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Entscheidung 52 O 62/20


Metadaten

Gericht LG Potsdam 2. Kammer für Handelssachen Entscheidungsdatum 18.05.2021
Aktenzeichen 52 O 62/20 ECLI ECLI:DE:LGPOTSD:2021:0518.52O62.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte, die über Internetplattformen mit Lebens – und Genussmitteln handelt, auf Zahlung einer Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung in Anspruch.

Auf eine Abmahnung des Klägers vom 04.11.2019 wegen wettbewerbsrechtlicher Verstöße im Zusammenhang mit dem Verkauf von Lebens – und Genussmitteln über die Handelsplattform eBay, auf die wegen ihres Inhaltes verwiesen wird, hat die Beklagte am 13.11.2019 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, in der sie sich ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung, gleichwohl rechtsverbindlich, gegenüber dem Kläger verpflichtete, „es bei Vermeidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fälligen und vom Unterlassungsgläubiger im Sinne von § 315 BGB zu bestimmenden angemessenen Vertragsstrafe, deren Höhe im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfen ist, künftig zu unterlassen,

I. im geschäftlichen Verkehr betreffend Genussmittel und/oder Reinigungs- und/oder Hygieneartikel und/oder Gesundheits – und/oder Hygieneartikel Angebote zu veröffentlichen und/oder unter Angabe von Preisen zu werben und/oder Angebote bzw. Preiswerbung zu unterhalten,
1. ...

2. bei denen es sich um Genussmittel und/oder Lebensmittel und um nach Gewicht von 10 g oder mehr angebotene und/oder beworbene Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung handelt, für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) und der Gesamtpreis jeweils unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar angegeben werden, und/oder
...“

Am 24.06.2020 erfuhr der Kläger, dass die Beklagte auf der Handelsplattform Amazon erneut Angebote ohne ordnungsgemäß Grundpreisangabe bewarb. Er forderte sie deshalb mit Schreiben vom 25.06.2020 zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3000 € bis zum 06.07.2020 auf. Die Beklagte zahlte die Vertragsstrafe nicht.

Mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 03.07.2020, auf das wegen seines weiteren Inhaltes Bezug genommen wird, erklärte die Beklagte die Anfechtung, hilfsweise die Kündigung der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 13.11.2019 wegen Rechtsmissbrauchs. Die Kündigung hat die Beklagte im rechtshängigen Verfahren mit Schriftsatz vom 03.12.2020 wiederholt.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe die geforderte Vertragsstrafe verwirkt. Die Frage der Aktivlegitimation des Klägers sei vorliegend nicht mehr zu prüfen, da die bereits zum damaligen Zeitpunkt anwaltlich vertretene Beklagte durch die Abgabe der Unterlassungserklärung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 UWG anerkannt habe. Die Anfechtungserklärung sei unwirksam, ebenso die hilfsweise von der Beklagten erklärte Kündigung. Ein rechtsmissbräuchliches Handeln des Klägers liege nicht vor.

Mit der am 31.08.2020 zugestellten Klage beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz (sic) ab Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, sie habe die strafbewehrte Unterlassungserklärung rechtswirksam angefochten, da der Kläger in seinem Abmahnschreiben über die tatsächlichen Voraussetzungen seiner Aktivlegitimation zur Zeit des Ausspruchs der Abmahnung arglistig getäuscht habe. Dem Kläger hätte, wie sich aus diversen gerichtlichen Verfahren des Klägers gegen andere Unternehmer ergebe und was die Beklagte erst anlässlich einer anwaltlichen Beratung ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten am 01.07.2020 erfahren habe, keine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertrieben.

Die Beklagte hätte die Unterlassungserklärung nicht abgegeben, wenn sie bereits damals gewusst hätte, dass die Behauptungen des Klägers in der Abmahnung, insbesondere dazu, dass seine Aktivlegitimation durchweg in gerichtlichen Entscheidungen bestätigt worden sei, nicht zuträfen.

