vorbehaltene dienstliche Beurteilung im technischen Sinn habe erteilen wollen. Die demnach untechnisch gewählte Bezeichnung „dienstliche Beurteilung“ trägt dem Umstand Rechnung, dass es den Landesdienstherren freisteht, ob sie die Beurteilungszuständigkeit für die Abordnungszeit von Landesrichterinnen und -richtern auf die Leitungen der Bundesgerichte delegieren. Je nach Bundesland ist die „dienstliche Beurteilung“ eine solche oder ein Beurteilungsbeitrag. Jedenfalls ist es sachgerecht, wenn die Landesrichterinnen und –richter bezogen auf das jeweilige Bundesgericht nach einheitlichen Maßstäben „beurteilt“ werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 25). Das erleichtert es dem Dienstherrn, der sich wie Brandenburg die dienstliche Beurteilung der an den Bund abgeordneten Richterinnen und Richter vorbehalten hat, die Wertigkeit der fremden Beurteilungsbeiträge zu erkennen und sie in das eigene Beurteilungssystem zu übersetzen.

b. Entsprechend ihrer rechtlichen Herleitung sind Verwaltungsvorschriften nicht wie Rechtsvorschriften aus sich heraus, sondern als Willenserklärung der anordnenden Stelle unter Berücksichtigung der tatsächlichen Handhabung auszulegen. Da Verwaltungsvorschriften zur Disposition des Vorschriftengebers stehen, ist bei der Auslegung die tatsächliche Verwaltungspraxis jedenfalls insoweit heranzuziehen, wie sie vom Urheber der Verwaltungsvorschriften gebilligt oder doch geduldet wurde oder wird. Dementsprechend ist jeweils zu erforschen, in welchem Sinne die betreffende Behörde die von ihr herausgegebenen Richtlinien in einem maßgebenden Punkte verstanden wissen wollte und tatsächlich verstanden und angewandt hat (BVerwG, Urteil vom 17. September 2020 – 2 C 2.20 – juris Rn. 19; so schon OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2016 – OVG 4 S 21.16 – juris Rn. 18).

Eine in diesem Sinne vom Richtliniengeber gebilligte bzw. geduldete maßgebliche tatsächliche Verwaltungspraxis, dass die Präsidenten der Bundesgerichte für abgeordnete Landesrichter dienstliche Beurteilungen erstellen dürften, besteht nicht.

Die hier in Rede stehenden Beurteilungsrichtlinien sind nicht nur auf der Grundlage von § 7 des Brandenburgischen Richtergesetzes, sondern insbesondere auch auf der Grundlage von Artikel 9 Abs. 2 Satz 4 des Staatsvertrages über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 (GVBl. I S. 281, 283), geändert durch Staatsvertrag vom 7. Februar 2011 (GVBl Nr. 18; im Folgenden: Staatsvertrag) erlassen worden. Dieser fordert für die jeweiligen Gerichtszweige in den Ländern Berlin und Brandenburg übereinstimmende Beurteilungsrichtlinien. Das hat die Länder Berlin und Brandenburg dazu veranlasst, nicht nur für die jeweiligen Gerichtszweige mit fusioniertem Landesobergericht, sondern für alle Richterinnen und Richter beider Länder mit Ausnahme der Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter in simultaner Normgebung einheitliche Beurteilungsrichtlinien zu schaffen. Entsprechend stimmt die Gemeinsame Allgemeine Verfügung der Senatsverwaltung für Justiz und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen vom 16. Juni 2005 (ABl. S. 2289), zuletzt geändert durch Gemeinsame Allgemeine Verfügung vom 18. August 2011 (ABl. S. 2156) inhaltlich mit den hier in Rede stehenden Brandenburger Beurteilungsrichtlinien überein. Der Senat hat vor diesem Hintergrund amtliche Auskünfte der Präsidenten der gemeinsamen Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg (vgl. Art. 1 Abs. 1 Staatsvertrag) eingeholt, denen die Überbeurteilung der an den erstinstanzlichen Gerichten des jeweiligen Gerichtszweigs in beiden Ländern tätigen Richter (Art. 9 Abs. 2 Satz 3 Staatsvertrag und § 5 Abs. 3 der jeweiligen BeurteilungsAV), die Beurteilung der gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Staatsvertrag im Dienste beider Länder stehenden Richter der gemeinsamen Fachobergerichte (§ 5 Abs. 1 der jeweiligen BeurtAV) sowie die Gewährleistung einheitlicher Beurteilungsmaßstäbe (§ 4 der jeweiligen BeurtAV) obliegt.

Danach werden in der Arbeitsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit von den Präsidenten der Bundesgerichte für dorthin abgeordnete Landesrichter erstellte „Beurteilungen“ bzw. Dienstleistungszeugnisse in ständiger Praxis als Beurteilungsbeiträge angesehen, die in zu erstellende dienstliche Beurteilungen einfließen. Lediglich die Präsidentin des Landessozialgerichts hat mitgeteilt, dass es bis zum Bekanntwerden der Rechtsprechung des Senats in ihrem Geschäftsbereich der Praxis entsprochen habe, Dienstleistungszeugnisse der Obersten Bundesgerichte über dorthin abgeordnete Landesrichter als Anlassbeurteilungen anzusehen und als solche in zu erstellende Regelbeurteilungen einzubeziehen. Eine schriftliche Übereinkunft darüber, dass den Präsidentinnen und Präsidenten der Obersten Bundesgerichte eine Befugnis zur Erteilung einer dienstlichen Beurteilung eines Landesrichters übertragen worden sei, sei nicht bekannt. Diese Praxis in einem Gerichtszweig, an der im Übrigen für die Zukunft nicht festgehalten wird, begründet keine für das Verständnis der Beurteilungsrichtlinien maßgebliche Verwaltungspraxis im Anwendungsbereich der Beurteilungsrichtlinien (so BVerwG, Urteil vom 17. September 2020 – 2 C 2.20 – juris Rn. 31 f.).

