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Entscheidung DG 13/12


Metadaten

Gericht Dienstgericht Cottbus Entscheidungsdatum 05.03.2021
Aktenzeichen DG 13/12 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2021:0305.DG13.12.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsteller darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen eine etwaige inhaltliche Kontrolle von E-Mails.

Der Antragsteller ist Richter am Sozialgericht in …. Der Antragsteller nutzte das vom Antragsgegner bereitgestellte E-Mail-Konto einschließlich des Abwesenheitsassistenten. Der Antragsgegner stellte im Juli … fest, dass der Antragsteller eine Abwesenheitsnotiz eingestellt hatte, die folgende Passage enthielt:

„Bitte Bedenken sie, dass die Einrichtung einer Weiterleitung von E-Mails den RichterInnen des Landes Brandenburg seitens des LSG Berlin-Brandenburg untersagt, außerdem technisch verunmöglicht ist.

Die Verfassungsmäßigkeit dieser Restriktionen zu beurteilen obliegt nicht mir. Ohnehin erlauben Unzuverlässigkeit und Langsamkeit der vom LSG Berlin-Brandenburg verantworteten EDV dessen Benutzung nur unter seltenen günstigen Umständen.“

Der Antragsgegner forderte den Antragsteller mit Schreiben vom … auf diese Passage zu löschen. Am … stellte der Antragsgegner fest, dass die Abwesenheitsnotiz des Antragstellers nunmehr u.a. folgenden Inhalt hatte:

„Bitte bedenken Sie, dass am Sozialgericht … seit längerem schon eine exorbitante notstandsähnlich anmutende Überlastungssituation besteht, die einen geordneten Justizgewährleistungsbetrieb in der überwiegenden Mehrzahl der Hauptsachen kaum mehr zulässt.

Abgesehen davon dass den RichterInnen des Landes Brandenburg ferner spruchrichtertätigkeitsfremde Aufgaben wie Müllentsorgung (temporär) oder Botendienst (dauerhaft) oktroyiert und sie mit einer weiter defizitären EDV-Ausstattung konfrontiert sind, ist Ihnen die Einrichtung einer Weiterleitung von E-Mails seitens des LSG Berlin-Brandenburg in ebenfalls verfassungsrechtlich höchst bedenklicher Weise untersagt, ohnehin technisch verunmöglicht.

Die Verantwortung für die personelle und sächliche Ausstattung des Sozialgerichts … obliegt nicht mir.“

Mit Schreiben vom … forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, auch diese Passage zu löschen. Ferner kündigte er an, dass für den Fall weiterer Änderungen der Abwesenheitsnotiz eine unangekündigte Löschung der Passagen erfolgen sollte, die darauf abzielten, die Verwaltung herabzusetzen.

Am … stellte der Antragsgegner folgenden Inhalt der Abwesenheitsnotiz des Antragstellers fest:

„Vielen Dank für Ihre Mail. Im Moment halte ich mich nicht unmittelbar am Büro-Computerarbeitsplatz auf. Bitte bedenken Sie a) die exorbitante notstandsähnlich anmutende Überlastungssituation am SG …, b) die Oktroyierung spruchrichtertätigkeitsfremde Aufgaben wie Müllentsorgung (temporär) oder Botendienst (dauerhaft) sowie c) die eingeschränkte EDV-Funktionalität einschließlich dem Ausschluss sowohl einer Weiterleitung von E-Mails als auch einen Fernzugriff auf ebendiese. In bedeutsamen Angelegenheiten zögern Sie bitte nicht, mich direkt zu kontaktieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“

Der Antragsgegner löschte den dritten Satz dieser Abwesenheitsnotiz am …, nachdem er den Antragsteller zuvor am … über die beabsichtigte Löschung informiert hatte. Gleichzeitig teilte der Antragsgegner mit, dass er sich weitere Maßnahmen, u.a. den Entzug der Möglichkeit eine Abwesenheitsnotiz zu erstellen, vorbehalte.

Der Antragsteller hat unter dem … gegen die beiden Aufforderungen vom … und … sowie unter dem … gegen die Löschung vom … Widerspruch erhoben.