Überdies habe die Beklagte die Unterlassungserklärung wirksam gekündigt, da die Abmahnung des Klägers rechtsmissbräuchlichen Charakter aufweise. So gehe er gegen Wettbewerbsverstöße seiner eigenen Mitglieder planmäßig nicht vor; für einen Rechtsmissbrauch spreche auch, dass der Kläger – unstreitig – Mitglieder typischerweise nur als passive aufnehme und sie damit von der Willensbildung im Verein gezielt ausschließe. Dem Kläger gehe es bei seiner Abmahntätigkeit und der Geltendmachung von Vertragsstrafen vorrangig darum, Einnahmen zu generieren und bestimmten Personen unangemessen hohe Zahlungen zukommen zu lassen, wie sich auch in den regelmäßig zu weit gefassten vorformulierten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen zeige, die den klägerischen Abmahnungen beigefügt würden. Auch stehe zu vermuten, dass ein Missverhältnis zwischen den vom Kläger durch seine Abmahnungen und von ihm eingeleitete gerichtliche Verfahren eingegangenen Kostenrisiken und seinen Einnahmen bestehe.

Letztlich sei auch die vom Kläger geforderte Vertragsstrafe angesichts dessen, dass es sich bei der Beklagten um ein kleines Unternehmen mit geringer Marktbedeutung handele, das durch den streitgegenständlichen auf einem Versehen beruhenden Verstoß keinen zusätzlichen Umsatz oder Gewinn erzielt habe, unangemessen hoch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die beiderseits eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Beklagte hat ihre strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 13.11.2019, die die Grundlage für die Vertragsstrafenforderung des Klägers darstellt, wirksam nach § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung durch den Kläger mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 03.07.2020 angefochten mit der Folge, dass diese nach § 142 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist.

Der Kläger hat in seiner Abmahnung vom 04.11.2019 durch eine seitenlange Angabe von Gerichtsurteilen, die seine Aktivlegitimation bestätigt hätten, den Eindruck erweckt, diese Aktivlegitimation stehe außer Frage und sei auch im vorliegenden Fall unproblematisch gegeben.

Zwar obliegt die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anfechtungsgrundes nach § 123 Abs. 1 BGB dem Anfechtenden -vorliegend somit der Beklagten. Den Kläger trifft insoweit jedoch zunächst die sekundäre Darlegungslast. Diese hat er dazu, dass ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die Beklagte vertreiben (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG), nicht erfüllt. Auch im Rahmen des Rechtsstreits hat er hierzu nicht näher vorgetragen. Da sich aus diesem Grunde nicht feststellen lässt, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Abmahnung die vorstehende Voraussetzung erfüllte, ist mit der Beklagten davon auszugehen, dass dies nicht der Fall war, so dass der Kläger durch Erwecken des gegenteiligen Eindrucks in der Abmahnung die Beklagte arglistig getäuscht hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers steht dieser Anfechtung kein Anerkenntnis seiner Klagebefugnis durch die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung entgegen. Die Beklagte hat diese Erklärung ausdrücklich ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung abgegeben; der Kläger hat sie so angenommen.

Die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB ist gewahrt. Die Beklagte hat behauptet, erst durch eine anwaltliche Beratung am 01.07.2020 erhebliche Zweifel an der Aktivlegitimation des Klägers erlangt zu haben. Soweit der Kläger dies mit dem Hinweis anzweifelt und offenbar bestreiten will, die Beklagte sei bereits zum Zeitpunkt der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung anwaltlich beraten gewesen und deshalb von einer eventuellen Kenntnis schon zu diesem Zeitpunkt auszugehen, ist dem nicht zu folgen. Die Beklagte hat nachvollziehbar vorgetragen, weder sie noch ihr Bevollmächtigter hätten die Möglichkeit gehabt, die Mitgliederverhältnisse beim Kläger zu prüfen. Weshalb dies dennoch ohne weitere Darlegungen des Klägers der Fall gewesen bzw. die Beklagte in der Lage gewesen sein sollte, sich hierzu nähere Kenntnisse zu verschaffen, hat der Kläger nicht dargetan.