Entgegen der Auffassung des Klägers bieten die Ausführungen des Ministeriums der Justiz des Landes Brandenburg in einem Konkurrentenstreitverfahren, mit denen dieses lediglich als Prozesspartei die für das Land getroffene Auswahlentscheidung und Rechtmäßigkeit der für den Kläger erteilten Beurteilung verteidigt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 – 1 C 14.10 – juris Rn. 18), keine Grundlage für die Feststellung der maßgeblichen Verwaltungspraxis, zumal in den simultan agierenden Ländern Brandenburg und Berlin. Im Übrigen vertritt das Ministerium dort die Auffassung, die dienstliche Beurteilung der von einem Landesrichter während einer Abordnung zu einem anderen Dienstherrn erbrachten Leistungen falle nicht in die Zuständigkeit und damit einhergehend Regelungskompetenz des Landes, hält demzufolge die eigenen Beurteilungsrichtlinien für nicht einschlägig und sieht die rechtliche Grundlage für die vom Präsidenten des Bundessozialgerichts erstellte „dienstliche Beurteilung“ in nicht näher konkretisierten „allgemeinen richter- und beamtenrechtliche(n) Vorschriften“.

2. Handelt es sich bei der streitbefangenen Beurteilung nach alledem um einen Beurteilungsbeitrag, steht der Klage, soweit der Kläger dessen erneute Erstellung begehrt, § 44a Satz 1 VwGO entgegen.

Nach dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Als Sachentscheidung ist eine das Verfahren beendende Entscheidung zu verstehen, die nicht notwendig ein Verwaltungsakt oder Vertrag sein muss, sondern auch ein Realakt sein kann (Stelkens/Schenk in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 44a Rn. 9; Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 44a Rn. 31). Eine derartige Sachentscheidung ist die dienstliche Beurteilung einer Richterin oder eines Richters. Behördliche Verfahrenshandlungen sind die eine dienstliche Beurteilung vorbereitenden Maßnahmen. Dazu rechnen Beurteilungsbeiträge, die einer dienstlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden (Lorse, Die dienstliche Beurteilung, 7. Aufl. 2020, Rn. 105d unter Hinweis auf den im Soldatenrecht ergangenen Beschluss des BVerwG vom 4. August 1988 – 1 WB 69.88 – juris Leitsatz 1; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 28. August 1990 – 1 WB 67.90 – juris Rn. 4; entsprechend zur Stellungnahme des Präsidialrats: BVerwG, Urteil vom 13. November 2019 – 2 C 35.18 – juris Rn. 20; vgl. ferner OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 5 LA 152/13 – juris Rn. 18 f.; OVG Münster, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 1 A 1241/12 – juris Rn. 4 f.). Die Qualifizierung eines Beurteilungsbeitrags als vorbereitende Maßnahme setzt nicht voraus, dass er in einem aktuellen Beurteilungsverfahren konkret „angefordert“ wurde. Auch der „auf Vorrat“ erstellte Beurteilungsbeitrag dient der Vorbereitung einer später zu erstellenden dienstlichen Beurteilung (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.).

Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG bedürfte es keiner Ausnahme von § 44a Satz 1 VwGO (Erwägung wie beim BVerwG, Urteil vom 13. November 2019 – 2 C 35.18 – juris Rn. 24). Denn dem Betreffenden entstehen keine unzumutbaren Nachteile aus einem, wie er meint, fehlerhaften Beurteilungsbeitrag des Präsidenten des Bundessozialgerichts. Die zuständigen Beurteilenden haben die Beurteilungsbeiträge Dritter zu würdigen und ebenso wie dagegen gerichtete Einwände in ihre Überlegungen einzubeziehen; sie sind an die Feststellungen und Bewertungen Dritter nicht gebunden (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2016 – 2 A 1.14 – juris Rn. 23). In einer etwaigen Auseinandersetzung um die dem Kläger erteilten Regel- oder Anlassbeurteilungen, in die die dienstliche Tätigkeit in den Jahren 2014 und 2015 einbezogen wurde, wären die Einwände des Klägers zu behandeln.

Dem Kläger erwächst aus dem Beurteilungsbeitrag kein Nachteil in einer Beförderungsauswahl. Denn die Bestenauslese hat vor allem anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 58; BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 23, Urteile vom 2. März 2017 – 2 C 21.16 – juris Rn. 20 und vom 1. März 2018 – 2 A 10.17 – juris Rn. 29) und insoweit vorrangig anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen (BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 21 und vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 24).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 1 BRRG genannten Gründe vorliegt. Soweit der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gesetzesvorbehalt für Vorgaben für dienstliche Beurteilungen nicht folgt, beruht die Entscheidung nicht auf dieser Abweichung, zumal sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht zu § 9 BbgRiG festgelegt hat.