Die Widersprüche wies der Antragsgegner mit Bescheid vom … zurück. Soweit der Antragsteller sich gegen die Androhung des Entzuges der Möglichkeit einen Abwesenheitsassistenten einzurichten, wende, sei bisher keine Maßnahme getroffen worden. Es handele sich insoweit lediglich um einen Hinweis. Die angegriffenen Maßnahmen seien im Übrigen im Rahmen der Dienstaufsicht zulässig. Der Antragsteller sei zwar berechtigt, Kritik zu üben, nicht aber unsachliche bzw. überspitzte Kritik mittels des dienstlichen Aufgaben vorbehaltenen E-Mail-Programms. Dies stünde nicht im Einklang mit den Anforderungen an Mäßigung und Loyalität, die das Richteramt gebieten.

Der Antragsteller hat am … seinen Antrag beim Dienstgericht gestellt.

Der Antragsteller führt aus, der Antragsgegner habe die Kontrolle der E-Mails des Antragstellers unter Eindringen in dessen passwortgeschütztes E-Mailkonto ausgeführt. Es bestehe der konkrete Verdacht, dass der Antragsgegner auch von vorformulierten E-Mail-Entwürfen oder sogar gesendeten bzw. erhaltenen E-Mails Kenntnis erhalten bzw. diese mitgelesen hat. Weiterhin bestehe daher die Gefahr, dass diese E-Mails auf Übereinstimmung mit den Maßgaben des Antragsgegners überprüft würden.

Es handele sich um Maßnahmen der Dienstaufsicht gegen ihn als Richter. Es handele sich um einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Jedenfalls sei, da in seinem E-Mail-Account auch prozessleitende Verfügungen, Urteils- und Beschlussentwürfe, korrigierte Beschlüsse etc. enthalten seien, der relativ geschützte Randbereich richterlicher Tätigkeit verletzt. Rechtfertigende Gründe hierfür seien nicht ersichtlich. Die Maßnahmen des Antragsgegners seien jedenfalls geeignet, durch unzulässigen psychischen Druck unmittelbar oder mittelbar die richterliche Rechtsfindung zu beeinflussen. Aus Sorge vor einer unbemerkten inhaltlichen Kontrolle verzichte der Antragsteller auf die Nutzung des vom Dienstherren bereitgestellten E-Mail-Accounts, sodass eine solche Beeinflussung schon geschehen sei.

Auch gebe der Antragsgegner für seine Maßnahmen keine Begründung an, was diese rechtswidrig mache. Insbesondere seien die in den Abwesenheitsnotizen enthaltenen Äußerungen des Antragstellers nicht auf eine Herabsetzung der Verwaltung gerichtet.

Der Antragsgegner habe ferner keine Rechtsgrundlage für die vorgenommenen Maßnahmen. Eine solche ergebe sich insbesondere nicht aus der Dienstaufsicht. Die Kontrolle verstoße ferner gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Der Antragsteller hingegen sei aufgrund seiner Meinungsfreiheit und des Abwehrrechtes der richterlichen Unabhängigkeit berechtigt gewesen, die entsprechenden Passagen zu übermitteln. Diese hätten ohnehin nur Landesbedienstete erreichen können. Auch sei der Richterrat nicht beteiligt worden.

Der Antragsteller beantragt,

I. unter Aufhebung der Maßnahmen der Dienstaufsicht der Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom … (Az. …), vom … (Az. …), vom … (Az. …) und vom … in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg festzustellen, dass

1. die Maßnahmen der Dienstaufsicht von ihr im unmittelbaren Vorfeld des … und vom … (Az. …), im unmittelbaren Vorfeld des … und vom … (Az. …), vom …, … und vom … (Az. …) hinsichtlich der vom Antragsteller im E-Mail-Programm „Outlook“ hinterlegten an Landesbedienstete gerichteten vorformulierten E-Mails, und zwar

a) die Kenntnisverschaffung des Inhalts von an Landesbedienstete gerichteten vorformulierten E-Mails durch mehrfaches Eindringen in den (passwort)-geschützten Bereich der vom Dienstherrn zur Verfügung gestellten EDV bzw. auf Servern vorgehaltenen oder extern gespeicherten Daten,