Ohne dass es nach vorstehenden Ausführungen noch entscheidend darauf ankommt, stünde der Vertragsstrafenforderung des Klägers auch die von der Beklagten erhobene Einrede unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen. Der Kläger hat mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 03.07.2020 hilfsweise auch die Kündigung der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 13.11.2019 erklärt. Mit dem BGH in seinem Urteil vom 14.02.2019 zum Az. I ZR 6/17 ist davon auszugehen, dass dann, wenn der Abmahnende bei der der Unterlassungsvereinbarung vorausgegangenen Abmahnung rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG vorgegangen ist, der die strafbewehrte Unterlassungserklärung Abgebende diese als Dauerschuldverhältnis nach § 314 Abs. 1 BGB außerordentlich kündigen kann. Da jedoch eine Kündigung nur ex-nunc wirksam wird und deshalb nicht Vertragsstrafenansprüche erfasst, die aufgrund von Verstößen gegen die Unterlassungserklärung vor der Kündigungserklärung geltend gemacht werden, steht dem Schuldner gegenüber der Vertragsstrafenforderung der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 42 BGB zu.

Nach dem Sach – und Streitstand ist davon auszugehen, dass die Abmahnung durch den Kläger rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG (seit 02.12.2020: § 8 c UWG) ist. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass der Kläger typischerweise nur passive Mitglieder aufnimmt, die aufgrund ihrer passiven Stellung von der Willensbildung im klägerischen Verein ausgeschlossen sind, da ihnen in der Mitgliederversammlung kein Stimmrecht zusteht.

Ein sachlicher Grund dafür, weshalb der Kläger Online – Unternehmen, deren Interessen er wahrzunehmen und zu fördern behauptet, von der Willensbildung des Klägers ausschließt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Vortrag des Klägers, dass seine Vereinsziele nicht mit kostenträchtigen Versammlungen und „endlosen Debatten mit juristischen Laien“ zu erreichen seien, stellt keinen derartigen sachlichen Grund dar. Es ist auch nicht erheblich, wenn der Kläger meint, seine Mitglieder wollten auch gar nicht durch die Ausübung von Stimmrechten in Mitgliederversammlungen mitwirken. Nach der klägerischen Vereinsstruktur werden die Mitglieder bereits an einer eigenen Entscheidung darüber, ob sie mitwirken wollen, gehindert.

Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger ganz überwiegend Mitglieder nur deshalb aufnimmt, um die für seine Aktivlegitimation und Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erforderliche Voraussetzung der Mitgliedschaft einer erheblichen Zahl von Unternehmern zu erreichen und auf diese Weise durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auf unterschiedlichen sachlichen Märkten Einnahmen zu erzielen (so auch OLG Celle, Urteil vom 6. 20.03.2020 zum Az. 13 U 73/19 und Landgericht Hildesheim, Urteil vom 4. 20.11.2020 zum Az. 11 O5/19, Landgericht Potsdam, Urteil vom 23.02.2021 zum Az. 52 O 102/20).

Entgegen der Ansicht des Klägers steht der vorstehenden Einordnung nicht entgegen, dass „Vereinsstrukturen mit passiver Mitgliedschaft... gerade bei größeren Vereinsgebilden juristisch, insbesondere vereinsrechtlich, anerkannt und überhaupt nicht zweifelhaft“ seien, denn es geht in diesem Zusammenhang nicht um die vereinsrechtliche Existenz des Klägers – die gegeben ist – sondern um die Frage eines Rechtsmissbrauches bei seiner Vereinstätigkeit.

Ob die Abmahnung des Klägers auch unter anderen Gesichtspunkten den Vorwurf eines Rechtsmissbrauches zu begründen vermag, bedarf keiner weiteren Prüfung mehr.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 I, 708 Nr. 11, 709 ZPO.