b) deren mehrfache inhaltliche Kontrollen,

c) deren mehrfache Beanstandungen,

d) die Aufforderungen vom … und … zu deren Löschung bzw. zur Löschung von Passagen daraus,

e) die Ankündigung von deren Löschungen bzw. der Löschung von Passagen daraus,

f) die Ankündigung vom … für den Fall, dass er weiterhin an Landesbedienstete gerichtete vorformulierte E-Mails mit entsprechendem Inhalt verwende bzw. vorsehe, sich

aa) weitere Maßnahmen

bb) den Entzug der Möglichkeit zur Speicherung von an Landesbedienstete gerichteten vorformulierten E-Mails

vorzubehalten und

cc) die Veranlassung deren Löschung bzw. die Veranlassung der Löschung von Passagen daraus

2. die am … durchgeführte Zensur und damit verbundene Eindringen in den (passwort-)geschützten Bereich der vom Dienstherrn zur Verfügung gestellten EDV bzw. auf Servern vorgehaltenen oder extern gespeicherten Daten unzulässig gewesen sind,

II. festzustellen, dass ein Eindringen in den (passwort-)geschützten Bereich der vom Dienstherrn zur Verfügung gestellten EDV bzw. auf Servern vorgehaltenen, oder extern gespeicherten Daten und die dort hinterlegten E-Mails bzw. E-Mail-Passagen, deren inhaltliche Kontrolle, deren Beanstandung, Aufforderungen zu deren Löschung bzw. zur Löschung von Passagen daraus, Ankündigung weiterer Maßnahmen abhängig vom Inhalt der an Landesbedienstete gerichteten vorformulierten E-Mails, die Veranlassung von Löschung der an Landesbedienstete gerichteten vorformulierten E-Mails bzw. von Passagen daraus, sowie die Zensur von an Landesbedienstete gerichteten vorformulierten E-Mails unzulässig sind.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner führt aus, er sei nicht in das E-Mail-Konto des Antragstellers eingedrungen sondern sei auf die Abwesenheitsnotiz durch Herrn RLSG …, der den Antragsteller angeschrieben und dadurch die Abwesenheitsnotiz erhalten hätte, hingewiesen worden. Sodann sei diese durch die IT-Stelle am … abgefragt worden. Dies habe zum Schreiben vom … geführt. Am … sei eine weitere Abfrage durch die IT-Stelle erfolgt. Hieraus habe sich keine Veranlassung zu weiteren Maßnahmen ergeben. Nachdem im Oktober … Herr RLSG … erneut Kenntnis von einer Abwesenheitsnotiz des Antragstellers erhalten habe, habe die Präsidentin des Landessozialgerichts die Löschung dieser Passage am … in die Wege geleitet. Diese sei durch die IT-Stelle am … erfolgt.

Hierdurch sei nur der „Äußere Ordnungsbereich“ betroffen, ohne dass dieser verletzt worden wäre. Die Maßnahmen seien von der Dienstaufsicht gedeckt. Es sei keine inhaltliche Kontrolle der E-mails des Antragstellers erfolgt, auch kein Eindringen in den E-Mail-Account. Dementsprechend bestehe auch keine Wiederholungsgefahr i.S.d. Feststellungsantrages. Auch von einem „unzulässigen psychischen Druck“ könne daher keine Rede sein.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I. Der Antrag bleibt erfolglos.

1. Der Rechtsweg zu den Richterdienstgerichten ist eröffnet. Der Begriff „Maßnahme der Dienstaufsicht" im Sinne des § 26 Abs. 3 Deutsches Richtergesetz (DRiG) ist nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes im Interesse eines wirkungsvollen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit weit zu fassen. Es genügt jede Einflussnahme der Dienstaufsicht führenden Stelle, die sich auch nur mittelbar auf die Tätigkeit des Richters auswirkt. Erforderlich ist lediglich, dass ein konkreter Bezug zu der Tätigkeit des Richters besteht (BGH, Urteil vom 25. September 2002, RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282; Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731; Urteil vom 16. November 1990 - RiZ(R) 2/90, BGHZ 113, 36, 38 f.; Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ(R) 7/84, BGHZ 93, 238, 241).

Gegen sie kann mit der - nachvollziehbaren - Behauptung, sie verletze die richterliche Unabhängigkeit, das Richterdienstgericht angerufen werden, das darüber im Prüfungsverfahren entscheidet, vgl. § 65 Nr. 4 lit. f des Richtergesetzes des Landes Brandenburg (BbgRiG).

Die Prüfungskompetenz der Richterdienstgerichte beschränkt sich auf die Frage, ob die angegriffene Maßnahme der Dienstaufsicht die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt (§ 26 Abs. 3 DRiG). Die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit anderen Gesetzen und Rechtsvorschriften, insbesondere datenschutzrechtlichen Bestimmungen nachzuprüfen, ist den - vom Antragsteller ebenfalls angerufenen - Verwaltungsgerichten vorbehalten (BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 – RiZ (R) 3/83 –, BGHZ 90, 41, 48 ff.; BGH, Urteil vom 14. Januar 1991 - RiZ (R) 5/90, NJW 1992, 46, 47 = DRiZ 1991, 288, 290; BVerwG, Urteil vom 09. Juni 1983 – 2 C 34/80 –, BVerwGE 67, 222-234; BGH, Urteil vom 24. November 1994 – RiZ (R) 4/94 –, Rn. 17, juris).

2. Die hier angegriffene Vielzahl von Maßnahmen, die sich aus den Anträgen I. Nr. 1 a-f und I. 2 ergibt, verletzt den Antragsteller nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit.

Nicht jede Maßnahme der Dienstaufsicht stellt einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit dar. § 26 Abs. 1 DRiG geht vielmehr davon aus, dass die richterliche Amtstätigkeit in Teilbereichen der Dienstaufsicht zugänglich ist. Ausfluss der Dienstaufsicht ist die Beobachtungsfunktion. Die dienstaufsichtführende Stelle kann ihre Aufgabe, eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten und die Einhaltung der Dienstpflichten zu kontrollieren, nur erfüllen, wenn sie befugt ist, sich durch ständige Beobachtung des Dienstbetriebs, der Geschäftslage, aber auch der Arbeit der Richter zu informieren (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 1990 – RiZ (R) 1/90 –, BGHZ 112, 189, 193). Diese Befugnis umfasst auch das Recht, den Gebrauch von Telefonanlagen, technischen Geräten und anderen Arbeitsmitteln zu beobachten, etwa um einer missbräuchlichen Benutzung für private Zwecke vorzubeugen und unnötige Kosten zu vermeiden (vgl. so ausdrücklich zur Beobachtung der Nutzung der dienstlichen Telefonanlage: BGH, Urteil vom 24. November 1994 – RiZ (R) 4/94 –, NJW 1995, 731, 732). Die Dienstaufsicht umfasst die Befugnis zur Überprüfung, ob ein Richter von den ihm überlassenen Arbeitsmitteln ausschließlich für dienstliche Zwecke Gebrauch macht, sofern die Kontrolle nicht eine Intensität erreicht, die den Richter veranlassen könnte, von dem Arbeitsmittel zur Erledigung seiner Aufgaben nicht in dem von ihm für notwendig erachteten Umfang Gebrauch zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1994, a.a.O.). Der Dienstherr muss deshalb grundsätzlich auch etwa die Möglichkeit haben, den äußeren Gebrauch des EDV-Netzes insbesondere im Hinblick auf die Nutzung des Internets oder die Einstellung dienstfremder Dateien durch Anfragen bei den Administratoren zu überwachen (Hessischer Dienstgerichtshof für Richter, Urteil vom 20. April 2010 – DGH 4/08 –, Rn. 75, juris).

Beschränkt sich die dienstaufsichtführende Stelle auf die bloße Beobachtung, so wird die richterliche Unabhängigkeit grundsätzlich nicht beeinträchtigt. Deren Verletzung kommt jedoch in Betracht, wenn mit der Beobachtung Maßnahmen verbunden sind, die dazu bestimmt oder geeignet sind, die richterliche Rechtsfindung durch psychischen Druck oder auf andere Weise unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen. Ausgehen kann ein solcher Einfluss auch von Anordnungen der Dienstaufsicht im Zusammenhang mit der Benutzung der Telefonanlage oder anderer Geräte und Hilfsmittel, die der Richter für seine Arbeit benötigt. In den Schutzbereich der richterlichen Unabhängigkeit sind nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes nämlich nicht nur die Endentscheidung, sondern alle der Rechtsfindung auch nur mittelbar dienenden - vorbereitenden und nachfolgenden - Sach- und Verfahrensentscheidungen einbezogen (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1963 – RiZ 1/62 –, BGHZ 42, 163, 169; BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 – RiZ (R) 3/83 –, BGHZ 90, 41, 45; BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 – RiZ (R) 7/84 –, BGHZ 93, 238, 243 m.w.N.). Zu diesen gehören etwa Terminsbestimmungen, die Einholung von Auskünften, die Förderung von Vergleichsverhandlungen sowie Maßnahmen zur Vorbereitung von Verhandlungsterminen. Dazu gehören auch von einem Richter zur Vorbereitung seiner Entscheidung angefertigte und in das EDV-Netz gestellte Dokumente, z.B. Entscheidungsentwürfe, Voten, Notizen oder Vermerke über Beratungen. Maßnahmen der Dienstaufsicht, die einen Richter veranlassen können, seinen Dienstcomputer und das EDV-Netz zur Erledigung dieser oder anderer richterlicher Aufgaben nicht in dem von ihm für sachgerecht gehaltenen Umfang zu benutzen, können die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 06. Oktober 2011 – RiZ (R) 7/10 –, Rn. 28, juris; vgl. zudem für die Nutzung von Telefonanlagen BGH, Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731, 732).

An diesen Maßstäben ausgerichtet, betreffen die angegriffenen Maßnahmen den Antragsteller nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit.

Zunächst ist insoweit der Sachverhalt klarzustellen: Die Präsidentin des Landessozialgerichts hat Kenntnis von den ersten Abwesenheitsnotizen des Antragstellers nicht durch ein wie auch immer geartetes Eindringen in das E-Mail-Benutzerkonto des Antragstellers erlangt. Es entspricht der Natur einer Abwesenheitsnotiz, dass diese bei Anschreiben des Benutzers an den Absender mitgeteilt wird. Teilweise geschieht dies durch eine entsprechende (Rück-)E-Mail des Empfängers, die vom Antragsteller zutreffend als „vorformulierte E-Mail“ bezeichnet wird. Teilweise ist dies aber bereits gar nicht notwendig. Bereits das Eintippen der E-Mail-Adresse des Benutzers einer Abwesenheitsnotiz im Adressfeld führt etwa bei Outlook 2016 dazu, dass dem Absender die Abwesenheitsnotiz angezeigt wird. Jedenfalls bedarf es für die Kenntnisnahme nicht des Eindringens in das Benutzerkonto. Diese ist hier auch zum ersten nicht erfolgt. Vielmehr ist die Präsidentin des Landessozialgerichts durch den RLSG …, der seinerseits eine E-Mail an den Antragsteller gerichtet hatte und dadurch die Abwesenheitsnotiz automatisiert durch das E-Mail-Programm erhalten hat, hierauf unter dem … hingewiesen worden. Die entsprechenden E-Mails des RLSG … hat der Antragsgegner dem Gericht vorgelegt.

Zu einem späteren Zeitpunkt (…, … und …) hat die IT-Stelle der Präsidentin des Landessozialgerichts technisch auf das Benutzerkonto des Antragstellers zugegriffen. Auch hierfür war ein „Eindringen in das (passwort-)geschützte“ E-Mail-Konto des Antragstellers nicht in der Form nötig, wie er es meint. Aus technischen Gründen steht die gesamte EDV der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Brandenburg unter der Kontrolle einer IT-Stelle. Dies bedeutet, dass es mit Administratorrechten ausgestattete Personen in der IT-Verwaltung gibt, die vollständigen Zugriff auf den Dienstcomputer des Richters erlangen können. Wie der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht dargelegt hat, ist aber insbesondere eine Steuerung und Beobachtung des Geschehens auf dem Dienstrechner des Richters nur mit dessen ausdrücklicher Zustimmung auf Anfrage der IT-Stelle technisch überhaupt möglich. Gleichzeitig gibt es Einstellungen auf dem Dienstcomputer, die der Richter nicht ändern oder beeinflussen kann. Dazu gehören bspw. die zur Verfügung gestellten Browser für die Internetnutzung. Hintergrund dieser Organisation, ist zum einen, dass der Richter nicht im Vakuum arbeitet. Vielmehr muss er seine Urteile, Verfügungen usw. seiner Geschäftsstelle übermitteln. Dies funktioniert dadurch, dass Richter und Geschäftsstelle dieselbe digitale Umgebung, nämlich das zur Erstellung von Urteilen bereitgestellte Programm teilen. Die darin erstellten Urteile sind auf einem Laufwerk gespeichert, auf die sowohl Geschäftsstelle(n) als auch Richter Zugriff haben. Um einen entsprechenden Ablauf zu ermöglichen ist daher eine gemeinsame, insbesondere miteinander kompatible EDV notwendig. Ferner sprechen Sicherheitsgründe dafür, dass der einzelne Nutzer – hier der Richter – im Hinblick auf seine technischen Nutzungsmöglichkeiten des Dienstcomputers nicht völlig frei ist. Schließlich besteht die technische Notwendigkeit regelmäßig einheitliche Updates, Reparaturen usw. für die Dienstcomputer durchzuführen, wozu die IT-Stelle und die dort arbeitenden Personen mit Administratorrechten ebenfalls (uneingeschränkten) Zugriff auf die Dienstcomputer bedürfen. Eine solche Organisation ist grundsätzlich auch nicht zu beanstanden (vgl. Hessischer Dienstgerichtshof für Richter, Urteil vom 20. April 2010 – DGH 4/08 –, juris; nachgehend: BGH, Urteil vom 06. Oktober 2011 – RiZ (R) 7/10 –, Rn. 31, juris). Auch der Antragsteller stellt letztlich die Notwendigkeit und rechtliche Zulässigkeit der Existenz eines Administrators mit entsprechenden umfassenden Zugriffsrechten nicht in Frage. Eine von der technischen Möglichkeit getrennte Frage ist die der rechtlichen Berechtigung für den Zugriff (vgl. dazu unten). Dementsprechend musste die IT-Stelle hier nicht „Eindringen“. Vielmehr hat sie aufgrund ihrer Administratorrechte ohnehin technischen Zugriff.

Die hier allein streitgegenständlichen, „vorformulierten E-Mails“ in Form eines Abwesenheitsassistenten bzw. in Outlook 2010 und 2016 als „Automatische Antworten“ bezeichneten Funktion, betreffen nicht die richterliche Unabhängigkeit. Ihr Zweck ist es einen Absender, der sich an den Benutzer dieser Funktionen wendet, automatisiert einen entsprechenden vorformulierten Text zuzusenden. Dieser enthält regelmäßig die Information, dass der Benutzer im Urlaub oder anderweitig verhindert und erst zu einem bestimmten Datum wieder zurück ist. Der Benutzer kann aber auch – was streitgegenständlich Stein des Anstoßes ist – weitere inhaltliche Ausführungen hinzufügen.

Mit richterlicher Tätigkeit hat diese Funktion nichts gemein. Weder hat der Richter einen Anspruch auf ihre Verwendung, noch ist es Teil seiner richterlichen Unabhängigkeit diese Funktion in einer bestimmten Art und Weise zu verwenden.

Insoweit sind verschiedene Aspekte zu betrachten:

a) Die E-Mail-Kommunikation ist nicht Teil der Verfahrensordnungen, weder der Sozialgerichtsbarkeit noch der anderen Gerichtsbarkeiten. Das vom Dienstherrn zur Verfügung gestellte E-Mail-Benutzerkonto und das Programm Outlook können daher vom Richter nicht prozessordnungskonform zur Kommunikation mit den Beteiligten genutzt werden. Sie können zulässigerweise ausschließlich zur (gerichts-)internen Kommunikation eingesetzt werden. So ist es etwa denkbar, dass ein Richter, der einem mit Berufsrichtern besetzten Spruchkörper angehört, sich mit diesen über E-Mail über einen Rechtsstreit austauscht oder auch seiner Geschäftsstelle Verfügungen zusendet oder ähnliche, letztlich auf die Förderung von Verfahren gerichtete Tätigkeiten entfaltet. Genauso denkbar ist es, dass er sein E-Mail-Benutzerkonto von der Richtertätigkeit ferne Aufgaben, etwa im Rahmen einer ihm zufallenden Verwaltungstätigkeit nutzt. Schließlich mag er es auch – unabhängig davon, ob er nach den einzelnen Regelungen dazu berechtigt ist – dafür nutzen, gänzlich außerhalb seiner beruflichen (d.h. Richter- oder Verwaltungs-) Tätigkeit liegende Angelegenheiten zu erledigen.

b) Für die hier allein interessierende richterliche Tätigkeit mag ein E-Mail-Benutzerkonto nützlich und dem Richter zur Verfügung zu stellen sein. Dies gilt aber nicht für die Abwesenheitsnotiz oder die „automatische Antwort“. Diese ist zur Wahrnehmung von Aufgaben richterlicher Tätigkeit schon abstrakt schlechterdings ungeeignet. Die reine Anzeige der Nichtanwesenheit, ist kein Teil der richterlichen Tätigkeit mehr und evident nicht von der richterlichen Unabhängigkeit geschützt, zumal dann wenn – wie beim Antragsteller – gar keine Abwesenheit vorliegt, sondern er sich vielmehr im Dienst befindet, nur auf E-Mails wegen von ihm selbst angenommener anderweitiger Tätigkeit bzw. Überlastung nicht antworten kann oder will. Die Nutzung einer Abwesenheitsnotiz oder einer „automatischen Antwort“ ist keine der Rechtsfindung auch nur mittelbar dienende - vorbereitende oder nachfolgende - Sach- und Verfahrensentscheidung. Zu diesen gehören etwa Terminsbestimmungen, die Einholung von Auskünften, die Förderung von Vergleichsverhandlungen sowie Maßnahmen zur Vorbereitung von Verhandlungsterminen. Mit diesen beispielhaft aufgezählten Handlungen hat die „automatische Antwort“, die sich in der reinen Wiedergabe eines vorgefertigten Textes an jeden den Nutzer Anschreibenden erschöpft, offenkundig nichts gemein. Es ist in Outlook noch nicht einmal möglich, dies zielgerichtet – etwa nur an einen bestimmten Nutzer – zu richten. Vielmehr geht die „automatische Antwort“ entweder an alle Anschreibenden oder an die „innerhalb der Organisation“ des Nutzers, hier mithin an alle Anschreibenden, die sich eines von Sozialgerichtsbarkeit des Landes Brandenburg zur Verfügung gestellten E-Mail-Kontos bedienen. Der Richter kann also nicht einmal technisch steuern, wem er „automatisch“ antwortet.

c) Auch im konkreten Fall bestätigt der vorstehende Befund, dass die „automatische Antwort“ keinerlei Tätigkeit im Kernbereich richterlicher Unabhängigkeit oder auch nur im Randbereich betrifft. Der Antragsteller hat die Funktion keineswegs dafür genutzt, Verfahren vorzubereiten oder insoweit Tätigkeiten zu entfalten. Vielmehr nutzte er sie dafür, seine Kritik an den Arbeitsbedingungen bzw. seiner Belastung u.Ä. Ausdruck zu verleihen.

3. Auch der Antrag zu II. bleibt erfolglos. Der Antragsgegner ist freilich nicht berechtigt, in das E-Mail-Konto des Antragstellers einzudringen und etwaig – von den vorstehend behandelten Abwesenheitsnotizen verschiedene - E-Mails zu löschen. Insoweit fehlt dem Antragsteller indes das Feststellungsinteresse, da dies nicht erfolgt ist. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, sind die in einem Abwesenheitsassistenten eingerichteten automatischen Nachrichten, nicht mit Entwürfen oder gesendeten bzw. empfangenen E-Mails vergleichbar. Der Antragsgegner hat insoweit in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche Frage des Gerichts mitgeteilt, dass auch nur ein Lesen der E-Mails des Antragstellers, geschweige denn ein Löschen, nicht erfolgt sei. Hinzukommt, dass der Antragsgegner auch mitgeteilt hat, dass mit dem Update im Jahr 2019/2020 der Zugriff auf das E-Mail-Konto, inklusive des „Abwesenheitsassistenten“ direkt technisch nicht mehr möglich ist. Insoweit bestünde zwar die Option diese technische Möglichkeit wiederherzustellen, davon werde aber derzeit kein Gebrauch gemacht und dies würde eine entsprechende Abstimmung mit der Justizverwaltung voraussetzen.

Nur klarstellend ist insoweit auf Folgendes hinzuweisen: Der Dienstherr ist berechtigt im Rahmen der Dienstaufsicht gemäß § 26 Abs. 1 DRiG bei einem entsprechenden Anlass auch das E-Mail-Konto des Richters im Rahmen der Beobachtungsfunktion zu überwachen. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein konkreter Anlass zu der Annahme besteht, der Richter würde das ihm zur Verfügung gestellte E-Mail-Konto missbrauchen (etwa durch Versendung von illegalen, pornographischen oder technisch schädlichen, etwa virusbehafteten E-Mails). Dann entspricht es der Berechtigung des Dienstherren, zu überprüfen, ob diese Annahme zutrifft und wenn dem so ist, entsprechende Maßnahmen gegen den Richter zu ergreifen. Insbesondere wäre der Dienstherr in so einem Fall, der Natur der Sache entsprechend, auch berechtigt den Inhalt der E-Mails zu kontrollieren. Dabei ist es grundsätzlich möglich, dass die inhaltliche Kontrolle von empfangenen, entworfenen oder gesendeten E-Mails des Richters, die sich in seinem E-Mail-Konto befinden – anders als die Kontrolle der hier streitigen Abwesenheitsnotiz, wie vorstehend ausgeführt – auch die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen. Denn anders als die Abwesenheitsnotiz kann die normale E-Mail-Funktion durchaus für richterliche Handlungen genutzt werden, die dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit unterfallen, etwa der Vorbereitung von Entscheidungen, des Austausches mit Kollegen im Hinblick auf zu entscheidende Rechtsfälle, des Austausches von Voten, Verfügungen, Beweisbeschlüssen u.ä. Inwieweit insoweit der Kernbereichsschutz absolut ist und jede Maßnahme der Dienstaufsicht ausschließt, insbesondere bei Missbrauch des Arbeitsmittels durch den Richter (vgl. zuletzt: BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – RiZ (R) 3/20 –, juris), kann hier offenbleiben.

Nicht vergönnt ist es dem Dienstherren demgegenüber, eine solche Kontrolle ins Blaue hinein, anlasslos oder gar im Sinne einer Dauerüberwachung durchzuführen. Genauso verhält es sich mit den weiteren Maßnahmen. Der Dienstherr ist etwa – unabhängig von seiner Beobachtungsberechtigung – berechtigt notwendige technische Änderungen am E-Mail-Konto des Richters durchzuführen. Dazu gehören etwa Updates, Reparaturen oder aus Sicherheitsgründen notwendige Einstellungen und Beschränkungen. Hat der Dienstherr einen inhaltsbezogenen Anlass, etwa der angesprochene (auf Tatsachen gestützte) Verdacht der Nutzung des E-Mail-Kontos zu illegalen Zwecken, so darf er in jenem Fall auch die weiteren Mittel der Dienstaufsicht anwenden, ohne damit die richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Selbstredend darf er dies – wie auch bei einer Telefonüberwachung – nicht heimlich tun. Spiegelbildlich hierzu gilt, dass der Dienstherr ohne einen wie zuvor skizzierten Anlass weder zur Beobachtung, noch zur inhaltlichen Kontrolle, noch zur Löschung, Beschränkung oder Entzug des E-Mail-Kontos berechtigt ist. Dass ihm dies technisch möglich ist, versteht sich aufgrund der – nicht zu beanstandenden - technischen Bedingungen, nach denen die EDV und damit auch jedes E-Mail-Konto vom Dienstherren betrieben wird, was notwendig Zugriffsrechte von Administratoren voraussetzt, von selbst.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

IV. In Prüfungsverfahren ist die zulassungsfreie Berufung das zutreffende Rechtsmittel (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2000 – RiZ (R) 4/99 –, BGHZ 144, 123-133).